Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StPO

Besitz von kinderpornografischen Inhalten, Berufungsbeschränkung, Wirksamkeit, Urteilsgründe, konkrete Feststellungen

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 16.12.2024 -203 StRR 589/24

Leitsatz des Gerichts:

Eine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt im Falle einer Verurteilung nach § 184b StGB voraus, dass sich dem Urteil hinreichende Ausführungen zum Inhalt der Abbildung entnehmen lassen. Der Verweis auf den gesetzlichen Tatbestand genügt den Anforderungen an eine Urteilsbegründung nicht. Wird ein Angeklagter wegen mehrerer selbstständiger Straftaten verurteilt, so müssen die einzelnen Taten so hinreichend dargestellt werden, dass das Revisionsgericht in Bezug auf jede einzelne Tat in der Lage ist zu prüfen, ob sie den Straftatbestand in objektiver und in subjektiver Hinsicht erfüllt.


Bayerisches Oberstes Landesgericht
203 StRR 589/24

In dem Strafverfahren
gegen pp.

wegen Besitzes von kinderpornographischen Inhalten

erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht - 3. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 16. Dezember 2024 folgenden

Beschluss

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 5. August 2024 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht – Schöffengericht – Nürnberg hat den Angeklagten am 5. März 2024 wegen des Besitzes kinderpornographischer Inhalte und des Drittverschaffens kinderpornographischer Inhalte in 11 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte am 12. März 2024 Berufung eingelegt. Der Verteidiger wie auch der Angeklagte haben in der Hauptverhandlung die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Beschränkung der Berufung als wirksam erachtet und mit Urteil vom 5. August 2024 das Rechtsmittel als unbegründet verworfen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 9. August 2024 Revision eingelegt. In den Revisionsbegründungen vom 9. August 2024 und vom 5. September 2024 rügt er ausgeführt die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Stellungnahme vom 5. November 2024, die Revision des Angeklagten kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die nach §§ 333, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge einen vorläufigen Erfolg. Das Urteil weist einen durchgreifenden sachlich-rechtlichen Mangel auf, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen ist und davon abgesehen hat, die erforderlichen Feststellungen zum Schuldspruch selbst zu treffen.

1. Ob die Beschränkung einer Berufung wirksam ist, hat das Revisionsgericht aufgrund der Sachrüge von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 09. Februar 2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 3).

2. Eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist grundsätzlich zulässig. Die Regelung von § 318 Satz 1 StPO sieht vor, den Gestaltungswillen des Anfechtenden im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Sie erweist sich jedoch als unzulässig, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so knapp sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen und die erstinstanzlichen Feststellungen deshalb keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können oder unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (st. Rspr., vgl. Senat a.a.O. Rn. 4; BGH, Beschluss vom 27. April 2017 – 4 StR 547/16 –, BGHSt 62, 155, juris Rn. 20 m.w.N.; KK-StPO/Paul, 9. Aufl., § 318 Rn. 7 ff., m.w.N; Gössel in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 318 Rn. 47 ff.; BeckOK StPO/Eschelbach, 53 Ed. 1.10.2024, StPO § 318 Rn. 21; Quentin in MK-StPO, 2. Aufl., § 318 Rn. 35 ff.).

3. Gemessen daran erweist sich die Beschränkung der Berufung hier als unwirksam. Die Feststellungen des Tatrichters sind zu lückenhaft, um den Schuldspruch zu tragen und die Nachprüfung des Strafausspruchs zu ermöglichen.

a) Bezüglich der jeweils als selbständige Tat abgeurteilten Weitergaben von Dateien lassen sich weder dem Urteil des Amtsgerichts noch dem Erkenntnis des Landgerichts hinreichende Ausführungen zum Inhalt der jeweiligen Abbildung entnehmen. Der Verweis auf den gesetzlichen Tatbestand genügt den Anforderungen an eine Urteilsbegründung nicht. Denn nach § 267 Abs. 1 S. 1 StPO müssen die Urteilsgründe im Falle einer Verurteilung die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Ein Geständnis des Angeklagten entbindet das Gericht nicht von der Notwendigkeit, eigene tatsächliche Feststellungen zu treffen und diese sodann rechtlich zu bewerten. Wird ein Angeklagter wegen mehrerer selbstständiger Straftaten verurteilt, so müssen die einzelnen Taten so hinreichend dargestellt werden, dass das Revisionsgericht in Bezug auf jede einzelne Tat in der Lage ist zu prüfen, ob sie den Straftatbestand in objektiver und in subjektiver Hinsicht erfüllt.

b) Daraus folgt, dass die Urteilsgründe im Falle einer – tatmehrheitlichen - Verurteilung nach § 184b StGB die wesentlichen Inhalte der jeweiligen kinderpornografischen Inhalte wiedergeben müssen; hierzu gehört zumindest eine Beschreibung der Art der sexuellen Handlung (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2023 – 5 StR 55/23, juris Rn. 3 und vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12 m.w.N; OLG Celle, Beschluss vom 28. Mai 2024 – 1 ORs 13/24 –, juris Rn. 21; OLG Oldenburg, Beschluss vom 3. Mai 2023 – 1 ORs 85/23 –, juris Rn. 10). Zwar ist es beim Vorliegen einer großen Menge von Video- und Bildaufnahmen nicht erforderlich, in den Urteilsgründen jede einzelne zu beschreiben; zumindest für eine exemplarische Auswahl der Aufnahmen sind aber konkrete Feststellungen zu den sexuellen Handlungen geboten (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12; OLG Oldenburg a.a.O. Rn. 10; OLG Celle a.a.O. Rn. 21). Möglich wäre auch eine Bezugnahme auf in den Akten befindliche Abbildungen gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12).

c) Im vorliegenden Fall kann die exemplarische Darstellung von 5 Bilddateien und 2 Videodateien den insgesamt 11 Fällen des Drittverschaffens kinderpornographischer Inhalte nicht zugeordnet werden. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass bezüglich der beiden Taten vom 30. Juni 2021 auch zu prüfen wäre, ob insoweit eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat im materiellrechtlichen Sinn vorliegt (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2023 – 3 StR 123/23 –, juris Rn. 18).

d) Nachdem das Amtsgericht die notwendigen Feststellungen versäumt hatte, hätte die Berufungskammer entsprechende eigene Feststellungen nachholen müssen.

e) Der Schuldspruch wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte kann isoliert ebenfalls keinen Bestand haben.

aa) Falls der Angeklagte über die im Zeitraum vom 23. Juni 2021 bis zum 2. Juli 2021 versandten Dateien noch am 8. Juli 2021 verfügte und einzelne Taten des Sichverschaffens nicht feststellbar sind, wäre die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, nach der bei gleichzeitigem Besitz von veröffentlichten oder in sonstiger Weise anderen zugänglich gemachten kinderpornographischen Inhalten und weiterem, darüberhinausgehend gespeicherten verbotenen Material eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen Besitzes ausscheidet (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2024 – 1 StR 239/24, BeckRS 2024, 21328 Rn. 3 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 28. Juni 2023 – 3 StR 123/23 –, juris Rn. 19 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21 –, juris Rn. 6). Zwischen dem Dauerdelikt des Besitzes und dem Verbreitungs- oder Verschaffungsdelikt ist Tateinheit anzunehmen, wenn der Besitz in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten oder Verschaffen erforderlichen Besitz hinausgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 2 StR 321/19 –, juris; NK-StGB/Papathanasiou, 6. Aufl. 2023, StGB § 184b Rn. 55; BeckOK StGB/Ziegler, 63. Ed. 1.11.2024, StGB § 184b Rn. 30).

bb) Nur wenn der Angeklagte die versandten Dateien am 8. Juli 2021 nicht mehr im Besitz hatte, könnten die Versendungsdelikte zueinander und zum späteren Besitz gesonderter Dateien im Verhältnis der Tatmehrheit stehen.

4. Aufgrund der aufgezeigten Mängel ist das angefochtene Urteil auf die Revision des Angeklagten mitsamt seinen Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere (kleine) Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.


Einsender: 3. Strafsenat des BayObLG

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".