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Entscheidungen

KCanG u.a.

KCanG, Neufestsetzung einer Strafe infolge des CanG, Nicht erledigte Maßregel

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 19.11.2024 – 3 Ws 368/24

Leitsatz des Gerichts:

1. Trifft ein Gericht bei der Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p i. V. m. Art. 313 Abs. 4 EGStGB keine ausdrückliche Entscheidung zu der mit der Gesamtstrafe angeordneten - noch nicht erledigten - Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, so ist damit die Maßregel nicht zwangsläufig in Wegfall gebracht. Ob sich der (Einzel-)Straferlass unter Neufestsetzung einer Gesamtstrafe auf die Maßregel erstreckt, ist vielmehr durch Auslegung zu ermitteln.
2. Zwar ordnet das Gesetz in Art. 313 Abs. 1 S. 2 EGStGB an, dass sich der Straferlass auch auf Maßregeln erstreckt. Aber erst dann, wenn durch den Straferlass die für die Maßregelanordnung maßgeblichen Anlasstaten betroffen sind, ist überhaupt eine Entscheidung über dieselbe veranlasst gewesen.


In pp.

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Der bereits zuvor mehrfach strafrechtlich verurteilte Beschwerdeführer wurde zunächst mit Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 11.2.2020, 3 Ds 680/19, rechtskräftig seit dem 19.2.2020, wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in 2 Fällen sowie unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Verurteilung lag u.a. die Feststellung zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 10.7.2019 im Besitz eines Tütchens mit 3,57g Marihuana war. Im Urteil war dafür als Einzelstrafe eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen je 10,00 EUR ausgewiesen.

Anschließend erging das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 28.9.2021, 10 Kls 21/20, welches seit dem 6.10.2021 rechtskräftig ist. Damit wurden gegen den Beschwerdeführer eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung in 2 Fällen und Körperverletzung in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des AG Gütersloh vom 11.2.2020 (3 Ds 865 Js 308/19 - 680/19) sowie eine weitere Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen gefährlicher Körperverletzung verhängt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

Die Maßregel wird seit dem 12.11.2021 in der sozialtherapeutischen Anstalt des N.-Zentrums für Forensische Psychiatrie in X. vollzogen, wobei der Ablauf der Maßregelhöchstfrist zunächst auf den 17.1.2026 notiert wurde. Zuletzt mit Beschluss vom 3.6.2024 ordnete die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg die Fortdauer der Unterbringung an. Der Untergebrachte, dessen Behandlungsprognose als günstig eingeschätzt wurde, hatte auf eine Anhörung verzichtet.

Mit Beschluss vom 17.7.2024, 10 KLs 21/20, entschied das Landgericht Bielefeld gem. Art. 316p, 313 Abs. 4 EGStGB, dass die Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren aus dem Urteil vom 28.9.2021 aufgelöst und die aus dem Urteil des Amtsgerichts Gütersloh einbezogene Einzelstrafe wegen des Besitzes von Marihuana am 10.7.2019 erlassen wird, wobei die verbleibenden Einzelstrafen aus dem Urteil vom 28.9.2021 und dem Urteil des AG Gütersloh vom 11.2.2020 auf eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und 11 Monaten zurückgeführt werden. Außerdem wurde in den Beschluss die Klarstellung aufgenommen, dass die daneben verhängte weitere Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen der gefährlichen Körperverletzung vom 28.5.2020 bestehen bleibt. Dieser Beschluss ist seit dem 6.8.2024 rechtskräftig.

Auf Bitte der Staatsanwaltschaft vom 16.8.2024, den Beschluss um die Klarstellung zu ergänzen, dass die Maßregelanordnung unberührt bleibe, erließ die Strafkammer den hier angefochtenen Beschluss vom 3.9.2024, 10 KLs 21/20, in dem formuliert wurde:

"Ziffer 4. des Tenors des Beschlusses der Kammer vom 17. Juli 2024 wird klarstellend wie folgt neu gefasst: 4. Es wird klargestellt, dass die wegen der gefährlichen Körperverletzung vom 28.5.2020 (Fall 6) verhängte weitere Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt daneben bestehen bleiben."

Gegen diesen Beschluss, der seinem Verteidiger am 10.9.2024 zugestellt worden ist, hat der Beschwerdeführer am 11.9.2024 Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorbringt, die Höchstfrist der Unterbringung im Maßregelvollzug sei bereits verbüßt, der Beschluss vom 17.7.2024 sei rechtskräftig und könne nicht nachträglich geändert werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 11.10.2024 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Sie meint, eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Maßregel sei veranlasst gewesen, aber offenkundig versehentlich nicht tenoriert worden. Dabei könne ausgeschlossen werden, dass wegen der relativ geringen Reduktion der Gesamtfreiheitsstrafe um einen Monat von der Anordnung der Maßregel abgesehen worden wäre, so dass ein offensichtlicher Fehler vorliege, der korrigiert werden könne.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Denn nur eine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte oder schutzwürdigen Interessen des Betroffenen durch die Entscheidung begründet eine Beschwer. Die Beschwer ist Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels (BGH, Beschluss v. 9.5.2012 - 4 StR 649/11, BeckRS 2012, 11490 Rn. 5; OLG München, Beschluss v. 8.8.2024 - 2 Ws 522/24, BeckRS 2024, 23324 Rn. 11; MüKoStPO/Allgayer, 2. Aufl. 2024, StPO § 296 Rn. 41).

Daran fehlt es hier, weil durch den Beschluss der Strafkammer vom 3.9.2024 eigene Rechte oder schutzwürdige Interessen des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt werden. Die Entscheidung hat nämlich ausschließlich klarstellende Bedeutung und ändert an der Rechtslage im Hinblick auf den Beschwerdeführer nichts.

1. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist mit dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 28.9.2021 angeordnet worden und hat auch nach der Neubildung der Gesamtstrafe gem. Art. 313 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 316p EGStGB mit Beschluss vom 17.7.2024 Bestand. Der Beschluss hat nicht etwa die Maßregel in Wegfall gebracht. Ausdrücklich hat die Strafvollstreckungskammer ein solches Entfallen nicht beschlossen. Ihr war bei der Entscheidung bewusst, dass im Ausgangsurteil die Maßregel nach § 64 StGB verhängt worden war. Das zeigt sich an deren Erwähnung unter Ziff. I. der Beschlussgründe. Wie sich aus Ziff. I. 2 der Beschlussgründe ergibt, wollte die Strafvollstreckungskammer über einen Antrag der Staatsanwaltschaft betreffend die Neufestsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe entscheiden. Zur Maßregel verhält sich das Gericht hier nicht. Aus dem Schweigen des Beschlusses zur Maßregel kann daher nicht geschlossen werden, dass hierdurch die Maßregel in Wegfall gebracht wird.

Es handelt sich auch nicht um eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gem. § 460 StPO, in deren Rahmen gem. § 55 Abs. 2 StGB die erkannte Maßnahme aufrecht zu erhalten wäre. Art. 313 Abs. 5 EGStGB verweist nämlich nicht auf § 460 StPO, sondern auf § 458 StPO. Wie in anderen Fällen einer gerichtlichen Entscheidung gem. § 458 Abs. 1 StPO verliert das ursprüngliche Urteil nicht seine Bedeutung als Grundlage der Vollstreckung, denn das Verfahren richtet sich nicht gegen den Bestand des Urteils, dieses wird vielmehr durch den Neufestsetzungsbeschluss lediglich ggf. in Einzelpunkten korrigiert (OLG München, Beschluss v. 8.8.2024 - 2 Ws 522/24, BeckRS 2024, 23324 Rn. 14).

Die Regelung des § 55 Abs. 2 StGB trägt dem Umstand Rechnung, dass mit der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung diese die alleinige Vollstreckungsgrundlage bildet (BGH, Urteil v. 11.12.2003 - 4 StR 398/03, BeckRS 2004, 462 Rn. 4). Ein solcher Fall liegt jedoch, weil Art. 313 Abs. 5 EGStGB ausschließlich auf § 458 StPO verweist, nicht vor. Nach dem Normzweck von Art. 316p, 313 Abs. 4 EGStGB ist auch ein Bedürfnis für eine Anwendung von § 55 Abs. 2 StGB nicht anzunehmen, weil die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB eine Gefahrenprognose im Hinblick auf erhebliche rechtswidrige Taten als Folge des festgestellten Hangs voraussetzt, die auch nach bisheriger Rechtslage beim bloßen Besitz geringer Mengen von Cannabis zum Eigenkonsum ausschied (vgl. OLG München, Beschluss v. 8.8.2024 - 2 Ws 522/24, BeckRS 2024, 23324 Rn. 13). Deshalb kann das Erfordernis eines Straferlasses gem. Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB in der Praxis typischerweise nicht zum Entfall der Voraussetzungen einer in Zusammenhang mit einer Gesamtstrafe verhängten Maßregel führen. Zwar ordnet das Gesetz in Art. 313 Abs. 1 S. 2 EGStGB an, dass sich der Straferlass auch auf Maßregeln erstreckt. Erst, wenn durch den Straferlass die für die für die Maßregelanordnung maßgeblichen Anlasstaten betroffen gewesen wären, wäre überhaupt eine Entscheidung über dieselbe veranlasst gewesen. Das ist aber nicht der Fall. Der Maßregelanordnung lagen ausweislich des Urteils des Landgerichts Bielefeld vom 28.9.2021 die unter Drogeneinfluss begangenen Körperverletzungsdelikte zugrunde.

Ist aber der Bestand der Maßregelanordnung durch den unangefochtenen Beschluss vom 17.7.2024 gar nicht betroffen gewesen, so kann die bloße Klarstellung in dem angefochtenen Beschluss keine eigenständige Beschwer entfalten.

2. Auch in materieller Hinsicht liegt auf der Hand, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Maßregel hier weiterhin vorliegen. Deren Anordnung beruhte offenkundig nicht auf dem festgestellten Besitz von Marihuana am 10.7.2019, sondern maßgeblich auf den erheblichen Körperverletzungsdelikten, die Gegenstand der Verurteilung vom 28.9.2021 waren. Daran hat sich durch den Erlass der mit 30 Tagessätzen angenommenen Einzelstrafe wegen Besitzes von Marihuana nichts geändert.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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