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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung, Zulässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 26.11.2024 - 5/06 Qs 51/24

Eigener Leitsatz:

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist zulässig, wenn trotz Vorliegens der Voraussetzungen der § § 140, 141 StPO über den Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung nicht entschieden worden ist.


LG Frankfurt am Main

Beschluss

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:
wegen Verdachts des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte

wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 23.10.2024, mit dem der Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung abgelehnt wurde, auf die sofortige Beschwerde des Beschuldigten auf Kosten der Staatskasse aufgehoben. Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger bestellt.

Gründe:

Die fristgerecht am 06.11.2024 eingelegte sofortige Beschwerde gegen den am 31.10.2024 zur Kenntnis gelangten (nicht zugestellten) Beschluss vom 23.10.2024 ist begründet.

Bereits aus dem Bestellungsschreiben vom 11.12.2023, mit dem der Verteidiger zugleich seine Beiordnung beantragt hat, wurde vorgetragen, dass der Beschuldigte nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen (§ 140 Abs. 2 StPO). Ermittlungen zu diesem Umstand wurden nicht getätigt, der Abschlussbericht vom 25.01.2024 wurde mit dem lapidaren Zusatz, dass der Dienststelle keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung vorlägen, versehen. Unter dem 21.06.2024 teilte der Verteidiger unter Nennung des Aktenzeichens mit, dass in einem in Marburg geführten Verfahren wegen versuchten Mordes ein Gutachten eingeholt worden sei, in dem eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden sei. Mit Email vom 28.08.2024 teilte der Verteidiger weiter mit, dass in Marburg eine Unterbringung nach § 63 StGB rechtskräftig verhängt worden sei. Nachdem das Urteil aus Marburg beigezogen wurde, hat die Staatsanwaltschaft am 11.10.2024 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Erhebung der Klage abgesehen, woraufhin am 23.10.2024 der angegriffene Beschluss erging, der damit begründet wurde, dass eine rückwirkende Pflichtverteidigerbeiordnung nicht in Betracht komme.

Der ehemals Beschuldigte hat hier einen Anspruch auf die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers.

Nach der Neukonzeption der § § 140 ff. StPO im Dezember 2019 im Zuge der Umsetzung von Art. 4 der PKH-Richtlinie erscheint die pauschale Zurückweisung einer rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung mit dem Argument, die Beiordnung diene nicht dem Kosteninteresse des Beschuldigten, sondern allein dem Zweck, seine ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden Verfahren zu gewährleisten, nicht mehr sachgerecht (vgl. dazu auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 142 Rn. 20, m.w.N.).

Die rückwirkende Bestellung ist hier deshalb zulässig, weil trotz Vorliegens der Voraussetzungen der § § 140, 141 StPO über den Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung nicht entschieden worden ist.

Der Antrag wurde vor Verfahrensbeendigung gestellt, zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen der Beiordnung vor und die rechtzeitige Entscheidung über die Beiordnung ist durch Vorgänge, die dem Beschuldigten nicht zuzurechnen sind, unter-blieben, bevor die Verfahrensbeendigung erfolgt ist.

Vor diesem Hintergrund war der Beschluss aufzuheben und Rechtsanwältin pp. als Pflichtverteidiger zu bestellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.

Frankfurt am Main, 26.11.2024
Landgericht, 6. Strafkammer


Einsender: RA R. A. Becker, Gladenbach

Anmerkung:


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