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Entscheidungen

StPO

Nebenklageanschluss, minderjähriges Kind im Strafverfahren, sorgeberechtigter Elternteil, gemeinsame elterliche Sorge

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 20.11.2024 – 2 WF 121/24 e

Leitsatz des Gerichts:

1. Im Einzelfall können nicht nur hinsichtlich des wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes angeklagten sorgeberechtigten Elternteils, sondern auch bezüglich des mitsorgeberechtigten anderen Elternteils wegen erheblichen Interessengegensatzes die Voraussetzungen des § 1789 Abs. 2 S. 4 BGB gegeben sein (im Anschluss an und in Ergänzung zu OLG Bamberg, Beschl. v. 16.03.2020 - 2 UF 27/20).
2. Dies kann etwa vorliegen, wenn der angeklagte Kindsvater erstinstanzlich freigesprochen wurde, das mit dem Tatvorwurf konfrontierte jugendliche Kind in einem eventuellen Berufungsverfahren Angaben machen und mit dem angeklagten Kindsvater Umgang haben will und ein Nebenklageinteresse selbst nicht bekundet, die Kindsmutter aber im Strafverfahren umfangreich zur Fehlerhaftigkeit des freisprechenden Urteils und der Erforderlichkeit der Berufungseinlegung vorträgt und die Durchführung des Berufungsverfahrens eine erhebliche Belastung des Kindes durch eine dann erforderliche Begutachtung desselben erwarten lässt, was der Kindsmutter bewusst ist.


In pp.

1. Die Beschwerde der Kindsmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - pp. vom 27.08.2024, Az. pp. , wird zurückgewiesen.
2. Die Kindsmutter trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt.

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Vertretungsbefugnis der Kindsmutter für die Entscheidung des 14-jährigen Kindes K, ob es sich dem gegen seinen Vater geführten Strafverfahren als Nebenklägerin anschließt.

Der Pflegling K ist das gemeinsame Kind der Beteiligten M und V, denen die elterliche Sorge für das Kind ursprünglich vollumfänglich gemeinsam zustand.

Die Staatsanwaltschaft pp. hat mit Anklageschrift vom pp. 2023 Anklage gegen den Kindsvater wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes K erhoben. Dem Verfahren liegt ein Tatvorwurf aus dem Zeitraum pp. 2021 bis pp. 2022 zugrunde. Mit Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - pp. vom pp. 2024 ist der Kindsvater erstinstanzlich freigesprochen worden (Az. pp. jug). Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, nachdem die Staatsanwaltschaft pp. am pp. pp.2024 Berufung gegen das Urteil eingelegt hat.

Der Pflegling hatte vertreten durch die Kindsmutter im Rahmen des erstinstanzlichen Strafverfahrens gegen den Vater mit Schriftsatz vom pp. 2024 erklärt, sich dem Verfahren als Nebenklägerin anzuschließen und beantragt, die Nebenklage zuzulassen. Mit Beschluss vom pp. (Tag der Urteilsverkündung) hat das Amtsgericht - Schöffengericht - pp. den Antrag zurückgewiesen, da es bei fortbestehender gemeinsamer elterlicher Sorge an der erforderlichen Zustimmung des Kindsvaters zur Nebenklage fehlte.

Zur Niederschrift des Rechtspflegers beim Amtsgericht - Familiengericht - pp. hat die Kindsmutter daraufhin am pp. 2024 beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Kindsvater die elterliche Sorge für ein Nebenklageverfahren des Kindes K gegen ihn zu entziehen und insoweit auf die Kindsmutter zu übertragen. Hilfsweise hat sie beantragt, beiden Eltern die elterliche Sorge für das mögliche Nebenklageverfahren teilweise zu entziehen und insoweit einen Verfahrenspfleger zu bestellen.

Mit Beschluss vom 15.07.2024 hat das Amtsgericht für das Kind eine Verfahrensbeiständin bestellt. Diese hat mit Schriftsatz vom 06.08.2024 die Anordnung einer Pflegschaft befürwortet. Die Kindsmutter hat sich mit ergänzender Begründung dafür ausgesprochen, nur dem Kindsvater die elterliche Sorge betreffend Entscheidungen zur Nebenklage zu entziehen.

Mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 27.08.2024 hat das Amtsgericht für das Kind K Ergänzungspflegschaft für den Aufgabenkreis der Prüfung des Anschlusses als Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Vater und gegebenenfalls zur Vertretung der Nebenklage im Strafverfahren angeordnet. Als Ergänzungspfleger hat es das Jugendamt pp. bestimmt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Entziehung der Vertretungsmacht für beide Elternteile zu erfolgen habe, da ein erheblicher Gegensatz zwischen den Interessen des Kindes und denen beider Eltern nicht ausgeschlossen werden könne.

Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 28.08.2024 zugestellten Beschluss wendet sich die Kindsmutter mit ihrer am 12.09.2024 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Es liege kein erheblicher Interessengegensatz zwischen der Mutter und dem Kind in Bezug auf den Anschluss als Nebenklägerin vor, der eine teilweise Entziehung der elterlichen Sorge auch für die Kindsmutter rechtfertige. Die angegriffene Entscheidung habe sich hiermit inhaltlich auch nicht auseinandergesetzt.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.09.2024 nicht abgeholfen.

Der Senat hat die Akten des zwischen den Kindseltern geführten Umgangsverfahrens pp. F pp. /22 (AG pp.) sowie die Strafakten des gegen den Kindsvater geführten Strafverfahrens (pp. jug) beigezogen. Die Kindsmutter, die Verfahrensbeiständin sowie das Jugendamt haben sich im Beschwerdeverfahren ergänzend geäußert. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten sowie ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 57 Abs. 2 Nr. 1, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Kindsmutter bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht für die Wahrnehmung der Rechte der Nebenklage für das betroffene Kind einen Ergänzungspfleger bestellt.

1. Maßgeblich für die partielle Errichtung der Pflegschaft ist die Frage, ob ein erheblicher Interessengegensatz tatsächlich besteht oder zumindest ernsthaft droht, §§ 1809 Abs. 1, 1789 Abs. 2 Satz 4 BGB (vgl. grundlegend Senat, Beschluss v. 16.03.2020, Az. 2 UF 27/20). Dabei ist die Interessenkollision für jeden Elternteil einzeln zu prüfen (vgl. Müko/BGB-Schnelder, 9. Aufl., § 1809 Rn. 33 m.w.N.). Vorliegend ist bezogen auf den konkreten Einzelfall ein derartiger Gegensatz auch hinsichtlich der Interessen der Kindsmutter und des Kindes gegeben.

a) Es ist unter anderem aufgrund der Feststellungen der Verfahrensbeiständin davon auszugehen, dass K einerseits weiterhin Umgangskontakte mit ihrem Vater haben möchte, andererseits aber wünscht, Angaben in einer eventuellen Berufungsverhandlung zu machen. Ein eigener Wille von K bezüglich des Anschlusses als Nebenklägerin ist bisher nicht festgestellt worden. Bei dem formalen Anschluss an die Anklage mit den hiermit verbundenen strafprozessualen Rechten (u.a. Anwesenheit in der Hauptverhandlung, Fragerecht, Plädoyer) handelt sich um eine Frage von durchaus erheblicher Bedeutung für die Vater-Kind-Beziehung.

b) Ausweislich der Akte des Umgangsverfahrens pp. F pp. /22 (AG pp. ) gründet das Strafverfahren gegen den Vater maßgeblich auf Angaben der Mutter, die über einen längeren Zeitraum Aussagen der Kinder zu möglichen Handlungen des sexuellen Missbrauchs durch den Vater erfragt und teilweise heimlich mitgeschnitten hat. Nach den Angaben des Zeugen KHK Z im Strafverfahren (Bl. pp. , pp. /22 jug) hat sich die Kindsmutter mit umfangreichen Erklärungen im Ermittlungsverfahren gegen den Kindsvater eingebracht, die sie anhand von über einen jahrelangen Zeitraum gefertigten Notizen in abendlichen Gesprächen mit den Kindern aufgenommenen Audiodateien belegte. Nach eigenen Angaben ist die Mutter der Überzeugung, dass ein sexueller Missbrauch durch den Vater stattgefunden hat. Mit Schreiben vom 13.06.2024 (Bl. pp. , pp. /22 jug) hat die Kindsmutter im Strafverfahren umfangreich Gründe dargelegt, aus denen das Freispruchurteil fehlerhaft und Berufung einzulegen sei. Ferner hat sie mit Schreiben vom 06.08.2024 (Bl. pp. , pp. /22 jug) ihr Einverständnis mit einer Begutachtung des Kindes K im Berufungsverfahren erklärt trotz eines vorangegangenen Hinweises der Staatsanwaltschaft pp. auf die hiermit verbundene erhebliche Belastung des Kindes.

c) Es besteht aufgrund dessen die begründete Besorgnis, dass die Kindsmutter bei der Entscheidung über den Anschluss des Kindes als Nebenklägerin und bei der möglichen Vertretung des Kindes im Strafverfahren auch und vor allem das eigene Aufklärungs- und Verurteilungsinteresse berücksichtigen würde und nicht die allein maßgebliche Frage, ob die Stellung als Nebenklägerin neben einer bestehenden Zeugenstellung dem Wohl des Kindes entspricht.

d) Ergänzend ist ferner zu berücksichtigen, dass strafprozessual in Fällen des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO hinsichtlich des Zeugnisverweigerungsrechts eines Kindes ein zwingender Fall der Ergänzungspflegschaft auch für den nicht beschuldigten Elternteil besteht. Insoweit besteht eine gesetzliche Vermutung für die Gefahr, dass der nicht beschuldigte Elternteil nicht neutral allein im Interesse des Kindes entscheiden würde, sondern bewusst entweder zugunsten oder zuungunsten des angeklagten Elternteils. Die Interessenlage ist insoweit vorliegend bei der Wahrnehmung der Rechte der Nebenklage des Kindes durchaus vergleichbar.

f) Der Senat erachtet zudem auch die Bedenken der Verfahrensbeiständin im Hinblick auf einen möglichen Loyalitätskonflikt des Kindes für beachtlich, wenn dieses versucht, einerseits den Erwartungen der Mutter hinsichtlich der Beteiligung im Strafverfahren gerecht zu werden, andererseits durch das eigene Verhalten maßgeblich am Ergebnis des gegen den Vater geführten Verfahrens beteiligt ist. Hier kann die Einschaltung eines neutralen Ergänzungspflegers eine Entlastung schaffen. Die Verfahrensbeiständin hat aus diesem Grund nachvollziehbar ebenfalls eine Ergänzungspflegschaft als sachgerecht erachtet.

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht auch der Kindsmutter die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Durchführung der Nebenklage entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet hat.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

3. Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §§ 40, 41, 46 Abs. 2 FamGKG.

4. Gemäß § 70 Abs. 4 FamFG findet die Rechtsbeschwerde im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht statt.


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