Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Beschl. v. 25.11.2024 - 1s AR 15/24 Str
Eigener Leitsatz:
1. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt eine Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben.
2. Zur besonderen Schwierigkeit eines Strafverfahrens, das wegen der aufgeworfenen Rechtsfragen insbesondere zur Verwertbarkeit sowie der tatsächlichen, durch Sachverständigengutachten zu bewertenden Umstände auch besonders schwierig war.
3. Bei der Zuerkennung einer Pauschgebühr hat sich das OLG - vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles - grundsätzlich an den Höchstgebühren, die ein Wahlverteidiger für den entsprechenden Verfahrensabschnitt geltend machen könnte, zu orientieren.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt
hier: Festsetzung einer Pauschgebühr gemäß § 51 RVG
hat der I. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in der Besetzung mit einem Richter am 25. November 2024 beschlossen:
Auf seinen Antrag wird dem Pflichtverteidiger anstelle der gesetzlichen Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren (Nr. 4100, 4105, 4112, 4114, 4415 VV-RVG) eine Pauschgebühr in Höhe von
14.468 € bewilligt.
Bereits auf die genannten gesetzlichen Gebühren gezahlte Beträge sind hiervon in Abzug zu bringen.
Gründe
Nach § 51 Abs. 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Allerdings stellt die Bewilligung einer Pauschgebühr eine Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben. Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen. Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich geworden ist. Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 - 4 StR 267/11 -, juris).
Das Strafverfahren war nach dem Akteninhalt und der Dauer der Hauptverhandlung besonders umfangreich im Sinne des § 51 Abs. 1 RVG und angesichts der aufgeworfenen Rechtsfragen insbesondere zur Verwertbarkeit sowie der tatsächlichen, durch Sachverständigengutachten zu bewertenden Umstände auch besonders schwierig. Die gesetzlichen Gebühren eines Pflichtverteidigers für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens waren dieser Sachlage nicht mehr angemessen.
Bei der Zuerkennung einer Pauschgebühr orientiert sich der Senat — vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles — grundsätzlich an den Höchstgebühren, die ein Wahlverteidiger für den entsprechenden Verfahrensabschnitt geltend machen könnte. Bei der Festsetzung der Pauschgebühr hat sich der Senat auch in diesem Fall daher, im Einklang mit dem Bezirksrevisor, an der Größenordnung der Gebühren orientiert, die bei Wahlverteidigerhöchstgebühren für die Vorbereitung der Hauptverhandlung gemäß den gesetzlichen Grund- und Verfahrensgebühren sowie für die Teilnahme an 16 von 23 Hauptverhandlungstagen, an denen der Verteidiger anwesend war, angefallen wären. Für die Teilnahme an den übrigen sieben Hauptverhandlungstagen hat der Senat im Einklang mit dem Bezirksrevisor die Mittelgebühr für angemessen, aber auch ausreichend erachtet.
Einsender: RA Dr. F. S. Fülscher, Kiel
Anmerkung:
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