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Entscheidungen

StPO

Berufungsverwerfung, Zulässigkeit der Verfahrensrüge, fehlende Darlegung einer Krankheitssymptomatik

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Urt. v. 18.10.2024 – 3 ORs 66/24121 SRs 97/24

Leitsatz des Gerichts:

1. Unterlässt es der Revisionsführer, das Ausmaß einer Erkrankung darzulegen oder die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten am Terminstag zu schildern, ist seine auf eine unterbliebene Aufklärung des Gerichts gestützte Verfahrensrüge bereits unzulässig; das Revisionsgericht wird hierdurch nicht in den Stand versetzt, zu beurteilen, ob der Angeklagte im Zeitpunkt der Hauptverhandlung entschuldigt war.
2. Bei „Auslösung“ der Aufklärungspflicht durch Einreichung eines ärztlichen Attests kann das Gericht sich nicht auf Informationen vom „Hörensagen“ einer Kollegin des das Attest ausstellenden Mediziners stützen.


3 ORs 66/24121 SRs 97/24

In der Strafsache
gegen pp.

wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkundung

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts aufgrund der Hauptverhandlung am 18. Oktober 2024, an der teilgenommen haben:

pp.

für Recht erkannt:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin I vom 25. Juni 2024 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.  

Gründe:

I.

Das Landgericht Berlin I hat die Berufung des Angeklagten gegen ein Urteil des Amtsgerichts Tiergarten mit dem angefochtenen Erkenntnis nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen, weil der Angeklagte dem Hauptverhandlungstermin am 25. Juni 2024 unentschuldigt ferngeblieben sei.

Dem lag das folgende Verfahrensgeschehen zu Grunde: Der ordnungsgemäß geladene Angeklagte reichte über seinen Verteidiger am Tag vor dem anberaumten Termin ein ärztliches Attest des Herrn Dr. A und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24. – 26. Juni 2024 ein. Das Attest hatte den folgenden Wortlaut:

„Der o.g. Patient stellte sich am 24.6.24 in unserer Arztpraxis vor. Er berichtet, seit dem Vorabend unter Übelkeit mit Erbrechen und Diarrhöen zu leiden. Zudem wird von Schnupfen und Halsschmerzen seit 3-4 Tagen berichtet. Der Pat. schildert, einen geplanten Gerichtstermin am 25.6.24 bei den aktuell vorherrschenden gesundheitlichen Problemen nicht wahrnehmen zu können. Es erfolgte eine AU-Bescheinigung vom 24.-26.6.24.“

Die Vorsitzende der zuständigen Strafkammer kontaktierte daraufhin am 25. Juni 2024 die Praxis telefonisch, in der sie Herrn Dr. A nicht erreichen konnte, aber dessen Kollegin Frau Dr. B. Diese teilte der Vorsitzenden mit, Herr Dr. A. sei aufgrund auswärtiger Termine in einer Heimeinrichtung nicht erreichbar. Der Angeklagte sei am 24. Juni 2024 erstmals in der Praxis erschienen, was Herrn Dr. A verwundert habe. Eine Untersuchung der Symptome habe nicht stattgefunden und sei auch nicht üblich. Sie habe mit Herrn Dr. A über die Angelegenheit gesprochen, der Angeklagte habe etwas erschöpft gewirkt. Herr Dr. A habe sich schwergetan, das Attest auszustellen. Zur Schwere der Symptomatik könne sie anhand der Patientenakte keine Angaben machen.

Gegen das Verwerfungsurteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sach- und Verfahrensrüge gestützten Revision. Er trägt vor, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es nicht mit dem behandelnden Arzt selbst – gegebenenfalls per Mobiltelefon – Rücksprache gehalten habe. Ein solches Gespräch „hätte die Säumnis als [sic!] Angeklagten als unverschuldet aufgezeigt“. Hinsichtlich der Einzelheiten des Revisionsvorbringens wird auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 7. August 2024 Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts beantragt.

II.

Die fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten hat mit der auf die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO gestützten Verfahrensrüge keinen Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Danach muss der Revisionsführer die den geltend gemachten Mangel betreffenden Verfahrenstatsachen so vollständig bezeichnen, dass das Revisionsgericht allein anhand dessen prüfen kann – unterstellt das tatsächliche Vorbringen trifft zu –, ob ein Verfahrensfehler vorliegt.

a) Wird im Rahmen des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO gerügt, dass das Gericht seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei, handelt es sich der Sache nach um eine besondere Form der Aufklärungsrüge. Deren formgerechte Begründung erfordert daher die Mitteilung, welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiswürdigung zu erwarten gewesen wäre. Wird eine Erkrankung vorgetragen, ist eine Darstellung der aktuell zum Terminszeitpunkt bestehenden Symptomatik und die Darlegung der daraus zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung resultierenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen notwendig (vgl. Senat, Urteil vom 24. Juli 2023 – 3 ORs 38/23 –, juris m.w.N.; BayObLG NJW 2023, 2586 und NStZ-RR 1997, 182; OLG München, Urteil vom 18. November 2008 – 4 St RR 100/08 –, BeckRS 2008, 24743; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24. November 2000 – 1 Ss 165/00 –, juris; Quentin in MüKo-StPO, 2. Aufl., § 329 Rn. 103). Denn nur hierdurch ist dem Revisionsgericht, das an die Urteilsfeststellungen gebunden ist (BGH NJW 1979, 2319), die Überprüfung möglich, ob der Revisionsführer – und nur hierauf kommt es an – tatsächlich entschuldigt war (vgl. nur Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 329 Rn. 19 m.w.N.).

b) An diesen Maßstäben gemessen ergibt sich Folgendes:

aa) Die Ausführungen im Urteil – auf die der Senat angesichts der ebenfalls erhobenen Sachrüge zurückgreifen konnte – sowie diejenigen in der Revisionsbegründungsschrift belegen zwar zunächst, dass eine hinreichende Aufklärung nicht stattgefunden hat.

Das Berufungsgericht ist gehalten, bei Anhaltspunkten für ein berechtigtes Fernbleiben im Wege des Freibeweises zu klären, ob eine genügende Entschuldigung vorliegt. Es ist ihm vor diesem Hintergrund zwar nicht schlechthin verwehrt, aus einem Mangel an Belegen und möglichen Informationen Rückschlüsse bzgl. der Wahrhaftigkeit eines Entschuldigungsvorbringens zu ziehen; Das kann insbesondere der Fall sein, wenn lediglich die pauschale Mitteilung über eine (zur Verhandlungsunfähigkeit führende) Erkrankung erfolgt (vgl. Senat, Urteile vom 24. Juli 2023, a.a.O., und vom 7. Februar 2022 – 3 Ws (B) 328/21 -, BeckRS 2022, 2055, jew. m.w.N.). Hat der Angeklagte aber – wie hier – eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Bescheinigung vorgelegt, wird dadurch belegt, dass ein ausgebildeter Mediziner einen krankhaften Zustand festgestellt hat (vgl. Senat, Urteil vom 24. Juli 2023, a.a.O.). Dementsprechend, wie es die Kammer zutreffend erkannt hat, hat das vorgelegte Attest die Aufklärungspflicht ausgelöst.

Die Strafkammer ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass mit der eingeholten Auskunft der ärztlichen Kollegin Dr. B der Aufklärungspflicht genüge getan war. Zwar ist es anerkannt, dass das Gericht nur solche Beweise erheben muss, die sofort zur Verfügung stehen, also lediglich eine Unterbrechung, nicht aber die Aussetzung der Hauptverhandlung erfordern (vgl. BayObLG NStZ-RR 2003, 87; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, Rn. 21; Quentin in MüKo-StPO, a.a.O., Rn. 36). Der Umfang der Aufklärungspflicht kann sich danach nur an den konkreten Umständen der (prozessualen) Situation messen. Allerdings ist hier nicht ersichtlich, weshalb der das Attest ausstellende Arzt nicht über sein Mobiltelefon hätte erreicht werden können oder wann er in etwa wieder erreichbar gewesen wäre. Die anstatt dessen eingeholten Informationen waren hingegen nicht geeignet, den Verdacht der nicht ausreichenden Entschuldigung sicher festzustellen (vgl. zu diesem Maßstab Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, Rn. 22; Quentin in MüKo-StPO, a.a.O., Rn. 32, 44). Frau Dr. B konnte lediglich Inhalte aus einem Gespräch mit Herrn Dr. A wiedergeben, die insbesondere keine Rückschlüsse darauf zuließen, weshalb der behandelnde Arzt – mag er sich auch schwergetan haben – das Attest dennoch ausgestellt und damit einen krankheitswertigen Zustand festgestellt hat. Eine entsprechende Rücksprache – auch zur Schwere der Symptomatik – war daher unerlässlich.

bb) Der Revisionsführer hat es aber unterlassen, das Ergebnis der unterbliebenen Beweiserhebung substantiiert darzulegen. Der Revisionsschrift lässt sich weder das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung entnehmen, noch wird überhaupt behauptet, dass der Angeklagte am Terminstag noch verhandlungsunfähig erkrankt war. Die lediglich pauschalen Hinweise, dass die Beweiserhebung dazu geführt hätte, „dass der Angeklagte auch objektiv entschuldigt war“ und ein Gespräch mit Dr. A „die Säumnis als [sic!] Angeklagten als unverschuldet aufgezeigt [hätte]“, stellen die bloße rechtliche Folge eines erwarteten Beweisergebnisses dar, ohne dieses selbst konkret zu benennen.

Anderes ergibt sich auch gerade nicht aus dem vorgelegten Attest und der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Das Attest vom 24. Juni 2024 enthält bereits keine ausreichenden Angaben zur Frage der Unzumutbarkeit der Teilnahme an einer Hauptverhandlung am 25. Juni 2024 und eine solche ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus den geschilderten Symptomen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vermag ebenfalls keinen Aufschluss über die Schwere der Erkrankung und deren Vorhandensein am Terminstag zu geben.

Der Senat kann vor diesem Hintergrund anhand der Revisionsschrift in Zusammenschau mit den Urteilsgründen nicht beurteilen, ob der Angeklagte zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Hauptverhandlung entschuldigt war. Dies führt zur Unzulässigkeit der Verfahrensrüge.

2. Auf die Sachrüge kann das angefochtene Verwerfungsurteil als Prozessurteil nur darauf überprüft werden, ob seinem Erlass fehlende Verfahrensvoraussetzungen oder Verfahrenshindernisse entgegengestanden haben (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Mai 2023 – 3 ORs 21/23 –). Dies wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin

Anmerkung:


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