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Entscheidungen

Klimaaktivisten

Klimakleber, Nötigung, Rechtfertigung, 2. Reihe Rechtsprechung

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 12.11.2024 - 203 StRR 250/24

Leitsatz des Gerichts:

1. Die Teilnahme an gezielten Verkehrsblockaden zum Zweck des Protests gegen den Klimawandel kann nach § 240 StGB strafbar sein. Zur Feststellung der Verwerflichkeit bedarf es dabei einer an den Umständen des Einzelfalls orientierten Abwägung.
2. Im Hinblick auf die sog. „Zweite Reihe“-Rechtsprechung des BGH muss das Tatsachengericht Feststellungen dazu treffen, ob die an der Weiterfahrt gehinderten Verkehrsteilnehmer in der ersten Reihe vor den Demonstrationsteilnehmern oder in einer der folgenden Reihen standen. Nach der Rechtsprechung des BGH kommen nur die an der Weiterfahrt gehinderten Verkehrsteilnehmer in der zweiten und den folgenden Reihen als Geschädigte in Betracht.


Bayerisches Oberstes Landesgericht

203 StRR 250/24

In dem Strafverfahren
gegen pp.

wegen Nötigung

erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht - 3. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 12. November 2024 folgenden

Beschluss

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird die Strafverfolgung der Angeklagten S. und W. gemäß § 154a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft München dahingehend beschränkt, dass von der Verfolgung der Tat die Geschädigten R.P.G. (Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX mit Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX), S.I.T. (Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-XX XX) und A.R. (Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX-X XXXX) ausgenommen werden.
2. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.10.2023, soweit dieses den Angeklagten S. betrifft, im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte der Nötigung in 15 tateinheitlichen Fällen schuldig ist. Der Rechtsfolgenausspruch wird auf die Revision hin aufgehoben, soweit dieser den Angeklagten S. betrifft, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Aufgehoben wird auch der Ausspruch über die Kosten. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten S. als unbegründet verworfen.
3. Auf die Revision der Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.10.2023, soweit dieses die Angeklagte W. betrifft, im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Angeklagte der Nötigung in 15 tateinheitlichen Fällen schuldig ist. Der Rechtsfolgenausspruch wird auf die Revision hin aufgehoben, soweit dieser die Angeklagte W. betrifft, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Aufgehoben wird auch der Ausspruch über die Kosten. Im Übrigen wird die Revision der Angeklagten W. als unbegründet verworfen.
4. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Nürnberg hat die Angeklagten S. und W. sowie die beiden weiteren Angeklagten B. und K. mit Urteil vom 25.01.2023 wegen gemeinschaftlicher Nötigung in 18 tateinheitlichen Fällen jeweils zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt und hat die Tagessatzhöhe beim Angeklagten S. auf 15,00 € und bei der Angeklagten W. auf 10,00 € festgelegt. Die Tagessatzhöhen der nicht revidierenden Mitangeklagten B. und K. wurden auf 60,00 € und 10,00 € festgesetzt.

Die Berufungen der vier Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 24.10.2023 als unbegründet verworfen. Abgeändert wurde lediglich die Tagessatzhöhe des nicht revidierenden Angeklagten B.

Nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen haben die vier Angeklagten gemeinsam mit weiteren gesondert verfolgten Personen am 22.02.2022 ab 7:20 Uhr den Verkehr während der morgendlichen Hauptverkehrszeit auf der Abfahrt Westring der Bundesautobahn A 73 in Fahrtrichtung Nürnberg blockiert. Ohne eine Versammlung anzumelden haben die zur Gruppierung „Aufstand der letzten Generation“ gehörenden Angeklagten die dort vorhandenen beiden Rechtsabbiegerspuren und die Linksabbiegerspur dadurch blockiert, dass sie sich mit jeweils einer Hand auf der Straße auf Höhe der Fussgängerfurt der Jansenbrücke festklebten. Um ihrem Anliegen, die Regierung zur Verabschiedung eines „Essen-Retten-Gesetzes“ zu veranlassen, größtmögliche Aufmerksamkeit zu verschaffen, verhinderten die Angeklagten und ihre Mittäter von 7:20 Uhr bis etwa 8:20 Uhr die Durchfahrt von zumindest 18 namentlich genannten Verkehrsteilnehmern. Die Angeklagte W. wurde um 8:36 Uhr von der Fahrbahn gelöst, der Angeklagte S. um 8:38 Uhr. Vollständig freigegeben konnte die Straße für den Verkehr erst wieder um 9:37 Uhr.

Gegen dieses Urteil wendeten sich der Angeklagte S. mit seiner am 29.10.2023 und die Angeklagte W. mit ihrer am 24.10.2023 eingelegten Revision. Der Angeklagte S. hat seine Revision am 04.01.2024 begründet, die Angeklagte W. am 29.12.2023. Beide Angeklagte rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Berufungsgericht habe sich nicht an die zugesagte Wahrunterstellung anlässlich zweier gestellter Beweisanträge, nämlich zur Erholung eines klimaökologischen Sachverständigengutachtens (Beweisantrag Nr. 1) und zur Erholung eines politik- und sozialwissenschaftlichen Sachverständigengutachtens (Beweisantrag Nr. 2) gehalten. Sodann beriefen sich die Angeklagten auf Art. 20a GG und Art. 8 GG, auf eine Notstandslage und die fehlende Verwerflichkeit ihres Handelns.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Vorlageschreiben vom 19.04.2024 die Verwerfung beider Revisionen durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO beantragt.

Hierzu hat der Verteidiger des Angeklagten S. mit Schreiben vom 10.06.2024 eine Gegenerklärung abgegeben.

Mit Schreiben vom 21.08.2024 hat der Senat bei den Verteidigern der nichtrevidierenden Angeklagten B. und K. im Hinblick auf die mögliche Erstreckung einer zu treffenden Entscheidung des Revisionsgerichts auf diese Angeklagten angefragt.

Mit Schreiben seines Verteidigers vom 18.09.2024 hat der Angeklagte B. einer Erstreckung widersprochen. Die Angeklagte K. hat einer Erstreckung ebenfalls widersprochen mit Schreiben ihres Verteidigers vom 05.09.2024.

Mit Schreiben vom 04.10.2024 hat der Senat gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft München angeregt, eine Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO bezüglich der in erster Reihe stehenden Fahrzeugführer vorzunehmen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat daraufhin mit Schreiben vom 22.10.2024 beantragt, die Geschädigten R.P.G. (Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX mit Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen RO-TW 407), S.I.T. (Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-XX XX) und A.R. (Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX-X XXXX) gemäß § 154a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung auszunehmen.

Hierzu wurden die Angeklagten gehört. Der Angeklagte S. hat sich über seinen Verteidiger am 08.11.2024 geäußert.

Auf die jeweiligen Ausführungen in den genannten Schreiben und im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

II.

Die Revision beider Angeklagter wurde jeweils form- und fristgerecht eingelegt und ist daher nach §§ 333, 337, 341 Abs. 1, 344, 345 Abs. 1 StPO zulässig.

III.

1. Eine Beschränkung der Strafverfolgung ist nach § 154a Abs. 2 StPO in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch im Revisionsverfahren, möglich (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 154a Rn. 22).

2. Der Senat beschränkt vorliegend mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft die Strafverfolgung bezüglich dreier im Berufungsurteil erfasster Autofahrer. Ausgenommen von der Strafverfolgung sind damit die von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 22.10.2024 namentlich benannten drei Fahrzeugführer in der ersten Reihe der an der Weiterfahrt gehinderten Fahrzeuge. Dies betrifft die Geschädigten R.P.G. (Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX mit Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX), S.I.T. (Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-XX XX) und A.R. (Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX-X XXXX).

3. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft München am 22.10.2024 auf vorangegangene Anfrage des Senats vom 04.10.2024 ihre Zustimmung erteilt.

4. Die Verfahrensbeschränkung erfolgt zur Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens. Von der Verfolgung der den Angeklagten zur Last liegenden Nötigung werden die Verkehrsteilnehmer G.T. und R. gemäß § 154a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ausgenommen.

IV.

Die Revisionen der Angeklagten S. und W. haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Auf ihre Revisionen wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.10.2023, soweit dieses die revidierenden Angeklagten betrifft, im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Angeklagten wegen Nötigung in nur noch 15 tateinheitlichen Fällen verurteilt werden. Der Rechtsfolgenausspruch und die Kostenentscheidung werden auf die Revision hinsichtlich beider Angeklagter aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung insoweit an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird. Im Übrigen ist die Revision der Angeklagten nicht begründet (§ 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO).

Die formellen Rügen haben keinen Erfolg. Allerdings ist der Schuldspruch - im Anschluss an die vorgenommene Beschränkung der Strafverfolgung nach § 154a StPO - auf die erhobene Sachrüge hin an die nunmehr niedrigere Zahl von 15 tateinheitlich Geschädigten der Nötigung anzupassen. Aufgrund dieser Änderung des Schuldspruchs kann der Rechtsfolgenausspruch bei beiden Angeklagten keinen Bestand haben.

Eine Erstreckung der Aufhebung auf die im angefochtenen Urteil vom 24.10.2023 ebenfalls Verurteilten B. und K. kommt nicht in Betracht, weil diese der Anwendung des § 357 StPO widersprochen haben.

1. Die formellen Rügen greifen nicht durch. Das Berufungsgericht hat sich nicht in Widerspruch zu den erfolgten Wahrunterstellungen gesetzt.

a) Das Gericht muss bei der Urteilsfindung die Zusage, eine bestimmte Behauptung zugunsten des Angeklagten als wahr zu behandeln, einlösen. Es darf sich mit einer - bis zum Schluss der Verhandlung unwiderrufen gebliebenen - Wahrunterstellung nicht in Widerspruch setzen, gleichgültig, worauf sie beruht. Der Angeklagte kann grundsätzlich auf die Einhaltung einer solchen Zusage vertrauen und danach seine Verteidigung einrichten. In diesem berechtigten Vertrauen wird er enttäuscht, wenn das Urteil die Wahrunterstellung außer Acht lässt (BGH, Urteil vom 06.07.1983 - 2 StR 222/83, juris, Rn. 22).

Gegenstand der Wahrunterstellung sind zur Entlastung des Angeklagten behauptete Tatsachen. Das Gericht muss aber aus den als wahr unterstellten Angaben nicht die vom Angeklagten angestrebten Schlussfolgerungen ziehen (BGH, Urteil vom 28.02.2013 - 4 StR 357/12, juris, Rn. 12 m.N.). Der Tatrichter braucht den Angeklagten auch in der Regel nicht vom Wechsel der Bewertung einer Beweisbehauptung zu unterrichten, wenn eine als wahr unterstellte Indiztatsache sich nach dem Ergebnis der Urteilsberatung als bedeutungslos erweist (BGH, a.a.O.).

b) Im vorliegenden Fall referiert das Landgericht die Zielsetzungen der Angeklagten in der Wiedergabe ihrer Einlassungen. Sie stimmen mit den Feststellungen überein, dass für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der bis 21.02.2022 reichenden Frist zum Erlass eines „Essen-Retten-Gesetzes“ Störungen unter anderem durch Blockaden von Hauptverkehrsadern angekündigt waren und bei der Aktion Transparente mit den Aufschriften „Essen retten - Leben retten“ und „Aufstand der letzten Generation“ gezeigt wurden. Diese Ziele erwähnt es auch wieder im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung, lehnt dort aber eine Berücksichtigung der Fernziele in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ab und stellt sie bei der Strafzumessung als zugunsten der Angeklagten wirkende Umstände ein.

c) Das Landgericht hält sich damit im Rahmen der Wahrunterstellung zum Beweisantrag Nr. 1. Dass es die Richtigkeit des Vortrags der Angeklagten zur Realität und Dringlichkeit des Klimawandels als wahr unterstellt hat, führt nicht dazu, dass es die Tatsachen auch im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung als rechtlich bedeutsam zugrunde legen musste. Dies kam für die Angeklagten im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht überraschend. Dieses hat in seiner Entscheidung vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 ausgeführt, dass dem Strafgericht keine Bewertung zustehe, ob es das kommunikative Anliegen der Demonstranten als nützlich und wertvoll einschätzt oder es missbilligt (juris, Rn. 39). Es liegt ferner kein Fall vor, in dem die als wahr unterstellten Tatsachen nachträglich als bedeutungslos behandelt worden wären, weil sie bei der Strafzumessung berücksichtigt wurden. Eine Hinweispflicht des Gerichts unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens war damit ebenfalls nicht gegeben.

d) Hinsichtlich des Beweisantrags Nr. 2 liegt in der Wahrunterstellung ebenfalls nicht die Zusage einer bestimmten rechtlichen Bewertung. Das Landgericht setzt sich mit seinen rechtlichen Ausführungen nicht in Widerspruch zu den als wahr unterstellten Tatsachen, insbesondere nicht zu der Behauptung, ziviler Ungehorsam wirke bei der Herbeiführung gesellschaftlicher Veränderungen effektiver als andere Formen von Einwirkungsmöglichkeiten wie unter anderem Versammlungen oder Demonstrationen.

In Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht hat das Landgericht eine Rechtfertigung durch einen Rechtfertigungsgrund des zivilen Ungehorsams verneint. Danach reicht auch die Anerkennung des Konzepts, das ein Widerstehen des Bürgers gegenüber einzelnen gewichtigen staatlichen Entscheidungen durch demonstrativen, zeichenhaften Protest bis zu aufsehenerregenden Regelverletzungen, um einer für verhängnisvoll und ethisch illegitim gehaltenen Entscheidung zu begegnen, für gerechtfertigt hält, nicht aus, um gezielte und bezweckte Verkehrsbehinderungen durch Sitzblockaden als rechtmäßig zu legitimieren und es den staatlichen Organen zu verwehren, sie als ordnungswidrig oder strafbar zu behandeln. Das kann zumindest dann nicht in Betracht kommen, wenn Aktionen des zivilen Ungehorsams wie bei Verkehrsbehinderungen in die Rechte Dritter eingreifen, die ihrerseits unter Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts als Instrument zur Erzwingung öffentlicher Aufmerksamkeit benutzt werden (BVerfG, Urteil vom 11.11.1986 - 1 BvR 713/83, juris, Rn. 91, 93; BayObLG, Beschluss vom 21.04.2023 - 205 StRR 63/23). Dies steht nicht im Widerspruch zu den als wahr unterstellten Behauptungen des Beweisantrags Nr. 2, sondern besagt, dass das - unterstellt effektivere Mittel - aus rechtlichen Gründen nicht eingesetzt werden darf.

Gleiches gilt für die Ausführungen des Landgerichts zu § 34 StGB. Dass ziviler Ungehorsam ein effektiveres Mittel zur Herbeiführung erstrebter gesellschaftlicher Veränderungen ist, schließt nicht aus, dass unter rechtlichen Gesichtspunkten - in diesem Fall der Erforderlichkeit und der Angemessenheit (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21.04.2023 - 205 StRR 63/23) - andere, mit geringeren Eingriffen verbundene Maßnahmen Vorrang vor diesem Mittel haben.

2. Auf die von den Angeklagten erhobenen Sachrügen ist der Schuldspruch - im Anschluss an die erfolgte Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO (oben III.) - neu zu fassen. Die weiteren Angriffe gegen den Schuldspruch bleiben ohne Erfolg.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und tragen den Schuldspruch wegen Nötigung in 15 tateinheitlichen Fällen. Es greifen keine Rechtfertigungsgründe für das Handeln der Angeklagten ein, auch ist deren Verhalten als verwerflich anzusehen.

a) Die nach der Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO verbleibenden 15 Geschädigten ab der zweiten Reihe kommen nach der sogenannten „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ als Genötigte i.S.v § 240 StGB in Betracht. Nach dieser Rechtsprechung ergibt sich die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens von eine Straße blockierenden Demonstranten gemäß § 240 Abs. 1 StGB im Ergebnis nicht aus deren unmittelbarer Täterschaft durch eigenhändige Gewaltanwendung, sondern aus mittelbarer Täterschaft durch die ihnen zurechenbare Gewaltanwendung des ersten Fahrzeugführers als Tatmittler gegenüber den nachfolgenden Fahrzeugführern. Diese Auslegung der strafbarkeitsbegründenden Tatbestandsmerkmale "Gewalt durch einen anderen" sprengt nicht die Wortsinngrenze des Analogieverbots (BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05, BVerfGK 18, 365 - 377, Rn. 28 mit umfangreichen Nachweisen). Die vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 10.01.1995 (1 BvR 718/89) für die Annahme von Gewalt im Sinne von § 240 Abs. 1 StGB geforderte physische Zwangswirkung liegt in dieser Konstellation vor. Dies gilt zwar nicht für das Verhältnis von den Demonstranten zu dem ersten Fahrzeugführer, wohl aber für das Verhältnis von dem ersten Fahrzeugführer zu den nachfolgenden Fahrzeugführern. Indem der erste Fahrzeugführer aus Rücksicht auf die Rechtsgüter der Demonstranten abbremst, zwingt er den nachfolgenden Fahrzeugführer zur Vermeidung eines Aufpralls und damit zur Schonung eigener Rechtsgüter anzuhalten. Das erste Fahrzeug in der Reihe bedeutet für den nachfolgenden Fahrzeugführer ein unüberwindbares physisches Hindernis im Sinne des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10.01.1995. Dass im Verhältnis von Demonstranten zu dem ersten Fahrzeugführer keine physische, sondern allein eine psychische Zwangswirkung vorliegt, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, da die Einflussnahme eines mittelbaren Täters auf den Tatmittler durchaus allein psychischer Natur sein darf. Für die Fahrzeugführer der zweiten und nachfolgenden Reihen begründet es keinen Unterschied, ob die das Hindernis bildende erste Reihe dort von den Fahrzeugführern selbst abgestellt wurde oder aufgrund von psychischer Einflussnahme Dritter entstand. Auch die der strafbarkeitsbegründenden Zurechnung zugrunde liegende Annahme, dass die Demonstranten über hinreichende Tatherrschaft beziehungsweise Willen zur Tatherrschaft verfügen, begegnet - im Blick auf die Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05, BVerfGK 18, 365 - 377, Rn. 29 m.w.N.).

b) Auch ohne dass es auf die individuelle Bezeichnung der drei in erster Reihe stehenden Kraftfahrer ankäme, führt die Reduzierung der Zahl der Geschädigten von 18 auf 15 zur Wahrung der „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“, da die Angeklagten und ihre gesondert verfolgten Mittäter nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 4) die dort vorhandenen zwei Rechtsabbiegespuren und eine Linksabbiegerspur blockierten, so dass genau drei Fahrzeuge in der ersten Reihe zum Stehen kamen. Von den ohne zu differenzieren genannten 18 im Stau stehenden Autofahrern sind also - und nur hierauf kommt es an - 15 Personen als Geschädigte der Nötigung anzusehen. Diese Zahl an Geschädigten entspricht der Geschädigtenzahl nach erfolgter Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a StPO. Mit der tenorierten Neufassung des Schuldspruchs ist daher in jedem Fall der „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ Genüge getan.

c) Dass das Landgericht im Hinblick darauf, dass die Angeklagten sich in der Erwartung polizeilicher Maßnahmen auf der Fahrbahn festklebten, nicht auch eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 Alt. 1 StGB in Erwägung gezogen hat (vgl. dazu etwa KG NJW 2023, 2792 - 2794, juris, Rn. 20), beschwert diese nicht.

Dass das Landgericht keine Feststellungen zur Anzahl etwa weiter betroffener, namentlich nicht bekannter Kraftfahrer getroffen hat, beschwert die Angeklagten nach der Änderung des Schuldspruchs auf 15 tateinheitliche Fälle ebenfalls nicht.

d) Eine Rechtfertigung der Tat wegen Vorliegens eines Notstandes nach § 34 StGB hat das Landgericht im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu Recht nicht bejaht, weil den Beschwerdeführern zum Erreichen ihres Ziels mildere Mittel zur Verfügung standen und sie nicht hierfür eine Nötigung der Autofahrer hätten begehen müssen. Als milderes Mittel zur Einwirkung auf den politischen Meinungsbildungsprozess hätten sie beispielsweise hierauf bezogene Grundrechte, nämlich Art. 5 GG (Meinungsfreiheit), Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit) und Art. 17 GG (Petitionsrecht) ausüben, beziehungsweise von der Möglichkeit des Art. 21 GG (Freiheit der Bildung politischer Parteien) Gebrauch machen können. Zudem hätten sie im direkten Gespräch oder über sonstige Kommunikationsmittel versuchen können, auf Mitglieder der Regierung und/oder der gesetzgebenden Körperschaften zur Erreichung ihrer Ziele einzuwirken (BayObLG, Beschluss vom 21.04.2023 - 205 StRR 63/23, NStZ 2023, 747 - 749, Rn. 46; OLG Celle OLGSt StGB § 34 Nr. 3, Beschluss vom 29.07.2022, 2 Ss 91/22, juris, Rn. 11). Ob diese, von dem Landgericht zutreffend angeführten Mittel von ihrer Wirkmacht her weniger erfolgversprechend sind als das von den Angeklagten gewählte illegale Vorgehen, durfte dieses aus Rechtsgründen dahinstehen lassen. Die Erforderlichkeit der Notstandshandlung entfällt nämlich bereits dann, wenn zur Gefahrenabwehr staatliche Hilfe rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 39, 133, 137; LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 34 Rn. 94). Demgemäß scheidet eine Rechtfertigung durch § 34 StGB regelmäßig auch dann aus, wenn die Lösung der von dieser Vorschrift vorausgesetzten Konfliktlage zwischen dem Erhaltungs- und dem Eingriffsgut einem besonderen Verfahren oder einer bestimmten Institution vorbehalten ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 28.06.2016 - 1 StR 613/15, BGHSt 61, 202, 204, Rn. 13; Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 34 Rn. 41 m.w.N.).

e) Ebenso wenig ist das Verhalten der Angeklagten nach Art. 20 Abs. 4 GG gerechtfertigt (vgl. hierzu BayObLG, Beschluss vom 21.04.2023 - 205 StRR 63/23, NStZ 2023, 747 - 749).

f) aa) Bei der Beurteilung, ob das Verhalten der Angeklagten als verwerflich einzustufen ist, ist das Landgericht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, juris, Rn. 53 ff.; stattgebender Kammerbeschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05, juris, Rn. 39) gefolgt. Danach liegt in der Strafbarkeit nach § 240 StGB ein - im Falle der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB gerechtfertigter - Eingriff in die durch Art. 8 GG geschützte Versammlungsfreiheit. Ob im Einzelfall eine Verwerflichkeit gegeben ist, ist in einer Abwägung der von den Versammlungsteilnehmern ausgeübten Versammlungsfreiheit mit den beeinträchtigten Rechtspositionen der betroffenen Verkehrsteilnehmer zu entscheiden. Wichtige Abwägungselemente sind hierbei die Dauer und die Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand. Das Gewicht solcher demonstrationsspezifischer Umstände ist mit Blick auf das kommunikative Anliegen der Versammlung zu bestimmen, ohne dass dem Strafgericht eine Bewertung zusteht, ob es dieses Anliegen als nützlich und wertvoll einschätzt oder es missbilligt. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen auf die Feststellung der Verwerflichkeit einwirkenden Bezug zum Versammlungsthema haben (BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05, juris, Rn. 32 f., 39; vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, juris, Rn. 60, 64). Das Landgericht hat alle diese Gesichtspunkte anhand der getroffenen Feststellungen berücksichtigt und gewichtet.

bb) Das Berufungsgericht hat die Bedeutung von Art. 8 GG gesehen, behandelt ihn allerdings als eigenständigen Rechtfertigungsgrund (UA S. 10). Es hat entgegen der Ansicht der Revision der Aktion der Angeklagten nicht die Anerkennung als Versammlung verweigert, sondern die Auffassung vertreten, die festgestellten Behinderungen und Zwangswirkungen seien keine sozial-adäquate Nebenfolge einer Demonstration; bei der Abwägung folgt es zudem ausdrücklich den vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 aufgestellten Grundsätzen (UA S. 10, 12). Auch hat das Berufungsgericht zwar in den Gründen seiner Entscheidung einerseits die durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.01.1995 (1 BvR 718/89) überholte (juris, Rn. 54 ff.) Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGHSt 23, 46 (UA S. 10) und andererseits die durch den genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aufgehobene Entscheidung des Bundesgerichtshofs 1 StR 5/88 zitiert (UA S. 13). Seine inhaltliche Entscheidung zur möglichen Rechtfertigung und zur Verwerflichkeit hat das Berufungsgericht dann aber auf Basis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts getroffen.

cc) Vorsorglich nimmt der Senat indes - wozu er befugt ist, da es sich um eine Rechtsfrage handelt - eine eigene Abwägung vor, weil er nicht ausschließen kann, dass das Landgericht der Versammlungsfreiheit im Rahmen einer Abwägung höhere Bedeutung beigemessen hätte und dass die nicht mehr relevante Rechtsprechung Einfluss auf die Entscheidung genommen hat.

Zugunsten der Teilnehmer wiegt das Grundrecht des Art. 8 GG, da ihre Aktion einer gemeinsamen Meinungskundgabe und der Teilnahme am demokratischen Prozess in einer die Öffentlichkeit erheblich berührenden Frage diente (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, juris, Rn. 41, 59 f.). Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schließt dabei das Recht ein, über Zeitpunkt und Ort der Kundgabe zu entscheiden und insbesondere einen symbolträchtigen Ort zu wählen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, juris, Rn. 63; vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05, juris, Rn. 39, 43). Kollidiert die Versammlungsfreiheit mit der Entfaltungsfreiheit oder anderen Grundrechten und sonstigen Rechtspositionen Dritter, ist für eine wechselseitige Zuordnung der Rechtsgüter mit dem Ziel größtmöglichen Schutzes beider Sorge zu tragen. Soweit eine strafrechtliche Sanktion eingesetzt wird, muss sie zum Schutz der Rechtsgüter Dritter oder der Allgemeinheit nicht nur geeignet, sondern auch angesichts der damit verbundenen Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit erforderlich und angemessen sein (BVerfG vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, juris, Rn. 62 f.).

Bei den Auswirkungen der Aktion ist dabei zu berücksichtigen, dass die Angeklagten den Verkehr auf der Ausfahrt einer Hauptverkehrsstraße zur Hauptverkehrszeit (ca. 7:20 Uhr bis 8:20 Uhr) blockierten, wobei jedenfalls 18 namentlich bekannte - hiervon nach der Verfahrensbeschränkung 15 als Geschädigte erfasste - Autofahrer keine Möglichkeit hatten, die Blockade zu umfahren, während die auf der A 73 und nicht bereits auf der Ausfahrt befindlichen Fahrzeuge die Fahrt fortsetzen konnten, aber eine ca. 1 km entfernte Ausfahrt benutzen mussten. Auch wenn zur Hauptverkehrszeit auf der betroffenen Ausfahrt Wartezeiten von 20 Minuten nicht unüblich sind (UA S. 12), liegt die Dauer der Blockade hier deutlich darüber; daraus folgt außerdem nicht, dass nicht verkehrsbedingte Beeinträchtigungen - die über geringfügige Beeinträchtigungen hinausgehen (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 240 Rn. 47) - ohne weiteres in dieser Dauer hinnehmbar seien. Der von der Verteidigung gezogene Vergleich mit Behinderungen von Autofahrern durch Veranstaltungen, Baumaßnahmen, Unfälle oder Schneefall (Revisionsschrift W. S. 10) führt zu keiner anderen Beurteilung. Unfällen liegt fahrlässiges Verhalten zu Grunde. Schneefall ist höhere Gewalt, das in diesem Zusammenhang thematisierte Versagen der Stadt München gehört ebenfalls in den Bereich der Fahrlässigkeit. Genehmigte Veranstaltungen oder Sperrung öffentlicher Straßen für private Bauvorhaben sind verwaltungsrechtlicher Art, also auch völlig anders gelagert.

Die Schwere der erzeugten Beeinträchtigungen wird insoweit relativiert, als sich zwei der Betroffenen nicht genötigt fühlten; ein geringfügiger Eingriff liegt aber dennoch nicht vor. In diesem Zusammenhang zog das Berufungsgericht keinen unzulässigen Rückschluss. Vielmehr ist es Teil der getroffenen Feststellungen des Tatgerichts, dass sich genau zwei der betroffenen Verkehrsteilnehmer von der Blockade nicht genötigt fühlten, sich die übrigen betroffenen Autofahrer hingegen genötigt fühlten. Die Aktion war ferner nicht angekündigt, so dass die betroffenen Autofahrer keine Möglichkeit hatten, die Blockade zu umfahren, wie es auch der Absicht der Angeklagten und der anderen Teilnehmer entsprach, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erlangen.

Das Verhalten der Teilnehmer war friedlich und es kam nicht zu einer konkreten Gefährdung von Verkehrsteilnehmern. Auch ein „Deeskalationsteam“ befand sich vor Ort.

Der Bezug der betroffenen Autofahrer zum Thema des Protests ging, soweit der Erlass eines „Essen-Retten-Gesetzes“ angestrebt wurde, andererseits nicht über den Bezug der Bevölkerung im Allgemeinen hinaus; soweit die Teilnehmer darüber hinaus auch auf die Klimakrise allgemein aufmerksam machen wollten, stehen sie dagegen in einer sachlichen Beziehung zum Anliegen der Demonstranten, da der Straßenverkehr eine Hauptquelle von Kohlendioxidemissionen ist. Die politischen Ziele der Teilnehmer als solche („Fernziele“) sind dagegen im Rahmen von § 240 Abs. 2 StGB nicht zu bewerten.

Bei Abwägung der von den Angeklagten und den übrigen Teilnehmern eingesetzten Mittel mit den daraus folgenden Beeinträchtigungen ist zur Erreichung des vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit erfassten kommunikativen Anliegens, durch eine Aktion an einem symbolträchtigen Ort eine größtmögliche Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu schaffen, die nicht angekündigte einstündige Blockade einer Hauptverkehrsstraße zur Hauptverkehrszeit, um größtmögliche Aufmerksamkeit für das Anliegen zu erreichen, mit der dadurch bedingten Instrumentalisierung erheblich betroffener zahlreicher Verkehrsteilnehmer über einen längeren Zeitraum nicht mehr eine sozialadäquate Nebenwirkung einer rechtmäßigen Demonstration, sondern ein unverhältnismäßiger, sozialethisch verwerflicher Eingriff in die Rechte der Betroffenen, zumal ein gleiches Recht im Rahmen der Versammlungsfreiheit auch den Vertretern zahlreicher anderer Anliegen zustehen würde.

Das gilt auch, wenn man die - als wahr unterstellte - höhere Effektivität von Aktionen zivilen Ungehorsams berücksichtigt, da sie nicht zwangsläufig zu einer Zurückstellung beeinträchtigter Interessen führen.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der „Klimaschutz“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021 (1 BvR 2656/18, juris). Auch wenn danach eine Schutzpflicht des Staates zu Gunsten der in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gewährleisteten Grundrechte auf Leben und Gesundheit auch künftiger Generationen vor den Gefahren des Klimawandels besteht, deren relatives Gewicht in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel zunimmt, verleiht dies dem Einzelnen keine zusätzliche Befugnis, diese Pflicht durch Inanspruchnahme der Rechte Dritter durchzusetzen, und ist ihrerseits im Konfliktfall zum Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen.

3. Auf die erhobene Sachrüge beider Angeklagter ist die Entscheidung des Berufungsgerichts - diese betreffend - allerdings im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.

a) Nach der Revisionsentscheidung stehen statt bisher 18 Fällen tateinheitlicher Nötigung jetzt nur noch 15 tateinheitliche Fälle der Nötigung fest. Diese Änderung des Schuldspruches führt dazu, dass die Rechtsfolgenseite einer neuen Beurteilung bedarf. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Reduzierung der Zahl der genötigten Personen von 18 auf 15 zu einer Reduzierung der Strafe führt. Daher muss eine andere Kammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth nach Zurückverweisung erneut über die Höhe der gegen die Angeklagten S. und W. zu verhängenden Geldstrafen befinden.

b) Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der Beschränkung des Verfahrensstoffs nicht berührt sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.

V.

Eine Erstreckung der Teilaufhebung auf die weiteren Angeklagten des landgerichtlichen Verfahrens B. und K. kommt nicht in Betracht, weil sie der Anwendung des § 357 StPO widersprochen haben (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 05.05.2021 - 6 StR 133/21, juris, Rn. 9, und Beschluss vom 25.11.2013 - 5 StR 475/13, juris, Rn. 3, sowie Urteil vom 28.10.2004 - 5 StR 276/04, juris, Rn. 34, Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 357 Rn. 3).

VI.

Aufzuheben war auch die seitens des Berufungsgerichts getroffene Kostenentscheidung. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wird im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung auch neu über die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.


Einsender: 3. Strafsenat des BayObLG

Anmerkung:


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