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Entscheidungen

StPO

Rechtskräftiges Revisionsurteil, Ergänzung der Bescheidung eines Revisionsangriffs

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 22.03.2024 – 7 Ss 40/22

Leitsatz des Gerichts:

1. Enthält das Revisionsurteil keine Entscheidung über einen Teil der zum Nachteil der Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft, handelt es sich nicht um ein Nichturteil, jedoch bleibt der nicht beschiedene Teil der Revision beim Revisionsgericht anhängig.
2. Eine Berichtigung oder Ergänzung des verkündeten Revisionsurteils analog § 319 ZPO kommt in der Regel nicht in Betracht, wenn nur der entfernteste Verdacht einer nachträglichen Korrektur des wirklich Gewollten besteht.
3. Der noch nicht beschiedene Revisionsangriff kann nur aufgrund neuer Hauptverhandlung durch ergänzendes Urteil erledigt werden. Das vorausgegangene Revisionsurteil bleibt hiervon unberührt.


In pp.

In Ergänzung des Urteils des Senats vom 5. Dezember 2022 erfolgt die dort unter Ziff. I ausgesprochene Aufhebung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 5. November 2021 auch aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft.

Zur Klarstellung wird der Tenor insgesamt wie folgt neu gefasst:

I. Auf die Revision des Angeklagten X und die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 5. November 2021 mit den dazugehörigen getroffenen Feststellungen, auch soweit es den nichtrevidierenden Mitangeklagten Q betrifft, insoweit aufgehoben, als der Angeklagte X wegen Vorteilsannahme und der Angeklagte Q wegen Vorteilsgewährung verurteilt worden sind.
II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 5. November 2021 insoweit aufgehoben, als es den Angeklagten X vom Vorwurf der Weitergabe von Informationen an den Angeklagten Q über bestehende TKÜ-Maßnahmen (Ziffer 7 der Anklage) und bevorstehende Durchsuchungsmaßnahmen der AG Y (Ziffer 10 der Anklage) freigesprochen hat.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Darmstadt zurückverwiesen.

Gründe

I.

In dem Urteil des Senats vom 5. Dezember 2022 wurde zu dem damaligen Verfahrensstand - zutreffend - wie folgt ausgeführt:

„Das Amtsgericht Michelstadt hatte mit Urteil vom 25. November 2020 den Angeklagten Q wegen Vorteilsgewährung unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 24. Januar 2017 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und wegen der Vergehen der Bestechung und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten sowie den Angeklagten X wegen Vorteilsannahme, Bestechlichkeit und Verletzung von Dienstgeheimnissen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Weiter hatte es gegen den Angeklagten X die Einziehung des Wertersatzes in Höhe von 4.300 € angeordnet.

Gegen dieses Urteil hatten beide Angeklagte[n] und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Hinsichtlich des Vorwurfs wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gegen den Angeklagten Q hatten sowohl dieser als auch die Staatsanwaltschaft die Berufung wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkt.

Auf die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Darmstadt mit Urteil vom 5. November 2021 das Urteil des Amtsgerichts Michelstadt vom 25. November 2020 aufgehoben und dahingehend neu gefasst, dass es den Angeklagten Q wegen Vorteilsgewährung unter Einbeziehung der Strafen - nach Auflösung der Gesamtstrafe - aus dem Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 24. Januar 2017 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, und ihn weiter wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt hat. Den Angeklagten Q hat das Landgericht wegen Vorteilsannahme zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 2.300 € angeordnet. Im Übrigen hat das Landgericht die Angeklagten vom Vorwurf der Weitergabe von Dienstgeheimnissen und vom Vorwurf der Bestechung bzw. Bestechlichkeit freigesprochen und ihre Berufungen verworfen. Aus den Gründen des Urteils ergibt sich, dass die zum Nachteil der Angeklagten eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg hatte.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte X Revision eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt, wobei die Rüge der Verletzung formellen Rechts nicht weiter ausgeführt wurde.“

Mit Urteil des Senats vom 5. Dezember 2022 erfolgte die Aufhebung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 5. November 2021, und zwar auf die Revision des Angeklagten X insoweit, als der Angeklagte X wegen Vorteilsannahme und der nichtrevidierende Angeklagte Q, auf welchen die Aufhebung indes erstreckt wurde, wegen Vorteilsgewährung verurteilt worden sind. Soweit es die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft betrifft, hatte der Senat in dem vorgenannten Urteil keine Entscheidung getroffen. Vielmehr wurde über die Revision der Staatsanwaltschaft lediglich insofern entschieden, als das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 5. November 2021 aufgehoben wurde, soweit der Angeklagte X vom Vorwurf der Weitergabe von Informationen an den Angeklagten Q über bestehende TKÜ-Maßnahmen (Ziff. 7 der Anklage) und bevorstehende Durchsuchungsmaßnahmen der AG Y (Ziff. 10 der Anklage) freigesprochen worden war.

Bezüglich des Freispruchs der beiden Angeklagten vom Vorwurf der Bestechung (Fall 11 der Anklage bzw. Fall 4 des Urteils des Amtsgerichts Michelstadt) sowie der Verurteilung des Angeklagten Q wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes hat der Senat in den Urteilsgründen Folgendes ausgeführt:

„Die Revision der Staatsanwaltschaft ist formell und materiell wirksam beschränkt. Sie greift den Freispruch der beiden Angeklagten vom Vorwurf der Bestechung (Fall 11 der Anklage, Ziffer 4 des amtsgerichtlichen Urteils) nicht an. Aus der gebotenen Auslegung der Revisionsbegründungsschrift (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2017 - 2 StR 47/17 - juris Rn. 6) ergibt sich zudem, dass sich ihr Angriff nicht gegen den Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten Q [sic!] wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes richtet. Insoweit ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen.“

II.

Der Senat hatte nunmehr (allein) über die bislang nicht erledigte Revision der Staatsanwaltschaft zu entscheiden, die diese zu Lasten der Angeklagten X und Q hinsichtlich der Verurteilung wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung eingelegt hatte, um eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit und Bestechung zu erreichen.

(Nur) In dem Umfang, in dem eine Entscheidung über die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision bislang nicht ergangen ist, ist diese beim Senat noch anhängig. Insbesondere führt das partielle Übergehen des Revisionsbegehrens der Staatsanwaltschaft entgegen der Auffassung des Verteidigers des Angeklagten X nicht zur Nichtigkeit der Entscheidung des Senats vom 5. Dezember 2022.

Eine solche die Rechtskraft durchbrechende Nichtigkeit eines Urteils kann allenfalls in Ausnahmefällen angenommen werden, wenn dieses an einem derart schweren Mangel leidet, dass es bei Berücksichtigung der Belange der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus schlechthin unerträglich wäre, es als verbindlichen Richterspruch anzunehmen und gelten zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 1984 - 2 BvR 1350/84 = NJW 1985, 125 f.; BGH, Urteil vom 16. Januar 1985 - 2 StR 717/84 = NJW 1985, 926). Hiervon kann, hat der Senat in seiner damaligen Besetzung die Revision der Staatsanwaltschaft doch zweifellos lediglich versehentlich nicht vollständig beschieden, nicht die Rede sein.

Obschon der Fehler offenkundig auf einem Versehen des Senats beruht, war dieser einer Urteilsberichtigung nicht zugänglich. Zwar ist - trotz des Fehlens einer mit § 319 ZPO vergleichbaren Regelung in der Strafprozessordnung - anerkannt, dass nach Abschluss der Urteilsverkündung in der Urteilsformel solche Mängel korrigiert werden dürfen, die auf einem offensichtlichen Schreibversehen und offensichtlichen Unrichtigkeiten beruhen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass schon aus der Urteilsverkündung für die Verfahrensbeteiligten unmissverständlich hervorgeht, dass die verkündete Entscheidung infolge eines Fassungsversehens offensichtlich unrichtig ist. Nicht der Berichtigung zugänglich sind jedoch Fehler in der Urteilsfindung. Deshalb findet die Berichtigung dort ihre Grenzen, wo Zweifel auftreten können, ob es sich tatsächlich um die Berichtigung eines Versehens oder aber um eine sachliche Änderung handelt, die eben nicht die Übereinstimmung mit dem in der Beratung Gewollten herstellen würde. Besteht auch nur der entfernteste Verdacht einer nachträglichen Korrektur des wirklich Gewollten, so ist eine Berichtigung ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1990 - 3 StR 310/90 = NJW 1991, 1900 [zur Änderung schriftlicher Urteilsgründe]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. November 1998 - 3 Ws 209/98 = NStZ-RR 1999, 112 [zur Änderung der Urteilsformel]). So verhält es sich hier. Zweifelhaft ist bereits, ob sich der Senat des hier in Rede stehenden Revisionsangriffs der Staatsanwaltschaft im Zeitpunkt der Beratung überhaupt bewusst war. Dafür, dass dem Senat der Revisionsangriff bereits zu diesem Zeitpunkt aus dem Blick geraten war, spricht die Erstreckung der Aufhebung des Urteils auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten Q aufgrund der Revision des Angeklagten X; einer solchen Erstreckung hätte es nicht bedurft, wäre die Aufhebung - inhaltlich folgerichtig - auch aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft erfolgt.

Aus den der Entscheidung des Senats vom 5. Dezember 2022 zugrundeliegenden zutreffenden Gründen - namentlich wegen der Unklarheiten im Rahmen der Feststellungen des Berufungsurteil - hat die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils nicht nur aufgrund der Revision des Angeklagten X, sondern auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu erfolgen. Der Erhebung einer zulässigen Verfahrensrüge seitens der Staatsanwaltschaft bedurfte es - entgegen der Auffassung des Verteidigers des Angeklagten X - insoweit nicht.

Infolge der Aufhebung des Berufungsurteils auch aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft unterliegt die erneute Entscheidung durch den Tatrichter nach der Zurückverweisung hinsichtlich der Tat 1 nicht dem Verschlechterungsverbot.


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