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Entscheidungen

Zivilrecht

Fußgängerunfall, alkoholisierter Fußgänger, Sichtbarkeitsgrundsatz, Hinterbliebengeld, Tod eines erwachsenen Kindes

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Urt. v. 18.12.2024 – 14 U 119/24

Leitsatz des Gerichts:

1. Das Überschreiten einer Fahrbahn erfordert von einem Fußgänger erhöhte Sorgfalt. Da eine Fahrbahn in erster Linie dem Fahrzeugverkehr dient, hat der Fahrzeugführer grundsätzlich Vorrang.
2. Ein Fahrzeugführer muss nicht allein in Kenntnis eines am Fahrbahnrand befindlichen Fußweges seine Geschwindigkeit reduzieren.
3. Bei der Festsetzung der Hinterbliebenenentschädigung darf nicht lediglich eine schematische Bemessung vorgenommen werden. Es ist die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen zu bewerten.
4. Die Bemessung des Schmerzensgeldes in den sog. Schockschadensfällen ist dagegen nur eingeschränkt als Vergleichsgröße heranziehbar, weil der Anspruch auf Hinterbliebenengeld (im Unterschied zum Schmerzensgeld) gerade keine Rechtsgutsverletzung voraussetzt.


In pp.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 21.05.2024 - 5 O 315/23 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 11.677,07 €.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten ein weiteres Hinterbliebenengeld und weitere anteilige Beerdigungskosten aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 11.07.2021.

Der Sohn der Klägerin, der Geschädigte B. B., befand sich am 11.07.2021 gegen 4:33 Uhr mit einer BAK von über 2,0 Promille auf der Landesstraße … außerhalb geschlossener Ortschaften zwischen O. und O. Er kollidierte mit dem vom Beklagten zu 1. geführten Fahrzeug, welches bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert ist. Der Sohn der Klägerin verstarb noch am Unfallort.

Das gegen den Beklagten zu 1 geführte Strafverfahren (4302 Js 7030/21, Staatsanwaltschaft Lüneburg) wurde gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 1.200 € eingestellt. In diesem Strafverfahren wurde zuvor ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben.

Die Klägerin verlangt ein Hinterbliebenengeld mit einer Begehrensvorstellung von 12.000 € sowie 75% der Beerdigungskosten in Höhe von 7.226,16 €, mithin 5.419,62 €.

Die Klägerin ist der Auffassung, den Beklagten zu 1 treffe ein Verschulden an dem Unfall. Zum Unfallzeitpunkt sei es insbesondere schon so hell gewesen, dass der Beklagte zu 1 ihren Sohn hätte sehen können bzw. müssen. Der Unfallort sei zudem durch eine Laterne beschienen, die zur früheren Erkennbarkeit ihres Sohnes beigetragen habe.

Die Beklagten meinen, infolge des groben Verschuldens des Geschädigten hafteten sie nicht. Die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1 gefahrenen Fahrzeugs trete hinter dem Verschulden des Geschädigten zurück.

Mit am 21.05.2024 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Klage in Höhe von 5.742,05 € für begründet gehalten, nachdem es Beweis erhoben hat über den Unfallhergang durch Verwertung gem. § 411a ZPO des im Strafverfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. K. sowie den Beklagten zu 1 und die Klägerin angehört hat.

Das Landgericht hat der Klägerin von ihren geltend gemachten Ansprüchen 1/3 aufgrund des der Klägerin zuzurechnenden Mitverschuldens des Geschädigten zugesprochen, wobei es ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 10.000 €, anstatt der begehrten 12.000 €, angesetzt hat.

Es hat dabei dem Beklagten zu 1 den Verschuldensvorwurf gemacht, dass er in Kenntnis eines am Fahrbahnrand befindlichen Fußweges seine Geschwindigkeit nicht reduziert habe. Der Bremsvorgang bei Fußgängern, welche - wie hier - unvorhergesehen die Straße überqueren, sei daher zu lang gewesen. Hauptsächlich habe der Geschädigte den Unfall aber selbst verschuldet, weil er die Straße überquert habe, ohne auf das bevorrechtigte Fahrzeug der Beklagten zu achten.

Die Klägerin wendet sich gegen das landgerichtliche Urteil und meint, die Kammer habe es fehlerhaft unterlassen, eine lichttechnische Untersuchung einzuholen. Die Unfallstelle sei durch eine Laterne beleuchtet gewesen. Der Beklagte zu 1 hätte den Geschädigten, der zudem ein weißes Oberhemd unter seinem Jackett und weiße Turnschuhe getragen habe, früher erkennen müssen. Der Beklagte zu 1 hätte den Geschädigten lange vor der Kollision sehen und abbremsen müssen. Er hätte den Unfall verhindern können.

Sie beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 21.05.2024 teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin über die ausgeurteilten 3.333,33 € hinaus ein weiteres, angemessenes Hinterbliebenengeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, und zum anderen weitere 4.817,44 € Beerdigungskosten zu zahlen, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.01.2023.

Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie berufen sich auf das Sachverständigengutachten, in dem festgestellt worden sei, dass der Sohn der Klägerin frühestens innerhalb des Lichtkegels des Abblendlichtes für den Beklagten zu 1 erkennbar gewesen sei. Das schließe eine noch frühere Erkennbarkeit aus. Damit sei es nicht gerechtfertigt, dem Beklagten zu 1 eine verspätete Abwehrreaktion anzulasten.

Der Senat hat den Sachverständigen Dipl.-Ing. K. in der mündlichen Verhandlung vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den vorgetragenen Inhalt der zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2024.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat keine weiteren Ansprüche gegen die Beklagten gem. § 844 Abs. 3 BGB, § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG als Gesamtschuldner gem. § 421 BGB, § 115 Abs. 1 S. 4 VVG.

a) Ein Fall höherer Gewalt liegt nicht vor, § 7 Abs. 2 StVG. Auf einen Haftungsausschluss wegen Unabwendbarkeit des Verkehrsunfalls im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG kann sich ebenfalls keiner der Unfallbeteiligten berufen (vgl. Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/7752, S. 30; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 – VI ZR 173/06, Rn. 25, juris).

Da der Geschädigte B. als Fußgänger selbst nicht aus § 7 Abs. 1 StVG haftet, kommt die Anrechnung eines etwaigen Mitverschuldens nicht über § 17 Abs. 1 und 2 StVG, sondern nur nach § 9 StVG i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB in Betracht.

b) Im Rahmen von § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB ist in erster Linie das ursächliche Verhalten der Geschädigten gegeneinander abzuwägen und dabei die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges zu berücksichtigen, wobei nur erwiesene Verursachungsfaktoren in die Abwägung einbezogen werden dürfen (vgl. und näher König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 9 StVG, Rn. 7 mwN). Die Abwägung setzt die Feststellung eines haftungsbegründenden Tatbestandes auf der Seite des Geschädigten voraus. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben außer Betracht zu bleiben. Die Beweislast für einen unfallursächlichen Mitverschuldensanteil des Geschädigten, hier also des Geschädigten B., trägt dabei nach allgemeinen Beweisgrundsätzen der Schädiger, mithin hier die Beklagten (vgl. BGH Urteil vom 24. September 2013 – VI ZR 255/12, Rn. 7, juris). Die Klägerin wiederum ist beweispflichtig für etwaige Verkehrsverstöße des Beklagten zu 1.

aa) Der Beklagte zu 1 hat weder gegen das sog. Sichtfahrgebot verstoßen (a) noch konnte ihm Unaufmerksamkeit (b) nachgewiesen werden.

(a) Der Beklagte zu 1 hat nicht gegen das sog. Sichtfahrgebot verstoßen. Gem. § 3 Abs. 1 S. 2, § 4 StVO darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Der Fahrzeugführer muss seine Fahrgeschwindigkeit deshalb so einrichten, dass er jederzeit in der Lage ist, seinen Verpflichtungen im Verkehr genüge zu leisten und das Fahrzeug nötigenfalls rechtzeitig anzuhalten, also nicht auf Hindernisse aufzufahren. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 StVO ist die Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen; gemäß § 3 Abs. 1 S. 4 StVO darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Ein Kraftfahrzeugführer darf bei Dunkelheit – auch auf der Autobahn und auf der Überholspur – grundsätzlich nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten kann (Senat, Urteil vom 22. Januar 2020 – 14 U 150/19, Rn. 69, juris).

Zwar muss ein Kraftfahrer am Fahrbahnrand befindliche oder vor ihm die Fahrbahn überquerende Fußgänger im Auge behalten und in seiner Fahrweise erkennbaren Gefährdungen Rechnung tragen (vgl. BGH, Urteile vom 24. Februar 1987 - VI ZR 19/86, NJW 1987, 2377, juris Rn. 18 mwN; vom 7. Juli 1959 - VI ZR 154/58, VersR 1959, 833; vom 11. Dezember 1956 - VI ZR 267/55, VersR 1957, 128). Er braucht aber weder damit zu rechnen, dass ein erwachsener Fußgänger versuchen wird, kurz vor seinem Fahrzeug die Fahrbahn zu betreten, noch darauf gefasst zu sein, dass ein Fußgänger, der beim Überschreiten der Fahrbahn vor oder in der Mitte der Straße anhält, unerwartet weiter in seine Fahrbahn laufen werde, solange er bei verständiger Würdigung aller Umstände keinen Anlass hat, an dem verkehrsgerechten Verhalten des Fußgängers zu zweifeln (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2023 – VI ZR 11/21, Rn. 12, juris). Der Fall eines „rennenden“ Fußgängers, der dem vorgenannten Vertrauen die Grundlage entziehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 04. April 2023 - VI ZR 11/21, juris), ist vorliegend nicht einschlägig.

Das Sichtfahrgebot gebietet also nicht, die gefahrene Geschwindigkeit für die Möglichkeit zu reduzieren, dass auf eventuelle Fußgänger, die von der Gegenfahrbahn auf den in Anspruch genommenen Fahrstreifen treten, noch rechtzeitig reagiert werden kann (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 9. Mai 2017 – 4 U 1596/16, Rn. 25, juris).

Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Beklagte zu 1 aufgrund des Sichtfahrgebotes verpflichtet gewesen wäre, eine geringere Geschwindigkeit als die am Unfallort geltende Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h zu fahren. Nach der bestehenden Rechtslage ist ohne entsprechende verwaltungsmäßige Anordnung nach § 45 Abs. 1 StVO keine Geschwindigkeitsreduzierung geboten, wenn sie nicht durch konkrete örtliche Gefahrenmomente veranlasst ist (BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 – VI ZR 124/97, Rn. 8, juris). Ein solcher konkreter Anlass ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Unfall ereignete sich auf einer Landstraße außerhalb geschlossener Ortschaft. Ein Fahrzeugführer muss auch nicht allein in Kenntnis eines am Fahrbahnrand befindlichen Fußweges seine Geschwindigkeit reduzieren (so aber LGU, Seite 6 als verschuldensbegründend). Den Verschuldensvorwurf, den das Landgericht dem Beklagten zu 1 angelastet hat, ist von Rechts wegen nicht zu begründen.

Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. vom 27.07.2021 ergibt sich, dass der Beklagte zu 1 nach dem Erkennen des Geschädigten B. nur bei einer Geschwindigkeit von ca. 47-54 km/h in der Lage gewesen wäre, den Unfall zu verhindern (Gutachten, Seite 20). Der Geschädigte ist von links kommend auf die Fahrbahn getreten und seitlich und plötzlich in das Sichtfeld des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs gelaufen (vgl. Gutachten, Seite 19). Auf diese Gefahr hätte der Beklagten zu 1 seine Geschwindigkeit nicht einstellen müssen.

(b) Dem Beklagten zu 1 ist auch kein Verschulden aufgrund Unaufmerksamkeit gem. § 1 Abs. 2 StVO vorzuwerfen. § 1 Abs. 2 StVO normiert die allgemeinen Sorgfaltspflichten der Verkehrsteilnehmer. Danach hat, wer am Verkehr teilnimmt, sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Gegen § 1 Abs. 2 StVO kann auch durch Unterlassen verstoßen werden, wenn dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt wird (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Figgener, 28. Aufl. 2024, StVO § 1 Rn. 48, beck-online). Eine verspätete Bremsreaktion stellt einen solchen Verstoß durch Unterlassen dar. In Bezug auf die Frage, wann eine Bremsreaktion verspätet ist, geht die Rechtsprechung von einer Reaktions- und Bremsansprechzeit zusammen bei einem unvermuteten Vorgang im Allgemeinen von einer knappen Sekunde aus (hierzu mwN: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Figgener, 28. Aufl. 2024, StVO § 1 Rn. 50/53, beck-online).

Nach den kompetenten und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. K., die dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführlich erläutert hat und die sich der Senat nach kritischer Würdigung zu eigen macht, ist eine verspätete Reaktion des Beklagten zu 1 nicht bewiesen.

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Beklagte zu 1 den Geschädigten erst ab einer Entfernung von ca. 25 - 30 m hätte erkennen können (s.o. und Gutachten vom 27.07.2021, Seite 18). Zu diesem Zeitpunkt hätte der Beklagte zu 1 den Unfall mit der von ihm gefahrenen Ausgangsgeschwindigkeit von 50-73 km/h nicht mehr verhindern können. Dies wäre nur mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 47-54 km/h möglich gewesen (s.o. und Gutachten vom 27.07.2021, Seite 20). Für eine solche Ausgangsgeschwindigkeit bestand kein Anlass (s.o.).

Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung auch zu der von der Klägerin aufgeworfenen Frage einer früheren Erkennbarkeit durch die äußeren Umstände Stellung genommen und diese verneint. Er hat hierzu ausgeführt, dass sich weder aus der Kleidung des Geschädigten noch aus der in der Nähe des Unfallortes befindlichen Straßenlaterne noch aus den Lichtverhältnissen aufgrund der Dämmerung eine bessere Erkennbarkeit des Geschädigten ergeben habe, die eine frühere Bremsreaktion des Beklagten zu 1 erfordert hätte. Im Einzelnen:

(aa) Die von dem Geschädigten getragene Bekleidung habe nur wenig Kontrast aufgewiesen, insbesondere zur Fahrbahnoberfläche. Es habe keine Reflektoren o.ä. gegeben, die eine bessere Erkennbarkeit hätten herbeiführen können. Dabei hat der Sachverständige auch explizit die hellen Turnschuhe und das weiße Oberhemd des Geschädigten unter dessen Jackett berücksichtigt. Die Turnschuhe reichten nicht als Kontrast zur Fahrbahnoberfläche, um eine bessere Erkennbarkeit herzustellen. Bei dem Oberhemd handele es sich ebenfalls nur um eine kleine Fläche ohne besonderen Kontrast. Das Abblendlicht beleuchte indes zunächst den unteren Bereich, d.h. den Straßenbereich und damit die Schuhe, das Hemd komme erst relativ spät in den Blick. Auch von daher könne es keine besondere Auffälligkeit begründen (vgl. Protokoll vom 19.11.2024, Seite 2).

(bb) In Bezug auf die Lichtverhältnisse habe zum Unfallzeitpunkt gegen 04:30h Dämmerung geherrscht. Die hierzu anzusetzende Lichtstärke von etwa 12 Lux habe keinen signifikanten Einfluss auf die Erkennbarkeit des Geschädigten gehabt (vgl. Protokoll vom 19.11.2024, Seite 3).

(cc) Schließlich hat sich der Sachverständige mit der vor Ort befindlichen Straßenlaterne befasst, die sich ca. 18 m von dem Unfallort entfernt auf einer Verkehrsinsel befand. Diese habe ebenfalls keinen Einfluss auf die Erkennbarkeit des Geschädigten aus der Sicht des Beklagten zu 1 gehabt. Bei den in der Laterne befindlichen Leuchtmitteln handele es sich bereits um LED-Leuchten, die ein deutlich geringeres Streulicht als die sog. klassischen alten Laternen aufwiesen. Diese LED-Leuchten hätten ein spezielles, relativ punktuell ausgeworfenes Licht, das im vorliegenden Fall hauptsächlich den Fahrradweg beleuchte, der über die Einmündung führe. Der Bereich darüber hinaus werde kaum erfasst, jedenfalls nicht der Unfallort in ca. 18 m Entfernung (vgl. Protokoll vom 19.11.2024, Seite 3).

Zudem habe sich der Geschädigte in einem Feld befunden, in dem er leicht links von hinten von dem Laternenlicht allenfalls angestrahlt worden sei. Es habe keinen Schattenwurf gegeben, der eine eventuelle Aufmerksamkeit hätte erzielen können (vgl. Protokoll vom 19.11.2024, Seite 4).

Der Sachverständige, der als Sachverständiger für Unfallrekonstruktionen eine große Erfahrung auf diesem Gebiet hat, konnte alle Fragen nachvollziehbar, kompetent und ausführlich beantworten. Er hatte sich ersichtlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine bessere Erkennbarkeit des Geschädigten durch seine Kleidung oder äußere Umstände, wie Licht, vorgelegen haben könnte.

Der Senat hat nach der umfassenden und erschöpfenden Vernehmung des Sachverständigen keinerlei Zweifel, dass der Beklagte zu 1 den Geschädigten nicht über die im Gutachten festgestellten 25-30 m hinaus hätte erkennen und den Unfall durch einen früheren Bremsvorgang hätte verhindern können.

(c) Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte dafür, um ein erneutes Gutachten über die Lichtverhältnisse zum Unfallzeitpunkt einzuholen. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass er sich mit der Erkennbarkeit des Geschädigten befasst und dabei auch die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt habe. Die Frage der Erkennbarkeit stelle häufig einen Teilbereich in einem Unfallrekonstruktionsgutachten dar und könne auch durch ihn bewertet werden. Einer weiteren lichttechnischen Untersuchung bedürfe es aus seiner sachverständigen Sicht nicht. Dem schließt sich der Senat nach eigener kritischer Würdigung an. Der Sachverständige konnte nachvollziehbar und ausführlich erläutern, warum die örtlichen Lichtverhältnisse (Laterne, Dämmerung) und die getragene Kleidung nicht zu einer besseren Erkennbarkeit des Geschädigten beigetragen haben. Er ist als Sachverständiger für Unfallrekonstruktion auch in diesem Bereich kompetent und berufen, diese technischen Fragen zu klären.

bb) In Bezug auf ein Verschulden des Geschädigten B., das sich die Klägerin zurechnen lassen muss, gilt, dass dieser gegen § 25 Abs. 3 S. 1 StVO verstoßen hat.

(a) Der Geschädigte hat entgegen § 25 Abs. 3 S. 1 StVO die Fahrbahn betreten, ohne hinreichend auf den erkennbaren bevorrechtigten Fahrzeugverkehr zu achten.

Grundsätzlich gilt, dass das Überschreiten einer Fahrbahn von einem Fußgänger erhöhte Sorgfalt erfordert. Da eine Fahrbahn in erster Linie dem Fahrzeugverkehr dient, hat der Fahrzeugführer grundsätzlich Vorrang (BGH, Urteil vom 27. Juni 2000 – VI ZR 126/99, Rn. 18, juris). Auf den bevorrechtigten Fahrzeugverkehr hat der Fußgänger Rücksicht zu nehmen, also bei Annäherung eines Fahrzeugs zu warten; der Kraftfahrer darf darauf vertrauen, dass ein Fußgänger die Fahrbahn nicht kurz vor seinem Fahrzeug zu überqueren versucht. Das Betreten der Fahrbahn ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs ist in der Regel grob fahrlässig (KG Berlin, Beschluss vom 7. Juli 2008 – 12 U 138/08, juris).

Gegen diese hohen Sorgfaltsmaßstäbe hat der Geschädigte verstoßen, indem er sich nicht hinreichend davon überzeugt hat, dass der Beklagte zu 1 ihn trotz seines Vorranges auf der Fahrbahn sicher passieren lassen wollte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte der Geschädigte den Unfall durch einen Verzicht oder Abbruch seiner Fahrbahnüberquerung verhindern können. Für ihn war das sich nähernde Beklagtenfahrzeug sichtbar (Gutachten vom 27.7.2021, Seite 17). Der Geschädigte hätte auf seiner Fahrbahnseite stehen bleiben und den Beklagten zu 1 vorbeifahren lassen können und müssen. Der Geschädigte hat damit die entscheidende Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt.

(b) Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung rügt, das Landgericht habe die Alkoholisierung des Geschädigten von über 2,0 Promille zu Unrecht berücksichtigt, folgt der Senat dem nicht. Das Landgericht hat - im Gegenteil - gerade kein Verschulden aus der Alkoholisierung begründet und zu Lasten der Klägerin berücksichtigt, sondern erwogen, ob das Verschulden des Geschädigten aufgrund der Alkoholisierung als gemindert bewertet werden könne (LGU, Seite 5 unten), und dies zu Recht verworfen.

Gem. § 827 S. 2 BGB ist jemand, der sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit versetzt, für einen Schaden, den er in diesem Zustand widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand geraten ist.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es gibt weder Vortrag der Klägerin noch sonstige Anhaltspunkte, dass der Geschädigte aufgrund seiner Alkoholisierung unzurechnungsfähig und insoweit nicht mehr in der Lage gewesen wäre, den Anforderungen, die die Straßenverkehrsordnung an Fußgänger stellt, Folge zu leisten. Ebenso mangelt es an Vortrag der Klägerin oder sonstigen Anhaltspunkten, dass der Geschädigte ohne sein Verschulden in einen Zustand der (jetzt unterstellten) vorgenannten Willensunfreiheit geraten wäre.

c) Die gebotene Abwägung der beiderseitigen unfallursächlichen Verursachungsbeiträge führt zu der vom Landgericht ausgeurteilten Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Klägerin.

Es ist in der Rechtsprechung zwar anerkannt, dass die Betriebsgefahr des beteiligten Fahrzeugs in bestimmten Fällen ausnahmsweise neben dem grob fahrlässigen Verstoß des Fußgängers gegen § 25 Abs. 3 StVO vollständig zurücktreten kann (OLG Hamm, Urteil vom 16. Februar 2016 – 26 U 105/15, Orientierungssatz und Rn. 47 und 48 mwN; OLG Saarbrücken, r+s 2010, 479; LG Hagen, ZfS 2005, 181; KG Berlin, VersR 1972, 104). Ob ein solcher Fall vorliegt, bedarf aber keiner Entscheidung, denn das Landgericht hat einen Mitverursachungsbeitrag von 1/3 bei den Beklagten gesehen, der nicht mit einer Berufung seitens der Beklagten angegriffen wurde.

Das von der Klägerin mit Schriftsätzen vom 03.12.2024 und 05.12.2024 (Nachreichung des Aufsatzes, Anlage BB02) beantragte Lichtgutachten wäre insoweit - neben den oben aufgeführten Erwägungen - auch deswegen nicht einzuholen gewesen, weil es zu keiner anderen Haftungsquote führen würde. Denn selbst wenn der Senat unterstellte, dass das Lichtgutachten eine frühere Erkennbarkeit ergäbe und sodann eine Unaufmerksamkeit des Beklagten zu 1 gem. § 1 Abs. 2 StVO feststellte, würde der Senat die Haftungsquote in einer Gesamtabwägung angesichts des überragenden Verschuldens des Geschädigten, der die erste Ursache für den Unfall gesetzt hat und der es allein in der Hand gehabt hätte, seinen Tod zu verhindern, nicht über den feststehenden Mitverursachungsbeitrag von 1/3 zu Lasten der Beklagten festlegen.

2. Der Senat folgt auch der landgerichtlichen Hinterbliebenengeldbemessung in Höhe von 3.333,33 € gem. § 844 Abs. 3 BGB.

a) Nach § 844 Abs. 3 BGB, § 10 Abs. 3 StVG hat ein Ersatzpflichtiger dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

b) Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Beklagten haften für den Tod des Geschädigten, den Sohn der Klägerin.

c) Die Bemessung der Höhe der Hinterbliebenenentschädigung ist grundsätzlich Sache des nach § 287 Abs. 1 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Ähnlich wie beim Schmerzensgeld sind dabei sowohl der Ausgleichs- als auch der Genugtuungsgedanke in den Blick zu nehmen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21, Rn. 13 f., juris). Trifft das Primäropfer ein Mitverschulden an dem für den Tod ursächlichen Unfall, ist das Hinterbliebenengeld gemäß § 846 BGB zu mindern (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB, § 844 Rn. 110, beck-online).

aa) Bei der Festsetzung der Hinterbliebenenentschädigung darf nicht lediglich eine schematische Bemessung vorgenommen werden, sondern es ist die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen zu bewerten; hierbei sind die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 23. Mai 2023 – VI ZR 161/22, Rn. 12, juris). Das Hinterbliebenengeld soll und kann dabei keinen Ausgleich für den Verlust des Lebens darstellen. Was der Verlust eines Menschen für seine Hinterbliebenen bedeutet, kann nicht in Geld gemessen werden.

Maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenentschädigung sind im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei lassen sich aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchsteller und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung indizielle Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21, Rn. 15, juris). Allerdings handelt es sich bei dem Hinterbliebenengeld einerseits und dem Schockschadensersatz andererseits um unterschiedliche Rechtsinstitute (BGH, Urteil vom 8. Februar 2022 – VI ZR 3/21, Rn. 20, 33, juris). Während der Anspruch auf Gewährung eines Schmerzensgeldes wegen eines Schockschadens aus § 7 Abs. 1, § 11 StVG, § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB auf der Verletzung eines eigenen Rechtsguts beruht (vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Juli 2022 - VI ZR 58/21, Rn. 14, juris), setzt der Anspruch auf Hinterbliebenengeld aus § 10 Abs. 3 StVG, § 844 Abs. 3 BGB keine über Trauer und seelisches Leid hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigung des Hinterbliebenen im Sinne einer eigenen Gesundheitsverletzung voraus. Die Einführung dieses Anspruchs diente gerade dem Zweck, den Hinterbliebenen auch für Beeinträchtigungen unterhalb dieser Schwelle einen Anspruch auf angemessene Entschädigung einzuräumen. Dementsprechend knüpft das Hinterbliebenengeld auf der Ebene der Haftungsbegründung an die Verletzung eines fremden Rechtsguts, des in § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB geschützten Lebens des Getöteten, an und sucht erst auf der Ebene der Haftungsausfüllung den eigenen Gefühlsschaden der Hinterbliebenen zu entschädigen. Dass in beiden Fällen dem Erstverletzten nahestehende Personen eine finanzielle Entschädigung für eigene immaterielle Beeinträchtigungen erhalten, ändert nichts an ihrer unterschiedlichen dogmatischen Herleitung (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21, Rn. 17 mwN, juris).

Der in dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD genannte Betrag in Höhe von 10.000 € (BT-Drucks. 18/11397, S. 11) bietet eine Orientierungshilfe für die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung, von der im Einzelfall sowohl nach unten als auch nach oben abgewichen werden kann. Er stellt keine Obergrenze dar (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21, Rn. 18 mwN, juris). Dieser Betrag wird jedoch lediglich im allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung im Rahmen der nach § 1 Abs. 3, § 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NKRG) gebotenen Darstellung des Erfüllungsaufwands des Gesetzes genannt und ausdrücklich als Durchschnittsbetrag bezeichnet, der zur damaligen Zeit von den Gerichten bei der Tötung eines Angehörigen als Entschädigung für sogenannte Schockschäden zugesprochen worden sei. Ein im allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung im Rahmen der Gesetzesfolgenbewertung genannter und ausdrücklich als Durchschnittsbetrag bezeichneter Wert kann aber keine verbindliche Aussage über die Angemessenheit der Hinterbliebenenentschädigung im konkreten Fall treffen, deren Bestimmung der Gesetzgeber im besonderen Teil der Gesetzesbegründung ausdrücklich den Gerichten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles überantwortet hat. Ungeachtet der Frage seiner tragfähigen Herleitung kann er - nur - eine Orientierungshilfe bieten, von der im Einzelfall sowohl nach unten als auch nach oben abgewichen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21, Rn. 18 mwN; sowie bereits Senat, Urteil vom 24. August 2022 - 14 U 22/22, beide juris).

Die Bemessung des Schmerzensgeldes in den sog. Schockschadensfällen ist dagegen nur eingeschränkt als Vergleichsgröße heranziehbar, weil der Anspruch auf Hinterbliebenengeld (im Unterschied zum Schmerzensgeld) gerade keine Rechtsgutsverletzung voraussetzt (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21, Rn. 20, juris). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen muss deshalb der dem Hinterbliebenen im Einzelfall zuerkannte Betrag im Regelfall hinter demjenigen zurückbleiben, der ihm zustände, wenn das von ihm erlittene seelische Leid die Qualität einer Gesundheitsverletzung hätte (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 73/21, Rn. 21 mwN, juris).

bb) Unter Berücksichtigung der Umstände und des Ablaufs des Verkehrsunfalls sowie insbesondere des ganz erheblichen Mitverschuldensanteils des Geschädigten erachtet der Senat im Ergebnis den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag in Höhe von 3.333,33 € insgesamt für angemessen.

Das Landgericht ist dabei im Rahmen der ihm obliegenden Wertungsfreiheit gem. § 287 Abs. 1 ZPO von einem grundsätzlichen Hinterbliebenengeld ohne den Mitverschuldensanteil des Geschädigten im Bereich von 10.000,00 € ausgegangen. Es hat unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt, dass das Leiden der Klägerin nicht wesentlich über das erhebliche Leid hinausgeht, dass Eltern bei dem Verlust eines erwachsenen Kindes erleiden. Das Landgericht hat insoweit das konkrete seelische Leid der Mutter berücksichtigt, aber keinen pathologischen Befund erkennen können. Es wird auf die Ausführungen der landgerichtlichen Begründung Bezug genommen, die vom Senat getragen werden.

Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung ein Hinterbliebenengeld von 12.000,00 € fordert, folgt der Senat dem nicht.

Im Rahmen einer Einordnung der Anspruchshöhe unterscheidet sich dieser Sachverhalt sowohl hinsichtlich der familiären Konstellation als auch hinsichtlich der Umstände des Unfalls von der vom Senat bereits entschiedenen Fallgestaltung (Senat, Urteil vom 24. August 2022 – 14 U 22/22, Rn. 2, juris: Hinterbliebenengeld von 15.000,00 € für den - noch am Unfallort anwesenden - Vater, dessen 11-jähriger Sohn unverschuldet von einer Sattelzugmaschine überfahren wurde), ohne dass damit zum Ausdruck kommen soll, dass der Verlust eines erwachsenen Kindes ein Elternteil weniger schmerzt als der eines minderjährigen, noch im eigenen Haushalt lebenden Kindes, weil eine derartige Bewertung in ihrer Allgemeinheit schlechthin unmöglich ist.

Vergleichbar mit dem hiesigen Fall erachtet der Senat den vom OLG Schleswig entschiedenen Sachverhalt. Dort wurden 10.000 € für den Verlust des betagten aber gut mobilen Vaters zugesprochen, der neben der Schwester die einzige Bezugsperson darstellte, bei einem grob sorgfaltswidrigen Verkehrsunfall, der u. a. noch nach mehr als 2 Jahren zu Schlafstörungen führte (OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23. Februar 2021 – 7 U 149/20, Rn. 35, juris). Der gleiche Betrag wurde bei dem Verlust des 20-jährigen Sohnes zugesprochen. Den zugrundeliegenden Sachverhalt erachtet der Senat ebenfalls als vergleichbar (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 31. August 2020 – 12 U 870/20, Rn. 11, juris).

Der Senat ist sich vollkommen bewusst, dass es für die Klägerin schwer nachvollziehbar und angesichts des Ausmaßes des Verlusts schmerzlich sein kann, dass der eigene Anspruch niedriger bewertet wird als sie es selbst als angemessen empfindet. Gleichwohl ist zu bedenken, dass den Gerichten die vom Gesetzgeber ausdrücklich zugewiesene schwierige Aufgabe zukommt, innerhalb der sich teils erheblich, teils nur in Nuancen unterscheidenden Fallgestaltungen einen angemessenen Ausgleich zu finden. Es ist dabei nicht Ziel des Gesetzes, das verlorene Leben und den Verlust des Angehörigen materiell aufzuwiegen, was ohnehin nicht möglich wäre (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 31. August 2020 – 12 U 870/20, Rn. 23; Senat, Urteil vom 24. August 2022 – 14 U 22/22, Rn. 59, beide juris).

Aus Rechtsgründen sieht der Senat keine weiteren Ansprüche der Klägerin. Die Entscheidung des Landgerichts ist richtig und (jedenfalls für die Klägerin) nicht korrekturbedürftig.

3. Mangels eines Anspruchs auf weitere Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.

V.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.


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