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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Auslagenentscheidung, Einstellung des Verfahrens, Verfahrenshindernis, Billigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Ravensburg, Beschl. v. 11.11.2024 - 1 Qs 54/24

Eigener Leitsatz:

Die Möglichkeit, nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO von einer Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen, besteht nur dann, wenn zusätzlich zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem eine Verurteilung hindernden Umstand weitere besondere Umstände hinzutreten, die es als billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen. Das ist nicht der Fall, wenn der Grund für den Eintritt des Verfahrenshindernisses der Verjährung darin liegt, dass die Akte bei Gericht außer Kontrolle geraten war.


1 Qs 54/24

Landgericht Ravensburg

Beschluss

In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Abstandsunterschreitung

hier: sofortige Beschwerde des Betroffenen

hat das Landgericht Ravensburg - 1. Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 11. November 2024 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird die Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts Leutkirch im Allgäu vom 23. April 2024 dahingehend abgeändert, dass die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last fallen.
2. Die dem Betroffenen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

1. Gegen den Betroffenen wurde mit - am 20. Dezember 2022 zugestelltem - Bußgeldbescheid vom 12. Dezember 2022 wegen des Vorwurfs eines am 5. Oktober 2022 begangenen Abstands-verstoßes eine Geldbuße von 75 Euro verhängt.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2022 legte der Verteidiger hiergegen ohne inhaltliche Begrün-dung Einspruch ein.

2. Nachdem die Akte nach Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Leutkirch in Verstoß geraten und das Verfahren nicht betrieben worden war, stellte das Amtsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 23. April 2024 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach §§ 46 OWiG i.V.m. 206a StPO wegen Verfolgungsverjährung ein. Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt, seine Auslagen wurden dem Betroffenen belassen. Zur Begründung der Auslagenentscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Staatskasse zwar bei einer Einstellung im Regelfall auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen habe, hiervon aber nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO abgesehen werden könne, wenn eine Verurteilung nur deshalb nicht erfolge, weil ein Verfahrenshindernis bestehe. Vorliegend sei bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses davon auszugehen, dass der Betroffene wegen des Abstandsverstoßes verurteilt worden wäre, da die Fahrereigenschaft des Betroffenen bereits eingeräumt worden und kein Messfehler des standardisierten Verfahrens dargetan oder ersichtlich sei. Der Betroffene habe daher seine notwendigen Auslagen zu tragen.

3. Gegen den formlos übersandten Beschluss hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 10. Mai 2024 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, es fehle bereits an der erforderlichen Verurteilungswahrscheinlichkeit. Selbst das Bejahen einer solchen, eröffne lediglich eine Ermessensentscheidung. Dass das Gericht vorliegend überhaupt Ermessen ausgeübt habe. sei nicht ersichtlich. Jedenfalls fehle es aber an den weiteren besonderen Umständen, die es als billig erscheinen ließen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen. Es sei schon nicht ersichtlich, dass das Gericht überhaupt Ermessen ausgeübt habe. Ein vorwerfbares Verhalten des Betroffenen sei nicht ersichtlich, vielmehr falle die Verjährung al-lein in die Sphäre der Justiz.

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2024 hat der Bußgeldrichter der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer über die Staatsanwaltschaft Ravensburg zu Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht eingelegt, da die Beschwerdefrist durch die lediglich formlose Bekanntgabe des Beschlusses nicht in Gang gesetzt wurde.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Leutkirch vom 23. April 2024 war auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen im Ausspruch über dessen notwendige Auslagen abzuändern. Diese waren der Staatskasse aufzuerlegen.

1. Gemäß § 467 Abs. 1 StPO i. V. nn. § 46 Abs. 1 OWiG fallen die notwendigen Auslagen eines Betroffenen grundsätzlich der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Nach §§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG kann das Gericht jedoch davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

a) Soweit in dem Beschluss des Amtsgerichts Leutkirch für eine Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO darauf abgestellt wird, dass nach Aktenlage - bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses - von einer Verurteilung des Betroffenen wegen des ihm zur Last gelegten Abstandsverstoßes auszugehen sei, kann letztlich dahinstehen, ob der Tatverdacht gegen den Betroffenen tatsächlich das für eine Anwendbarkeit des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO erforderliche Maß erreicht hat.

b) Die Möglichkeit, nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO von einer Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen, besteht nämlich nur dann, wenn zusätzlich zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem eine Verurteilung hindernden Umstand weitere besondere Umstände hinzutreten, die es als billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 2017, BvR 1821/16). Die erforderlichen besonderen Umstände dürfen dabei aber gerade nicht in der voraussichtlichen Verurteilung und der zu Grunde liegenden Tat gefunden werden, denn darin besteht bereits die Tatbestandsvoraussetzung für die Ermessensentscheidung des Gerichts (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 20. Juli 2010, 1 Ws 218/10). Grundlage für ein Absehen von der Erstattung notwendiger Auslagen muss vielmehr ein hinzutretendes vorwerfbares prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen sein. Bei einem in der Sphäre der Verwaltungsbehörde oder des Gerichtes eingetretenen Verfahrenshindernis hingegen wird es regelmäßig der Billigkeit entsprechen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzubürden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 2017. BvR 1821/16; Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Auflage 2023, § 467, Rn. 10b).

c) Nach dieser Maßgabe fehlt es vorliegend an den erforderlichen besonderen Umständen. Ein prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen ist nicht zu erkennen; vielmehr lag der Grund für den Eintritt des Verfahrenshindernisses der Verjährung darin, dass die Akte bei Gericht in Verstoß geraten war, und somit allein in der Sphäre der Justiz.

Vor diesem Hintergrund erscheint es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung nach §§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG unbillig. den Betroffenen entgegen dem gesetzlichen Grundsatz aus §§ 467 Abs. 1 StPO. 46 OWiG mit seinen notwendigen Auslagen zu belasten.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 OWiG analog.


Einsender: RA A. Gratz, Bous

Anmerkung:


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