Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 06.01.2025 - 8 W 36/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Der Ausschluss eines Mitglieds aus einem Verein kann mit Hilfe der Feststellungsklage gerichtlich überprüft werden. Der Kläger kann die Feststellung begehren, dass der Ausschließungsbeschluss unwirksam ist. Alternativ kann er die Feststellung beantragen, dass er noch Mitglied des Vereins ist.
2. Eine satzungsmäßige Einspruchsmöglichkeit steht der Klage gegen den Ausschluss nicht entgegen, wenn der Verein die Entscheidung des Rechtsmittelorgans böswillig verhindert oder ungebührlich verzögert. Eine Verzögerung von zehn Monaten ist in der Regel ungebührlich.
3. Die dem gesamtvertretungsberechtigten Vorstand zugewiesene Ausschlussentscheidung ist von dem Vorstand nicht nur in vertretungsberechtigter Zahl zu treffen, sondern von ihm auch dem Mitglied gegenüber in dieser Form abzugeben.
4. Eine von anderen Vorstandsmitgliedern einem gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglied erteilte Generalvollmacht zur Vertretung des Vereins ist unwirksam, soweit sie eine satzungsmäßige Vertretungsregelung unterlaufen würde.
5. Auch ohne ausdrückliche satzungsmäßige Anordnung hat der Verein vor der Entscheidung über den Ausschluss eines Mitglieds das Gebot rechtlichen Gehörs (audiatur et altera pars) zu beachten.
6. Ist in der Satzung die vereinsinterne Überprüfung der Ausschlussentscheidung im Wege des Einspruchs vorgesehen, so hat das dafür zuständige Organ seiner Entscheidung grundsätzlich die der Ausgangsentscheidung zugrundeliegenden Tatsachen zugrunde zu legen. Neue Tatsachen kann es jedenfalls nicht berücksichtigen, ohne dem Mitglied Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (rechtliches Gehör).
In pp.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 21.11.2024 gegen den Beschluss des Landgerichts Hagen vom 12.11.2024 (Az.: 4 O 195/24) wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdewert wird auf 4.102,70 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beschwerdegegner und Kläger (im Folgenden: Kläger) begehrte im Wesentlichen die Feststellung, dass er weiterhin Mitglied des beklagten Vereins sei und sein Ausschluss unwirksam.
Am 20.03.2023 beantragte der Q. e.V., der Mitglied des Beschwerdeführers und Beklagten (im Folgenden: Beklagten) ist, handelnd durch dessen 1. Vorsitzenden, den Ausschluss des Klägers aus dem Beklagten. Am 17.04.2023 beantragte derselbe Verein den Ausschluss erneut mit ausführlicherer Begründung, wiederum handelnd durch seinen 1. Vorsitzenden. Der Q. e.V. wird ausweislich § 5 Ziff. 2 der Satzung vertreten "durch den Vorsitzenden oder den stellvertretenden Vorsitzenden, jeweils mit dem Kassenwart oder dem Geschäftsführer oder deren Stellvertreter" (Anlage B 7, Bl. 193 eGA I).
Der Beklagte unterrichtete den Kläger von dem Antrag per E-Mail vom 28.04.2023, 22:38 Uhr, in der er den Antrag auszugsweise wiedergab, und gab dem Kläger Gelegenheit, dazu bis zum 07.05.2023 Stellung zu nehmen. Eine vom Kläger per E-Mail vom 29.04.2023, 18:03 Uhr, erbetene Fristverlängerung gewährte der Beklagte nicht. Der darin weiterhin geäußerten Bitte, das Antragsschreiben des Q. e.V. zur Verfügung zu stellen, kam der Beklagte am 04.05.2023 nach. Nachdem der Kläger zu dem Antrag am 07.05.2023 Stellung genommen hatte, beschloss der Vorstand des Beklagten den Ausschluss.
Der geschäftsführende Vorstand des Beschwerdegegners und Beklagten, der gemäß § 9 Ziff. 1 der Satzung Vorstand i.S.v. § 26 BGB ist (Anlage B 1, Bl. 93 eGA I), beschloss am 10.05.2023 mehrheitlich, den Kläger aus dem Beklagten auszuschließen. Davon unterrichtete die 1. Vorsitzende des Vorstands des Beklagten den Kläger mit Schreiben vom 14.05.2023. Der Beklagte wird nach § 9 Ziff. 1 S. 2 seiner Satzung vertreten durch "je zwei Vorstandsmitglieder" (des geschäftsführenden Vorstands) (Anlage B 1, Bl. 93 eGA I).
In der Sache steht hinter dem Ausschluss vom 10./14.05.2023 das Verhalten des Klägers gegenüber einer sog. "H. Community". Dabei handelt es sich offenbar um eine rechtlich nicht organisierte "Gemeinschaft" von Personen (auch als "Forum" bezeichnet), die an der Sportart interessiert sind und die sich u.a. auch über Angelegenheiten des Beklagten austauschen. Mindestens ein Organmitglied des Klägers hat an der "H. Community" teilgenommen. Der Beklagte hat den Ausschluss des Klägers maßgeblich auf die Erwägung gestützt, die "H. Community" habe das Ansehen des Beklagten geschädigt, und der Kläger sei demgegenüber untätig geblieben. Welches Verhalten im Einzelnen er als schädigend ansieht, hat der Beklagte nicht ausgeführt. Eine Handlungspflicht des Klägers gegenüber der "H. Community" hat der Beklagte vor allem mit der Erwägung begründet, ein Vorstandsmitglied des Klägers habe auch an jener "Community" teilgenommen.
Gegen den Ausschluss legte der Kläger gem. § 5 Ziff. 2 S. 4 u. 5 der Satzung des Beklagten am 06.06.2023 Einspruch ein. Der erweiterte Vorstand des Beklagten verwarf diesen am 14.04.2024 mit vier Stimmen bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme. Davon unterrichtete der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 12.06.2024, das die 1. Vorsitzende und der Geschäftsführer des geschäftsführenden Vorstands unterschrieben haben. Die Einspruchsentscheidung begründet der Beklagte in diesem Schreiben mit den Erwägungen der ursprünglichen Ausschlussentscheidung, darüber hinaus im Wesentlichen mit Erwägungen über Verhaltensweisen des Klägers sowie seiner Mitglieder und Mitgliedsvereine nach der Ausschlussentscheidung vom 14.05.2023.
Mit seiner Klage hat der Kläger den Ausschluss für formell fehlerhaft gehalten, da ihm nicht ausreichend Zeit zur Stellungnahme gegeben und ihm die Ausschlusserklärung allein von der 1. Vorsitzenden des Beklagten übermittelt worden sei. Er hat ihn für materiell fehlerhaft gehalten, weil ein den Ausschluss rechtfertigender Grund nicht vorliege. Der Kläger hat um zügige gerichtliche Entscheidung gebeten, damit er an der Mitgliederversammlung vom 28.10.2023 teilnehmen könne.
Nachdem der Kläger einen zwischenzeitlich gestellten Antrag zu 1. vom 23.08.2024 auf Feststellung, dass sein Antrag auf einstweilige Verfügung (gemeint war der Schriftsatz des Klägers selbst vom 09.10.2023 auf Feststellung seiner Mitgliedschaft im Beklagten zur Ermöglichung der Teilnahme an der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Beklagten vom 28.10.2023) erledigt sei, mit Schriftsatz vom 22.10.2024 zurückgenommen hat, hat er zuletzt beantragt, festzustellen, dass der Ausschlussbeschluss des Vorstandes vom und die Bestätigung des Gesamtvorstandes vom rechtswidrig sind und die Beklagte in ihren Mitgliedschaftsrechten verletzen. Es wird weiter festgestellt, dass der Kläger ordentliches Mitglied des Beklagten ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, die 1. Vorsitzende habe aufgrund einer Vollmacht der anderen Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands allein handeln können. Der Ausschluss sei gerechtfertigt, weil in der "H. Community" unangemessene Kritik an dem Beklagten und seinem Vorstand geäußert worden sei und der Kläger gegen schädigendes Verhalten der "H. Community" nicht eingeschritten sei. Der Beklagte hat behauptet, die "H. Community" sei zu dem Zweck gegründet worden, um ihn außerhalb des Klägers, aber mit dessen Billigung anzugreifen. Auch das weitere Verhalten des Klägers nach der ursprünglichen Ausschlussentscheidung rechtfertige den Ausschluss.
Nachdem der Kläger durch Erklärung vom 17.09.2024, dem Beklagten zugestellt am 19.09.2024, aus dem Beklagten ausgetreten ist, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die zuerst vor dem Amtsgericht Iserlohn erhobene Klage hat dieses Gericht durch Beschluss vom 08.01.2024 an das Amtsgericht Lüdenscheid verwiesen. Das Amtsgericht Lüdenscheid hat, nachdem es den Streitwert durch Beschluss vom 16.05.2024 vorläufig auf 7.466,67 EUR festgesetzt hat, den Rechtsstreit durch Beschluss vom 27.06.2024 an das Landgericht Hagen verwiesen.
II.
Das Landgericht Hagen hat die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Kosten dem Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Ausschluss des Klägers sei formell und materiell rechtswidrig gewesen. Formell habe die 1. Vorsitzende des Beklagten nicht allein handeln können. Die Voraussetzungen von § 30 BGB für die Bestellung eines besonderen Vertreters hätten nicht vorgelegen. Materiell habe der insoweit beweispflichtige Beklagte nicht dargelegt, welche Gründe den Ausschluss des Klägers rechtfertigten.
Gegen diesen seinen Prozessbevollmächtigten am 13.11.2024 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 21.11.2024, beim Landgericht am selben Tage eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt und sein Begehren, die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz teilweise abändernd in vollem Umfang dem Kläger aufzuerlegen, nach mehrfachen Fristverlängerungen mit Schriftsatz vom 17.12.2024, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, näher begründet.
III.
Die gem. §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Kosten gem. § 91a Abs. 1 ZPO
Nach übereinstimmenden vollumfänglichen Erledigungserklärungen der Parteien ist gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die gesamten Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dabei kommt es vornehmlich darauf an, welchen Ausgang der Rechtsstreit mutmaßlich genommen hätte und welche Partei – nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage – voraussichtlich mit den Kosten belastet worden wäre, wenn die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre; BGH, Beschluss vom 27. April 2021 – VIII ZB 44/20 –, Rn. 12, juris; BGH, Beschluss vom 24. September 2020 – IX ZB 71/19 –, Rn. 13; BGH, Beschluss vom 07. Mai 2007 – VI ZR 233/05 –, Rn. 7, juris.
Im vorliegenden Fall kommt es auf die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Ausschließungsentscheidung an; zum Prüfungsmaßstab MünchKommBGB/Leuschner, 10. Aufl. 2025, § 38 Rn. 31, 40; Soergel/Hadding/Riesenhuber, BGB, 14. Aufl. 2025, § 39 Rn. 31.
a) Auslegung des Antrags
Der Feststellungsantrag des Klägers ist unter Heranziehung der Klagebegründung auszulegen; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2021 – VI ZR 136/20 –, juris Rn. 12. Zwar hebt der Kläger darin die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses hervor. In der Sache kam es ihr aber, wie schon in der ursprünglichen Klage deutlich wird, auf die Überprüfung der Ausschlussentscheidung an, um weiterhin die Rechte und Möglichkeiten als Mitglied des Beklagten zu genießen. Dafür ist die Feststellungsklage das richtige Vorgehen; vgl. Soergel/Hadding/Riesenhuber, § 39 Rn. 31. In Betracht kommt die Feststellung, dass der Beschluss unwirksam ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 12. September 2018 – 4 U 234/17 –, juris; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2005 – II ZR 90/03 –, BGHZ 164, 249 Rn. 14 ff.; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 256 Rn. 9), oder, wie hier vom Kläger beantragt, die Feststellung, dass die Mitgliedschaft besteht. Soweit der Kläger in seinem Antrag die Feststellung der Rechtswidrigkeit besonders hervorhebt, ist dies nach der Klagebegründung nicht als selbständiger Feststellungsantrag auszulegen, sondern als Teil der Begründung des eigentlichen Feststellungsantrags anzusehen. In diesem Sinne hat, wenn auch ohne nähere Hervorhebung, auch das Landgericht den Antrag ausgelegt.
b) Gegenstand der Überprüfung
Gegenstand der Überprüfung ist die letztverbindliche Entscheidung des Beklagten über den Ausschluss des Klägers in Form der Einspruchsentscheidung vom 14.04.2024, dem Kläger mit Schreiben vom 12.06.2024 mitgeteilt (im Folgenden nach dem Datum des Zugangs bezeichnet, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB); vgl. MünchKommBGB/Leuschner, § 25 Rn. 85 ff.; Soergel/Hadding/Riesenhuber, § 25 Rn. 86. Allerdings ist durchaus zweifelhaft, ob die satzungsmäßige Einspruchsmöglichkeit vorliegend einer Klage vor Entscheidung über den Einspruch entgegenstand. Denn der statutarisch vorgesehene Rechtsmittelweg braucht nicht eingehalten zu werden, wenn der Verein die Entscheidung des Rechtsmittelorgans böswillig verhindert oder ungebührlich verzögert; BGH, Urteil vom 22. September 1960 – II ZR 59/60 –, juris Rn. 12; MünchKommBGB/Leuschner, § 25 Rn. 87; Soergel/Hadding/Riesenhuber, § 25 Rn. 92. Eine solche ungebührliche Verzögerung liegt hier vor, da der Beklagte bei feststehendem Sachverhalt über den Einspruch des Klägers über zehn Monate nicht entschieden und den Kläger schließlich mit einer Verzögerung von weiteren zwei Monaten erst über ein Jahr nach seinem Einspruch von der Entscheidung unterrichtet hat. Der Kläger hat sich indes im Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits durch seine Eigenkündigung vom 17.09.2024, zugegangen am 19.09.2024, ausdrücklich gegen die Einspruchsentscheidung vom 12.06.2024 gewandt. Diese kompensiert die ursprüngliche Ausschlussentscheidung.
c) Formelle Rechtmäßigkeit
Mit dem Landgericht ist – bei summarischer Prüfung – davon auszugehen, dass die Ausschlussentscheidung vom 10./14.05.2023 (im Folgenden nach dem Datum des Zugangs bezeichnet, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB) bereits formell rechtswidrig ist. Allerdings hat diese Entscheidung nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten der geschäftsführende Vorstand getroffen. Als eine gegenüber dem Mitglied abzugebende Willenserklärung setzt der Ausschluss aber auch voraus, dass die Erklärung von dem zuständigen Vereinsorgan abgegeben wurde. Daran fehlt es hier. Abgegeben hat die Erklärung allein die 1. Vorsitzende des Vereins. Auf die Vollmacht des Geschäftsführers und des Kassenwarts als weitere Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands konnte sich die 1. Vorsitzende dabei nicht stützen. Eine solche Generalvollmacht ist im Falle der satzungsmäßigen Gesamtvertretung unwirksam, da sie die satzungsmäßige Vertretungsregelung unterlaufen würde; OLG München, Urteil vom 27. September 1989 – 7 U 2438/89 –, juris; MünchKommBGB/Leuschner, § 26 Rn. 22; Soergel/Hadding/Riesenhuber, § 26 Rn. 29. Ein Fall des § 30 BGB liegt nicht vor; zwar sieht die Satzung die Möglichkeit vor, einen besonderen Vertreter zu bestellen (zu diesem Erfordernis Soergel/Hadding/Riesenhuber, § 30 Rn. 6 f.), doch war die 1. Vorsitzende nicht als besonderer Vertreter bestellt, sondern in ihrer Funktion als Vorstandsmitglied.
Darüber hinaus dürfte das Verfahren auch deswegen zu beanstanden sein, weil der Beklagte dem Kläger – nach Übersendung der vollständigen Unterlagen – eine unangemessen kurze Frist zur Stellungnahme von nur drei Tagen gegeben und dadurch sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt hat. Bei der Bemessung der Stellungnahmefrist ist neben der Komplexität des Sachverhalts (hier: Verhalten von [Organ-]Mitgliedern außerhalb des Vereins und Zurechnung) das Gewicht der drohenden Maßnahme (Ausschluss) zu berücksichtigen, aber auch der Umstand, inwieweit der anzuhörende Mitgliedsverein aufgrund der ehrenamtlichen Tätigkeit seiner Organe kurzfristig handlungsfähig ist.
Maßgeblich kommt es indessen, wie dargelegt, auf die formelle Rechtmäßigkeit der Einspruchsentscheidung vom 12.06.2024 an. Diese erfolgte durch den dafür satzungsmäßig zuständigen erweiterten Vorstand. Sie wurde von dem satzungsmäßig vertretungsberechtigten geschäftsführenden Vorstand dem Kläger kommuniziert.
Die Einspruchsentscheidung leidet jedoch an einem anderen formellen Mangel. Der erweiterte Vorstand hat seine Entscheidung auf eine Fülle neuer Tatsachen gestützt (dazu noch sogleich, c)), dem Kläger aber keine Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen. Damit hat er das Gebot rechtlichen Gehörs verletzt, das als grundlegendes Verfahrensgebot (audiatur et altera pars) auch ohne satzungsmäßige Normierung zu beachten ist; vgl. BGHZ 29, 352 = NJW 1959, 982; MünchKomm/Leuschner, § 25 Rn. 78; Soergel/Hadding/Riesenhuber, § 25 Rn. 77.
d) Materielle Rechtmäßigkeit
Mit Recht hat das Landgericht weiterhin die materielle Rechtswidrigkeit des Ausschlussbeschlusses gerügt. Dabei trifft den Beklagten die Beweislast für das Vorliegen der materiellen Ausschlussvoraussetzungen; vgl. Staudinger/Schwennicke (2024), § 38 Rn. 297; BeckOK/Schöpflin, 72. Ed. 1.11.2024, § 25 Rn. 71, 75.
Dabei ist allerdings wiederum auf die Einspruchsentscheidung vom 12.06.2024 abzustellen, die sich indes in der Begründung die Entscheidung vom 14.05.2023 zu eigen macht. Insoweit hat das Landgericht mit Recht beanstandet, dass die ursprüngliche Ausschlussentscheidung in keiner Weise erkennen lässt, welches Fehlverhalten der "H. Community" im Einzelnen gerügt wird und wie dieses dem Kläger zugerechnet werden kann. Soweit es dabei um Diskussionen über das Verhalten des Beklagten geht, ist zu berücksichtigen, dass auch kritische Meinungsäußerungen von Vereinsmitgliedern grundsätzlich hinzunehmen und zu ertragen sind, und zwar auch, soweit sie sich gegen das Verhalten oder die Amtstätigkeit der Vereinsorgane richtet. Es ist daher schon nicht erkennbar, inwieweit der Kläger gegen ein Verhalten ihrer Mitglieder überhaupt hätte vorgehen können. Vorliegend ging es indes nicht einmal ausschließlich um Verhaltensweisen von Mitgliedern des Klägers, sondern auch von Dritten. Insoweit ist unklar, wie eine Zurechnung zum Kläger überhaupt begründet werden kann. Soweit der Beklagte dem Kläger (bzw. einzelnen seiner [Organ-]Mitglieder) "Untätigkeit" vorwirft, hat er es versäumt, eine entsprechende Rechtspflicht zum Handeln zu begründen.
Materiell fehlerhaft ist die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 12.06.2024 aber auch insoweit, als sie sich auf nachträgliche Tatsachen stützt, die bei der ursprünglichen Ausschlussentscheidung nicht vorlagen. Als Überprüfung musste sich die Einspruchsentscheidung grundsätzlich auf die der ursprünglichen Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen beschränken. Nachträgliche Tatsachen durften grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, jedenfalls aber nicht, ohne dem Kläger dazu Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
2. Kosten gem. §§ 269 Abs. 3 S. 2, 92 ZPO
Im Ergebnis ebenfalls zutreffend hat das Landgericht dem Beklagten auch im Hinblick auf den mit Schriftsatz vom 22.10.2024 zurückgenommenen Klageantrag zu 1. vom 23.08.2024 die Kosten auferlegt.
a) Auslegung des Antrags
Der Antrag zu 1. vom 23.08.2024 bezog sich auf einen vermeintlichen Antrag auf einstweilige Verfügung vom 09.10.2023, dessen Erledigung (durch Zeitablauf) festgestellt werden sollte; der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Das Landgericht hat den Streitwert für diesen Antrag im Grundsatz richtig berechnet, allerdings im Ausgangspunkt zu hoch angesetzt. Wie sich aus der Begründung vom 22.10.2024 (Bl. 364 f. eGA I) ergibt, ging es dem Kläger dabei um eine einstweilige Verfügung im Hinblick auf die Teilnahme an der Mitgliederversammlung vom 28.10.2023 (vgl. Bl. 15 eGA I). Gegenstand war mithin nicht die Mitgliedschaft als solche, sondern (mit der Teilnahme an der Mitgliederversammlung 2023) ein einzelnes Mitgliedschaftsrecht betreffend ein bestimmtes Jahr.
b) Streitwert
Maßgeblich für jenen einstweiligen Verfügungsantrag, der ggf. im Wege der Auslegung dem vom Kläger noch selbst verfassten Schriftsatz an das Amtsgericht Iserlohn vom 09.10.2023 zu entnehmen sein könnte (Bl. 13 eGA I), wäre demnach der Streitwert für die einstweilige Ermöglichung der einmaligen Teilnahme an der Mitgliederversammlung gewesen. Da es sich bei der Teilnahme um ein einzelnes von mehreren Mitgliedschaftsrechten handelt, ist dafür ein Bruchteil des Streitwerts anzusetzen, der für die Mitgliedschaft eines Jahres maßgeblich ist. Den Streitwert für die (Feststellung der andauernden) Mitgliedschaft hat das Landgericht nachvollziehbar mit dem dreieinhalbfachen Vermögenswert der Jahresmitgliedschaft (3 x 2.133,33 EUR = 7.466,67 EUR) angesetzt. Der Streitwert für die Teilnahme an der Mitgliederversammlung ist mit Rücksicht auf die Bedeutung dieses Mitgliedschaftsrechts mit 20 % anzusetzen, mithin (1/5 x 2.133,33 EUR =) 426,66 EUR. Für einen Antrag auf einstweilige Verfügung ist von diesem Wert 1/3 zu berücksichtigen, mithin 142,22 EUR. Da es mit dem zurückgenommenen Antrag zu 1. auf Feststellung der Erledigung jedoch lediglich um die Kosten des (vermeintlichen) Antrags ging, hat das Landgericht insoweit nachvollziehbar den Kostenwert jenes Antrags berücksichtigt. Dieser ist zu beziffern mit (außergerichtliche Kosten: Verfahrensgebühr 1,3: 63,70 EUR zzgl. Auslagen 12,74 EUR zzgl. MwSt. 14,52 EUR: 90,96 EUR; Gerichtskosten: 114,00 EUR =) 204,96 EUR.
c) Kostenentscheidung
Für das Feststellungsbegehren des Klägers, das gem. § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO infolge der Klagerücknahme als nicht anhängig geworden anzusehen ist, käme an sich die Kostentragungspflicht des Klägers gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO in Betracht. Wird eine Klage nur teilweise zurückgenommen, so gilt diese Vorschrift allerdings mit der Maßgabe, dass die Regelung des § 92 ZPO entsprechend heranzuziehen ist. Danach erfolgt regelmäßig eine Verteilung nach Quoten gem. § 92 Abs. 1 ZPO; unter den Voraussetzungen von Absatz 2 der Vorschrift kann das Gericht jedoch einer Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1995 – III ZR 208/94 –, juris; Zöller/Greger, § 269 Rn. 18b; MünchKommZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, § 92 Rn. 10. § 92 Abs. 2 ZPO ermöglicht dem Gericht u.a. dann, die gesamten Kosten einer Partei aufzuerlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat. Dabei ist der Begriff der "Zuvielforderung" – im Rahmen des möglichen Wortsinns – weit dahin auszulegen, dass es nicht nur um betrags- oder mengenmäßig skalierbare Forderungen geht und auch andere als Zahlungs- oder Sachleistungsanträge davon erfasst werden; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1995 – III ZR 208/94 –, juris; MünchKommZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, § 92 Rn. 20.
Von dieser Möglichkeit macht der Senat hier, im Grundsatz dem Landgericht folgend, Gebrauch. Es ist angemessen, dem Beklagten die gesamten Kosten aufzuerlegen, weil die "Zuvielforderung” des Klägers – der zurückgenommene, mit 204,96 EUR bewertete zusätzliche Feststellungsantrag – im Vergleich mit dem begründeten Feststellungsantrag des Klägers (Wert: 7.466,67 EUR) verhältnismäßig geringfügig war und keine besonderen Kosten veranlasst hat.
3. Mehrkosten wegen Anrufung des örtlich unzuständigen Gerichts
Die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Amtsgerichts Iserlohn entstandenen Kosten hat das Landgericht gem. § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO zu Recht dem Kläger auferlegt.
IV.
Die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert entspricht der Summe der Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten, die in erster Instanz ausgehend von dem vom Landgericht in dem angefochtenen Beschluss auf 8.066,67 EUR festgesetzten Streitwert entstanden sind:
Gerichtsgebühren: 3 x 245,00 EUR = 735,00 EUR
Rechtsanwaltsgebühren der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Parteien jeweils: 558,00 EUR x 2,5 + 20,00 EUR Auslagenpauschale und 19 % MwSt. = 1.683,85 EUR
Summe: 735,00 EUR + 2 x 1.683,85 EUR = 4.102,70 EUR.
Einsender:
Anmerkung:
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".