Gericht / Entscheidungsdatum: LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 08.01.2025 – 18 Qs 27/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Ein Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung erfüllt die an seinen Inhalt zu stellenden rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nur dann, wenn nach der Beschlussbegründung klar ist, ob und wann der/die Beschuldigte unrichtige Angaben gemacht hat oder ob die (wann und mit welchem Inhalt auch immer) ergangenen Steuerbescheide wegen Nichterklärung aufgrund von Schätzungen erlassen wurden. Sollten unrichtige Angaben gemacht worden sein, muss klar sein, wann was erklärt wurde und zu welcher Steuerfestsetzung dies geführt hat.
2. Wie sich aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b AO ergibt, steht das Steuergeheimnis bei Durchsuchungsbeschlüssen gemäß § 103 StPO wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung einer Sachverhaltsbeschreibung nicht grundsätzlich entgegen. Steuerdaten des/der Beschuldigten sollen im Rahmen der Beschreibung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs Dritten aber nur insoweit offenbart werden, als dieses notwendig ist. Mindestens müssen aber Grund, Ziel und Zweck der Durchsuchungsmaßnahmen nachvollziehbar dargestellt sein.
3. Sofern sich Rechtsanwälte gemäß § 59c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BRAO mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern in einer Berufsausübungsgesellschaft nach § 59b BRAO verbunden haben oder umgekehrt Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sich gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StBerG mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer sowie mit Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zu einer Berufsausübungsgesellschaft nach § 49 StBerG zusammengeschlossen haben, gemeinsam Räumlichkeiten nutzen und im konkreten Fall bei einer Durchsuchungsmaßnahme lediglich ein Vertrauensverhältnis im Sinne des § 160a Abs. 2 StPO zu einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer betroffen sein kann, richtet sich diese Ermittlungsmaßnahme nicht gegen einen Rechtsanwalt und ist nicht nach § 160a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 StPO unzulässig.
In pp.
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin M. N. werden die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Nürnberg vom 14.12.2023 (57 Gs 14615-14616/23) und vom 06.02.2024 (57 Gs 14617-14618/23) aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die der Beschwerdeführerin hierbei entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
1. Gegen die Beschwerdeführerin und Beschuldigte und die Mitbeschuldigten M. A-H und J. N. wird durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd ein Ermittlungsverfahren geführt, wegen des Verdachts, Steuern wie folgt hinterzogen zu haben:
- in Mittäterschaft zu eigenen Gunsten sowie zugunsten des Ehemannes M. A-H Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag (2017 bis 2021 – 2021 im Versuch),
- zu eigenen Gunsten Gewerbesteuer (2017 bis 2021 – 2021 im Versuch) und Umsatzsteuer (2017 bis 2021).
2. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd beantragte beim Amtsgericht Nürnberg - Ermittlungsrichter - mit Verfügung vom 13.12.2023 (Bl. 402) die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschwerdeführerin in der ... sowie ihrer selbstgenutzten Räumlichkeiten im fremdvermieteten Objekt in der .... Zudem beantragte die Bußgeld- und Strafsachenstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd den Erlass verschiedener Durchsuchungsbeschlüsse gemäß § 103 StPO, u. a. zur Durchsuchung in den Geschäftsräumen der M. GmbH in der ... und ... (Betriebsgelände).
3. Das Amtsgericht Nürnberg - Ermittlungsrichter - erließ am 14.12.2023 einen Beschluss gem. § 102 StPO, Az.: 57 Gs 14615-14616/23, zur Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschuldigten in der ... sowie der selbstgenutzten Räumlichkeiten im fremdvermieteten Objekt in der ... (Bl. 429-432). Ferner wurde die Durchsuchung der Geschäftsräume der ... angeordnet (Bl. 433-438).
Die Gründe des Beschlusses 57 Gs 14615-14616/23 lauten wie folgt:
„Die beschuldigte Person ist verdächtig, folgende Steuerstraftaten begangen zu haben (§§ 369, 370 Abgabenordnung):
Hinterziehung von Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag 2017 bis 2020
Hinterziehung von Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag 2021
(versuchte Steuerhinterziehung)
jeweils zu eigenen Gunsten sowie zugunsten von M. A-H (Ehemann) jeweils in Mittäterschaft mit dem anderweitig Beschuldigten M. A-H
sowie
Hinterziehung von Gewerbesteuer 2017 bis 2021
(2021 versuchte Steuerhinterziehung)
Hinterziehung von Umsatzsteuer 2017 bis 2021
jeweils zu eigenen Gunsten
durch die pflichtwidrige Abgabe inhaltlich unrichtiger und unvollständiger Steuererklärungen
Die beschuldigte Person wird beim Finanzamt ... unter der Steuernummer ... zusammen mit ihrem Ehemann M. A-H zur Einkommensteuer veranlagt. Die Beschuldigte betrieb bis zur Abmeldung am 31.12.2021 einen Auto- und Nutzfahrzeugehandel „..." als Einzelunternehmen und war mit Betriebssteuern erfasst beim Finanzamt Fürth unter der Steuernummer ....
Laut Feststellungen der laufenden Betriebsprüfung des Finanzamts Fürth für die Jahre 2017 bis 2019 ergeben sich Verdachtsgründe, dass Einnahmen nicht oder nicht in richtiger Höhe erklärt und versteuert wurden. In den Jahren 2017 und 2018 erfolgten laut Feststellungen der Betriebsprüfung 32 von 91 Verkäufen ins Ausland mit negativer Marge unter Einbeziehung von Transport und Ausfuhrkosten. In der festgestellten Häufigkeit ist das unter kaufmännischen und wirtschaftlichen Aspekten nicht begründbar. Es liegt der Verdacht nahe, dass laufend Einnahmen verkürzt werden.
Es ist zu erwarten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Die Maßnahmen stehen im angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat sowie zur Stärke des Tatverdachts.
Für Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung können regelmäßig auch Unterlagen vor und nach dem Verdachtszeitraum als Beweismittel erheblich sein. Aus diesen Beweismitteln können Tathergang und Tatumfang, Geldherkunft und Geldverwendung sowie Vermögensentwicklung für die strafbefangenen Zeiträume ersichtlich sein.“
4. Mit Verfügungen vom 14.12.2023 (Bl. 448 und 456) leitete der Ermittlungsrichter die Akten an die Bußgeld- und Strafsachenstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd zurück und bat hinsichtlich des Antrags auf Erlass weiterer Durchsuchungsbeschlusses nach § 103 StPO (darunter jener bezüglich der M. GmbH) um ergänzende Übersendung von Beweismitteln. Hinsichtlich der „... Partnerschaftsgesellschaft mbH Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte“, deren Geschäftsräume ebenfalls durchsucht werden sollten, sei die Durchsuchung gemäß § 160a Abs. 2 Satz 4 StPO unzulässig. Mit Verfügung vom 01.02.2024 wurden die erbetenen Beweismittel dem Amtsgericht Nürnberg übermittelt (Bl. 440). Dieses erließ am 06.02.2024 den beantragten Beschluss gemäß § 103 StPO, Az.: 57 Gs 14617-14618/23, zur Durchsuchung in den Geschäftsräumen der M. GmbH in der ... (Firmensitz) und ... (Betriebsgelände) (Bl. 445-447. Ferner erließ das Amtsgericht Nürnberg - Ermittlungsrichter - Beschlüsse gem. § 103 StPO zur Durchsuchung der Räumlichkeiten der ... (Bl. 449-451), des ... (Bl. 453-455) sowie der Steuerberatungsgesellschaft ... Partnerschaftsgesellschaft mbB Steuerberater / Wirtschaftsprüfer / Rechtsanwälte, soweit sie der Tätigkeit als Steuerberatung und Buchhaltung dienen, in der ... (Bl. 462-464).
Die Gründe des Beschlusses 57 Gs 14617-14618/23 lauten wie folgt:
„Die beschuldigte Person ist verdächtig, folgende Steuerstraftaten begangen zu haben (§§ 369, 370 Abgabenordnung):
Hinterziehung von Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag 2017 bis 2020
Hinterziehung von Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag 2021
(versuchte Steuerhinterziehung)
jeweils zu eigenen Gunsten sowie zugunsten von M. A-H (Ehemann)
jeweils in Mittäterschaft mit dem anderweitig Beschuldigten M. A-H
sowie
Hinterziehung von Gewerbesteuer 2017 bis 2021
(2021 versuchte Steuerhinterziehung)
Hinterziehung von Umsatzsteuer 2017 bis 2021
jeweils zu eigenen Gunsten
durch die pflichtwidrige Abgabe inhaltlich unrichtiger und unvollständiger Steuererklärungen.
Das Gericht hat das Vorliegen des Anfangsverdachts der Steuerhinterziehung anhand des Verdachtsprüfungsvermerks der Steuerfahndung in den Ermittlungsakten geprüft. Die Verdachtsgründe werden in dieser Durchsuchungsanordnung wegen des Steuergeheimnisses (§ 30 Abgabenordnung) nicht weitergehend ausgeführt. Die von dieser Durchsuchungsanordnung Betroffene kann ihre Rechte auch ohne die Kenntnis der weitergehenden Verdachtsgründe wahrnehmen.
Aus folgenden Tatsachen ist zu schließen, dass die gesuchten Gegenstände sich in den zu durchsuchenden Räumen befinden:
Die Beschuldigte ist Geschäftspartner der M. GmbH. Es erfolgten Verkäufe durch ihre Einzelfirma an die GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der anderweitig Beschuldigte und Ehemann der Beschuldigten, M- A-H, ist.
Die Beschuldigte ist daneben Miteigentümerin des Grundstücks, auf dessen Gelände die M. GmbH ihren Sitz hat. Die Mittelherkunft für dieses Grundstücksgeschäft ist ungeklärt.
Die erwähnten Unterlagen können als Beweismittel für die Untersuchung im o. g. Steuerstrafverfahren von Bedeutung sein.
Die Maßnahmen stehen im angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat sowie zur Stärke des Tatverdachts.
Für Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung können regelmäßig auch Unterlagen vor und nach dem Verdachtszeitraum als Beweismittel erheblich sein. Aus diesen Beweismitteln können Tathergang und Tatumfang, Geldherkunft und Geldverwendung sowie Vermögensentwicklung für die strafbefangenen Zeiträume ersichtlich sein.“
5. Die Durchsuchungen wurden teilweise am 22.05.2024 vollzogen (Bl. 465 ff.). Die Durchsuchung in den Wohn- und Geschäftsräumen der Beschwerdeführerin, ... erfolgte in deren Abwesenheit. Im Rahmen der Durchsuchungen wurden zahlreiche Unterlagen, Laptops, Smartphones und weitere elektronische Datenträger in den Wohn- und Geschäftsräumen der Beschuldigten (..., Bl. 465-472) und in den Geschäftsräumen der M. GmbH ... [Betriebsgelände], Bl. 477-512), in den Geschäftsräumen der Steuerberatungsgesellschaft ... Partnerschaftsgesellschaft mbB, Steuerberater/Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwälte (... (Bl. 529-534) und in den Geschäftsräumen der ... gefunden. Der Durchsuchungsbeschluss bzgl. des Objekts in der ... konnte nicht vollzogen werden, da das Gebäude an ein Fremdunternehmen vermietet ist und die Beschwerdeführerin keinen Gebäudeteil selbst nutzte (Bl. 513). Auch der Durchsuchungsbeschluss bzgl. der ... konnte nicht vollzogen werden (Bl. 525-528).
Bei dem Vollzug des Beschlusses 57 Gs 14615-14616/23 (...) wurde niemand angetroffen. Die Einsatzleiterin der Steuerfahndungsstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd telefonierte daraufhin mit dem Mitbeschuldigten M. A-H, der hinsichtlich sämtlicher Beschuldigter mitteilte, sie seien unterwegs, und einen Rechtsanwalt kontaktierte, der sich daraufhin zu dem Objekt begab und mitteilte, er sei der Verteidiger („anwaltliche Vertreter“) von M. A-H (Bl. 474-476). Es erfolgte eine vorläufige Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht nach § 110 StPO und es wurde vermerkt, dass die Durchsuchung noch andauere, weil die Durchsicht der Papiere noch nicht abgeschlossen sei, § 110 Abs. 2 StPO (Bl. 465 und 477). Im Durchsuchungsbericht (Bl. 475) heißt es hinsichtlich des anwesenden Rechtsanwaltes:
„Die über die Maßnahme gefertigte Niederschrift wurde abschließend mit Herrn ...als Vertreter des Herrn A-H besprochen.
Er stimmte dem niedergeschriebenen Ablauf der Maßnahme vollumfänglich zu.“
Beim Vollzug des Beschlusses 57 Gs 14617-14618/23 (... [Betriebsgelände]) wurde lediglich eine Mitarbeiterin der M. GmbH angetroffen. Auch hier erfolgte eine vorläufige Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht nach § 110 StPO und es wurde vermerkt, dass die Durchsuchung noch andauere, weil die Durchsicht der Papiere noch nicht abgeschlossen sei, § 110 Abs. 2 StPO (Bl. 477). Im Durchsuchungsbericht (Bl. 510) heißt es hinsichtlich der anwesenden Mitarbeiterin:
„Die über die Maßnahme gefertigte Niederschrift wurde abschließend mit Frau ... besprochen.
Sie stimmte dem niedergeschriebenen Ablauf der Maßnahme vollumfänglich zu.“
6. Mit Schriftsatz vom 11.06.2024 und Vollmacht vom 22.05.2024 zeigte sich für die Beschwerdeführerin eine Verteidigerin an und beantragte Akteneinsicht sowie die Herausgabe der aufgefundenen und in amtlicher Verwahrung befindenden Laptops und Notizbücher mit der Begründung, diese beinhalteten vertrauliche Dokumente aus der Übersetzertätigkeit ihrer Mandantin, die sie in der Regel für behördliche Belange oder gerichtliche Verfahren ausübe und die einer Vertraulichkeitsvereinbarung und Verschwiegenheitspflicht unterlägen (Bl. 549-551). Mit Schriftsatz ihrer Verteidigerin vom 12.06.2024 und Eingang am 13.06.2024 legte die Beschwerdeführerin „gegen die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Nürnberg sowie gegen die erfolgte Beschlagnahme Beschwerde ein“ und stellte den Antrag,
„die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Nürnberg zu den Aktenzeichen 57 Gs 14615-14616/23 und 57 Gs 14617-14618/23 vom 14.12.2023 aufzuheben und die sichergestellten Gegenstände herauszugeben.“
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdebegründung verwiesen. Das Amtsgericht Nürnberg half der Beschwerde mit Verfügung vom 13.06.2024 nicht ab. Unter dem 19.06.2024 nahm die Steuerfahndungsstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd zum Beschwerdevorbringen Stellung. Am 28.06.2024 versandte die Bußgeld- und Strafsachenstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd ein Aktendoppel per Daten-CD an die Verteidigerin zwecks Akteneinsicht. Mit Schriftsatz vom 26.07.2024 ergänzte die Verteidigerin die Beschwerdebegründung. Unter dem 21.08.2024 ergänzte die Steuerfahndungsstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd ihr Gegenvorbringen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen vom 19.06., 26.07. und 21.08.2024 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist teilweise zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie auch begründet.
1. a) Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig, soweit sie sich gegen die angeordnete Durchsuchung richtet. Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren allerdings die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses (MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl. 2023, StPO § 105 Rn. 41c m. w. N.).
Weil das Verfahren im Stadium der Durchsicht nach § 110 StPO noch einen Teil der Durchsuchung nach § 102 oder § 103 StPO bildet (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20. November 2019 – 2 BvR 31/19; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. September 2018 – 2 BvR 708/18; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 – StB 59/23; BGH, Beschluss vom 20. Mai 2021 – StB 21/21; BGH, Beschluss vom 5. August 2003 – StB 7/03), deren Voraussetzungen für im Zeitpunkt der Entscheidung über eine richterliche Bestätigung im Sinne der §§ 110 Abs. 4, 98 Abs. 2 StPO noch vorliegen müssen (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20. November 2019 – 2 BvR 31/19; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. September 2018 – 2 BvR 708/18; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Juni 2008 – 2 BvR 1111/08; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 – StB 59/23), besteht auch ein Rechtsschutzinteresse (vgl. Landgericht Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 22. November 2024 - 18 Qs 17/24).
Auch die erforderliche unmittelbare Beschwer ist gegeben. Hinsichtlich des Beschlusses gem. § 102 StPO zur Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschuldigten in der ... sowie der selbstgenutzten Räumlichkeiten im fremdvermieteten Objekt in der ... ergibt sich die Beschwer bereits daraus, dass die Beschuldigte unmittelbar Betroffene der Durchsuchungsanordnung ist. Dem steht nicht entgegen, dass der Durchsuchungsbeschluss nur teilweise vollzogen wurde.
Der Beschluss 57 Gs 14617-14618/23 ordnet die Durchsuchung der Geschäftsräume der M. GmbH in der ... an, welche zugleich die Wohnanschrift der Beschuldigten ist (Bl. 72). Eine Beschwerdebefugnis von Privatpersonen bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen besteht, wenn und soweit die Räumlichkeiten der Privatsphäre der natürlichen Person zuzuordnen sind (vgl. BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 16. April 2015 - 2 BvR 2279/13). Daher ist erst Recht die Beschwer gegeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Trennung zwischen Privatwohnung und Firmensitz nicht möglich ist.
b) Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie sich „gegen die erfolgte Beschlagnahme“ wendet. Die Beschwerde setzt als Beschwerdegegenstand von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassene Beschlüsse oder Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters voraus (§ 304 Abs. 1 StPO). Daran fehlt es insoweit, weil eine Beschlagnahme weder beim Beschluss betreffend die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschwerdeführerin noch beim Beschluss betreffend die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma M. GmbH angeordnet wurde.
2. Die Beschwerde ist begründet. Sowohl der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg gemäß § 102 StPO, Az.: 57 Gs 14615-14616/23, als auch der Durchsuchungsbeschluss gemäß § 103 StPO, Az.: 57 Gs 14617-14618/2, sind rechtswidrig. Sie erfüllen weder die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschreibung der Verdachtslage, noch bestand nach Aktenlage eine die Durchsuchung rechtfertigende solche. Da die Durchsuchung in Form der Durchsicht nach § 110 StPO andauert, ist nicht die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung festzustellen, sondern die Durchsuchungsbeschlüsse sind aufzuheben (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 7. Juni 2023 – 12 Qs 24/23; Rixe/Hölters, jurisPR-StrafR 19/2023 Anm. 3 v. 16.10.2023).
a) aa) Insbesondere bei Durchsuchungen, die in der Regel ohne vorherige Anhörung des Betroffenen ergehen, soll die Einschaltung des Richters für die gebührende Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten sorgen. Es ist die Aufgabe des Richters, die beabsichtigte Durchsuchungsmaßnahme eigenverantwortlich zu prüfen. Als Kontrollorgan der Strafverfolgungsbehörden trifft ihn die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt. Aus dieser richterlichen Pflicht folgt, dass der Durchsuchungsbeschluss bestimmten Mindestanforderungen genügen muss. Insbesondere sind bei Wohnungsdurchsuchungen auch tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs erforderlich, sofern sie nach dem Ermittlungsergebnis ohne weiteres möglich sind und den Zwecken der Strafverfolgung nicht zuwider laufen. Es sind also, wenn auch knappe, aber doch aussagekräftige Tatsachenangaben erforderlich (Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Auflage, 2023, § 105, Rn. 5).
Zwingend erforderlich ist, dass in dem Durchsuchungsbeschluss die aufzuklärende Straftat tatsächlich und rechtlich so genau umschrieben wird, dass Umfang und Reichweite des dadurch legitimierten Grundrechtseingriffs deutlich werden und klar ist, worauf sich die Durchsuchung bezieht. Diese Umschreibung muss den mit der Vollziehung der Anordnung betrauten Beamten aufzeigen, worauf sie ihr Augenmerk richten sollten, und damit den Zweck der Durchsuchungsanordnung erfüllen, den Zugriff auf Beweisgegenstände bei der Vollziehung der Durchsuchung zu begrenzen (BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2015 - 2 BvR 1694/14; BVerfG, Beschluss vom 1. August 2014 - 2 BvR 200/14; BVerfG, Beschluss vom 24. März 2003 - 2 BvR 180/03; BVerfG, Beschluss vom 6. März 2002 - 2 BvR 1619/00).
Mängel bei der Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel können im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19. April 2023 – 2 BvR 2180/20 m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2015 - 2 BvR 1694/14; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 7. Juni 2023 – 12 Qs 24/23).
bb) Bei einem Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gilt insbesondere Folgendes: Strafbar macht sich, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Ein Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts einer Steuerstraftat erfüllt die rechtsstaatlichen Mindestanforderungen insbesondere dann nicht, wenn nach der Beschlussbegründung unklar ist, ob der Beschuldigte unrichtige Angaben gemacht hat oder ob die (wann und mit welchem Inhalt auch immer) ergangenen Steuerbescheide wegen Nichterklärung aufgrund von Schätzungen erlassen wurden und sich auch nicht einmal ein Normzitat in dem Beschluss findet, das die Begehungsweise klären könnte. Sollten unrichtige Angaben gemacht worden sein, muss klar sein, wann was erklärt wurde und zu welcher Steuerfestsetzung dies geführt hat (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 7. Juni 2023 – 12 Qs 24/23). Erforderlich ist die Angabe, durch welche Handlung der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Steuerhinterziehung begangen haben soll, ob und wann er beispielsweise Steuererklärungen eingereicht hat (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 15. Mai 2023 – 18 Qs 8/23). Insofern muss es zu einer – im Ermittlungsverfahren ausreichenden vergröbernden – Schilderung des Verdachts einer Steuerhinterziehung gehören, dass angegeben wird, durch welche Verletzung einer steuerrechtlichen Verpflichtung welche konkrete Steuerverkürzung oder welcher Steuervorteil bewirkt worden sein soll (vgl. Rixe/Hölters, jurisPR-StrafR 19/2023 Anm. 3).
cc) Die Offenbarung oder Verwertung nach § 30 Abs. 1 AO (Steuergeheimnis) geschützter Daten ist zulässig, soweit sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Steuerstraftat oder eines Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit dient (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b AO). Dieses gilt dem Grund nach auch für die Mitteilung steuerlicher Verhältnisse anderer in einem Beschluss nach § 103 StPO (vgl. LG Koblenz, Beschluss vom 01.03.2004 - 10 Qs 61/03). Ob § 30 AO gleichwohl - trotz § 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b AO - eine Einschränkung gebietet, wird uneinheitlich beurteilt.
(A) Einerseits wird vertreten, das Steuergeheimnis könne es gebieten, in der Anordnung Steuerdaten des Beschuldigten nicht im Rahmen der Beschreibung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs Dritten zu offenbaren (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 6. März 2002 – 2 BvR 1619/00; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 4. August 2023 – 12 Qs 57/23; LG Bielefeld, Beschluss vom 22. November 2007 – Qs 587/07 I; Alber in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 283. Lieferung, 11/2024, § 30 AO 1977, Rn. 291; MüKoStPO/Pflaum, 1. Aufl. 2018, AO § 30 Rn. 22; von Saucken in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 105 StPO, Rn. 3 (sogar „ohne nähere Begründung“); Tipke/Kruse, 183. Lieferung 10/2024, § 30 AO Rn. 70; Radon, NZWiSt 2024, 209 (213)). Allerdings müsse dann der Dritte, bei dem eine Durchsuchung durchgeführt werden solle, zumindest so genau informiert werden, dass er Grund und auch Ziel und Zweck der Durchsuchungsmaßnahmen nachvollziehen könne, um diese gegebenenfalls zu akzeptieren oder im Beschwerdeweg anzugreifen (LG Bielefeld, Beschluss vom 22. November 2007 – I Qs 587/07). Der Beschluss muss die steuerlich relevanten Daten des Beschuldigten enthalten, die für die Überprüfungsmöglichkeit des Dritten unbedingt erforderlich sind. Aus der Begründung des Durchsuchungsbeschlusses sind die steuerlich relevanten Informationen auszuscheiden, die für die Umsetzung des Beschlusses nicht zwingend erforderlich sind. Das Steuergeheimnis wird im Übrigen nicht verletzt, wenn dem Dritten z. B. als umfassend bevollmächtigtem Steuerberater, die zu offenbarenden Daten bereits bekannt sind (vgl. Buse, AO-StB 2024, 126(128)). Dieses gilt auch, wenn sich die Ermittlungen gegen Führungskräfte oder Mitarbeiter eines Unternehmens wegen des Vorwurfs der Hinterziehung von unternehmensbezogenen Steuern (z.B. USt) richten und das Unternehmen nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO durchsucht werden soll (vgl. Hiéramente, jurisPR-StrafR 17/2023 Anm. 1).
(B) Andere sind folgender Meinung: Auch in diesen Fällen müssten - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen - die den Tatverdacht begründenden Tatsachen dargestellt werden. Das Steuergeheimnis rechtfertige es nicht, die Begründung im Vergleich zu einer Durchsuchungsanordnung nach § 102 StPO zu reduzieren oder gar den Sachverhalt wegzulassen. Ansonsten könne die Rechtmäßigkeit des Beschlusses, besonders auch dessen Verhältnismäßigkeit, nicht beurteilt werden, was der Willkür Vorschub leisten würde. Insoweit habe auch der Dritte einen Anspruch auf Grundrechtsschutz und müsse erfahren können, warum bei ihm durchsucht werden solle und inwieweit beim Beschuldigten der Verdacht der Steuerhinterziehung wirklich bestehe (vgl. Tormöhlen in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 187. Ergänzungslieferung, November 2024, § 30 AO 1977, Rn. 105; MAH WirtschaftsStrafR/Bohnert/Szesny, 3. Aufl. 2020, § 33 Rn. 369; Webel, wistra 2024, 260, 262; Burkhard, wistra 2000, 118; Matthes, wistra 2008, 10 (12)).
(C) Die Kammer neigt der erstgenannten Meinung unter Hinweis darauf zu, dass dann jedenfalls Grund, Ziel und Zweck der Durchsuchungsmaßnahmen nachvollziehbar dargestellt sein müssen. Weder verbietet § 30 AO entsprechende Ausführungen, noch gebietet § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO eine ausführliche Fassung. Nicht zwingend notwendig erscheint es bspw. im Beschluss nach § 103 StPO (anders bei jenen vorerwähnten) auszuführen, wann was erklärt wurde, zu welcher Steuerfestsetzung dies geführt hat oder in welcher Höhe verdachtsweise Steuerverkürzungen stattgefunden haben könnten, bzw. weitere persönliche Daten der Besteuerung mitzuteilen. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO lautet (Hervorhebung durch die Kammer) „Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient.“ Die Formulierung, „soweit sie … dient“, bestimmt zugleich den Umfang und das Ausmaß der zulässigen Offenbarung (vgl. Alber in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 283. Lieferung, 11/2024, § 30 AO 1977, Rn. 152). Bei jeder Durchbrechung des Steuergeheimnisses ist die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Diese zu beurteilen steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde, sondern erfordert eine Rechtsentscheidung (vgl. Klein/Maetz, 18. Aufl. 2024, AO § 30 Rn. 96). Liegen die Voraussetzungen einer Offenbarungsbefugnis vor, hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie von dieser Befugnis Gebrauch machen will (vgl. Koenig/Pätz, 5. Aufl. 2024, AO § 30 Rn. 116; Baum in: AO - eKommentar, § 30 AO 1977, Rn. 54_1). Die Offenbarung dient nur dann einem einschlägigen Verfahren, wenn sie erforderlich ist (vgl. Fleckenstein-Weiland in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 30 AO, Rn. 42). Dem von einer Durchsuchungsmaßnahme nach § 103 StPO betroffenen Dritten ist im Übrigen grundsätzlich bei Vollzug der Maßnahme eine Ausfertigung des Anordnungsbeschlusses mit vollständiger Begründung auszuhändigen. Die Bekanntgabe der (vollständigen) Gründe kann in Ausnahmefällen bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs oder entgegenstehenden schutzwürdigen Belangen des Beschuldigten vorläufig zurückgestellt werden. Die Zurückstellung der Bekanntgabe umfasst jedoch im Regelfall nicht die Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sich die gesuchten Gegenstände in den Räumlichkeiten des Drittbetroffenen befinden (vgl. BGH, Beschluss vom 18.11.2021 - StB 6+7/21; BGH, Beschluss vom 28.06.2017 - 1 BGs 148/17).
b) aa) Der Durchsuchungsbeschluss gemäß § 102 StPO, Az.: 57 Gs 14615-14616/23, erfüllt nicht die sich aus Art. 13 Abs. 1, 2 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ergebenden rechtsstaatlichen Mindestanforderungen, die an den Inhalt eines Beschlusses zur Durchsuchung einer Wohnung zu stellen sind.
(A) (I) Zwar lässt sich aus der Formulierung „durch die pflichtwidrige Abgabe inhaltlich unrichtiger und unvollständiger Steuererklärungen“ noch erkennen, dass die Tatvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemeint sein soll. Die Darstellung der vorgeworfenen Straftaten erschöpft sich sonst allerdings im Wesentlichen in der Nennung der hinterzogenen Steuerarten, des Tatzeitraums und der mittäterschaftlichen Begehungsweise. Hieraus kann keine vorgeworfene Tat konkret hergeleitet werden. Es ist unklar, wann Steuerklärungen abgegeben und wann und wie diese verbeschieden wurden. Die für die Prüfung der Versuchsstraftaten notwendigen Tatsachen werden nicht genannt. Aus dem dargestellten Sachverhalt lässt sich keine konkrete Tat ableiten. Auch der Satz
„In den Jahren 2017 und 2018 erfolgten laut Feststellungen der Betriebsprüfung 32 von 91 Verkäufen ins Ausland mit negativer Marge unter Einbeziehung von Transport und Ausfuhrkosten. In der festgestellten Häufigkeit ist das unter kaufmännischen und wirtschaftlichen Aspekten nicht begründbar. Es liegt der Verdacht nahe, dass laufend Einnahmen verkürzt werden.“
macht nicht deutlich, durch welches Verhalten im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO Steuern verkürzt worden sein sollen. Es ließe sich allenfalls vermuten, man gehe davon aus, tatsächlich wären die Verkäufe mit Gewinn erfolgt und die Buchführung und Aufzeichnungen der Steuerpflichtigen seien insoweit unrichtig (§§ 158 Abs. 2 Nr. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 AO). Es ist aber nicht Sache des von einem Durchsuchungsbeschluss Betroffenen, Spekulationen darüber anzustellen, was die ihn beantragende Ermittlungsbehörde und das ihn erlassende Gericht wohl gemeint haben könnten. Hinsichtlich der Annahme von Mittäterschaft mit M. A-H fehlt es an jedweden Angaben, worin diese begründet sein könnte. Hinsichtlich der Hinterziehung von Umsatzsteuer lässt der Beschluss völlig offen, ob auf die Umsatzsteuervoranmeldungen oder die Umsatzsteuerjahreserklärungen abgestellt wurde. Die Auflistung der zu suchenden Beweismittel ermöglicht letztlich auch keine Konkretisierung.
(II) Eine die obigen Vorgaben erfüllende Umschreibung der aufzuklärenden Straftaten wäre ohne Weiteres möglich gewesen: Die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2017 bis 2021 nebst allen Eingangs- und sonstigen Daten ergeben sich aus den Bl. 187 bis 253. Die Steuerbescheide sind als Bl. 93 bis 116 abgelegt. Die Erklärungen zur Festsetzung des Steuermessbetrags der Gewerbesteuer die Jahre 2018 bis 2021 und die Umsatzsteuerjahreserklärungen 2018 bis 2021 sind als Blätter 255 bis 292 abgelegt. Die sich hieraus ergebenden Daten wären leicht in den Text eines Durchsuchungsbeschlusses zu übernehmen gewesen. Sämtliche Daten sind auch im Verdachtsprüfungsvermerk vom 20.09.2023 (Bl. 409) enthalten.
(B) Unabhängig davon, dass es an einer die obigen Vorgaben erfüllende Umschreibung der aufzuklärenden Straftaten fehlt, sind die wesentlichen Verdachtsgründe nicht angegeben.
(I) Zwar enthält der Beschluss die zitierten knappen Ausführungen, worauf sich der Anfangsverdacht stützt. Diese sind aber nicht ausreichend und zum Teil in sich nicht schlüssig. Laut Feststellungen der Betriebsprüfung sollen in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt 32 von 91 Fahrzeugverkäufe ins Ausland mit negativer Marge unter Einbeziehung von Transport- und Ausfuhrkosten erfolgt sein. Inwiefern sich daraus, wie im Beschluss behauptet, ein Verdacht für das Jahr 2019 ergibt, wird nicht erläutert. Für die Jahre 2020 und 2021 werden überhaupt keine Tatsachen für eine die Begründung einer Verdachtslage genannt. Die im Ergebnis pauschale Behauptung, „dass laufend Einnahmen verkürzt werden“ reicht für die Darlegung der wesentlichen Verdachtsmomente nicht aus. Aus dem Satz
„Für Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung können regelmäßig auch Unterlagen vor und nach dem Verdachtszeitraum als Beweismittel erheblich sein.“
ergibt sich auch keine Verdachtslage für 2019 bis 2021. Die unzureichende Mitteilung der Verdachtsgründe ist zwar für den Durchsuchungsbeschluss nicht im Sinne von Art. 13 GG konstitutiv und kann deshalb in der seiner Beschwerdeentscheidung nachgeholt werden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. März 2003 – 2 BvR 180/03; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08; LG Offenburg, Beschluss vom 20. Januar 2023 – 3 Qs 129/22; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 24. September 2021 – 12 Qs 66/21). Hierzu besteht jedoch kein Anlass, weil bereits nicht heilbare relevante Mängel bei der Umschreibung des Tatvorwurfs vorliegen.
(II) Gesehen wurde, dass die Bußgeld- und Strafsachenstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd in ihrem Beschlussentwurf folgenden Satz einfügte, den der Ermittlungsrichter allerdings strich (Bl. 432):
„Im Zusammenhang mit den Grundstücksgeschäften der M. GmbH und der Ehefrau des Beschuldigten (u.a. Erwerb des Betriebsgrundstücks der M. GmbH und dazugehörendem Erbbaurecht) ist die Mittelherkunft trotz Nachfrage Verlauf der Betriebsprüfung nicht aufgeklärt worden. Es liegt der Verdacht nahe, dass im Betrieb der Beschuldigten nicht oder unvollständig versteuerte Einnahmen für die Grundstückskäufe verwendet wurden. Hierfür spricht auch die ungeklärte Mittelherkunft zum Zwecke von Grundstücksgeschäften, die die Beschuldigte in den Jahren 2016 bis 2023 getätigt hat.“
Hierdurch hätten Verdachtsgründe beschrieben werden können. Der Durchsuchungsbeschluss 57 Gs 14615-14616/23 erhielt aber nicht diese Fassung.
bb) Auch der Durchsuchungsbeschluss gemäß § 103 StPO (57 Gs 4617-14618/23 – M. GmbH) erfüllt ebenfalls nicht die unter II 2. a) aa) bis cc) genannten rechtsstaatlichen Mindestanforderungen. Folgte man der - durch die Kammer nicht - vertretenen Meinung, nach der wegen § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO auch das Steuergeheimnis keine Rechtfertigung für ein Abweichen von den sonst geltenden Begründungsanforderungen bietet, durfte sich der Beschluss keinesfalls auf den oben zitierten Text beschränken. Geht man zutreffenderweise davon aus, das Steuergeheimnis könne es gebieten, in der Anordnung Steuerdaten des Beschuldigten nicht im Rahmen der Beschreibung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs Dritten zu offenbaren, wobei dann wenigstens Grund, Ziel und Zweck der Durchsuchungsmaßnahmen nachvollziehbar dargestellt sein müssten, sind die rechtsstaatlichen Mindestanforderungen ebenfalls nicht erfüllt. Der Beschluss ähnelt eher dem Text einer Beschlussausfertigung ohne Gründe, die gemäß den obigen Vorgaben (vgl. BGH, Beschluss vom 18.11.2021 - StB 6+7/21; BGH, Beschluss vom 28.06.2017 - 1 BGs 148/17) ggf. unter Zurückstellung der Mitteilung der ausführlichen Beschlussgründe ausgehändigt werden darf: Enthalten ist einzig die Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sich die gesuchten Gegenstände in den Räumlichkeiten der Drittbetroffenen befinden. Aus dem Text
„Hinterziehung von Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag 2017 bis 2020
Hinterziehung von Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag 2021
(versuchte Steuerhinterziehung)
jeweils zu eigenen Gunsten sowie zugunsten von M. A-H (Ehemann)
jeweils in Mittäterschaft mit dem anderweitig Beschuldigten M. A-H
sowie
Hinterziehung von Gewerbesteuer 2017 bis 2021
(2021 versuchte Steuerhinterziehung)
Hinterziehung von Umsatzsteuer 2017 bis 2021
jeweils zu eigenen Gunsten
durch die pflichtwidrige Abgabe inhaltlich unrichtiger und unvollständiger Steuererklärungen.“
lassen sich Grund, Ziel und Zweck der Durchsuchungsmaßnahme nicht nachvollziehbar entnehmen. Der einzige Satz, der der Aufklärung dienen könnte ist:
„Die Beschuldigte ist Geschäftspartner der M. GmbH. Es erfolgten Verkäufe durch ihre Einzelfirma an die GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der anderweitig Beschuldigte und Ehemann der Beschuldigten, M. A-H, ist.“
Es fehlen die Angabe dazu, wann denn diese Verkäufe gewesen sein sollen und inwieweit sie für die Steuerhinterziehung (vor allem hinsichtlich welcher Jahre) relevant sein sollen. Auch unter Würdigung der Vorgabe, in der Anordnung keine oder nur möglichst wenige Steuerdaten des Beschuldigten in einer Anordnung nach § 103 StPO Drittbetroffenen zu offenbaren, wäre es ohne Weiteres möglich und auch geboten gewesen, wenigstens diese Zusammenhänge darzulegen. Jener Satz sollte im Übrigen lediglich die Funktion haben, Tatsachen darzulegen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sich die gesuchten Gegenstände in den Räumlichkeiten des Drittbetroffenen befinden. Die Auflistung der zu suchenden Beweismittel ermöglicht auch hier keine weitergehende Konkretisierung.
c) Eine die Durchsuchung rechtfertigende Verdachtslage bestand überdies nicht. Die durch die Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth (Bl. 7-8, 27-28) und die Steuerfahndungsstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd geschilderte Verdachtslage erscheint nach wirtschaftskriminalistischer Sichtweise zwar möglich, reicht aber über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen bei genauerer Betrachtung (noch) nicht hinaus.
aa) (A) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und dass der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 07. September 2006 – 2 BvR 1219/05; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08; BGH, Beschluss vom 12. August 2015 – StB 8/15; BGH, Beschluss vom 06. Februar 2019 – 3 StR 280/18; BGH, Beschluss vom 26. Juni 2019 – StB 10/19). Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Erforderlich ist vielmehr ein sogenannter „greifbarer Verdacht“. Eine „Ausforschungsdurchsuchung“ ist unzulässig: Die Durchsuchung darf „nicht der Ermittlung von Tatsachen“ dienen, die zur „Begründung eines Verdachts erforderlich sind“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.06.2020 - 2 BvR 3044/09; LG Offenburg, Beschluss vom 20.01.2023 - 3 Qs 129/22; LG Bonn, Beschluss vom 02.09.2010 - 27 Qs-B 7-34/10 Bundeskartellamt-22/10).
Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren allerdings die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses (MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl. 2023, StPO § 105 Rn. 41c m. w. N.). Das Beschwerdegericht darf zur Begründung seiner Entscheidung daher keine Erkenntnisse heranziehen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren, etwa weil sie erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden (vgl. BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 10. September 2010 - 2 BvR 2561/08).
(B)
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird insbesondere bestraft, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO).
(C)
Allein das Wissen bspw. eines Steuerpflichtigen, dass er nur deshalb als formeller Inhaber einer Einzelfirma eingesetzt worden war, weil sein Familienangehöriger nicht (mehr) formeller Inhaber oder Geschäftsführer eines Unternehmens sein konnte, rechtfertigt für sich allein nicht den Schluss, dass der Steuerpflichtige billigend in Kauf nahm, dass sein Familienangehöriger als (faktischer) Geschäftsführer seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. In solchen Fällen ist überdies eine eventuelle familiäre Vertrauensbeziehung mit einzubeziehen, die ein Vertrauen des Steuerpflichtigen, sein Familienangehöriger werde Steuererklärungen einreichen und nicht etwa ihn für Straftaten missbrauchen, möglich erscheinen ließ. Entscheidend ist auch, ob der Steuerpflichtige davon ausgegangen sein könnte, ein von seinem Familienangehörigen eingesetzter Steuerberater stelle die fristgemäße Einreichung inhaltlich richtiger Steuererklärungen sicher (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2020 − 1 StR 119/19; Landgericht Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 25.04.2024 - 18 KLs 502 Js 2487/21; ubd. 18 KLs 502 Js 2133/16).
bb) (A)
Der Verdachtsprüfungsvermerk vom 20.09.2023 (Bl. 404-423) schildert folgende Umstände, aus denen sich ergeben soll, die Beschwerdeführerin habe verdachtsweise in von ihr abgegebenen Einkommen-, Umsatz und Gewerbesteuererklärungen bezogen auf die Jahre 2017 bis 2021 unrichtige Angaben insbesondere hinsichtlich der Höhe des aus dem Gewerbebetrieb erzielten Gewinns (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG; 7 Satz 1 GewStG) bzw. der daraus erzielten Umsätze (§ 1 Nr. 1 UStG), aber auch hinsichtlich sonstiger Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 EStG) gemacht:
Verwiesen wird zunächst auf die Bl. 6 bis 10 und 27 bis 28 der Ermittlungsakte (Bl. 406). Die Bl. 6 bis 10 enthalten tabellarische Darstellungen über An- und Verkaufsvorgänge des Einzelunternehmens im Zeitraum 01.01.2017 bis 22.02.2018, in denen jeweils in der Spalte „MARGE“ ein verdachtsweiser Gewinn oder Verlust aus dem jeweiligen Geschäft ausgewiesen wird. In einer Zusammenfassung werden 91 Verkaufsvorgänge ausgewiesen, davon 32 mit einem Verlust von insgesamt € 64.800 und 59 mit einem Gewinn in Höhe von insgesamt € 120.586,98, was insgesamt bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 22.02.2018 einen „Überschuss“ in Höhe von € 55.786,98 bedeutet. Bl. 9 stellt eine Eingangsrechnung vom 20.09.2017 dar, Bl. 10 enthält eine Tabelle mit der Bezeichnung „Inserate mit Auffälligkeiten“. Die Blätter 27 und 28 enthalten eine Darstellung der Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth vom 24.03.2023, die eingangs auf Ergebnisse von „Verfahren bei der Steuerfahndung“ betreffend die Jahre 2004 bis 2005 hinweist und die Gewinne aus dem Baumaschinenhandel aus den Festsetzungen zur Gewerbesteuer 2008 bis 2019 darlegt. Die Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth führt sodann aus:
„Der Gewerbebetrieb läuft zwar auf den Namen von Frau M. N., jedoch ist als hauptsächlich (sic) verantwortliche Person des Unternehmens Herr M. A-H anzusehen. (...) Das Einzelunternehmen hat im Februar 2018 die aktive Verkaufstätigkeit eingestellt.“
Die Darstellung lässt erkennen, dass die Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth Daten von „mobile.de“ für den Zeitraum ab 2018 zur Verfügung hatte und führt - ohne genauere zeitliche und sachliche Zuordnung - aus, es seien drei Vorgänge mit größeren Preisnachlässen festgestellt worden, bei denen sich unter Verwendung von „mobile.de“ die Marge auf € 17.700,00 kalkulieren lasse, sich diese anhand der Fibu allerdings nur mit € 1.500,00 bemesse. Aus einem privaten Veräußerungsgeschäft, bei dem zwischen Anschaffung und Verkauf keine zwei Jahre gelegen hätten, sei Verlust erzielt worden, obwohl „die Preise in dem Zeitraum nach oben gegangen“ seien. Insgesamt seien „4 Objekte und eine Photovoltaikanlage zwischen den Parteien hin- und herverkauft“ worden, wobei „die in den Verträgen festgelegten Kaufpreise (...) im Einzelnen zu gering bemessen zu sein“ schienen.
Der Verdachtsprüfungsvermerk (Bl. 406-416) verweist ferner auf eine als Bl. 29 bis 30 abgelegte Geldwäscheverdachtsanzeige vom 11.05.2023, die sich auf Grundstücksgeschäfte bezieht. Die Mittelherkunft sei ungeklärt und aus dem Einzelunternehmen habe eine so hohe Zahlung nicht geleistet werden können. Die Urkunden lassen Folgendes erkennen: Mit Urkunde vom 19.05.2022 (Bl. 41-54) verkauften S. und R. A. an die M. GmbH ein Erbbaurecht an dem Grundstück Grundbuch ... für € 1.000.000,00. Mit Urkunde vom 21.04.2023 (Bl. 56-64) verkaufte H. Z. an die Beschwerdeführerin das Grundstück Grundbuch ... für € 450.000,00. Sodann nennt der Verdachtsprüfungsvermerk die Steuererklärungsdaten (Bl. 408-409) und die Einkünfte in den Jahren 2016 bis 2020 laut den eingereichten Einkommensteuererklärungen (Bl. 411). Auf Bl. 414 heißt es: Auch in der Einzelfirma der Beschuldigten (und hiesigen Beschwerdeführerin) bestehe der Verdacht der Einnahmenverkürzung. Bereits bei einer Fahndungsprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 im Einzelunternehmen sei wegen Kassenfehlbeträgen und unvollständiger Buchhaltung eine Zuschätzung der Einnahmen durchgeführt worden. Insgesamt ergebe sich rechnerisch für die Jahre 2008 bis 2019 ein Gesamtverlust in Höhe von 188.933 € aufgrund der erklärten Gewinne/Verluste aus dem Einzelunternehmen. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen sei die dauerhafte Erwirtschaftung von Verlusten in dieser Höhe nicht glaubhaft. Der Eindruck, dass im Einzelunternehmen der Beschwerdeführerin bereits in gleicher Weise verfahren und Einnahmen verkürzt worden seien wie in der „Folgefirma M. GmbH des Ehemannes“ ergebe sich auch dadurch, dass laut Betriebsprüfung der Gewerbebetrieb der Beschuldigten hauptverantwortlich von M. A-H, Ehemann der Beschuldigten, mitgeführt worden sei. Bl. 416 und 417 beschreiben nochmals eingehend die bereits zitierten Grundstücksgeschäfte vom 19.05.2022 und 21.04.2023 und schließen mit der Feststellung, die Mittelherkunft für die Grundstücksgeschäfte sei unklar. Es bestehe der Verdacht, dass hier „unversteuerte Gelder der Unternehmen der Ehegatten aus den Vorjahren Verwendung“ gefunden hätten. Blatt 418 beschreibt Grundstücksgeschäfte, die im Jahre 2016 stattfanden und hinsichtlich derer angemerkt wird, diese Vorgänge seien „in den Einkommensteuererklärungen nicht erklärt“ worden. Ein auf das Objekt ... in ... bezogenes Veräußerungsgeschäft sei als Verlust aus einem solchen in der Einkommensteuererklärung 2017 erklärt worden.
(B) Im Übrigen enthalten die Akten noch folgende für die Beurteilung des Anfangsverdachts relevanten Erkenntnisse: Bis zu dessen Löschung am 31.12.2021 war die Beschwerdeführerin unter der Steuernummer ... mit dem Gewerbe „...“ steuerlich erfasst (Bl. 148). Zu einem sich nicht aus den Akten ergebenden Zeitpunkt im Jahre 2018 wurde dieses Einzelunternehmen in die M. GmbH eingebracht (Bl. 1). Am 27.12.2017 gründeten M. A-H und J. N. als gleichberechtigte Gesellschafter die M. GmbH mit Sitz in ... und M. A-H wurde zum Geschäftsführer bestellt (Bl. 65 bis 70). Die Bl. 375 bis 379 geben eine Rechnung vom 02.03.2018 wieder, ausweislich derer die Einzelfirma „einen gebrauchten kompletten Bestand im Paket“ für € 800.000,00 an die M. GmbH verkaufte.
(C) Diese sich aus den Akten ergebenden Anhaltspunkte gehen über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen nicht hinaus.
(I) Dieses gilt eingangs bereits für die im Beschluss 57 Gs 14615-14616/23 getroffene Feststellung
„Die Beschuldigte betrieb bis zur Abmeldung am 31.12.2021 einen Auto- und Nutzfahrzeugehandel ..." als Einzelunternehmen (...).“
Die Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth führte ausdrücklich aus (Bl. 28):
„Der Gewerbebetrieb läuft zwar auf den Namen von Frau M. N., jedoch ist als hauptsächlich (sic) verantwortliche Person des Unternehmens Herr M. A-H anzusehen.“
Der Verdachtsprüfungsvermerk vom 20.09.2023 (Bl. 415) nimmt dieses in Bezug und beschreibt, der Gewerbebetrieb sei „hauptverantwortlich von Herrn M. A-H Ehemann der Beschuldigten, mitgeführt“ worden. Eine bloße Gewerbeanmeldung rechtfertigte zwar grundsätzlich (noch) im Sinne einer eine Durchsuchung rechtfertigenden Verdachtslage den Schluss auf eine entsprechende Steuerpflicht (§§ 2 Abs. 1 UStG, 5 GewStG; 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Wenn die Akten selbst aber in diesem Fall die Annahme begründen, der Gewerbebetrieb sei nur formal auf die Person angemeldet und tatsächlich von jemand anderem (§§ 34 Abs. 1, 35 AO) geführt worden, ist die eingangs zitierte Feststellung in dieser Form nicht mehr gerechtfertigt.
(II)
Die Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth hat ausgeführt (Bl. 28): „Das Einzelunternehmen hat im Februar 2018 die aktive Verkaufstätigkeit eingestellt.“ Zu einem sich nicht aus den Akten ergebenden Zeitpunkt im Jahre 2018 wurde das Einzelunternehmen in die M. GmbH eingebracht (Bl. 1), wie ein Vermerk der Steuerfahndungsstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd ausführt. Dementsprechend enthalten die Bl. 6 bis 8 auch nur tabellarische Darstellungen über An- und Verkaufsvorgänge des Einzelunternehmens im Zeitraum 01.01.2017 bis 22.02.2018. Passend hierzu wurde die M. GmbH mit Gesellschaftsvertrag vom 27.12.2017 gegründet (Bl. 65-70), und mit Rechnung vom 02.03.2018 verkaufte die Einzelfirma ihren „gebrauchten kompletten Bestand im Paket“ für € 800.000,00 an die M. GmbH (Bl. 375-379). Hieraus folgt schon nach Aktenlage, dass die Beschwerdeführerin für den Rest des Jahres 2018 und in den Jahren 2019 bis 2021 mit ihrer Einzelfirma keine Umsätze (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) und keinen Gewinn (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 EStG; 7 GewStG) mehr erzielt haben dürfte. Insofern kann bezogen auf die Einzelfirma unter diesem Gesichtspunkt entgegen der Annahme in den Durchsuchungsbeschlüssen für 2018 (restliches Jahr) und 2019 bis 2021 keine Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer mehr verkürzt worden sein. Die Beschwerdebegründung vom 12.06.2024 greift diesen Umstand zutreffend auf (dort Seite 2). Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag vom 21.04.2023 (Bl. 56 bis 70) den Kaufpreis in Höhe von € 450.000,00 bezahlt haben könnte, rechtfertigt - ohne weitere Anhaltspunkte - nicht im Sinne einer eine Durchsuchung nach den §§ 102, 103 StPO rechtfertigenden Beweislage die Annahme, dieser Geldbetrag entstamme „Schwarzgeschäften“ des Einzelunternehmens aus den Jahren 2018 (Rest) bis 2021 (aber auch nicht aus den Jahren 2017 bis 2018) bzw. es handele sich um „unversteuerte Gelder der Unternehmen der Ehegatten aus den Vorjahren“ (Bl. 417). Steuerliche Fiktionen und Beweisvermutungen zu Lasten eines Steuerpflichtigen, die das abgabenrechtliche Verfahren erleichtern sollen, gelten im Strafverfahren im Übrigen nicht (vgl. Joecks/Jäger/Randt/Grötsch, 9. Aufl. 2023, AO § 370 Rn. 94 m. w. N.).
(III)
Die durch den Verdachtsprüfungsvermerk vom 20.09.2023 (Bl. 406) in Bezug genommenen Bl. 6 bis 10 und 27 bis 28 rechtfertigen nicht im Sinne einer einen Durchsuchungsbeschluss begründenden Beweislage die Annahme, die Beschwerdeführerin habe für die Jahre 2017 bis 2018 in Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen Umsätze (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) bzw. Gewinne (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 EStG; 7 GewStG) verschwiegen. Dem Grundgedanken nach wäre diese Annahme unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass zu den - der Höhe nach falsch und zu gering verbuchten - Kaufpreisen „schwarze“ Kaufpreise geflossen wären. Die Berechnungen der Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt ... (Bl. 6-10 und 27-28) tragen bei genauerer Betrachtung aber nicht die Behauptung im Verdachtsprüfungsvermerk, die Verkaufspreise seien „oftmals unter den Einkaufspreisen“ erfolgt oder die Fahrzeuge seien „laut Aufzeichnungen ohne jegliche Marge weiterveräußert“ worden (Bl. 414). Lediglich 35,16% der Fälle betreffen solche, in denen Fahrzeuge unter dem Einkaufspreis verkauft werden. 32 Verkäufe fanden mit einem Verlust in Höhe von insgesamt € 64.800 und 59 mit einem Gewinn in Höhe von insgesamt € 120.586,98 statt, was insgesamt bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 22.02.2018 einen „Überschuss“ in Höhe von € 55.786,98 bedeutet. Diese Berechnungen rechtfertigen noch keine Verdachtslage, die eine Durchsuchung zulässt, insbesondere schon deshalb nicht, weil es überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte für eine unzutreffende Bemessung der Verkaufspreise gibt. Die Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt Fürth, die im Übrigen lediglich Daten von „mobile.de“ für den Zeitraum ab 2018 zur Verfügung hatte, führt - ohne genauere zeitliche und sachliche Zuordnung - aus, es seien drei Vorgänge mit größeren Preisnachlässen festgestellt worden, bei denen sich die unter Verwendung von „mobile.de“ die Marge auf € 17.700,00 kalkulieren lasse, sich diese anhand der Fibu allerdings nur mit € 1.500,00 bemesse. Es ist nach Aktenlage schon offen, ob diese Vorgänge überhaupt dem strafbefangenen Zeitraum entstammen. Bezogen auf 91 Verkaufsvorgänge wurden 3,29% anhand „mobile.de“ abgeglichen, wobei die dort vorhandenen und verwendeten Daten für andere Jahre gelten. Die Ausführungen im Verdachtsprüfungsvermerk (Bl. 418)
„Der Eindruck, dass im Einzelunternehmen der Beschuldigten bereits in gleicher Weise verfahren und Einnahmen verkürzt wurden wie in der Folgefirma M. GmbH des Ehemannes ergibt sich auch dadurch, dass laut Betriebsprüfung der Gewerbebetrieb der Beschuldigten hauptverantwortlich von Herrn M. A-H, Ehemann der Beschuldigten, mitgeführt wurde.“
begründen gegen die Beschwerdeführerin keine Verdachtslage, die eine Durchsuchung rechtfertigt. Daraus, dass verdachtsweise bezogen auf die M. GmbH „Einnahmen verkürzt“ wurden, deren Geschäftsführer M. A-H ist, der wiederum vormals auch den Gewerbebetrieb der Beschwerdeführerin geführt haben soll, kann nicht geschlossen werden, auch diese habe selbst „Einnahmen verkürzt“.
(IV)
Private Veräußerungsgeschäfte aus dem Jahre 2016 (Bl. 418) sind für die Jahre 2017 bis 2021 nicht maßgeblich, dieses gilt auch für die §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 EStG. Hinsichtlich des Objekts ... erfolgte ausweislich des Verdachtsprüfungsvermerks vom 20.09.2023 eine entsprechende Erklärung, wenngleich als Verlust. Selbst wenn es in dem Vermerk der Betriebsprüfungsstelle bei dem Finanzamt ... (Bl. 28) heißt, „am Immobilienmarkt“ seien „die Preise in dem Zeitraum nach oben gegangen“ und die „in den Verträgen festgelegten Kaufpreise“ erschienen „im Einzelnen zu gering bemessen zu sein“, werden dort nur Vermutungen ohne Belege geschildert.
Der Satz
„In den Jahren 2018 bis 2022 gab es weitere Grundstücksgeschäfte, deren Erlöse in den Steuererklärungen keinen Eingang fanden. Die Grundstückspreise weichen regelmäßig vom marktüblichen Wert ab. Es besteht der Verdacht, dass nicht versteuerte Einnahmen aus den Firmen der Ehegatten für die Grundstückskäufe verwendet wurden.“
stellt keinen Akteninhalt dar, aus dem im Sinne eines Anfangsverdachts auf ein Verschweigen von Einkünften im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 EStG geschlossen werden könnte.
(V)
Soweit darauf abgestellt werden sollte, der (Mit-) Beschuldigte M. A-H habe in Einkommensteuererklärungen Einkünfte verschwiegen, weshalb die Beschwerdeführerin aufgrund der Zusammenveranlagung und gemeinsamen Abgabe der Einkommensteuererklärungen (§§ 26 Abs. 2 Satz 2, 26b EStG) als Mittäterin anzusehen sei, ist - in Anlehnung an die zutreffenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung (Ziffer 2 Seite 3) - Folgendes anzumerken: Zusammenveranlagte Eheleute müssen nach § 25 Abs. 3 Satz 2 EStG eine gemeinsame Einkommensteuererklärung abgeben. Beide haben den Vordruck eigenhändig zu unterschreiben und versichern damit, die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass alle Angaben von beiden Ehegatten mitgetragen werden. Vielmehr beschränkt sich der Erklärungsgehalt der Unterschrift auf die Tatsachen, die den jeweiligen Ehegatten betreffen. Betrifft die Erklärung Einkünfte, die nur von einem Ehegatten erzielt werden, so macht nur derjenige Ehegatte ‚Angaben‘, der den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2022 – 1 StR 10/22).
(VI)
Der Kauf des Erbbaurechts an dem Grundstück Grundbuch ... für € 1.000.000,00 durch die M. GmbH am 19.05.2022 belegt eben sowenig wie der Kauf dieses Grundstücks durch die Beschwerdeführerin für € 450.000,00 am 21.04.2023 eine die Durchsuchung rechtfertigende Verdachtslage. Nach wirtschaftskriminalistischer Erfahrung können finanzielle Mittel eines Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit Steuerhinterziehungsdelikten stehen, stellen aber lediglich ein Indiz dar. Vergleichbar hierzu reichen Feststellungen nur zu einem Fehlen von ausreichendem, legalen Einkommen des Betroffenen auch zur Annahme einer Geldwäsche nach § 261 StGB nicht aus (Seiten 2, 13, 29, 30 der BT-Drucksache 19/24180 vom 09.11.2020).
(VII)
Aus einer Fahndungsprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 im Einzelunternehmen, anlässlich derer wegen Kassenfehlbeträgen und unvollständiger Buchhaltung eine Zuschätzung der Einnahmen durchgeführt worden sein soll, kann nicht abgeleitet werden, dieses sei auch in den Jahren 2017 bis 2021 der Fall gewesen.
(D) (I)
Die Stellungnahmen der Steuerfahndungsstelle bei dem Finanzamt Nürnberg-Süd vom 19.06.2024 und 21.08.2024 rechtfertigen keine andere Betrachtung. Sie wiederholen im Ergebnis lediglich Inhalte des Verdachtsprüfungsvermerks vom 20.09.2023.
(II)
Eines weiteren Eingehens auf die in der Beschwerdebegründung vom 12.06.2024 genannten Aspekte bedarf es (nur) wie folgt: Die Frage, ob und inwieweit eine die Durchsuchung rechtfertigende Sachlage hinsichtlich der M. GmbH bestanden haben könnte, etwa weil Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer zu ihren Gunsten verkürzt worden sein könnte, ist nicht Gegenstand der hiesigen Entscheidung, die sich ausschließlich mit der Verdachtslage hinsichtlich der Beschwerdeführerin befasst.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 467 StPO und des § 473 Abs. 4 StPO. Da die Beschwerdeführerin nur in einem kleinen Teil mit ihrer Beschwerde nicht durchdringt und es unbillig ist, sie mit den Kosten zu belasten, werden diese ganz der Staatskasse auferlegt.
IV.
Ergänzend wird Folgendes bemerkt:
1. Für die Rechtmäßigkeit der richterlichen Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung (§§ 110 Abs. 4, 98 Abs. 2 StPO), welche dem Grunde nach notwendig wäre, weil bei dem Vollzug der Beschlüsse jeweils niemand seitens der Beschwerdeführerin angetroffen wurde (der Verteidiger des M. A-H war nicht ihr erwachsener Hausgenosse und konnte für sie keine Erklärungen abgeben; entsprechendes gilt für die Mitarbeiterin der M. GmbH) kommt es darauf an, ob die Voraussetzungen für eine Durchsuchung im Zeitpunkt der Entscheidung noch vorliegen. Sind diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Durchsicht dagegen nicht mehr gegeben, dann ist auch sie als Teil der Durchsuchung nicht mehr zulässig. Es muss also weiterhin ein Anfangsverdacht bestehen und die Durchsicht zur Auffindung von Beweismitteln geeignet und verhältnismäßig sein (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. September 2018 – 2 BvR 708/18; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 – StB 59/23; BGH, Beschluss vom 20. April 2023 – StB 5/23). Die Aufhebung der Durchsuchungsanordnung entzieht der vorläufigen Sicherstellung die Grundlage (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – StB 17/22).
2. Die Annahme, die bezüglich der „... Partnerschaftsgesellschaft mbH Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte“ beantragte Durchsuchung sei gemäß § 160a Abs. 2 Satz 4 StPO unzulässig, da dort auch Rechtsanwälte tätig seien (Bl. 456), ist unzutreffend. Soweit sich Rechtsanwälte zulässigerweise (§ 59c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BRAO) mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft nach § 59b BRAO verbunden haben oder umgekehrt Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sich zulässigerweise (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StBerG) mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer sowie mit Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zu einer Berufsausübungsgesellschaft nach § 49 StBerG zusammengeschlossen haben, gemeinsam Räumlichkeiten nutzen und im konkreten Fall lediglich ein Vertrauensverhältnis im Sinne des § 160a Abs. 2 StPO lediglich zu einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer betroffen sein kann, richtet sich die Ermittlungsmaßnahme nicht gegen einen Rechtsanwalt (§ 160a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 StPO). Im Übrigen erlaubt auch § 160a Abs. 1 StPO Durchsuchungen bei Rechtsanwälten, die auf nach § 97 StPO zulässige Beschlagnahmen abzielen, der wiederum nur das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten und dem Klienten schützt, wenn dieser der Beschuldigte ist. Wenn nur ein Vertrauensverhältnis im Sinne des § 160a Abs. 2 StPO zu einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer betroffen sein kann, zielt die Maßnahme nicht auf eine Beschlagnahme beim Rechtsanwalt ab.
a) Soweit durch eine Ermittlungsmaßnahme insbesondere ein Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte betroffen wäre und dadurch voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist dies im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit besonders zu berücksichtigen; betrifft das Verfahren keine Straftat von erheblicher Bedeutung, ist in der Regel nicht von einem Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses auszugehen. Soweit geboten, ist die Maßnahme zu unterlassen oder, soweit dies nach der Art der Maßnahme möglich ist, zu beschränken. Für die Verwertung von Erkenntnissen zu Beweiszwecken gilt Satz 1 entsprechend (§ 160a Abs. 2 Sätze 1 bis 3 StPO). Das gilt allerdings nicht für Rechtsanwälte (§ 160a Abs. 2 Satz 4 StPO). Eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen solche richtet und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese das Zeugnis verweigern dürften, ist gemäß § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO unzulässig. Soll sich eine Maßnahme gegen eine Person richten, die sowohl dem Schutzbereich des § 160a Abs. 1 StPO als auch dem des § 160a Abs. 2 unterfällt (z. B. bei Rechtsanwälten, die gleichzeitig auch als Steuerberater zugelassen sind) wird zu fragen sein, aus welchem Grund sich die Maßnahme gegen die betroffene Person richtet. Liegen insoweit Erkenntnisse vor, die lediglich das Bestehen eines der in § 160 a Abs. 1 oder der in Abs. 2 StPO geschützten Vertrauensverhältnisse betreffen und tragen diese Erkenntnisse die beabsichtigte Maßnahme dem Grunde nach, richtet sich der Schutz nach den Voraussetzungen, die hinsichtlich dieses Vertrauensverhältnisses statuiert werden. So wird die Zulässigkeit einer Durchsuchung bei einem Rechtsanwalt, der für den Beschuldigten lediglich als Steuerberater tätig ist, allein nach § 160a Abs. 2 StPO zu beurteilen sein. Bestehen demgegenüber Anhaltspunkte dafür, dass sowohl ein Vertrauensverhältnis im Sinne des § 160a Abs. 1 StPO als auch ein solches nach § 160a Abs. 2 StPO gegeben ist, wird demgegenüber zu fragen sein, in welches dieser beiden Verhältnisse durch die Maßnahme eingegriffen werden soll (vgl. BeckOK StPO/Sackreuther, 53. Ed. 1.7.2024, StPO § 160a Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt, 67. Auflage 2024, Bearbeiter Köhler, § 160a Rn. 7b). Aus dem in § 160a Abs. 5 StPO angeordneten Vorrang von § 97 StPO wird im Übrigen gefolgert, dass § 160a StPO der Durchführung von Durchsuchungen nicht entgegensteht, soweit diese auf nach § 97 StPO zulässige Beschlagnahmen abzielen (vgl. Erb in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2018, § 160a StPO, Rn. 63, LG Stuttgart, Beschluss vom 26. März 2018 – 6 Qs 1/18). Das BVerfG hat diese rechtliche Auffassung für mit Verfassungsrecht vereinbar gehalten (Nichtannahmebeschluss vom 27. Juni 2018 – 2 BvR 1405/17). Das für die geschützten Berufe geltende Beschlagnahmeverbot aus § 97 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, aber auch aus Nr. 3 StPO, erfasst nach herrschender Meinung nur das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten und dem Klienten, wenn dieser der Beschuldigte ist (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 22. November 2024 – 18 Qs 17/24 m. w. N.).
b) Die Annahme, es dürfe aufgrund § 160a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 StPO nur die Filiale der „... PartG mbB Steuerberater - Wirtschaftsprüfer - Rechtsanwälte“ in ... durchsucht werden, da dort ausschließlich Steuerberater tätig seien, geht nach Maßgabe der obigen Vorgaben fehl. Aus den Schreiben Bl. 118 und 148 und den Steuererklärungen ergibt sich, dass nur das Vertrauensverhältnis nach § 160a Abs. 2 StPO zu einer Wirtschaftsprüferin/Steuerberaterin betroffen war. Die Erstreckung der Maßnahme wäre auf alle Räumlichkeiten der vorgenannten Berufsausübungsgesellschaft zulässig gewesen. Jede andere Betrachtung würde dazu führen, dass derartige Gesellschaften nicht Gegenstand von Durchsuchungsmaßnahmen sein könnten, die - lediglich - auf steuerliche Mandatsverhältnisse abzielen, nur weil in den gleichen Räumlichkeiten auch Rechtsanwälte tätig sind.
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