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Entscheidungen

OWi

Rechtlicher Hinweis, Abwesenheitsverhandlung, Geschwindigkeitsüberschreitung, Vorsatz, Fahrlässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.02.2025 - 1 ORbs 4/25

Eigener Leitsatz:

Hat das Bußgeldgericht den Betroffenen und seinen Verteidiger in der Ladungsverfügung auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen grober Fahrlässigkeit hingewiesen, nicht aber auf eine solche wegen Vorsatzes, darf der Betroffene mit Blick auf diesen Hinweis darauf vertrauen, nicht wegen einer Vorsatztat verurteilt zu werden.
Die „Erörterung der Vorsatzproblematik" in der Hauptverhandlung ist nicht geeignet, das rechtliche Gehör des Betroffenen zu wahren, wenn dieser war mit Blick auf die antragsgemäß beschlossene Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung berechtigt nicht erschienen.


Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

In dem Bußgeldverfahren gegen

Verteidiger:

wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften

hat das Brandenburgische Oberlandesgericht -1. Senat für Bußgeldsachen - durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin am 10. Februar 2025 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 26. September 2024 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Oranienburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Zentraldienst der Polizei des Landes Brandenburg - Zentrale Bußgeldstelle - verhängte mit Bescheid vom 13. Februar 2024 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 42 km/h ein Bußgeld in Höhe von 385,00 € und - unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG - ein einmonatiges Fahrverbot. Bei der Bemessung des Bußgeldes legte die Behörde die für fahrlässige Begehungsweise (§ 1 Abs. 2 S. 2 BKatV) vorgesehene Regelbuße von 320,00 gemäß Ziffer 11.3.7 des Anhangs zu Nummer 11 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 BKatV zugrunde und erhöhte diese aufgrund mehrerer Voreintragungen des Betroffenen im Fahreignungsregister auf 385,00 €.

Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein. Das Amtsgericht Oranienburg bestimmte Hauptverhandlungstermin für den 26. September 2024. Mit der Ladung wies das Bußgeldgericht den Betroffenen und seinen Verteidiger gemäß §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, 265 StPO darauf hin, dass „im Hinblick auf den nach dem Messprotokoll vor der Messstelle vorhandenen Geschwindigkeitstrichter im Falle der Verurteilung auch die Annahme von grober Fahrlässigkeit und dann eine höhere Geldbuße als im Bußgeldbescheid in Betracht kommt".

Zum Hauptverhandlungstermin am 26. September 2024 erschienen weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Da dieser im Vorfeld einen entsprechenden Antrag gestellt hatte, entband der Bußgeldrichter den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen und verhandelte in seiner Abwesenheit zur Sache. Im Verhandlungsprotokolls heißt es: „Die Vorsatzproblematik wurde erörtert und im Hinblick auf die qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitung von über 50 % im Bereich des Autobahndreiecks Havelland (besondere Gefährdung dort bei derartigen Überschreitungen) als hier vorliegend mitgeteilt. ...".

Am Schluss der Hauptverhandlung verkündete der Bußgeldrichter sein Urteil, mit dem er gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 42 km/h ein Bußgeld in Höhe von 640,00 € festsetzte und ihm für die Dauer von einem Monat untersagte, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner unter dem 30. Oktober 2024 bei dem Amtsgericht angebrachten Rechtsbeschwerde, die er nach am 29. Oktober 2024 erfolgter Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe an seinen Verteidiger mit Anwaltsschriftsatz vom 27. November 2024, der am selben Tag bei dem Amtsgericht einging, begründet hat. Er rügt mit näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts und macht insbesondere geltend, das Bußgeldgericht habe ihm rechtsfehlerhaft keinen Hinweis auf eine mögliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehungsweise erteilt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg macht mit ihrer Stellungnahme vom 09. Januar 2025 geltend, die Begründung der Rechtsbeschwerde sei entgegen § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG in Verbindung mit § 32 d S. 3 StPO nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden, sondern per Einwurf-Einschreiben. Sie beantragt deshalb, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Der Betroffene hat hierzu mit Anwaltsschriftsatz vom 20. Januar 2025 Stellung genommen.

II.

1. Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in zulässiger Form erhoben und begründet worden. Sowohl die Rechtsmittelschrift als auch die Begründungsschrift sind entsprechend §§ 79 Abs, 3 S. 1 OWiG, 32 d S. 2 StPO als elektronisches Dokument an das Amtsgericht übermittelt worden. Das ergibt zweifelsfrei aus den diesbezüglichen Übermittlungsberichten (BI. 48 und 70 d. A.). Da ferner die Erfordernisse der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO eingehalten worden sind, ist die Rechtsbeschwerde insgesamt zulässig.

2. In der Sache hat sie - vorläufig - Erfolg. Der Betroffene dringt mit seiner Verfahrensrüge einer Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch.

a) Der Betroffene hat mit seiner Beschwerdebegründung in einer den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise vorgetragen, dass der Bußgeldrichter ihn nicht auf eine mögliche Verurteilung wegen Vorsatzes hingewiesen habe.

b) Eines solchen Hinweises auf die Änderung der Schuldform (Vorsatz statt Fahrlässigkeit) bedurfte es gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 265 StPO. Auf eine Änderung der Schuldform muss hingewiesen werden (BGH VRS 49, 184; OLG Braunschweig NStZ-RR 2002, 179; OLG Oldenburg StraFo 2011, 401; OLG Jena, Beschluss vom 30. Oktober 1996, 1 Ss 171/96, Juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, zu § 265, Rz. 11).

Der Hinweis war hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Die Bußgeldbehörde hatte in ihrem Bescheid zwar nicht ausdrücklich eine Schuldform angegeben, war aber, wie die Höhe der dort verhängten Geldbuße (385,00 €) zeigt, von fahrlässiger Begehungsweise ausgegangen.

Das Bußgeldgericht hatte den Betroffenen und seinen Verteidiger in der Ladungsverfügung auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen grober Fahrlässigkeit hingewiesen, nicht aber auf eine solche wegen Vorsatzes. Gerade mit Blick auf diesen Hinweis durfte der Betroffene darauf vertrauen, nicht wegen einer Vorsatztat verurteilt zu werden.
Die „Erörterung der Vorsatzproblematik" in der Hauptverhandlung war nicht geeignet, das rechtliche Gehör des Betroffenen zu wahren, denn dieser war mit Blick auf die antragsgemäß beschlossene Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung berechtigt nicht erschienen. Auch sein Verteidiger war nicht anwesend, sodass für den Betroffenen niemand von der „Erörterung der Vorsatzproblematik" Kenntnis erhielt. Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass der Bußgeldrichter in dieser Situation verpflichtet war, die Hauptverhandlung zu unterbrechen oder gar auszusetzen, um den Hinweis schriftlich zu erteilen und dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, seine Verteidigung hierauf einzurichten (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 05. November 2015, 2 Ws 215/15, Rz. 8 f., Juris).


Einsender: RA C. Schneider, Leipzig

Anmerkung:


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