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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Fahrerlaubnis auf Probe, Entziehung, Fristbemessung, zu kurze Frist

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Gießen, Beschl. v. 09.12.2024 - 6 L 4196/24.GI

Leitsatz des Gerichts:

1. Ist offensichtlich, dass die unwesentlich zu kurz bemessene Frist die Entscheidung des Antragstellers, an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, nicht beeinflusst hat, so ist diese Verletzung von Verfahrensvorschriften auch ohne Einfluss auf die Berechtigung, bei erneuter Verkehrszuwiderhandlung die Fahrerlaubnis zu entziehen.
2. Im Rahmen des § 46 VwVfG ist dabei ausschließlich das Kausalverhältnis zwischen der unwesentlich zu kurz bemessenen Frist und deren Einfluss auf die Entscheidung des Antragstellers, an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, zu betrachten.
3. Insoweit ist im Licht des Zwecks der Fristbestimmung nur zu fragen, ob eine fehlerhafte Fristbestimmung offensichtlich keinen Einfluss auf die Überlegung und Willensentschließung zur Teilnahme an der nahegelegten Beratung hatte.


In pp.

Es wird festgestellt, dass der von dem Antragsteller erhobene Widerspruch vom 29. Oktober 2024 gegen die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides vom 23. Oktober 2024 verfügte Anordnung der Ablieferung des Führerscheins aufschiebende Wirkung hat.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 29. Oktober 2024 wird angeordnet, soweit dem Antragsteller die Entziehung des Führerscheins im Wege der Ersatzvornahme für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins angedroht wurde.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Dem Antragsteller wurde im Jahr 2020 eine Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L auf Probe erteilt. Wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung wurde der Antragsteller mit Bescheid vom 12. Oktober 2021 aufgefordert, gemäß § 2a Abs. 2 Nr. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – an einem Aufbauseminar über die zukünftige Bewährung im Straßenverkehr teilzunehmen. Dieser Aufforderung leistete der Antragsteller im November 2021 durch Teilnahme an einem Aufbauseminar bei I. Folge.

Am 18. Juni 2022 beging der Antragsteller eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h, die mit einer Geldbuße in Höhe von 100 Euro geahndet wurde (Bl. 13 der Behördenakte – BA –).

Mit Schreiben vom 5. Januar 2023 (Bl. 14 der BA) verwarnte der Antragsgegner den Antragsteller und legte ihm nahe, freiwillig bis zum 6. März 2023 an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Diese Verfügung wurde dem Antragsteller gegen Postzustellungsurkunde übermittelt; die Zustellung erfolgte am 7. Januar 2023 (Bl. 18 der BA). Im Januar 2023 überwies der Antragsteller unter Angabe des entsprechenden Kassenzeichens die Verwaltungskosten von 22,00 Euro an den Antragsgegner (Bl. 39 der BA).
In der Folgezeit beging der Antragsteller weitere Verkehrszuwiderhandlungen; verbotswidriges Parken auf dem Gehweg in Köln am 13. April 2024 und eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h am 13. Juni 2024 (Bl. 25, 26 der BA). Daraufhin hörte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 25. September 2024 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG an und gab ihm Gelegenheit, sich gemäß § 28 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz – HVwVfG – bis zum 10. Oktober 2024 zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis zu äußern.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 7. Oktober 2024 machte der Antragsteller geltend, ihm sei eine Verwarnung nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVG nie zugegangen. Er habe lediglich an einem Aufbauseminar teilgenommen. Die nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVG notwendige schriftliche Verwarnung mit der Anregung, an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, sei von der Fahrerlaubnisbehörde nicht ausgestellt und ihm nicht zugeleitet worden. Dies sei aber für die Entziehung nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG notwendig, weshalb ihm auf dieser rechtlichen Grundlage die Fahrerlaubnis nicht entzogen werden könne. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben des Bevollmächtigten des Antragstellers wies der Antragsteller mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2024 auf die Zustellung der Verwarnung vom 5. Januar 2023 am 7. Januar 2023 mit Postzustellungsurkunde und den Umstand hin, dass der Antragsteller auch die darin festgesetzte Verwaltungsgebühr in Höhe von 22,00 Euro bezahlt hat (Bl. 40 der BA). Zugleich übermittelte der Antragsgegner den Scan der Verwarnung inklusive Postzustellungsurkunde an den Bevollmächtigten des Antragstellers und verlängerte die Frist zur Stellungnahme.

Mit weiterem Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 14. Oktober 2024 wurde sodann geltend gemacht, eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG sei nicht möglich, da der Tatbestand dieser Vorschrift nicht erfüllt sei. Es fehle an der Setzung einer Zweimonatsfrist. Das am 7. Januar 2023 zugestellte und vom Antragsteller frühestens am 8. Januar 2023 zur Kenntnis genommene Schriftstück sehe eine Frist bis zum 6. März 2023 vor, dies sei allerdings keine zweimonatige Frist.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23. Oktober 2024 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Ziffer 1), forderte ihn auf, seinen Führerschein unverzüglich – spätestens bis zum 8. November 2024 – abzuliefern (Ziffer 2), drohte für den Fall, dass er diesem Gebot nicht nachkomme, die Einziehung der Fahrerlaubnis im Wege der Ersatzvornahme an (Ziffer 3) und setzte Kosten in Höhe von 186,50 Euro fest (Ziffer 5). Zur Begründung führte der Antragsgegner u.a. aus, die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen seien fehlerfrei durchgeführt worden. Im Rahmen der Verwarnung vom 5. Januar 2023 sei dem Antragsteller eine Frist bis zum 6. März 2023 eingeräumt worden, um freiwillig an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Diese Frist beginne mit dem Zeitpunkt der Durchführung und der Meldung der Maßnahme an das Fahreignungsregister. Wegen der weiteren Einzelheiten und der Begründung wird ergänzend auf den Bescheid vom 23. Oktober 2024 verwiesen (Bl. 57 bis 61 der Gerichtsakte – GA –).

Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2024 Widerspruch eingelegt, der bislang noch nicht beschieden worden ist, und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens. Der Wortlaut des § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG nehme nicht Bezug auf die von der Behörde gemäß Nr. 2 gesetzte Frist, sondern auf die von Nr. 2 bestimmte gesetzliche Zweimonatsfrist ab Zugang des Verwarnungsschreibens, weil dem Fahranfänger die Möglichkeit verbleiben solle, nach der Verwarnung sein Verkehrsverhalten während einer Übergangsfrist – gegebenenfalls unter freiwilliger Inanspruchnahme verkehrspsychologischer Hilfe – zu überdenken und neu auszurichten, bevor er erneut und letztmalig „unter Bewährung“ stehe. Im vorliegenden Fall sei das Verwarnungsschreiben frühestens am 7. Januar 2023 zugestellt worden. Damit laufe die Frist am 7. März 2023 ab, denn die Frist beginne, anders als der Antragsgegner behaupte, mit Zugang des Schreibens. Damit sei die gesetzliche Frist des § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVG nicht gewahrt, was jedoch aufgrund der Konzeption des § 2a StVG essentiell sei. § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG sei abschließender Bestandteil des Stufensystems des § 2a Abs. 2 S. 1 StVG. Die einzelnen Maßnahmen bauten aufeinander auf und setzten sich logisch-systematisch voraus. Die 2. Stufe sei hier jedoch fehlerhaft; weil die Frist nicht nur zu kurz, sondern auch nicht ausdrücklich in dem Verwarnschreiben genannt worden sei. Dem Antragsteller sei gerade keine Zweimonatsfrist, sondern ein nach dem Kalender bestimmbarer Zeitpunkt benannt worden. Dabei handele es sich auch nicht lediglich um einen formellen, nach besonderen Regelungen des StVG oder allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts bzw. § 46 HVwVfG heilbaren oder unbeachtlichen Fehler.

Der Antragsteller beantragt wörtlich,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 29. Oktober 2024 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin (richtigerweise des Antragsgegners) vom 23. Oktober 2024 wird angeordnet bzw. wiederhergestellt.

Der Antragsgegner beantragt wörtlich,
den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers zurückzuweisen.

Die sofortige Vollziehung (§ 2a Abs. 6 StVG) sei per Gesetz (und nicht von der Fahrerlaubnisbehörde) angeordnet worden, da der Gesetzgeber grundsätzlich dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts den Vorrang gegenüber dem Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Durchsetzung der Entziehungsverfügung vorläufig verschont zu bleiben, eingeräumt habe.

Zur weiteren Begründung führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, aus Sicht der Behörde seien sämtliche in § 2a Abs. 2 S. 1 StVG vorgesehenen Maßnahmestufen ordnungsgemäß durchlaufen, obgleich in dem Ermahnungsschreiben die Frist, binnen der Besuch einer verkehrspsychologischen Beratung gegenüber der Behörde nachgewiesen werden müsse, eventuell geringfügig falsch berechnet worden sei. Dies sei unschädlich, denn es handele sich um einen lediglich formellen, heilbaren und sonst auch unbeachtlichen Mangel. Die Benennung der Frist, binnen der der Besuch der Beratung nachgewiesen werden könne, diene vom Sinn und Zweck der Regelungen in erster Linie dem Zweck, eine Schonfrist zu definieren, innerhalb derer der Betroffene zur Ermöglichung der Beratung von weiteren behördlichen Maßnahmen verschont bleiben müsse. Durch die geringfügig fehlerhafte Berechnung der Frist sei dem Antragsteller kein Nachteil entstanden. Darüber hinaus sei genau der Fall gegeben, der in § 46 HVwVfG gemeint sei. Der eventuelle Fehler in dem Ermahnungsschreiben bei der Fristberechnung habe in der Sache keinen Einfluss gehabt. Eine offensichtlich fehlende Kausalität zwischen der geringfügig fehlerhaften Fristsetzung und der Entscheidung des Antragstellers, sich nicht beraten zu lassen, sei offensichtlich.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.

II.

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29. Oktober 2024 anzuordnen, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist er unbegründet.

1. Soweit sich der Antragsteller gegen die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 23. Oktober 2024 verfügten Entziehung seiner Fahrerlaubnis wendet, ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft, weil die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs insoweit kraft gesetzlicher Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 2a Abs. 6 StVG entfällt.

Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen sowie die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind maßgeblich auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO allein gebotene summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung, in der in der Konstellation des § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO die gesetzliche Wertung, dass einer Klage regelmäßig keine aufschiebende Wirkung zukommen soll, berücksichtigungsfähig ist.

Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an der in § 2a Abs. 6 StVG gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung überwiegt gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an einem Vollstreckungsaufschub, weil der streitgegenständliche Bescheid nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Ausführungen in der angefochtenen Verfügung, denen sie folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

Im Hinblick auf die Antragsbegründung ist Folgendes hinzuzufügen: Gemäß § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der nach Ablauf der in Nr. 2 dieser Vorschrift genannten Frist innerhalb der Probezeit eine weitere schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. In diesem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass ihr ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre.

Voraussetzung der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG ist weiter, dass sämtliche in § 2a Abs. 2 S. 1 StVG vorgesehenen Maßnahmenstufen ordnungsgemäß durchlaufen wurden. § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG ist abschließender Bestandteil des Stufensystems des § 2a Abs. 2 S. 1 StVG. Aus den jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen ergibt sich, dass die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führenden Maßnahmen aufeinander aufbauen und jeweils logisch-systematisch voraussetzen, dass die vorherige Maßnahme ergriffen worden ist. Gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme des Fahrerlaubnisinhabers auf Probe an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn er eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Gemäß § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVG hat sie ihn schriftlich zu verwarnen und ihm nahezulegen, innerhalb von zwei Monaten an einer verkehrspsychologischen Beratung nach Absatz 7 teilzunehmen, wenn er nach Teilnahme an einem Aufbauseminar innerhalb der Probezeit eine weitere schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Es folgt gemäß § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG die Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn er nach Ablauf der in Nr. 2 genannten Frist innerhalb der Probezeit eine weitere schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Diese Stufenfolge ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Insbesondere gibt die frühzeitige Warnung dem Betroffenen Gelegenheit, sein verkehrsrechtswidriges Verhalten zu überdenken. Erst wenn er in der Folgezeit gleichwohl weitere beachtliche Verkehrszuwiderhandlungen begeht, ist die zwingend zur Entziehung der Fahrerlaubnis führende Annahme, es handele sich bei ihm um einen uneinsichtigen Mehrfachtäter, ohne Weiteres berechtigt. Folglich sind die Maßnahmen des § 2a Abs. 2 S. 1 StVG nacheinander und gestuft zu ergreifen und können die Maßnahmenstufen nur jeweils dann als ordnungsgemäß durchlaufen gelten, wenn die ergriffenen Maßnahmen in Bestandskraft erwachsen sind oder den gesetzlichen Anforderungen im jeweils zu prüfenden Umfang vollumfänglich entsprochen haben (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil v. 23.6.2020 - 9 K 724/20 - juris Rn. 31 ff.; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. Stand:15.11.2023, § 2a StVG, Rn. 246, Rn. 268 f.).

Sämtliche in § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG vorgesehenen Maßnahmenstufen sind im streitgegenständlichen Verfahren nach summarischer Bewertung ordnungsgemäß durchlaufen worden. Der Antragsgegner hatte den Antragsteller mit Bescheid vom 12. Oktober 2021 zur Teilnahme an einem Aufbauseminar aufgefordert. Aufgrund der Bestandskraft dieses Bescheids (vgl. zum Rechtscharakter einer Aufforderung gem. § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG als Bescheid Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl.2021, § 2a StVG Rn. 31) ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht zu prüfen; unabhängig hiervon ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Anordnung. Der Antragsteller hat zudem eine Teilnahmebescheinigung über ein Aufbauseminar für Fahranfänger vorgelegt (Bl. 8 der BA).

Mit Schreiben vom 5. Januar 2023 (Bl. 14 der BA) hatte der Antragsgegner den Antragsteller schließlich gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG verwarnt. Dies ist nach summarischer Bewertung rechtmäßig erfolgt. Weil die Verwarnung mangels Regelung kein Verwaltungsakt ist und nicht in Bestandskraft erwächst (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 2a StVG Rn. 40; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 2a StVG Rn. 258), ist dies im Rahmen eines auf § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützten Bescheids über die Entziehung der Fahrerlaubnis inzident zu überprüfen (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil v. 23.6.2020 - 9 K 724/20 - juris Rn. 31 ff.; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 2a StVG, Rn. 269).

Die Voraussetzungen der Entziehung gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG liegen auch vor. Der Antragsteller hat nach Ablauf der in § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVG genannten Frist innerhalb der Probezeit zwei weitere Zuwiderhandlungen begangen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Wortlaut des § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG nicht Bezug auf die von der Behörde gemäß Nr. 2 gesetzte Frist, sondern auf die von Nr. 2 bestimmte gesetzliche Zweimonatsfrist (ab Zugang) des Verwarnungsschreibens nimmt (vgl. etwa Knop in Münchner Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2016, § 2a StVG Rn. 31 m.w.N). Die von § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG allein in Bezug genommene gesetzliche Frist begann mit Zustellung der Verwarnung am 7. Januar 2023 und endete mit Ablauf des 7. März 2023, mithin lediglich einen Tag nach dem vom Antragsgegner im dortigen Verwarnschreiben benannten Datum, dem 6. März 2023.

Soweit der Bevollmächtigte des Antragsstellers geltend macht, die in § 2a Abs. 2 S. 1 StVG vorgesehenen Maßnahmestufen seien nicht ordnungsgemäß durchlaufen, weil der Antragsgegner keine Zweimonatsfrist benannt habe, sondern dem Antragsteller einen kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt benannt habe, der weniger als zwei Monate in der Zukunft gelegen habe, folgt die Kammer dem nicht. Zwar muss in der schriftlichen Mitteilung der Fahrerlaubnisbehörde die Frist von zwei Monaten ausdrücklich genannt werden (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 2a StVG Rn. 39). Dabei ist aber zu beachten, dass der Inhalt der Verwarnung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, so dass es der Fahrerlaubnisbehörde freisteht, wie sie den Fahranfänger auf seine wiederholte Nichtbewährung und ihm die Teilnahme an einem Aufbauseminar in der vom Gesetzgeber vorgesehen Frist nahelegt (vgl. Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht., § 2a StVG Rn. 227, Rn. 248 ff.). Sichergestellt sein muss lediglich, dass die Warnfunktion gewahrt und der zeitliche Rahmen für die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung bezeichnet ist (Trésoret, ebda). Diesen Anforderungen wird das Schreiben des Antragsgegners vom 5. Januar 2023 gerecht, denn es enthält u.a. den fett gedruckten Hinweis darauf, dass der Antragsteller bei weiteren Verkehrszuwiderhandlungen mit der Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen muss. Darüber hinaus wird auch der gesetzlich vorgesehene Zeitraum von zwei Monaten, innerhalb derer eine Teilnahme an einem Aufbauseminar auf freiwilliger Basis erfolgen kann, benannt, was durch die ausdrückliche Bezeichnung des Datums „6. März 2023“ erfolgte. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass der in dem Verwarnschreiben benannte Tag des Fristendes einen Tag vor Ablauf der durch Zugang des Schreibens am 7. Januar 2023 in Gang gesetzten gesetzlichen Zweimonatsfrist liegt. Zur Überzeugung der Kammer ist die um einen Tag zu kurz bezeichnete Frist nach § 46 HVwVfG analog unbeachtlich (str. vgl. Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht., Rn. 250, Rn. 270; a.A. VG Gelsenkirchen, Urteil v. 23. Juni 2020 – 9 K 724/20 – juris, Rn. 68 ff.).

Nach § 46 HVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 HVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Der Anwendung von § 46 HVwVfG steht nicht entgegen, dass sich diese Norm auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts und damit auf eine Anfechtungssituation bezieht, wohingegen es sich bei der Verwarnung vom 5. Januar 2023 – wie zuvor bereits dargelegt – nicht um einen Verwaltungsakt handelt (siehe dazu auch BVerwG, Urteil v. 17. November 2016 – 3 C 20/15 – juris Rn. 28 f. zur Anwendbarkeit des § 46 VwVfG bei vorbereitenden Maßnahmen der abschließenden Behördenentscheidung/Gutachtenanordnung im Zusammenhang mit § 11 Abs. 6, Abs. 8 FeV).

Offensichtlichkeit setzt nach allgemeiner Ansicht voraus, dass die fehlende Kausalität zwischen dem formellen Fehler und der Sachentscheidung unschwer und unzweifelhaft zu erkennen ist. Das ist dann zu bejahen, wenn sie für einen objektiven, mit den Umständen des konkreten Einzelfalls vertrauten Beobachter ohne weiteres erkennbar ist. Im Ergebnis muss jeder Zweifel ausgeschlossen sein, dass bei Vermeidung des jeweiligen Fehlers eine identische Entscheidung ergangen wäre, wobei gerade wegen der zentralen Bedeutung des Verfahrensrechts unter dem Aspekt effektiven Rechtsschutzes strenge Maßstäbe erforderlich sind (Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 46 Rn. 29 m.w.N.). Ist offensichtlich, dass die unwesentlich zu kurz bemessene Frist die Entscheidung des Antragstellers an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, nicht beeinflusst hat, so ist diese Verletzung von Verfahrensvorschriften auch ohne Einfluss auf die Berechtigung, bei erneuter Verkehrszuwiderhandlung die Fahrerlaubnis gemäß § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG durch die streitgegenständliche Verfügung zu entziehen.

Zur Überzeugung der Kammer ist offensichtlich, dass die ganz unwesentlich zu kurz bezeichnete Frist keinen Einfluss auf die Überlegung und Willensentschließung zur Teilnahme an der nahegelegten Beratung hatte. Dem Antragsteller standen ab Zugang des Schreibens vom 5. Januar 2023 am 7. Januar 2023 bis zu dem als Fristende benannten 6. März 2023 nahezu acht Wochen Überlegungszeit zur Verfügung, ohne dass er sich zur freiwilligen Teilnahme entschlossen gehabt hätte. Vor diesem Hintergrund ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass auch eine korrekt auf den 7. März 2023 gesetzte Frist außerstande gewesen wäre, auf den Antragsteller dergestalt einzuwirken, dass er an einer verkehrspsychologischen Beratung teilgenommen hätte.

Dabei betrachtet die Kammer, anders als das VG Gelsenkirchen in seiner Entscheidung vom 23. Juni 2023, ausschließlich das Kausalverhältnis zwischen der unwesentlich zu kurz bemessenen Frist und deren Einfluss auf die Entscheidung des Antragstellers, an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Denn Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 2a Abs. 2 S. Nr. 2 StVG ist neben der Warnfunktion (§ 2a Abs. 2 Nr. 2 Satzanfang StVG) gerade, dem Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe zu ermöglichen, innerhalb des gesetzten Zeitrahmens von zwei Monaten auf freiwilliger Basis eine Entscheidung darüber zu treffen, ob er an einer verkehrspsychologischen Beratung teilnehmen möchte oder nicht (so auch VG Gelsenkirchen, a.a.O., juris Rn.73 a.E.).

Insoweit ist im Licht des Zwecks der Fristbestimmung zur Überzeugung der Kammer nur zu fragen, ob eine fehlerhafte Fristbestimmung offensichtlich keinen Einfluss auf die Überlegung und Willensentschließung zur Teilnahme an der nahegelegten Beratung hatte (vgl. dazu auch VG Gelsenkirchen, a.a.O., juris Rn. 73 a.E. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil v. 17. November 2016 – 3 C 20/15 – zu dem Erfordernis des Hinweises nach § 11 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 FeV im Rahmen der Gutachtenanordnung). Außerhalb der Betrachtung kann hingegen nach Auffassung des Spruchkörpers die vom VG Gelsenkirchen unter Kausalitätsaspekten zusätzlich herangezogene Überlegung bleiben, ob der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe bei einer korrekt gesetzten Frist auch sein Verkehrsverhalten unter Zuhilfenahme der nahegelegten Beratung geändert und damit den später begangenen Verkehrsverstoß abgewendet hätte (so aber VG Gelsenkirchen, a.a.O., juris Rn. 75, das mit Blick auf diesen Aspekt die Unbeachtlichkeit der falsch berechneten Frist im Sinne von § 46 VwVfG verneint hat). Denn im Rahmen des § 46 HVwVfG wird ausschließlich auf das Ergebnis einer Rekonstruktion eines Entscheidungsvorgangs abgestellt (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kom., 23. Aufl. 2022, § 46 Rn.4 a.E.), mithin die Kausalität zwischen einem formellen Fehler und einer Sachentscheidung betrachtet (Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, a.a.O., § 46 Rn. 29). Darunter lassen sich Verkehrsverstöße schwerlich fassen. Nach Auffassung der Kammer kann auch mit Blick auf den vom VG Gelsenkirchen in dessen Entscheidung hervorgehobenen Aspekt, dass dem Zweimonatszeitraum mit der gesetzlich angeordneten Schonfrist noch eine weitere Relevanz zukommt, angesichts der Tatsache, dass es im Zusammenhang mit § 46 VwVfG um die Auswirkungen von Verfahrensverstößen auf Sachentscheidungen geht, nichts anderes gelten.

Ist offensichtlich, dass die um einen Tag zu kurz bezeichnete Frist auf die Überlegung und Willensentschließung des Antragstellers zur Teilnahme an der nahegelegten Beratung keinen Einfluss hatte, so ist dieser Umstand auch ohne Einfluss auf die streitgegenständliche Behördenentscheidung, wegen nach der Schonfrist begangener weiterer Verkehrsverstöße die Fahrerlaubnis zu entziehen (vgl. BVerwG, Urteil v. 17. November 2016 – 3 C 20/15 – juris Rn. 29).

2. Der weitergehende Antrag des Antragstellers, der uneingeschränkt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Ausgangsbescheid des Antragsgegners beantragt hat, hat Erfolg. Dabei legt das Gericht den Antrag nach der Interessenlage des Antragstellers in Bezug auf die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides verfügte Pflicht zur Abgabe des Führerscheins dahingehend aus (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), dass dieser die Feststellung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog begehrt, dass der Widerspruch gegen Ziffer 2. des Ausgangsbescheides aufschiebende Wirkung entfaltet.

Der so verstandene Antrag ist zulässig. Insbesondere hat sich Ziffer 2. des angefochtenen Bescheids nicht durch eine Befolgung der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins erledigt, wobei schon nicht ersichtlich ist, dass dies inzwischen geschehen ist, sondern stellt weiter den Rechtsgrund für die Einbehaltung des Dokuments dar (vgl. BayVGH, Beschluss v. 6. Oktober 2017 - 11 CS 17.953 – juris Rn.9).

Der Antrag ist auch begründet. In den Fällen des sog. faktischen Vollzugs stellt das Gericht die aufschiebende Wirkung eines gegen den Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelfs analog § 80 Abs. 5 VwGO fest, wenn die Behörde Vollzugsmaßnahmen trifft, ohne dass die Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung vorlagen bzw. vorliegen und der Rechtsbehelf daher aufschiebende Wirkung hat (vgl. Bay VGH, Beschluss v. 27. Juni 2018 - 8 CS 18.1129 - juris Rn. 8). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Widerspruch des Antragstellers hat aufschiebende Wirkung. Die von dem Antragsgegner in dem Bescheid vom 23. Oktober 2024 aufgegebene und aus § 3 Abs. 2 S. 3 und 4 StVG folgende Verpflichtung des Antragstellers zur Ablieferung seines Führerscheins ist nicht von dem gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 2a Abs. 6 StVG erfasst. Die Entbehrlichkeit einer gesonderten Anordnung der sofortigen Vollziehung ergibt sich auch nicht aus § 47 Abs. 1 S. 2 FeV wonach die Verpflichtung zur unverzüglichen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FeV) Ablieferung des Führerscheines auch dann besteht, wenn die Entscheidung angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat. Die Vorschrift des § 47 Abs. 1 S. 2 FeV gilt nach ihrem klaren Wortlaut nur in Fällen, in denen die Fahrerlaubnisbehörde die Entziehung der Fahrerlaubnis für sofort vollziehbar erklärt hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und damit nicht in Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs bereits von Gesetzes wegen, wie vorliegend gemäß § 2a Abs. 6 StVG, entfällt (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO). Insoweit kommt auch eine analoge Anwendung von § 47 Abs. 1 S. 2 FeV nicht in Betracht, da es sich um eine der Analogie regelmäßig nicht fähige Ausnahmevorschrift zu § 80 Abs. 1 VwGO handelt. Zudem handelt es sich bei den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung nicht – wie von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO für die Entbehrlichkeit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung jedoch vorausgesetzt – um solche eines förmlichen Gesetzes (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 30. März.2007 - OVG 1 S 31.07 -; BayVGH, Beschlüsse v. 22. September 2015 - 11 CS 15.1447 – juris Rn.23 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung und v. 6. Oktober .2017 - 11 CS 17.953 -.juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss v. 13.Juni 2018 – 16 B 1402/17 – juris Rn. 17 m.w.N.).

Der Antragsgegner hat auch bereits Vollzugsmaßnahmen getroffen, denn er hat für den Fall der Zuwiderhandlung in Bezug auf die Abgabe des Führerscheins die Ersatzvornahme angedroht.

3. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsmittelandrohung anzuordnen, hat ebenfalls Erfolg.

Er ist zunächst zulässig. Insbesondere hat sich die Zwangsmittelandrohung nicht erledigt. Denn aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ergibt sich nicht, dass der Antragsteller seinen Führerschein bisher abgegeben hat.

Der Antrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen für die Androhung der Ersatzvornahme sind vorliegend nicht erfüllt. Denn die Pflicht zur Abgabe des Führerscheins gem. § 47 Abs. 1 FeV ist weder bestandskräftig noch – wie ausgeführt – vollziehbar.

4. In Bezug auf die angegriffene Kostenfestsetzung auf Seite 4 des Bescheides vom 23. Oktober 2024 ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig, weil nicht feststellbar ist, dass der Antragsteller vor Antragstellung bei Gericht bei der Behörde erfolglos um die Aussetzung der Vollziehung nachgesucht hat (vgl. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Kosten konnten dem Antragsteller in Gänze auferlegt werden, weil der Antragsgegner nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Der Antragsteller konnte mit seinem wesentlichen Begehren, mithin der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis, nicht durchdringen. Im Übrigen käme wohl auch eine Kostenentscheidung nach § 154 Abs.1 VwGO in Betracht, da sich weder die Anordnung zur Abgabe des Führerscheins noch die Androhung der Einziehung des Führerscheins im Wege der Ersatzvornahme auf die Höhe des Streitwertes auswirken, so dass der Antragsteller ausgehend von dem Streitwert vollständig unterliegt und ihm damit die Kosten des Verfahrens allein aufzuerlegen sind (vgl. VG Saarland, Beschluss v. 16. April 2020 – 5 L 255/20 – juris Rn. 46).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG - und folgt den Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 (NVwZ 2013, Beilage 2, S. 57 ff.). Für die dem Antragsteller erteilte Fahrerlaubnis der Klassen B, L und AM ist in Orientierung an Nr. 46.3 für die hier von dem Antragsteller innegehabte Fahrerlaubnisklasse B der Auffangwert von 5.000 Euro festzusetzen. Die übrigen von dem Antragsteller innegehabten Fahrzeugklassen sind von der genannten Klasse mitumfasst (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV). Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des Eilverfahrens wird dieser Betrag unter Berücksichtigung von Nr. 1.5 des Streitwertkataloges auf die Hälfte reduziert.


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