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Entscheidungen

OWi

Verwerfungsurteil, Urteilsgründe, Anforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Jena, Beschl. v. 06.11.2024 – 1 ORbs 132 SsBs 134/24

Eigener Leitsatz:

Das AG muss im Urteil, mit dem der Einspruch eines Betroffenen wegen unentschuldigten Ausbleibens verworfen wird, die vom Betroffenen bzw. dessen Verteidiger vorgebrachten Gründe, die diese vom Erscheinen in der Hauptverhandlung abgehalten haben, mitteilen, da anderenfalls das Rechtsbeschwerdegericht nicht prüfen kann, ob der Tatrichter bei der Würdigung des Entschuldigungsvorbringens von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen und damit die Verwerfungsentscheidung zu Recht ergangen ist.


Beschluss

In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.

Verteidiger;
Rechtsanwalt

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Richter am Oberlandesgerier als Einzelrichter am 06.11.2024 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichtes Gera vom 22.08.2024 (14 OWi 230 Js 18129/23) aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung — auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens — an das Amtsgericht Gera zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht Gera den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Thüringer Polizei vom 25.04.2023 (TH9901-089861-22/7), mit dem gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 480 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt worden war, verworfen, nachdem der Betroffene im Hauptverhandlungstermin vom 22.08.2024 nicht erschienen und auch nicht von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden war.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit welcher dieser rügt, dass der Verhandlungstermin trotz entsprechenden Antrages nicht verlegt worden sei.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft trägt in ihrer Stellungnahme vom 30.10.2024 auf Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das Amtsgericht an.

II.

Das Rechtsmittel des Betroffenen hat auf die Verfahrensrüge zumindest vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteiles und Zurückverweisung an das Amtsgericht.

1. Bei der Verwerfung eines Einspruches nach § 74 Abs. 2 OWiG kann nicht der Schuld-spruch als solches gerügt werden, sondern lediglich eine etwaige unberechtigte Einspruchsverwerfung aufgrund fehlerhafter Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG, etwa wegen fehlerhafter Ladung, wegen Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht hinsichtlich einer etwaigen Entschuldigung oder wegen Verkennung der Rechtsbegriffe des Ausbleibens zur Verhandlung oder der genügenden Entschuldigung (KK-OWiG/Senge, 5. Auflage, § 74, Rn. 55).

Dies erfordert eine Verfahrensrüge nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO (KK-OWiG/Senge, 5. Auflage, § 74, Rn. 56). Die den Verfahrensmangel enthaltenen Tatsachen sind dabei so vollständig darzulegen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aus der Begründungsschrift und ohne Rückgriff auf die Akten ersehen kann, ob eine Verletzung des § 74 Abs. 2 OWIG schlüssig dargetan ist. erforderlich ist also die Darstellung, weshalb das Amtsgericht das Ausbleiben nicht als unentschuldigt habe ansehen dürfen, wobei eine vollständige und genaue Darlegung zu erfolgen hat, welche Entschuldigungsgründe im Einzelnen vorgebracht und wie diese vom Amtsgericht beschieden worden sind (Senatsbeschluss vom 29.04.2021, 1 OLG 331 Ss-Bs 3/21; Göhler, OWiG, 18. Auflage, § 74 Rn. 48b).

a) Eine solche Rüge ist vorliegend zulässig erhoben. Die Begründung der Rechtsbeschwerde stellt den Verfahrensgang einschließlich der wörtlichen Wiedergabe der gestellten Anträge und der daraufhin ergangenen gerichtlichen Entscheidungen vollständig dar.

Nicht erforderlich war die Darlegung, was der Betroffene zur Sache vorgetragen hätte, da er sich auf die Nichtberücksichtigung eines Entschuldigungsgrundes im Rahmen einer Verwerfung des Einspruches beruft (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.08.2010, 2 SsRs 170/10).

b) Die Verfahrensrüge ist auch begründet.

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils beschränken sich auf die Mitteilung, der Betroffene sei trotz ordnungsgemäßer Ladung und Belehrung ohne genügende Entschuldigung dem Hauptverhandlungstermin ferngeblieben.

Die vom Betroffenen bzw. dessen Verteidiger vorgebrachten Gründe, die diese vom Erscheinen in der Hauptverhandlung abgehalten haben, werden nicht mitgeteilt, obgleich hierzu grundsätzlich Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen ebenso erforderlich sind, wie die hierzu vom Tatgericht angestellten Erwägungen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.08.2010, 2 SsRs 170/10). Denn nur dann kann das Rechtsbeschwerdegericht prüfen, ob der Tatrichter bei der Würdigung des Entschuldigungsvorbringens von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen und damit die Verwerfungsentscheidung zu Recht ergangen ist (BayObLG, Beschluss vom 31.10.2001, ObOWi 433/01; OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.08.2010, 2 SsRs 170/10). Enthält das angefochtene Urteil auf eine zulässige Verfahrensrüge hin keine Ausführungen hierzu, so unterliegt es bereits deshalb der Aufhebung, es sei denn die vorgebrachten Entschuldigungsgründe wären von vornherein offensichtlich ungeeignet, ein Fernbleiben zu entschuldigen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.08.2010, 2 SsRs 170/10).

Nachdem vorliegend jegliche Ausführungen zu den vorgebrachten Entschuldigungsgründen und den hierzu angestellten Erwägungen in dem amtsgerichtlichen Urteil fehlen kann der Senat nicht feststellen, ob die erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen an einer Terminsverlegung und demjenigen an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens überhaupt vorgenommen sind (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25.06.2015,III-3 RBs 200/15). Das angefochtene Urteil war daher bereits wegen dieses Darstellungsmangels aufzuheben (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.08.2010, 2 SsRs 170/10). Denn auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren hat der Betroffene grundsätzlich das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 137 Abs. 1 S. 1 StPO): Dies bedeutet zwar nicht, dass die Bußgeldhauptverhandlung bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers nicht durchgeführt werden kann und dem Betroffenen ein Erscheinen ohne seinen Verteidiger grundsätzlich nicht zumutbar und ein Ausbleiben des Betroffenen ohne Weiteres als entschuldigt anzusehen wäre, vielmehr kommt es darauf an, ob die prozessuale Fürsorgepflicht eine Terminsverlegung geboten hätte (OLG Hamm, Beschluss vom 25.06.2015,III-3 RBs 200/15). Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu bescheiden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25.06.2015, III-3 RBs 200/15; KG, Beschluss vom 31.01.2003, 2 Ss 10/03 - 3 Ws (B) 39/03), was vorliegend gerade nicht ersichtlich wird.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der vorherigen Ablehnung des Terminsverlegungsantrages durch das Amtsgericht am 22.08.2024, da Entscheidungen über Terminsverlegungsanträge die Entscheidung über eine Einspruchsverwerfung als solche nicht ersetzen können (OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.08.2010, 2 SsRs 170/10). Für letztere Entscheidung hat das Amtsgericht vielmehr in der Hauptverhandlung und ohne Bindung an eine vorangegangene Ablehnung eines Verlegungsgesuches erneut zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Einspruchsverwerfung vorliegen und das Ergebnis dieser Prüfungen in den Urteilsgründen mitzuteilen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.08.2010, 2 SsRs 170/10).
Die vorliegend vorgebrachten Entschuldigungsgründe — Erkrankung des Verteidigers — stellen sich auch nicht als offensichtlich unbegründet dar, so dass der Darstellungsmangel auch hierdurch nicht überwunden wird.

c) Die Entscheidung beruht auch auf diesem Rechtsfehler. Dass der Betroffene sich ohne seinen Verteidiger ausreichend hätte verteidigen können, versteht sich angesichts der Sach- und Rechtslage nicht von selbst, da zwar vorliegend lediglich eine Verkehrsordnungswidrigkeit im Raume steht, jedoch ein beigebrachtes Sachverständigengutachten ebenso zu würdigen ist, wie eine angesichts der beträchtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung in Betracht kommende Möglichkeit der Verurteilung wegen Vorsatzes (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25.06.2015, III-3 RBs 200/15; KG, Beschluss vom 31.01.2003, 2 Ss 10/03 - 3 Ws (B) 39/03). Ferner droht dem Betroffenen die Verhängung eines Fahrverbotes.

2. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichtes zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden haben wird.


Einsender: RA P. Schlegel, Greiz

Anmerkung:


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