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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Berufungsverfahren, Bemessung Rahmengebühr, Mittelgebühr, Strafmaßbeschränkung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Cottbus, Beschl. v. 11.12.2024 - 22 Qs 188/24

Eigener Leitsatz:

1. Für die Bemessung der festzusetzenden Gebührenhöhe ist die gegen einen Beschuldigten verhängte bzw. die ihm für die ihm vorgeworfene Tat drohende Strafe nicht der alleinige Anknüpfungspunkt. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr auch der Umfang der rechtsanwaltlichen Tätigkeit und die Bedeutung der Sache für ihn.
2. Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf das Strafmaß rechtfertigt die Ermäßigung der Mittelgebühr nicht.


Landgericht Cottbus

Beschluss

In dem Kostenfestsetzungsverfahren
hervorgegangen aus dem Strafverfahren
gegen pp
wegen
hier: Beschwerdeführer pp.

Verteidiger:

weiterer Beteiligter: Bezirksrevisor bei dem Landgericht Cottbus als Vertreter der Staatskasse,

Körperverletzung u.a.

sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung

hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Cottbus - Strafbeschwerdekammer – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin am Landgericht am 11. Dezember 2024 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde vom 12. Juli 2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 28. Juni 2024 aufgehoben und die dem Beschwerdeführer zu erstattenden Gebühren und Auslagen anderweitig auf 704,48 € festgesetzt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers für das Beschwerdeverfahren fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 9. März 2023 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen Körperverletzung und Bedrohung eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50,00 € verhängt. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 14. März 2023 Berufung eingelegt.

Nachdem das Landgericht Cottbus als Berufungsgericht die Berufungshauptverhandlung auf den 20. Februar 2024 terminiert hatte, bestellte sich Rechtsanwalt pp. zum Verteidiger des Beschwerdeführers und beantragte Einsicht in die Verfahrensakte, die ihm am 9. Februar 2024 gewährt wurde. Einen Tag vor der für den 19. Februar 2024 terminierten Berufungshauptverhandlung nahm die Staatsanwaltschaft Cottbus die Berufung zurück, woraufhin das Landgericht Cottbus den Termin zur Berufungshauptverhandlung noch am selben Tag aufhob und der Staatskasse mit Beschluss vom 20. Februar 2024 die Kosten des Berufungsverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers auferlegte.

Mit Schreiben vom 22. Februar 2024 beantragte der Verteidiger des Beschwerdeführers die Festsetzung der Gebühren und Auslagen des Wahlverteidigers in Höhe von insgesamt 704,48 EUR.

Der weitere Beteiligte vertrat in seiner Stellungnahme zum Kostenfestsetzungsantrag die Auffassung, dass die geltend gemachten Gebühren unbillig hoch seien, da das Berufungsverfahren als unterdurchschnittlich anzusehen sei. Dafür spreche vor allem, dass die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch begrenzt gewesen sei, womit festgestanden habe, dass keine erneute Tatsachenverhandlung durchgeführt werde und die Berufungshauptverhandlung auf die Feststellung der Bemessung des Strafmaßes beschränkt sei. Daher seien sowohl der Umfang der Einarbeitung in das Berufungsverfahren als auch die Vorbereitung auf die Berufungshauptverhandlung ebenfalls auf das Strafmaß begrenzt gewesen. Angesichts der rechtzeitigen Aufhebung des Hauptverhandlungstermins, der unterdurchschnittlichen Schwierigkeit und des geringen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit sei die Grundgebühr lediglich in Höhe von 100,00 € und die Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 in Höhe von 88,00 € als angemessen anzusehen.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. Juni 2024 setzte das Amtsgericht Königs Wusterhausen die zu erstattenden Auslagen des Beschwerdeführers auf insgesamt 247,52 € fest.

Im Einzelnen wurde die Erstattung folgender Kosten beantragt und festgesetzt.
KFA KFB
Datum 22.Februar 2024 28. Juni 2024
Bl. 99 106
Nr. RVG VV € €
Grundgebühr 4100 220,00 100,00
Verfahrensgebühr
für das
Berufungsverfahren 4124 352,00 88,00
Post- und
Telekommunikations-
pauschale 7002 20,00 20,00
Nettobetrag 592,00 208,00
USt 19% 7008 112,48 39,52
Gesamt 704,48 247,52

Gegen den ihm am 9. Juli 2024 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. Juli 2024, eingegangen bei dem Amtsgericht Königs Wusterhausen am 12. Juli 2024, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Gebühren in der beantragten Höhe gerechtfertigt seien, da die Sache von erheblicher Bedeutung für ihn gewesen sei, denn er sei umfassend vorbestraft gewesen, u.a. wegen versuchten Mordes, und die Staatsanwaltschaft habe in der ersten Instanz beantragt, gegen ihn eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe zu verhängen. Bei der Beauftragung seines Verteidigers innerhalb des Berufungsverfahrens sei noch nicht ersichtlich gewesen, dass die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist. Dies sei dem Verteidiger erst bei der Einsicht in die Ermittlungsakte bekannt geworden. Außerdem seien drei Zeugen zur Berufungshauptverhandlung geladen gewesen, so dass deren Aussagen auszuwerten und mit dem Beschwerdeführer zu besprechen gewesen seien.

II.

Die gemäß § 464 b StPO, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden (§ 311 Abs. 2 i.V.m § 464 b S. 4 StPO).Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Für die Vergütung ist hier das RVG in seiner vom 13. Oktober 2023 bis zum 20. April 2024 gültigen Fassung maßgeblich. Gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 RVG ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Abgelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingetreten ist. Von der unbedingten Auftragserteilung ist vorliegend aufgrund der Verteidigungsanzeige und des Akteneinsichtsgesuchs vom 31. Januar 2024 im Zeitraum zwischen dem 13. Oktober 2023 und dem 20. April 2024 auszugehen.

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt in Verfahren, für welche das Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV RVG) eine Rahmengebühr vorsieht, die Höhe der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Dabei sind insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der Sache, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers von Bedeutung. Ist die Gebühr von einem Dritten - hier der Staatskasse - zu ersetzen, ist die Bestimmung jedoch gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dies ist hier weder im Hinblick auf die von dem Beschwerdeführer geltend gemachte Grundgebühr noch die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren, deren Erhöhung der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren begehrt hat, der Fall.

Für die Bemessung der festzusetzenden Gebührenhöhe ist die gegen einen Beschuldigten verhängte bzw. die ihm für die ihm vorgeworfene Tat drohende Strafe nicht der alleinige Anknüpfungspunkt. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr auch der Umfang der rechtsanwaltlichen Tätigkeit und die Bedeutung der Sache für ihn.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte für die Bemessung der Gebührenhöhe erachtet die Kammer die Geltendmachung der Grund- und Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren durch den Beschwerdeführer jeweils in Höhe der Mittelgebühr nicht als unbillig. Denn es sind keine Umstände erkennbar, die eine Erhöhung oder Ermäßigung der Gebühren rechtfertigen, vielmehr entspricht die Verteidigung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verfahren dem Durchschnitt. So ist zwar die gegen den Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren wegen der Begehung einer Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung verhängte Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50,00 Euro angesichts des Strafrahmens von § 223 StGB, der nicht nur die Verhängung einer Geldstrafe, sondern auch einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren für die Verwirklichung des Tatbestandes der Körperverletzung vorsieht, als niedrig anzusehen. Allerdings ist durch die Staatsanwaltschaft im amtsgerichtlichen Verfahren die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten beantragt worden, was in einer Berufungshauptverhandlung aufgrund der Berufung der Staatsanwaltschaft ebenfalls zu erwarten war und den Umstand der geringfügigen Strafe der Vorinstanz in gleicher Weise nivelliert, wie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits durch das Urteil des Landgerichtes Potsdam vom 15. Oktober 1999, 22 KLs 74/99, unter anderem wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung vorbestraft ist.

Im Gegensatz zur Auffassung des weiteren Beteiligten war die durch die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 9. März 2023 eingelegte Berufung auch zu keinem Zeitpunkt auf das Strafmaß der amtsgerichtlichen Entscheidung beschränkt, wobei die Beschränkung eines Rechtsmittels auf das Strafmaß die Ermäßigung der Mittelgebühr ohnehin nicht rechtfertigen würde (vgl. Gerold/Schmidt-Mayer, 26. Aufl., § 14 RVG, Rn. 41 m.w.N.). Zudem waren auch weder der Umfang der Sache selbst noch der Umfang ihrer Bearbeitung unterdurchschnittlich. Denn der Verteidiger des Beschwerdeführers ist erstmals im Rahmen des Berufungsverfahrens nach Eingang der Berufungsbegründung vom 24. April 2024 bei der Berufungskammer des Landgerichts Cottbus mit dessen Verteidigung beauftragt worden, so dass er sich erst nach der am 8. Februar 2024 gewährten Akteneinsicht in die zu diesem Zeitpunkt bereits 83 Blatt umfassende Verfahrensakte in die Sache einarbeiten konnte. Da die Rücknahme der Berufung durch die Staatsanwaltschaft am 19. Februar 2024 und damit erst nach der Berufungsbegründung und einen Tag vor dem Termin zur Berufungshauptverhandlung erfolgte, war die umfassende Einarbeitung in die Sache durch den Verteidiger des Beschwerdeführers zur Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung auch erforderlich. Dass diese letztlich aufgrund der kurzfristigen Berufungsrücknahme und der Aufhebung des Berufungsverhandlungstermins einen Tag vor dem anberaumten Termin nicht durchgeführt worden ist, führt nicht (mehr) zu einer Ermäßigung der Verfahrensgebühr, sondern lässt allein die Terminsgebühr für die Hauptverhandlung in Berufungssachen nach Nr. 4126 VV RVG entfallen.

Nach alledem erachtet die Kammer unter Schätzung des rechtsanwaltlichen Zeitaufwandes die Festsetzung sowohl der Grund- als auch der Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren antragsgemäß jeweils in Höhe der Mittelgebühr als angemessen.

Mithin sind folgende Gebühren und Auslagen zu erstatten:
Nr. VV RVG €
Grundgebühr 4100 220,00
Verfahrensgebühr für das
Berufungsverfahren 4124 352,00
Post- und Telekommunikations-
pauschale 7002 20,00
Nettobetrag 592,00
USt 19% 7008 112,48
Gesamt 704,48

In Ermangelung eines anderen Kostenschuldners obliegt der Staatskasse die Pflicht, die Kosten des Beschwerdeverfahrens und notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers für das Beschwerdeverfahren zu tragen.


Einsender: RA V. England, Königs Wusterhausen

Anmerkung:


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