Gericht / Entscheidungsdatum: LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 - 2b Qs 346/24
Eigener Leitsatz:
Über Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu entscheiden. Das gilt auch, wenn ein Termin bereits einmal auf Antrag des Verteidigers verlegt wurde. Der Vorsitzende muss konkret begründen, warum die Verlegung des Termins nicht möglich war, der pauschale Hinweis auf die Terminslage des Gerichts reicht nicht aus.
Landgericht Braunschweig
Beschluss
2b Qs 346/24
In der Bußgeldsache
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts in Braunschweig am 27.11.2024 durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:
Auf die Beschwerde des Betroffenen wird die Entscheidung des Amtsgerichts Helmstedt vom 11.11.2024, die für den 19.12.2024, 10:40 Uhr, anberaumte Hauptverhandlung nicht zu verlegen, aufgehoben.
Der Termin am 19.12.2024, 10:40 Uhr, wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Das Amtsgerichts Helmstedt führt gegen den Betroffenen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes vom 03.07.2024. Nach erfolgreicher Terminsverlegung auf Antrag des Verteidigers bestimmte das Amtsgericht auf mit Verfügung vom 06.11.2024 neuen Termin auf den 19.12.2024, 10:40 Uhr. Mit Schriftsatz vom 07.11.2024 beantragte der Verteidiger, diesen Termin erneut zu verlegen. Er nehme an diesem Tag einen bereits längerfristig abgestimmten Termin vor dem Amtsgericht Clausthal- Zellerfeld wahr. Der Verteidiger bot an, alternativ am 19.12.2024 bis 8:30 Uhr oder ab 14:00 Uhr zu verhandeln.
Mit Schriftsatz vom 11.11.2024 teilt das Amtsgericht mit, dass es bei dem Termin bleibe. Es handele sich um eine einfach gelagerte Bußgeldsache, da die Geschwindigkeitsmessung mittels standardisierten Messverfahren erfolgt ist. Der Termin sei bereits einmal auf Antrag des Verteidigers verlegt worden. Außerdem wird das Beschleunigungsverbot und die Terminslage des Gerichts als Grund angeführt.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Beschwerde vom 20.11.2024. Dieser Beschwerde half das Amtsgericht unter dem 22.11.2024 nicht ab.
II.
Die Beschwerde ist ausnahmsweise zulässig und auch begründet.
Auf eine Verlegung des Termins haben die Prozessbeteiligten grundsätzlich keinen Anspruch. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung ist daher grundsätzlich nach § 305 S. 1 StPO ausgeschlossen (vgl. auch Meyer- Goßner/Schmidt, StPO, 67. Aufl., § 213, Rn. 9). Sie kann nur ausnahmsweise als zulässig angesehen werden, wenn sie darauf gestützt ist, dass die Entscheidung rechtswidrig ist, wozu auch die fehlerhafte Ausübung des Ermessens gehört (Meyer-Goßner/Schmidt, a.a.O. m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die angefochtene Entscheidung ist rechtswidrig und lässt insbesondere die Ermessenserwägungen des Amtsgerichts nicht deutlich erkennen.
Über Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.2006, NStZ-RR 2006, 271). An diesen Grundsätzen hat sich die Vorsitzende bei der Ablehnung des Verlegungsantrages nicht ausgerichtet, auch wenn zutreffend ist, dass der Termin bereits einmal auf Antrag des Verteidigers verlegt wurde. Dies zeigt das Schreiben vom 11.11.2024, wobei es sich offenbar um ein Formularschreiben handelt. Soweit in der angefochtenen Entscheidung auf das allgemeine Gebot der Verfahrensbeschleunigung und den Terminsdruck des Gerichts abgestellt wird, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn der Verteidiger hat als Alternativtermine den 19.12.2024 bis 8:30 Uhr oder den 19.12.2024 ab 14:00 Uhr angeboten. Zu einer Verfahrensverzögerung würde es bei einer solchen Verlegung der Terminsstunde gerade nicht kommen. Die Vorsitzende hat in ihrer Entscheidung auch nicht begründet, warum die Verlegung der Terminsstunde im konkreten Fall nicht möglich war, sondern nur pauschal auf die Terminslage des Gerichts hingewiesen. Der Hinweis auf das Beschleunigungsgebot verfängt hier im Übrigen schon deshalb nicht als tragfähige Ermessenserwägung, weil eine Verfolgungsverjährung nicht zeitnah eintritt. Hieraus wird deutlich, dass die Vorsitzende von vornherein und unabhängig von dem geltend gemachten Grund nicht bereit war, einem weiteren Verlegungsantrag des Verteidigers zu entsprechen.
Demgemäß lässt auch die angefochtene Entscheidung die gebotene Abwägung zwischen den oben genannten Kriterien vermissen. Es wurde auch nicht versucht, einen Verhandlungstermin mit dem Verteidiger abzusprechen. Zu Recht wird in der Beschwerdebegründung darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer ein besonderes Interesse daran hat, sich in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger vertreten zu lassen.
Da die Vorsitzende somit von dem ihr zustehenden pflichtgemäßen Ermessen keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat, waren die angefochtene Entscheidung und der Hauptverhandlungstermin vom 02.12.2024 aufzuheben (vgl. Meyer-Goßner/Schmidt, a. a. O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO i.V.m. § 46 OWiG.
Einsender: RA F. Schneider, Bad Harzburg
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