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Entscheidungen

StPO, KCanG u.a.

KCanG, Pflichtverteidiger, Neufestsetzung der Strafe, schwierige Rechtslage

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 10.01.2025 - 7 Qs 3/25

Eigener Leitsatz:

Ist im Vollstreckungsverfahren zu prüfen, ob eine Freiheitsstrafe - als freiheitsentziehende Straftatfolge von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt - unter Anwendung der Art. 313, 316p EGStGB i.V.m. Art. 13 CanG neu festzusetzen bzw. zu ermäßigen wäre und ist die Rechtslage schwierig, weil aufgrund divergierender gerichtlicher Entscheidungen zur Neufestsetzung bzw. Ermäßigung in Fällen in denen der gleichzeitige Besitz verschiedener Betäubungsmittel den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal verwirklicht, ist dem Verurteilten ein Pflichtverteidiger zu bestellen.


Landgericht Nürnberg-Fürth

7 Qs 3/25

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:
Rechtsanwalt
wegen Handels mit oder Herstellens von oder Abgabe bzw. Besitz von nicht geringen Mengen BtM

erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 7. Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 10. Januar 2025 folgenden

Beschluss

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten pp. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 14.10.2024 (BI. 451f d.A.) betreffend den Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung wird dieser aufgehoben.
2. Dem Verurteilten wird Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger für das Nach-/Prüfverfahren anlässlich des teilweisen Inkrafttretens des KCanG zum 01.04.2024 nach der Maßgabe des Art. 313, 316p EGStGB i.V.m. Art. 13 CanG bestellt.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth führte unter dem Az. 350 Js 10890/23 ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln. Dem Beschwerdeführer lag zur Last, in seiner Wohnung 44,89 Gramm Methamphetamin und 1,36 Gramm Tabak-Marihuana-Gemisch wissentlich und willentlich aufbewahrt zu haben und geplant zu haben das Methamphetamin - abzüglich eines Eigenkonsumanteils von höchstens 15 % - gewinnbringend weiterzuverkaufen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg - Ermittlungsrichter - vom 12.01.2023 wurde dem Beschwerdeführer mit Erlass des Untersuchungshaftbefehls (BI. 151f d.A.) Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger bestellt (BI. 155 d.A.).

Am 10.05.2023 erhob die Staatsanwaltschaft diesbezüglich Anklage zum Amtsgericht Nürnberg (BI. 378ff d.A.), welche mit Beschluss vom 07.06.2023 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wurde (BI. 393 d.A.).

Mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 30.06.2023, rechtskräftig seit 18.07.2023, Az. 41 Ls 350 Js 10890/23, wurde der Beschwerdeführer wegen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln - aufgrund des oben genannten Sachverhalts - zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten verurteilt (BI. 437ff d.A.).

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.08.2023 beantragte der Verteidiger des Beschwerdeführers die Herausgabe verschiedener asservierter Gegenstände (BI. 446 d.A.).

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 01.10.2024 beantragte der Verteidiger des Beschwerdeführers seine Beiordnung als Pflichtverteidiger auch im Vollstreckungsverfahren sowie die Neufestsetzung der Strafe unter Berücksichtigung von Art. 313 EGStGB (BI. 447 d.A.).

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth beantragte mit Verfügung vom 11.10.2024 die beiden Anträge aus dem Schriftsatz vom 01.10.2024 zurückzuweisen (BI. 449f d.A.). Hinsichtlich der Begründung wird ausdrücklich auf den Inhalt der Verfügung Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 14.10.2024 wies das Amtsgericht Nürnberg den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger zurück (BI. 451f d.A.). Mit weiterem Beschluss vom selben Tag wies das Amtsgericht Nürnberg auch den Antrag auf Neufestsetzung der Strafe zurück (BI. 455f d.A.). Hinsichtlich der Begründung wird ausdrücklich auf den Inhalt der beiden Beschlüsse Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23.10.2024 wandte sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vorn 14.10.2024 betreffend die Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung als Pflichtverteidiger sowie den betreffend den Antrag auf Neufestsetzung der Strafe in Form der Beschwerdeeinlegung (BI. 460f d.A.). Hinsichtlich der Begründung wird ausdrücklich auf den Inhalt des Schriftsatzes Bezug genommen.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth legte mit Verfügung vorn 29.11.2024 dar, das die Beschwerden jeweils unbegründet seien (BI. 462 Rs d.A.). Hinsichtlich der Begründung wird ausdrücklich auf den Inhalt der Verfügung Bezug genommen.

Mit Verfügung vorn 04.12.2024 gewährte das Amtsgericht Nürnberg rechtliches Gehör und Gelegenheit zur Stellungnahme (BI. 463 d.A.).

Hieraufhin begründete der Verteidiger des Beschwerdeführers seine Beschwerde mit Schriftsatz vorn 16.12.2024 ergänzend (BI. 466 d.A.). Hinsichtlich der Ausführungen wird auf den Inhalt des Schriftsatzes Bezug genommen.

Das Amtsgericht Nürnberg übersandte mit Verfügung vom 20.12.2024 die Akten der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zur Vorlage der Beschwerden (BI. 469 d.A.).

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth legte die Akten der Beschwerdekammer vor mit dem Antrag die sofortige Beschwerde gegen die Beiordnung als Pflichtverteidiger als unbegründet aus deren zutreffenden Gründen zu verwerfen (BI. 470 d.A.).

Die gem. §§ 142 Abs. 7 Satz 1, 311 StPO zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Beschwerdeführer war ein Pflichtverteidiger zu bestellen, da im Vorliegenden ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO analog gegeben ist.

Im Vollstreckungsverfahren ist dem Verurteilten in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO ein Verteidiger zu bestellen, wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig oder sonst ersichtlich ist, dass sich der Betroffene nicht selbst verteidigen kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 140 Rdn. 34), oder wenn die Entscheidung von besonderem Gewicht ist (vgl. OLG Jena, NStZ-RR 2003, 284; OLG Karlsruhe, StV 1994, 552). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Vollstreckungsverfahren in weitaus geringerem Maße als in dem kontradiktorisch ausgestalteten Erkenntnisverfahren ein Bedürfnis nach Mitwirkung eines Verteidigers auf Seiten des Verurteilten besteht (vgl. BVerfG, NM 2002, 2773) und die drei abschließend genannten Merkmale des § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO daher einschränkend zu beurteilen sind (vgl. KG, NStZ-RR 2006, 211). Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kommt es insbesondere dar-auf an, in welchem Umfang die vollstreckungsrechtliche Entscheidung in die Rechte des Verurteilten eingreift (vgl. KG, NJW 2015, 1897; KG, BeckRS 2016, 119933).

Danach sind die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung hier gegeben.

Der Gesichtspunkt der Schwere der Tat gebietet grundsätzlich nicht die Mitwirkung eines Verteidigers. Da im Vollstreckungsverfahren - anders als im Erkenntnisverfahren - die Höhe der Strafe feststeht, lässt sich die Rechtsprechung über die Notwendigkeit der Verteidigung wegen der Schwere der Tat grundsätzlich nicht ohne Weiteres auf das Vollstreckungsverfahren übertragen. Vielmehr ist auf die Schwere des Vollstreckungsfalles für den Verurteilten abzustellen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 140 StPO Rdn. 34). Vorliegend wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Im gegenständlichen Vollstreckungsfall wäre zu prüfen, ob diese Freiheitsstrafe - als freiheitsentziehende Straftatfolge - unter Anwendung der Art. 313, 316p EGStGB i.V.m. Art. 13 CanG neu festzusetzen bzw. zu ermäßigen wäre. Insoweit nahm die Kammer die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung zu Freiheitsstrafen von über einem Jahr zu § 140 Abs. 2 StPO in den Blick (vgl. LG Neuruppin, BeckRS 2024, 31189). Weiter nahm die Kammer auch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage in Blick. Auch hierbei verkennt die Kammer nicht, dass sich diese ebenfalls nicht nach den Verhältnissen im Erkenntnisverfahren beurteilt. Denn der Beschwerdeführer muss sich nicht gegen einen Tatvorwurf verteidigen; das Vollstreckungsgericht ist an die rechtskräftigen Feststellungen des Tatrichters in dem zu vollstreckenden Urteil gebunden. Maßgebend ist vielmehr auch, ob die rechtliche Lage schwierig ist (vgl. KG, BeckRS 2016, 119933). Dies ist hier jedoch aufgrund divergierender gerichtlicher Entscheidungen zur Neufestsetzung bzw. Ermäßigung in Fällen in denen der gleichzeitige Besitz verschiedener Betäubungsmittel den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal verwirklicht der Fall, da die Vorschrift des Art. 313 EGStGB hierzu keine ausdrückliche Regelung enthält (vgl. LG Magdeburg, BeckRS 2024, 23106; Saarländisches OLG, Beschluss vorn 16.04.2024 - 1 Ws 37/24).

Aufgrund einer Gesamtschau dieser Umstände war dem Beschwerdeführer im Vorliegenden ein Pflichtverteidiger für das Nach-/Prüfverfahren gem. Art. 313, 316p EGStGB i.V.m. Art. 13 CanG zu bestellen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.


Einsender: RA R. E. Peisl, Nürnberg

Anmerkung:


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