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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung, Zulässigkeit, Beiordnungsgrund, Betreuung, zeitnahe Einstellung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Zweibrücken, Beschl. v. 18.07.2024 - 1 Qs 53/24

Eigener Leitsatz:

1. Die Kammer hält daran fest, dass die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht zulässig ist.
2. Es besteht keine Pflicht, die Frage der Zulässigkeit einer rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung, dem EuGH vorzulegen.
3. Auch wenn der Beschuldigte unter Betreuung steht, was regelmäßig zu einer Beiordnung gemäß § 140 Abs. 2 StPO führt, ist eine Unfähigkeit der Selbstverteidigung nicht ersichtlich, wenn das Verfahren unmittelbar nach dem Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft aufgrund eines Verfahrenshindernisses ohne weitere Ermittlungen eingestellt worden ist.


1 Qs 53/24

Landgericht Zweibrücken

Beschluss

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Unterschlagung

hier: sofortige Beschwerde des Wahlverteidigers

hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin am 18.07.2024 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zweibrücken vom 10.05.2024 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschuldigte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Kammer vertritt weiterhin die Auffassung, dass eine rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers rechtlich nicht möglich ist. Gründe für eine Änderung der Rechtsprechung der Kammer (Beschluss v. 5.9.2023 - 1 Qs 28/23) sind nicht ersichtlich. Die Rechtsprechung ist zwar nicht einheitlich, die überwiegende Auffassung lehnt jedoch eine rückwirkende Bestellung ab (vgl. zum Streitstand LG Leipzig, NStZ 2024, 190, 191 Rn 17+18; LG Augsburg Beschl. v. 11.4.2024 – 1 Qs 58/24, BeckRS 2024, 7945 Rn. 12+13 jew. mwN). Insoweit sprechen aus Sicht der Kammer weiterhin die besseren Gründe gegen eine rückwirkende Bestellung (vgl. Insoweit die von der Kammer geteilten Ausführungen des LG Augsburg aaO Rn. 17 ff; s.a. LG Leipzig aaO Rn. 24 ff).

Es besteht aus Sicht der Kammer auch keine Vorlagepflicht zum EuGH, wie sie der Beschwerde-führer geltend macht. Denn die durch die Kammer vorgenommene Auslegung von Art. 4 der PKH-Richtlinie (EU 2016/1919) ist eindeutig (so auch LG Münster Beschl. v. 4.4.2023 – 9 Qs-62 Js 10028/22-62/22, BeckRS 2023, 9533 Rn. 4).

Doch selbst wenn man die Möglichkeit einer rückwirkenden Beiordnung bejahen würde, so ist - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft - kein Fall einer notwendigen Verteidigung gegeben. Insoweit hat die Staatsanwaltschaft ausgeführt:

„Wenngleich der Beschuldigte unter Betreuung steht, was regelmäßig zu einer Beiordnung gemäß § 140 Abs. 2 StPO führt, ist vorliegend eine Unfähigkeit der Selbstverteidigung dennoch nicht ersichtlich. Da das Verfahren unmittelbar nach dem Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft aufgrund eines Verfahrenshindernisses ohne weitere Ermittlungen eingestellt worden ist, mithin eine Verteidigung gegenüber des - äußerst überschaubaren und geringfügigen - Vorwurfs, nicht erforderlich war, erforderte das individuelle Schutzbedürfnis des Beschuldigten in der konkreten Fallgestaltung keine Beiordnung eines Pflichtverteidigers.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich die Kammer vollumfänglich an, sie werden durch die Stellungnahme des Beschwerdeführers hierzu nicht erschüttert. Gesetzlich ist es irrelevant, ob eine „Einladung zur Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei sehr bedrückend“ für den Beschuldigten wirkt. Eine solche Reaktion ist sowohl für geistig gesunde als auch psychisch kranke Menschen in gleicher Weise möglich, sie ist jedoch kein Maßstab für die Frage der Notwendigkeit einer Beiordnung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA P. Feth, Landstuhl

Anmerkung:


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