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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, schwierige Sachlage, Aussage-gegen-Aussage

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.01.2025 – 1 Ws 161/24 (S)

Eigener Leitsatz:

Nicht jede Aussage-gegen-Aussage-Konstellation erfordert die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Vielmehr kommt eine Beiordnung insbesondere dann nicht in Betracht, wenn zu der Aussage des einzigen Belastungszeugen den Angeklagten belastende Indizien hinzutreten mit der Folge, dass von einer schwierigen Beweiswürdigung nicht mehr gesprochen werden kann.




In pp.


Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 18. September 2024, mit dem sein Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger abgelehnt worden ist, wird als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Brandenburg a. d. H. verurteilte den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten am 16. Januar 2024 wegen sexuellen Übergriffs (§ 177 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung es für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung aussetzte.

Die gegen dieses Urteil angebrachte Berufung des Angeklagten mit dem Ziel seines Freispruchs verhandelte die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam im Hauptverhandlungstermin vom 18. September 2024. Ausweislich des Protokolls dauerte dieser Termin von 11:02 Uhr bis 19:01 Uhr. Noch vor Eintritt in die Beweisaufnahme beantragte der Verteidiger des Angeklagten seine Beiordnung als Pflichtverteidiger; die Kammer lehnte diesen Antrag ab. Im Rahmen der Beweisaufnahme wurden die Geschädigte und deren Lebensgefährte vernommen, zudem wurde ein Chatverlauf zwischen der Geschädigten und ihrer Mutter vom Tattag verlesen. Die Anträge des Angeklagten auf Vernehmung dreier weiterer Zeugen und auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zur Glaubwürdigkeit der Geschädigten wies das Gericht zurück. Schlussendlich verwarf die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam die Berufung des Angeklagten als unbegründet.

Mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde wendet sich der Angeklagte gegen den Beschluss der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 18. September 2024, mit dem sein Antrag auf Beiordnung seines Wahlverteidigers zurückgewiesen worden ist. Er macht geltend, die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO für eine Beiordnung lägen vor. Die Sachlage sei schwierig; das zeige sich bereits daran, dass die Beweisaufnahme acht Stunden in Anspruch genommen habe. Die Aussagen der Geschädigten hätten besonderer Glaubhaftigkeitsüberprüfung bedurft, zumal sie nicht konstant gewesen seien.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 06. November 2024, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Angeklagte hat hierzu mit Anwaltsschriftsatz vom 27. November 2024 Stellung genommen.

II.

Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 142 Abs. 7 S. 1 StPO statthaft und entsprechend §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden, sonach zulässig.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg, es ist unbegründet.

a) Nicht jede Aussage-gegen-Aussage-Konstellation erfordert die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Vielmehr kommt eine Beiordnung insbesondere dann nicht in Betracht, wenn zu der Aussage des einzigen Belastungszeugen den Angeklagten belastende Indizien hinzutreten mit der Folge, dass von einer schwierigen Beweiswürdigung nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 16. Oktober 2008, 1 Ws 517/08, Rz. 4, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 09. Juli 2020, 5 Ws 202/20, Rz. 8, BeckRS 2020, 21130; Krawczyk in: BeckOK StPO, 53. Edition, Stand: 01. Oktober 2024, Rz. 29). Ist dagegen aus weiteren Indizien nicht hinreichend sicher auf die Richtigkeit der Angaben des einzigen Belastungszeugen zu schließen, sind dessen Angaben einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen mit der Folge, dass die Beiordnung eines Verteidigers erforderlich ist (OLG Hamm a. a. O.).

Gemessen hieran, bestand vorliegend keine schwierige Sachlage, welche die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheinen ließ (§ 140 Abs. 2 StPO). Die Berufungskammer hat neben der Geschädigten deren Lebensgefährten als Zeugen vernommen, der Zeuge stützte die den Angeklagten belastenden Angaben der Geschädigten. Zudem wurden die Chatnachrichten zwischen der Geschädigten und ihrer Mutter vom Tattag in die Beweisaufnahme eingeführt, auch sie bekräftigten die Aussage der Geschädigten. Insgesamt bestand sonach eine Prozesssituation, in der zur Aussage der einzigen Belastungszeugin weitere Indizien hinzutraten, aus denen auf die Richtigkeit deren Angaben geschlossen werden konnte. Allein die zeitliche Dauer der Beweisaufnahme vermag zu keiner anderen Sichtweise zu führen.

b) Ein Fall notwendiger Verteidigung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Angeklagten ein Berufsverbot im Sinne der §§ 61 Ziff. 6, 70 StGB gedroht hätte. Das Amtsgericht hatte ein solches Berufsverbot nicht ausgesprochen, sodass dem Berufungsgericht das Erkenntnis einer entsprechenden Rechtsfolge wegen § 331 Abs. 1 StPO verwehrt war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.


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Anmerkung:


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