Gericht / Entscheidungsdatum: VG Ansbach, Beschl. v. 03.01.2025 - AN 10 S 24.3086
Leitsatz des Gerichts mit Ergänzungen/Änderungen:
1. Die Legaldefinition des Cannabismissbrauchs ist aufgrund der Feststellungen der Expertengruppe (vgl. Empfehlungen der interdisziplinären Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr (§ 24a StVG)) dahingehend angepasst worden, dass dieser mit dem gesetzlichen Wirkungswertes von 3,5 ng/ml THC-Blutserum in § 24a StVG korrespondiere. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes ist nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend.
2. Im Umkehrschluss aus § 13a Nr. 2b FeV und in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 13 Nr. 2a, b FeV wird eine einmalige cannabisbedingte Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG nicht zur Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV ausreichen. Im Falle einer Trunkenheitsfahrt stellt nach ständiger Rechtsprechung das Fehlen von Ausfallerscheinungen bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille eine Zusatztatsache im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV dar, da die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch eingeschätzt werden können. Es spricht demnach viel dafür, dass auch im Falle des § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV Zusatztatsachen, wie fehlende Ausfallerscheinungen, vorliegen müssen, die bei einem erstmaligen Verstoß gegen § 24a StVG auf einen Cannabismissbrauch hindeuten, da auch der Wortlaut von sonstigen Tatsachen spricht.
In pp.
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Entzug seiner Fahrerlaubnis sowie die damit verbundene Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins und des Fahrgastbeförderungsscheins.
Der Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, B, L und einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung.
Der Antragsgegner erhielt Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 3. Mai 2024 gegen 18.55 Uhr mit seinem Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis gefahren ist. Eine bei ihm daraufhin um 19.42 Uhr entnommene Blutprobe ergab folgende Werte: 7,6 ng/ml THC, 2,9 ng/ml 11-Hydroxy-THC und 132 ng/ml THC-Carbonsäure. Ausweislich des ärztlichen Berichts waren keine Ausfallerscheinungen ersichtlich. Der Gang war sicher, die Sprache deutlich, das Bewusstsein klar und der Denkablauf geordnet. Im Aktenvermerk der Polizeiinspektion ... vom 4. Mai 2024 wurde festgehalten, dass keine Fahrfehler festgestellt werden konnten und der Antragsteller während der Kontrolle angegeben habe, dass er regelmäßig Marihuana konsumiere.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2024 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass sich aufgrund des Vorfalls vom 3. Mai 2024 nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergäben und forderte ihn zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung bis zum 18. September 2024 zur Klärung folgender Fragen auf:
"Ist zu erwarten, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum hinreichend sicher getrennt werden kann? Falls nein oder wenn die zu begutachtende Person eine Abstinenz geltend macht: Liegt ein ausreichend langer Abstinenzzeitraum sowie ein gefestigter Einstellungs- und Verhaltenswandel zu Cannabis vor?"
Mit Schreiben vom 6. September 2024 teilte die damalige Prozessvertreterin des Antragstellers mit, dass der Antragsteller die Angabe des regelmäßigen Konsums irrtümlich äußerte, da er sich hieraus einen Vorteil bei der Kontrolle erhofft habe und dass eine Überprüfung der Fahreignung im Hinblick auf die geänderte Rechtslage nicht mehr statthaft sei.
Im Anhörungsschreiben vom 19. September 2024 wurde der Antragsteller zur Vorlage des Gutachtens aufgefordert und ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich zum beabsichtigen Fahrerlaubnisentzug zu äußern.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2024, zugestellt am 15. Oktober 2024, wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen (Ziffer 1). Zugleich verpflichtete der Antragsgegner ihn, seinen Führerschein (Ziffer 2) sowie den Fahrgastschein (Ziffer 3) innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides abzugeben. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2 und 3 des Bescheides wurden angeordnet (Ziffer 5). Zudem wurde dem Antragsteller jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR hinsichtlich Ziffer 2 und 3 angedroht, sofern er den Ablieferungsverpflichtungen nicht nachkommt (Ziffer 4).
Am 8. November 2024 gingen der Führerschein und der Fahrgastschein des Antragstellers bei dem Antragsgegner ein.
Gegen den streitgegenständlichen Bescheid legte die vormalige Bevollmächtigte des Antragstellers am 7. November 2024 Widerspruch ein. Dieser wurde am 26. November 2024 von dem neu beauftragten Prozessbevollmächtigten aufrechterhalten und begründet.
Mit am 4. Dezember 2024 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die erhobenen THC-Werte keine hohe THC-Konzentration darstellen. Das Fehlen jeglicher Beeinträchtigungen sei durch die geringe Menge und Wirkung des THC zu erklären. Eine Cannabisgewöhnung oder Abhängigkeit könne nicht angenommen werden. Zusatztatsachen, welche auch bei erstmaliger Fahrt unter Cannabiseinfluss auf einen Cannabismissbrauch oder die fehlende Trennbereitschaft schließen ließen, lägen im Hinblick auf die geringe THC Konzentration nicht vor. Das neue Fahrerlaubnisrecht unterscheide zwischen einem Cannabismissbrauch und einem unbedenklichen Cannabiskonsum, welcher entsprechend der Intentionen des Gesetzgebers sowohl gelegentlich, als auch regelmäßig stattfinden könne. Im Übrigen bestreite er die Angabe des regelmäßigen Cannabiskonsums, da sich dies ausschließlich aus dem Aktenvermerk vom 4. Mai 2024 ergebe. Dies stehe im Widerspruch zur Betroffenenanhörung vom 3. Mai 2024, in welcher er äußerte, keine Angaben zur Sache machen zu wollen. Die materielle Beweislast für einen verkehrsrechtlich relevanten Konsum liege beim Antragsgegner.
Er beantragt daher:
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ziffern 1, 2 und 3 des Bescheids vom 7. Oktober 2024 wird wiederhergestellt, gegen die Ziff. 4 des Bescheids angeordnet.
II. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, den eingezogenen Führerschein und den eingezogenen Fahrgastschein des Antragstellers an diesen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache wieder herauszugeben.
Der Antragsgegner beantragt:
Der Antrag wird abgelehnt.
Dieser ist im Wesentlichen der Ansicht, dass der Fahrerlaubnisentzug zu Recht auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt wurde, da das rechtmäßig geforderte Gutachten nicht fristgemäß beigebracht wurde. Die hohe THC-Konzentration und die Äußerung des Antragstellers, er konsumiere regelmäßig Cannabis, rechtfertigen Bedenken an der Fahreignung. Zweifel an der Richtigkeit der Aussage bestünden nicht. Die fehlenden Ausfallerscheinungen deuten auf eine Cannabisgewöhnung hin. Die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung lege dem Antragsteller eine besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen auf. Es komme in der Regel auch zu einer häufigen, intensiven und nicht planbaren Verkehrsteilnahme, was im Hinblick auf den regelmäßigen Konsum Zweifel an der Trennbarkeit aufwerfe. Diese dargestellten Zusatztatsachen würden auch bei einer einmaligen Fahrt unter Cannabiseinfluss die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV rechtfertigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die beigezogene Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
A. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Der Antrag zu 1 des anwaltlich vertretenen Antragstellers ist dahingehend auszulegen (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO), dass er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ziffern 1, 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheides begehrt, da diese in Ziffer 5 für sofort vollziehbar erklärt wurden. Hinsichtlich Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides ist der Antrag so auszulegen, dass er sich nicht gegen diese richtet, da der Antragsteller der Abgabeverpflichtung nachgekommen ist. Andernfalls wäre der grundsätzlich nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG statthafte Antrag insoweit unzulässig, weil sich die Zwangsgeldandrohung im Entscheidungszeitpunkt erledigt hat und nichts dafür ersichtlich ist, dass die Behörde beabsichtigt, das Zwangsmittel gleichwohl anzuwenden (vgl. BayVGH, B. v.5.2.2021 – 11 ZB 20.2611 – juris Rn. 23).
2. Der Antrag zu 1 ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Die Ziffern 1,2 und 3 des Bescheides stellen wirksame Verwaltungsakte dar, welche in Ziffer 5 jeweils gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt wurden. Diese Verwaltungsakte haben sich nicht erledigt. Die Abgabe des Führerscheines und des Fahrgastscheins führten nicht zur Erledigung der Ziffern 2 und 3, weil diese weiterhin den Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen darstellen (vgl. BayVGH, B. v.12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris Rn. 22).
Der unter Ziffer 2 als Annexantrag gestellte Vollzugsfolgenbeseitigungsantrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Vollziehung meint hier nicht nur die behördliche Vollziehungsmaßnahme selbst, sondern erfasst auch die freiwillige Befolgung des Verwaltungsaktes (vgl. BayVGH, B. v.25.8.1989 – 23 CS 89.02090 – juris).
Bedenken gegen die Zulässigkeit bestehen im Übrigen nicht. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen, da der Widerspruch nicht offensichtlich unzulässig ist. Der Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Bescheid wurde form- und fristgerecht durch die vormalige Prozessvertreterin erhoben, § 70 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 VwGO i.V.m. § 3a Abs. 3 Nr. 2a VwVfG. Die fehlende qualifizierte elektronische Signatur steht dem nicht entgegen, da die Schriftform gemäß § 3a Abs. 3 Nr. 2a VwVfG durch die Übermittlung einer vom Erklärenden elektronisch signierten Erklärung mittels des elektronischen Anwaltspostfachs im Sinne des § 31a Bundesrechtsanwaltsordnung ersetzt wurde.
Aus § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO ergibt sich zudem, dass ein Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig ist.
3. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ziffern 1, 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheides ist unbegründet.
Die Sofortvollzugsanordnung in Ziffer 5 des Bescheides ist formell rechtmäßig (a.) und die vom Gericht originär zu treffende Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung und dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug des Bescheides fällt zugunsten des Antragsgegners aus (b.).
a) Die Begründung des Sofortvollzugs (Ziffer 5) im streitgegenständlichen Bescheid gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entspricht den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug ausreichend schriftlich begründet wurde. Diese schriftliche Begründung soll dem Betroffenen ermöglichen, seine Rechte wirksam wahrzunehmen, weshalb die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen hat, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung einer Klage, die sofortige Vollziehbarkeit der Verwaltungsakte angeordnet hat. Bloße formelhafte Begründungen reichen nicht aus. An den Inhalt der Begründung sind jedoch keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BayVGH, B. v.7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 20). Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem sofortigen Vollzugsinteresse identisch (vgl. BayVGH, B. v.4.7.2019 – 11 CS 19.1041 – juris Rn. 16; B. v.14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 13). Bei immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen, welchen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht zählt (vgl. BayVGH, B. v.8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – juris Rn. 6).
Dem hat der Antragsgegner genüge getan, indem er bezogen auf Ziffer 1 ausführte, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Unterbindung der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr zum Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer dem Interesse des Antragstellers an der weiteren Teilnahme bis zur rechtskräftigen Entscheidung überwiege. Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer, welche aufgrund des dargestellten Sachverhaltes bestünden, seien nur so zu minimieren. Der Sofortvollzug der Ziffern 2 und 3 erfolge, da der Führerschein, wie auch der Fahrgastschein als Rechtsdokumente den Anschein einer vorhandenen Fahrerlaubnis erwecken können, was insbesondere im Rahmen einer Verkehrskontrolle zu unterbinden sei.
b) Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende originäre Interessenabwägung des Gerichts fällt zugunsten des Antragstellers aus.
Bei der Entscheidung ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Maßnahme (Vollzugsinteresse), vorliegend der Unterbindung der Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr mit dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (Suspensivinteresse) abzuwägen. Maßgeblich für die Entscheidung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Wird der Hauptsacherechtsbehelf nach der gebotenen summarischen Prüfung erfolglos bleiben, weil keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag abgelehnt werden, ohne dass noch weitere Interessen abgewogen werden müssen.
Nach der gebotenen summarischen Prüfung wird der eingelegte Widerspruch gegen die Ziffern 1, 2 und 3 des Bescheids vom 7. Oktober 2024 voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins und des Fahrgastscheins rechtmäßig sind und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also hier der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9/21 – juris Rn. 13).
aa) Die Entziehung der Fahrerlaubnis war rechtmäßig. Der Antragsgegner hat gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV dem Antragsteller rechtmäßig die Fahrerlaubnis entzogen, da aufgrund der Nichtvorlage des rechtmäßig geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens (§ 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV) auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen war.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG bzw. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, so finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sich dieser weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Gutachtensanordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist sowie die Weigerung ohne hinreichenden Grund erfolgt ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 19; BayVGH, B. v.19.12.2022 – 11 B 22.632 – juris Rn. 25). Die Gutachtensanordnung muss hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung sind strenge Maßstäbe zu stellen, weil die Gutachtensaufforderung mangels Verwaltungsaktqualität nicht selbstständig angefochten werden kann. Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar festzulegen. Der Betroffene muss der Gutachtensaufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob dieser die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung rechtfertigen. Der Betroffene trägt das Risiko, dass ihm bei einer Weigerung gegebenenfalls die Fahrerlaubnis entzogen wird.
Die Aufforderung zur Begutachtung des Antragsgegners vom 16. Juli 2024 ist rechtmäßig, da sie sowohl den formellen ((I.)), als auch materiellen ((II.)) Anforderungen genügt.
(I.) Die Begutachtungsanordnung ist formell rechtmäßig.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller im Aufforderungsschreiben vom 16. Juli 2024 unter Nennung der zutreffenden Rechtsgrundlage § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV i.V.m. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV dargelegt, weshalb er an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zweifelt. Die Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV und des § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV wurden eingehalten. Als anlassbezogener Sachverhalt wurde dem Antragsteller die Fahrt unter Cannabiseinfluss vom 3. Mai 2024 gegen 18.55 Uhr genannt. Dem Antragsteller wurde eine bestimmte und aus Sicht des Gerichts angemessene Frist bis zum 18. September 2024 gesetzt, innerhalb derer er ein medizinisch-psychologisches Gutachten hätte beibringen müssen. Eine Frist von zwei Monaten ist dabei grundsätzlich ausreichend und angemessen, um das geforderte Gutachten erstellen zu lassen (vgl. BayVGH, B. v.11.8.2023 – 11 CS 23.1103 – juris Rn. 25). Die Aufforderung enthielt auch den erforderlichen Hinweis auf § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV und die Folgen der Nichterbringung des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens. Sonstige Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Begutachtungsanordnung sind nicht ersichtlich.
(II.) Die materiellen Anforderungen zur Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV lagen im maßgeblichen Zeitpunkt, dem Erlass der Begutachtungsanordnung (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 14), vor. Danach muss die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis ein medizinisch-psychologisches Gutachten anfordern, wenn sonstige Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen.
Der Antragsgegner ist zutreffend davon ausgegangen, dass sonstige Tatsachen vorliegen, die einen Cannabismissbrauch begründen. Gemäß Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV liegt ein Missbrauch von Cannabis vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen des Fahrzeugs nicht hinreichend sicher getrennt werden kann.
Die seit 1. April 2024 geltende Rechtslage unterscheidet zwischen einer Cannabisabhängigkeit (Nr.9.2.3 der Anlage 4 zur FeV), dem Cannabismissbrauch (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) und einem fahrerlaubnisrechtlich unbedenklichen Cannabiskonsum (so auch: BVerwG, B. v.14.6.2024 – 3 B 11.23, BeckRS 2024, 15306 Rn. 9 f.), welcher nach Vorstellung des Gesetzgebers gelegentlich oder auch regelmäßig erfolgen könne (BT-Drs. 20/11370 S.11). Damit hat der Gesetzgeber die bisherige Annahme, dass mit einem regelmäßigen Konsum in der Regel auch eine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliege, aufgegeben. Im Übrigen erscheint es vorliegend schon zweifelhaft, einen regelmäßigen Konsum anhand eines THC-Carbonsäurewertes von 132 ng/ml anzunehmen, da dies nach (bisheriger) ständiger Rechtsprechung erst ab einem Wert von 150 ng/ml THC-COOH im Blutserum zu bejahen ist (vgl. BayVGH, B. v.19.4.2022 – 11 CS 21.3010, BeckRS 2022, 9296 Rn. 10). Auch die Frage, ob der Antragsteller selbst angegeben habe, regelmäßig Cannabis zu konsumieren, ist damit nicht mehr entscheidungserheblich.
Mangels gesetzlicher Festlegung eines THC-Wertes in Nr. 9.2.1. der Anlage 4 zur FeV sowie mangels der Anpassung der Begutachtungsleitlinien an die neuen Vorgaben der FeV, greift das Gericht vorliegend auf die Gesetzesbegründung zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften zurück (BT-Drs. 20/11370). Aus dieser geht hervor, dass nach dem aktuellen Kenntnisstand der Wissenschaft die Festlegung eines THC-Grenzwertes, bei welchem der Betroffene im Rahmen der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV regelmäßig nicht hinreichend sicher zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Konsum trennt, nicht möglich sei. Dennoch sei die Legaldefinition des Cannabismissbrauchs aufgrund der Feststellungen der Expertengruppe (vgl. Empfehlungen der interdisziplinären Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr (§ 24a StVG)) dahingehend angepasst worden, dass dieser mit dem gesetzlichen Wirkungswertes von 3,5 ng/ml THC-Blutserum in § 24a StVG korrespondiere. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes sei nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend. Der Begriff des "nicht Fernliegens" sei dabei ein Wahrscheinlichkeitsgrad für die Verwirklichung des Straßenverkehrssicherheitsrisikos und sei so zu verstehen, dass der Risikoeintritt möglich, jedoch nicht wahrscheinlich, aber auch nicht ganz unwahrscheinlich sei (vgl. BT-Drs. 20/11370 S.13). Ausweislich der Darstellungen der Expertengruppe bestehe ab einem THC-Gehalt von über 7 ng/ml THC im Blutserum ein erhöhtes Unfallrisiko und eine verkehrssicherheitsrelevante Leistungseinbuße (vgl. Empfehlungen der interdisziplinären Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr (§ 24a StVG) S. 5 f.). Der Antragsteller wies zum Zeitpunkt der Blutuntersuchung ein THC-Wert von 7,6 ng/ml auf und lag damit im Bereich eines erhöhten Unfallrisikos. Durch das 2-fache Überschreiten des THC-Grenzwertes von 3,5 ng/ml war eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges zumindest nicht fernliegend und im Übrigen nach obigen Ausführungen sogar wahrscheinlich. Die Prognoseentscheidung, ob der Antragsteller in Zukunft sicher zwischen einem verkehrssicherheitsrelevanten Cannabiskonsum und dem Führen eines Fahrzeuges trennen könne, fällt in Anbetracht seines erhöhten THC-Wertes negativ aus. Ein Cannabismissbrauch läge damit vor.
Diese alleinige Feststellung stünde jedoch im Widerspruch zu § 13a Nr. 2b FeV. Danach ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, sofern eine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurde. Im Umkehrschluss daraus und in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 13 Nr. 2a, b FeV wird eine einmalige cannabisbedingte Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG nicht zur Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV ausreichen. Im Falle einer Trunkenheitsfahrt stellt nach ständiger Rechtsprechung das Fehlen von Ausfallerscheinungen bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille eine Zusatztatsache im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV dar, da die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch eingeschätzt werden können (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.2021 – 3 C 3/20 – SVR 2021, 433). Es spricht demnach viel dafür, dass auch im Falle des § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV Zusatztatsachen, wie fehlende Ausfallerscheinungen, vorliegen müssen, die bei einem erstmaligen Verstoß gegen § 24a StVG auf einen Cannabismissbrauch hindeuten, da auch der Wortlaut von sonstigen Tatsachen spricht.
Ausweislich des ärztlichen Berichts vom 3. Mai 2024 waren keine Ausfallerscheinungen beim Antragsteller ersichtlich. Der Gang war sicher, die Sprache deutlich, das Bewusstsein klar und der Denkablauf geordnet. Auch im Aktenvermerk der Polizeiinspektion ... vom 4. Mai 2024 wurde festgehalten, dass keine Fahrfehler festgestellt werden konnten. Die fehlenden Ausfallerscheinungen stellen eine sonstige Tatsache dar, welche die Annahme eines Cannabismissbrauchs auch bei einem erstmaligen Verstoß begründen. Es kann möglicherweise durch eine Cannabisgewöhnung und das Fehlen von Warnsignalen die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch eingeschätzt werden.
Auch die in der Begutachtungsanordnung gestellten Fragen sind nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die gestellten Fragen orientieren sich am anlassgebenden Sachverhalt, dem Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer THC-Blutkonzentration von 7,6 ng/ml. Dieser Sachverhalt begründet einen Mangel, der bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründet, dass der Betroffene sich als Führer eines Kraftfahrzeugs nicht verkehrsgerecht umsichtig verhalten werde. Demnach ist die Fragestellung geeignet, um zu klären, ob der Antragsteller in Zukunft sicher zwischen einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennen könne.
Gemäß § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, sofern sonst Tatsachen vorliegen, welche die Annahme eines Cannabismissbrauchs begründen. Ermessen ist nicht gegeben.
Dem Antragsgegner stand wegen der Nichtvorlage des zu Recht geforderten Gutachtens nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV kein Ermessensspielraum zu (vgl. BayVGH, B. v.22.1.2024 – 11 CS 23.1451 – juris Rn. 15; BayVGH, B. v.30.3.2021 – 11 ZB 20.1138 – juris Rn. 14). Die Entscheidung erweist sich schließlich auch als verhältnismäßig, da dem Interesse der Allgemeinheit an einem sicheren und verkehrsgerechten Straßenverkehr der Vorrang gegenüber dem Interesse des Antragstellers an dem weiteren Besitz seiner Fahrerlaubnis einzuräumen ist. Billigkeitserwägungen, wie die Notwendigkeit der Fahrerlaubnis zur Berufsausübung, können an dieser Stelle nicht entgegengehalten werden. Gründe, die den Antragsteller daran gehindert haben, das rechtmäßig verlangte Fahreignungsgutachten rechtzeitig beizubringen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Solche sind auch nicht ersichtlich.
bb) Aufgrund der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis in Ziffer 1, erweist sich voraussichtlich auch die akzessorische Ablieferungspflicht des Führerscheins in Ziffer 2 und des Fahrgastscheins in Ziffer 3 des Bescheids als rechtmäßig, § 47 Abs. 1 FeV.
4. Aus diesen Gründen wird die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben, weswegen das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids dem Interesse des Antragstellers einstweilen weiter am Straßenverkehr teilzunehmen, überwiegt. Insbesondere in Anbetracht der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen, wiegt das öffentliche Interesse am Schutz von Leben, Gesundheit sowie Eigentum der Fahrgäste und anderer Verkehrsteilnehmer besonders schwer. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher insgesamt, auch hinsichtlich des unter Ziffer 2 gestellten Antrags auf Vollzugsfolgenbeseitigung, abzulehnen.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
C. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Ziffern 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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