Gericht / Entscheidungsdatum: VerfGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.01.2025 - 1 VB 11/23
Eigener Leitsatz:
1. Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt für den Beschwerdeführer grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen, wie namentlich den Rohmessdaten der Geschwindigkeitsmessung sowie den Wartungs- und Reparaturunterlagen des verwendeten Messgeräts, folgt. Dieser Anspruch verpflichtet nicht etwa das Gericht, die geforderten Unterlagen aufgrund seiner Aufklärungspflicht beizuziehen und zu prüfen, sondern entspringt allein dem Recht des Betroffenen, die Grundlagen des gegen ihn erhobenen Vorwurfs einzusehen und selbst zu prüfen.
2. Unerheblich ist hierbei ggf., wenn sich den Akten keine Hinweise auf das Vorhandensein der von dem Betroffenen begehrten Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen entnehmen lassen und laut dem Messprotokoll an dem Messgerät seit der letzten Eichung keine Reparaturen oder Wartungsarbeiten durchgeführt worden sind.
1 VB 11/23
VERFASSUNGSGERICHTSHOF
FÜR DAS LAND BADEN-WÜRTTEMBERG
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
des Herrn pp.
- Beschwerdeführer -
verfahrensbevollmächtigt:
Rechtsanwälte Zimmer-Gratz, Winkelstraße 24, 66359 Bous
gegen
a) das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 23. Juni 2022 - 2 OWi 73 Js 37859/22 -und
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Januar 2023 - 1 Rb 28 Ss 757/22 -
hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg gemäß § 58 Abs. 1 VerfGHG ohne mündliche Verhandlung am 27. Januar 2025
durch die Richterinnen und Richter
pp.
für Recht erkannt:
Das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 23. Juni 2022 - 2 OWi 73 Js 37859/22 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Januar 2023 - 1 Rb 28 Ss 757/22 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 23 Abs. 1 LV (faires Verfahren).
Die Entscheidungen werden aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Stuttgart zurückverwiesen.
Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
A.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine Verurteilung im Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung sowie die Verwerfung seiner Rechtsbeschwerde als unbegründet. Vor und während des gerichtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahrens begehrte der Beschwerdeführer erfolglos Zugang zu bestimmten Unterlagen und Messdaten des verwendeten Einseitensensor-Messgeräts ESO ES 3.0.
1. Der Beschwerdeführer soll mit einem auf seinen Vater zugelassen Pkw am 17. Oktober 2021 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h überschritten haben. Im behördlichen Bußgeldverfahren beantragte der Beschwerdeführer, nachdem er durch einen Vergleich des Messfotos mit einem bei der Meldebehörde hinterlegten Passfoto als Fahrer ermittelt worden war, über seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 13. Januar 2022 gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für öffentliche Ordnung, Bußgeldstelle (im Folgenden: Bußgeldbehörde), Akteneinsicht, die gewährt wurde. Mit Bußgeldbescheid vom 21. Februar 2022 verhängte die Bußgeldbehörde gegen den Beschwerdeführer wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße von 160 Euro und setzte ein Fahrverbot von der Dauer eines Monats fest. Hiergegen legte der Beschwerdeführer über seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 28. Februar 2022 Einspruch ein.
Mit weiterem Schriftsatz vom 1. März 2022 beantragte er, der Verteidigung zwecks Prüfung des Tatvorwurfs weitere Unterlagen zur Verfügung zu stellen, unter anderen „digitale Falldatensätze der gesamten Messreihe inklusive Rohmessdaten mit Statistikdatei und Public Key des Messgeräts" sowie „vorhandene Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen des Messgeräts mit Lebensakte/Gerätebegleitkarte, Dokumentation gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG". Mit Schreiben vom 8. März 2022 über-sandte die Bußgeldbehörde dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers einen Link nebst Passwort zum Abruf der Bedienungsanleitung des Geräts und verlangte die Übersendung eines Datenträgers (DVD), soweit die angeforderte digitale Falldatei noch benötigt werde. Hinsichtlich der Wartungsnachweise wurde mitgeteilt, dass diese der Eichbehörde zum Auswerten der vorgenommenen Reparaturen und Wartungen an der Messanlage dienten und das Aufbewahren der Unterlagen von Wartungen/Reparaturen entfalle, da die Messanlage direkt nach der Wartung seitens der Eichbehörde geeicht worden sei. Auf die ebenfalls angeforderte gesamte Messreihe geht das Schreiben nicht ein. Ein daraufhin vom Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers nach eigenen Angaben am 16. März 2022 an die Bußgeldbehörde per Post übersandtes Schreiben mit einem leeren Datenträger ist nicht zur Akte gelangt. Jedenfalls befindet sich ein solches nicht in der beigezogenen Bußgeldakte. Eine Übermittlung der digitalen Falldatei der gegenständlichen Messung durch die Bußgeldbehörde erfolgte nicht. Letztendlich stellte diese dem Beschwerdeführer nur die Bedienungsanleitung des Geräts über einen Link zur Verfügung.
Mit Schriftsatz vom 28. März 2022 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 OWiG die gerichtliche Entscheidung hinsichtlich der mit Schreiben vom 1. März 2022 angeforderten und von der Bußgeldbehörde nicht zur Verfügung gestellten Unterlagen und führte aus, aus welchem Grund die Verteidigung die einzelnen Unterlagen benötige. Eine Vorlage dieses Antrags durch die Bußgeldbehörde an das Amtsgericht Stuttgart erfolgte ebenso wenig wie eine Entscheidung über den Antrag durch das Amtsgericht. Vielmehr gab die Bußgeldbehörde das Verfahren nach § 69 Abs. 3 OWiG mit Schreiben vom 7. April 2022 an die Staatsanwaltschaft Stuttgart ab, welche die Akte dem Amtsgericht Stuttgart vorlegte.
2. Das Amtsgericht Stuttgart bestimmte Termin zur Hauptverhandlung und lehnte mit Beschluss vom 9. Juni 2022 die vom Beschwerdeführer beantragte Zurückverweisung der Sache gemäß § 69 Abs. 5 OWiG an die Bußgeldbehörde ab.
In der Hauptverhandlung am 23. Juni 2022 beantragte der vom Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers unterbevollmächtigte Terminsvertreter erneut die Gewährung von Einsicht in die noch nicht überlassenen Messdaten und Unterlagen, unter anderem die digitalen Falldatensätze der gesamten Messreihe sowie die vorhandenen Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen des Messgeräts, sowie die Aussetzung des Verfahrens, bis die Verteidigung die beantragten Unterlagen erhalten habe und diese - gegebenenfalls durch einen technischen Sachverständigen - habe überprüfen lassen. Das Amtsgericht lehnte durch Beschluss den „Antrag auf Zurverfügungstellung der im Beweisantrag Anl. 2 genannten Unterlagen/Informationen/Datensätze und eine entsprechende Verfahrensaussetzung" ab, „da die beantragten Unterlagen zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sind, § 77 Abs. 2 OWiG". Konkrete Anhaltspunkte für Messfehler hätten sich im Rahmen der Beweisaufnahme und aus den relevanten Unterlagen, die zur Verfügung stünden, nicht ergeben, so dass die Beiziehung der weiteren Informationen und Unterlagen nicht veranlasst sei.
3. Mit angegriffenen Urteil vom 23. Juni 2022 verurteilte das Amtsgericht Stuttgart den Beschwerdeführer wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 320 Euro sowie einem Fahrverbot von einem Monat.
Dabei ging das Amtsgericht nach Toleranzabzug von 4 km/h von einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 121 km/h aus und damit von dem Wert, der auch dem Bußgeldbescheid zugrunde gelegt worden war. Das Gericht habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Zweifel an der Richtigkeit von Messung und Messergebnis. Aus-weislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Eichscheins sei die eingesetzte Messanlage am 14. März 2021 geeicht worden, die Eichung sei bis 31. Dezember 2022 gültig gewesen. Nach dem verlesenen Schulungsnachweis sei der Messbeamte in die Bedienung und Funktion der Geschwindigkeitsmessanlagen eingewiesen und entsprechend geschult worden. Ausweislich des verlesenen Messprotokolls habe dieser das Messgerät gemäß Bedienungsanleitung und Vorgaben der PTB aufgestellt und betrieben. Bei der durchgeführten Geschwindigkeitsmessung handele es sich um eine Messung im standardisierten Messverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Konkrete Anhaltspunkte für konkrete Messfehler bei der gegenständlichen Messung seien nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Weitere Beweiserhebungen seien daher nicht veranlasst gewesen.
4. Der Beschwerdeführer legte am 27. Juni 2022 Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts ein und bemühte sich mit Schreiben vom 4. August 2022 erneut erfolglos um Zurverfügungstellung der begehrten Unterlagen. Mit Schriftsatz vom 1. September 2022 begründete er die Rechtsbeschwerde. Unter anderem rügte er, dass die verweigerte Überlassung von Messunterlagen und die unterbliebene Aussetzung der Hauptverhandlung den Beschwerdeführer im Recht auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör verletzten sowie die Verteidigung in unzulässiger Weise beschränkten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hätten Betroffene grundsätzlich das Recht auf Überprüfung des Tatvorwurfs anhand nicht bei der Akte befindlicher amtlicher Unterlagen auch bei standardisierten Messverfahren, wenn noch keine Anhaltspunkte für Messfehler bestünden. Das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren sei schon deshalb verletzt und die Verteidigung beschränkt, da über die (mehrfach gestellten) Einsichtsgesuche nicht ordnungsgemäß entschieden worden sei. Der bei der Verwaltungsbehörde gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei von der Verwaltungsbehörde nicht dem zuständigen Amtsgericht vorgelegt worden. Dem habe das Amtsgericht als erkennendes Gericht trotz mehrerer Anträge bzw. Anfragen nicht abgeholfen, weder durch eine Zurückverweisung noch durch eine Entscheidung über den Einsichtsantrag in eigener Zuständigkeit. Zudem habe es sowohl vor als auch in der Hauptverhandlung das Verlangen des Beschwerdeführers erkennbar an der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemessen. Die Verteidigungsinteressen des Beschwerdeführers seien nicht identisch mit der Aufklärungspflicht des Gerichts in der Hauptverhandlung und könnten deutlich weitergehen. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sei deshalb keine geeignete Grundlage, den Antrag auf Einsicht und Aussetzung zurückzuweisen.
5. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart beantragte mit Stellungnahme vom 30. November 2022, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Die Verfahrensrüge sei bereits unzulässig, weil sie nicht in der gebotenen Form erhoben worden sei, und zudem unbegründet. So werde hinsichtlich der digitalen Falldatensätze in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht mitgeteilt, dass das Schreiben des Verteidigers vom 16. März 2022, mit dem eine leere CD an die Verwaltungsbehörde gesandt worden sei, nicht zur Akte gelangt sei und dass die Verwaltungsbehörde deshalb davon ausgegangen sei, dass eine Übersendung der digitalen Falldatensätze nicht mehr gewünscht werde. Zudem sei die Verfahrensrüge auch unbegründet, da sich den Akten keine Hinweise auf das Vorhandensein der vom Beschwerdeführer begehrten Unter-lagen entnehmen ließen. Die Rechtsbeschwerde verkenne auch, dass Reparatur- und Wartungsbescheinigungen keine geeigneten Beweismittel seien, um tatsachenbegründete Zweifel an der Messrichtigkeit und Messbeständigkeit eines geeichten Mess-geräts erwecken zu können. Die auf die allgemeine Sachrüge gebotene materiell-rechtliche Nachprüfung des Urteils decke ebenfalls keinen den Betroffenen beschwerenden Rechtsfehler auf. Die Darlegungen zur Beweiswürdigung genügten den sachlich-rechtlichen Anforderungen. Soweit das Amtsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung keine weitere Beweisaufnahme für erforderlich gehalten habe, weil keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vorgetragen oder sonst ersichtlich gewesen seien, sei auch dies beschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer nahm hierzu nochmals mit Schriftsatz vom 13. Januar 2023 Stellung.
6. Mit angegriffenem Beschluss vom 20. Januar 2023, der dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 25. Januar 2023 zuging, verwarf das Oberlandesgericht Stuttgart die Rechtsbeschwerde als unbegründet gemäß §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO, weil die Nachprüfung der Entscheidung aufgrund der Begründung der Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben habe.
7. Mit Schriftsatz vom mit 1. Februar 2023 erhob der Beschwerdeführer Anhörungs-rüge, hilfsweise Gegenvorstellung, die mit (nicht angegriffenem) Beschluss vom 2. Februar 2023 durch das Oberlandesgericht Stuttgart zurückgewiesen wurde.
Mit seiner am 17. Februar 2023 beim Verfassungsgerichtshof eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG), des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) und auf den gesetzlichen Richter (Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
1. Der Beschwerdeführer habe vorliegend einen Anspruch auf Überlassung weiterer von ihm begehrter und existierender, aber nicht bei der Bußgeldakte befindlicher Daten und Unterlagen gehabt, so dass das Amtsgericht ohne Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren den Einsichtsantrag nicht habe ablehnen sowie kein Urteil habe sprechen dürfen, bevor dem Beschwerdeführer bzw. seiner Verteidigung diese Unterlagen zur Verfügung gestanden hätten. Das Oberlandesgericht habe aufgrund der Verwerfung der Rechtsbeschwerde ebenfalls die Reichweite des Grundrechts verkannt. In Bezug auf die Verteidigungsrechte bei Messverfahren im Straßenverkehr habe das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass der Beschuldigte ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungs-vorgängen und auf die Vermittlung der erforderlichen materiell- und prozessrechtlichen Informationen habe, ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könne. Hierzu gehöre auch der Zugang zu den bei den Ermittlungsbehörden anlässlich des Verfahrens entstandenen Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen, die dem Gericht durch die Verfolgungsbehörde nicht vorgelegt worden seien und deren Beiziehung seitens des Fachgerichts unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich erachtet werde.
Dass das Amtsgericht die Einsichtnahme in die begehrten Unterlagen und die Aussetzung der Hauptverhandlung mit den Erwägungen abgelehnt habe, dies sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich und konkrete Anhaltspunkte für Messfehler seien nicht ersichtlich, und ferner auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG Bezug genommen habe, sei fehlerhaft gewesen. Insoweit fehle es an einer ausreichenden Differenzierung von Aufklärungspflicht und Verteidigungsrechten, was das Bundesverfassungsgericht und der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg bereits in der Vergangenheit beanstandet hätten.
2. Durch die Beiziehung seines Lichtbilds zur Fahrerermittlung vor seiner Anhörung als Betroffener sei der Beschwerdeführer im Ordnungswidrigkeitenverfahren in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt worden. Dieser Verstoß sei von den Fachgerichten zu Unrecht nicht berücksichtigt worden.
3. Schließlich habe das Oberlandesgericht dadurch, dass es sowohl die Übertragung der Sache auf den Senat mit drei Richtern (§ 80a Abs. 3 OWiG) als auch eine Divergenzvorlage zum Bundesgerichtshof (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG) unterlassen und dies auch nicht nachvollziehbar begründet habe, den Beschwerdeführer in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.
Das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg sowie das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg wurden am Verfahren beteiligt.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfahrensakten des Amtsgerichts Stuttgart und des Oberlandesgerichts Stuttgart beigezogen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist wegen Verstoßes gegen den aus dem Rechtsstaats-prinzip abgeleiteten Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 23 Abs. 1 LV) aufgrund der versagten Einsicht in die Rohmessdaten der Geschwindigkeitsmessung sowie die Wartungs-/Reparaturunterlagen des Messgeräts zulässig (I.) und begründet (II.). Ob darüber hinaus ein weiterer Verfassungsverstoß anzunehmen wäre, kann dahingestellt bleiben (III.).
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Sie wurde mit am 17. Februar 2023 beim Verfassungsgerichtshof für das Land Ba-den-Württemberg eingegangenem Schriftsatz vom 16. Februar 2023 fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zugang der angegriffenen Entscheidung des Oberlandes-gerichts Stuttgart über die Rechtsbeschwerde am 25. Januar 2023 eingelegt, § 56 Abs. 2 VerfGHG.
2. Auch wahrt die Verfassungsbeschwerde die Anforderungen an die Erschöpfung des Rechtswegs und die materielle Subsidiarität (§ 55 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG). Nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung muss der Beschwerdeführer nach dem Grundsatz der Subsidiarität über die Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die Korrektur der geltend gemachten Rechtsverletzung durch die Fachgerichte zu erwirken oder eine Rechtsverletzung zu verhindern (VerfGH, Urteil vom 16.1.2023 - 1 VB 38/18 -, Juris Rn. 27 m.w.N.).
Diese Anforderungen hat der Beschwerdeführer erfüllt, indem er im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens seinen Anspruch auf Informationszugang rechtzeitig und in hinreichendem Maße verfolgt hat. So hat er die Herausgabe bzw. Zugänglichmachung der von ihm für erforderlich gehaltenen Daten bereits gegenüber der Verwaltungsbehörde beantragt und nach Ablehnung der Herausgabe bzw. Nichtherausgabe durch diese einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG gestellt. Auch im gerichtlichen Verfahren hat er sein Einsichtsbegehren in der Haupt-verhandlung und nach Erlass des amtsgerichtlichen Urteils weiterverfolgt.
Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht unter dem Gesichtspunkt der materiellen Subsidiarität ferner nicht entgegen, dass die Rechtsbeschwerde nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft hinsichtlich der Verfahrensrüge bereits unzulässig gewesen sei, nachdem das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde insgesamt als unbegründet verworfen hat.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.
Das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 23. Juni 2022 sowie der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Januar 2023 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren, indem sie unter Annahme eines Gleichlaufs der gerichtlichen Aufklärungspflicht mit dem Einsichtsrecht des Betroffenen dessen Antrag auf Zurverfügungstellung der Rohmessdaten der Geschwindigkeitsmessung sowie der Wartungs-/Reparaturunterlagen des Messgeräts abgelehnt haben.
1. Wie das Bundesverfassungsgericht in mehreren Kammerbeschlüssen festgestellt hat, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12.11.2020 - 2 BvR 1616/18 -, Juris Rn 49 ff.). Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht, sondern der Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen (BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28.4.2021 - 2 BvR 1451/18 -, Juris Rn. 5, und vom 4.5.2021 - 2 BvR 277/19 und 2 BvR 868/20-, jeweils Juris Rn. 5). Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit Urteil vom 16. Januar 2023 dem angeschlossen (VerfGH, Urteil vom 16.1.2023 - 1 VB 38/18 - Juris Rn. 32-36):
a) Zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zählt das Recht auf ein faires Verfahren (BVerfG, Beschluss vom 3.6.1969 - 1 BvL 7/68 -, BVerfGE 26, 66, 71, Juris Rn. 22). Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens und daran anknüpfender Verfahren gewährleistet es dem Betroffenen, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde selbständig wahrzunehmen und Übergriffe der rechtsstaatlich begrenzten Rechtsausübung staatlicher Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. hierzu sowie zum Folgenden: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12.11.2020 - 2 BvR 1616/18 -, Juris Rn. 32 - 35, jeweils m.w.N.). Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist durch das Verlangen nach verfahrensrechtlicher „Waffengleichheit" von Ankläger und Beschuldigtem gekennzeichnet und dient damit in besonderem Maße dem Schutz des Beschuldigten, für den bis zur Verurteilung die Vermutung seiner Unschuld streitet. Dabei enthält das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte -ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 12.1.1983 - 2 BvR 864/81 -, BVerfGE 63, 45, 61, Juris Rn. 51).
Im Rechtsstaat darf der Betroffene nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein; ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 18.10.1983 - 2 BvR 462/82 -, BVerfGE 65, 171, 174 f., Juris Rn. 15). Dabei wendet sich das Gebot zur fairen Verfahrensgestaltung nicht nur an die Gerichte, sondern ist auch von allen anderen staatlichen Organen zu beachten, die auf den Gang eines Strafverfahrens Einfluss nehmen, demgemäß auch von der Exekutive, soweit sie sich rechtlich gehalten sieht, bestimmte Beweismittel nicht freizugeben (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 26.5.1981 - 2 BvR 215/81 -, BVerfGE 57, 250, 283, Juris Rn. 75). Ein rechtsstaatliches und faires Verfahren fordert daher „Waffengleichheit" zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Beschuldigten andererseits. Der Beschuldigte hat deshalb ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen und auf die Vermittlung der erforderlichen materiell- und prozessrechtlichen Informationen, ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könnte (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30.3.2004 - 2 BvR 1520/01 -, BVerfGE 110, 226, 253, Juris Rn. 103). Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt hiernach, dass der Beschuldigte eines Strafverfahrens neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht hat, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 12.1.1983 - 2 BvR 864/81 -, BVerfGE 63, 45, 66, Juris Rn. 63 ff.). Dadurch werden seine Verteidigungsmöglichkeiten erweitert, weil er selbst nach Entlastungsmomenten suchen kann, die zwar fernliegen mögen, aber nicht schlechthin auszuschließen sind. Während so regelmäßig dem Informationsinteresse des Beschuldigten genügt ist, ist gleichwohl gewährleistet, dass der Ablauf des gerichtlichen Verfahrens nicht durch eine sachlich nicht gebotene Ausweitung der Verfahrensakten unverhältnismäßig erschwert oder sogar nachhaltig gefährdet wird (BVerfG a.a.O., Rn. 65).
Die möglicherweise außerhalb der Verfahrensakte gefundenen entlastenden Informationen können von der Verteidigung zur fundierten Begründung eines Antrags auf Beiziehung vor Gericht dargelegt werden. Der Beschuldigte kann so das Gericht, das von sich aus diese Informationen nicht beizieht, auf dem Weg des Beweisantrages oder Beweisermittlungsantrages zur Heranziehung veranlassen (vgl. BVerfG a.a.O., Rn. 68 ff.).
b) Diese für das Strafverfahren geltenden Grundsätze können auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren übertragen werden (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12.11.2020 - 2 BvR 1616/18 -, Juris Rn. 53 f.). Die technische Komplexität der bei Geschwindigkeitsmessungen zum Einsatz kommenden Messmethoden und die bei standardisierten Messverfahren verringerten Anforderungen an die Beweiserhebung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte lassen das Bedürfnis der Betroffenen am Zugang zu weiteren die Messung betreffenden Informationen nachvollziehbar erscheinen. Wenn der Betroffene demnach geltend macht, er wolle sich selbst Gewissheit darüber verschaffen, dass sich aus den dem Gericht nicht vorgelegten Inhalten keine seiner Entlastung dienenden Tatsachen ergeben, wird ihm die durch seinen Verteidiger vermittelte Einsicht grundsätzlich zu gewähren sein. Hieraus folgt allerdings kein unbegrenztes Recht auf Zugang zu außerhalb der Akten befindlichen Informationen, vielmehr müssen diese hinreichend konkret benannt sein und einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeiten-vorwurf aufweisen. Entscheidend ist, ob der Betroffene eine Information verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam halten darf. Die Verteidigung kann grundsätzlich jeder auch bloß theoretischen Aufklärungschance nachgehen, wohingegen die Bußgeldbehörden und schließlich die Gerichte von einer weitergehenden Aufklärung gerade in Fällen standardisierter Messverfahren grundsätzlich entbunden sind. Es kommt deshalb insofern nicht darauf an, ob die Bußgeldbehörde oder das Gericht die in Rede stehende Information zur Überzeugung von dem Verstoß für erforderlich erachtet (BVerfG a.a.O. Rn. 57).
2. Sowohl das Amtsgericht als auch das Oberlandesgericht haben vorliegend nicht beachtet, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren für den Beschwerdeführer grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen, vorliegend namentlich den Rohmessdaten der Geschwindigkeitsmessung sowie den Wartungs- und Reparaturunterlagen des verwendeten Messgeräts, folgt. Dieser Anspruch verpflichtet nicht etwa das Gericht, die geforderten Unterlagen aufgrund seiner Aufklärungspflicht beizuziehen und zu prüfen, sondern entspringt allein dem Recht des Betroffenen, die Grundlagen des gegen ihn erhobenen Vorwurfs einzusehen und selbst zu prüfen.
a) Das Amtsgericht Stuttgart hat den in der Hauptverhandlung gestellten „Einsichts-bzw. Aussetzungsantrag" als Beweisantrag angesehen und die beantragte Zurverfügungstellung der Rohmessdaten und der Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts in seinem Beschluss vom 23. Juni 2022 unter Verweis auf § 77 Abs. 2 OWiG mit der Begründung abgelehnt, dass die beantragten Unterlagen zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich seien. Konkrete Anhaltspunkte für Messfehler hätten sich im Rahmen der Beweisaufnahme und aus den relevanten Unterlagen, die zur Verfügung stünden, nicht ergeben, so dass die Beiziehung der weiteren Informationen und Unterlagen nicht veranlasst sei. Diese Behandlung ging aber am eigentlichen Begehren des Beschwerdeführers, nämlich die Unterlagen nach Erhalt eigenständig von einem Sachverständigen überprüfen zu lassen (so ausdrücklich auch der Antrag vom 23. Juni 2022), vorbei. Hierdurch verkannte das Amtsgericht zum einen den vom Bundesverfassungsgericht aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens hergeleiteten Anspruch auf Zugang zu den im Zusammenhang mit dem festgestellten Geschwindigkeitsverstoß vorhandenen Informationen, auch wenn sich diese außerhalb der Verfahrensakten befinden. Zum anderen nahm es in verfassungswidriger Weise einen Gleichlauf zwischen der gerichtlichen Aufklärungspflicht und dem Einsichtsrecht des Betroffenen an den im Zusammenhang mit der Messung stehenden Informationen an.
b) Auch das Oberlandesgericht Stuttgart ging in seinem Beschluss vom 20. Januar 2023 verfassungswidrig von einem Gleichlauf zwischen der gerichtlichen Aufklärungspflicht und dem Einsichtsrecht des Betroffenen an den im Zusammenhang mit der Messung stehenden Informationen aus, indem es die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen hat. Da es insoweit gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO von einer eigenen Begründung abgesehen hat, ergeben sich die für die Verwerfung tragenden Gründe aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und aus dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft. Diese hielt die fragliche Auffassung des Amtsgerichts, wonach eine weitere Beweisaufnahme nicht erforderlich gewesen sei, für nicht zu beanstanden. Die fehlende Differenzierung des Amtsgerichts zwischen Beweis(ermittlungs)antrag und dem Begehren auf Informationszugang führte das Oberlandesgericht also fort und ließ unberücksichtigt, dass die Verteidigungsinteressen des Betroffenen nicht identisch mit der Aufklärungspflicht des Gerichts in der Hauptverhandlung sind und deutlich weitergehen können (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12.11.2020 - 2 BvR 1616/18 -, Juris Rn. 67).
Unerheblich ist hierbei, dass sich den Akten keine Hinweise auf das Vorhandensein der von dem Betroffenen begehrten Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen entnehmen lassen und laut dem Messprotokoll vom 17. Oktober 2021 an dem Messgerät seit der letzten Eichung am 4. März 2021 keine Reparaturen oder Wartungsarbeiten durchgeführt worden sind. Denn zum einen erfasst das Einsichtsrechts den Zeitraum, der mit der letzten Eichung vor dem Tattag beginnt und am Tage des Ablaufs der Eich-frist (hier am 31. Dezember 2022) endet, so dass vom Einsichtsrecht auch Unterlagen solcher Wartungen erfasst sind, die nach der verfahrensgegenständlichen Messung, aber vor dem Ende der Eichfrist vorgenommen worden sind (VerfGH, Beschluss vom 16.1.2023- 1 VB 38/18 -, Juris Rn. 41 m.w.N.). Über diesen Zeitraum trifft das Messprotokoll keine Aussage. Zum anderen kann, wenn im fraglichen Zeitraum tat-sächlich keine Reparaturen und Wartungen an dem Messgerät durchgeführt wurden und daher keine entsprechenden Unterlagen vorliegen, von der Bußgeldbehörde eine ausdrückliche Erklärung hierüber gefordert werden (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 13.12.2021 - VGH B 46/21 -, Juris Rn. 55). Eine solche wurde vorliegend nicht abgegeben.
Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen des dargelegten Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 23 Abs. 1 LV Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung über die weiteren Rügen des Beschwerdeführers.
C.
Hiernach ist festzustellen, dass das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 23. Juni 2022 - 2 OWi 73 Js 37859/22 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Januar 2023 - 1 Rb 28 Ss 757/22 - den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 23 Abs. 1 LV verletzen (§ 59 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG). Die angegriffenen Entscheidungen sind aufzuheben und die Sache ist an das Amtsgericht Stuttgart zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 59 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG). Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 2. Februar 2023 über die Anhörungsrüge wird dadurch gegenstandslos. Der Ausspruch über die Erstattung der notwendigen Auslagen folgt aus § 60 Abs. 3 VerfGHG.
Einsender: RA A. Gratz, Bous
Anmerkung:
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