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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Schwierigkeit der Sachlage, Aktenkenntnis

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bremen, Beschl. v.23.12.2024 - 6 Qs 418/24

Eigener Leitsatz:

Als schwierig ist die Sachlage eines Verfahrens u.a. dann zu bewerten, wenn die Hauptverhandlung ohne Aktenkenntnis nicht umfassend vorbereitet werden kann.


Landgericht Bremen

Beschluss
6 Qs 418/24 (803 Js 69182/24)

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:

Rechtsanwalt

wegen Computerbetruges

hat das Landgericht - Strafkammer - Bremen durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und den Richter am 23.12.2024 beschlossen:
1. Der Beschwerdeführerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Bremen vom 14.10.2024 Herr Rechtsanwalt pp., als Pflichtverteidiger beigeordnet.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.
Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Bremen führt gegen die Beschwerdeführerin ein Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Anstiftung zum Computerbetrug. Die Beschwerdeführerin wird unter anderem verdächtigt, den gesondert Verfolgten pp. angestiftet zu haben, für die Beschwerdeführerin unter Verwendung widerrechtlich erlangter Kreditkartendaten bei der Deutschen Bahn AG ein Bahnticket für den 15.08.2020 im Wert von 42,00 Euro zu buchen.

Wegen des Erwerbs dieses Bahntickets sowie weiterer 392 Onlinetickets führt die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main ein Ermittlungsverfahren gegen den gesondert Verfolgten pp.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.10.2024 die Beiordnung ihres Verteidigers als Pflichtverteidiger wegen fehlender Verteidigungsfähigkeit gemäß § 140 Abs. 2 StPO. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, sie sei Ausländerin und spreche die deutsche Sprache nicht. Zudem sei zur Prüfung der Strafbarkeit ihres Handelns die Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main erforderlich.

Das Amtsgericht Bremen lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 14.10.2024 (Az. 92b Gs 1230/24 (803 Js 69182/24) ab. Zur Begründung wird vollumfänglich auf den Ablehnungsbeschluss Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Das Amtsgericht Bremen lehnte den Beiordnungsantrag vom 14.10.2024 zu Unrecht ab. Hier ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Sachlage gemäß § 140 Abs. 2 Var. 3 StPO die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich.
Als schwierig ist die Sachlage eines Verfahrens nämlich unter anderem dann zu bewerten, wenn die Hauptverhandlung ohne Aktenkenntnis nicht umfassend vorbereitet werden kann. Hier ist die Akteneinsicht, insbesondere in die Akte des bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main geführten Ermittlungsverfahrens gegen den gesondert Verfolgten pp., bei verständiger Betrachtung für eine sachdienliche Vorbereitung und Durchführung der Verteidigung unerlässlich. Anhand der gegenständlichen Ermittlungsakte lässt sich der Tatvorwurf der Haupttat gegen den gesondert Verfolgten pp. — und somit auch der Tatvorwurf der Anstiftung zu ebenjener Haupttat gegen die Beschwerdeführerin — nicht hinreichend prüfen. Hierzu bedarf es der Akteneinsicht in die Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main. Da die Beschwerdeführerin nicht Beteiligte des weiteren Ermittlungsverfahrens ist, erhält sie als Privatperson keine Einsicht in die Ermittlungsakten. Hierzu bedarf es gemäß § 475 Abs. 1 StPO der Beiziehung eines Rechtsanwalts.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Ermittlungsakte gegebenenfalls im Rahmen des weiteren Ermittlungsverfahrens durch die Strafverfolgungsbehörden oder ein Gericht beigezogen werden könnte. Zum einen ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar, ob eine Beiziehung tatsächlich von Amts wegen erfolgt. Zum anderen ist auch der Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung von nicht unerheblicher Bedeutung. Denn ein Pflichtverteidiger ist möglichst frühzeitig zu bestellen, da der Verteidiger das Verfahren im Sine seines Mandanten umso mehr beeinflussen kann, je früher er bestellt wird (vgl. Mehle, Zeitpunkt und Umfang der Pflichtverteidigerbestellung, NJW 2007, 969).

Nach alledem bedurfte es vorliegend der Bestellung eines Pflichtverteidigers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 464, 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA C. Antpöhler, Bremen

Anmerkung:


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