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Entscheidungen

StPO

Urteil, Unterschriften der Berufsrichter, Berufung, Verwerfung der Berufung, Vertretung des Angeklagten

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 26.09.2024 - III 1 ORs 162/24

Eigener Leitsatz:

1. Ein vollständiges schriftliches Urteil liegt erst vor, wenn sämtliche an ihm beteiligten Berufsrichter seinen Inhalt gebilligt und dies mit ihrer Unterschrift bestätigt haben
2. Eine Verwerfung der Berufung trotz Erscheinens eines Verteidigers mit Vertretungsvollmacht kommt nur unter besonderen Umständen in Betracht, etwa wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Verteidiger es gar nicht zu einer Sachverhandlung kommen lassen will bzw. nicht gewillt ist, den Angeklagten in einer solchen zu vertreten. Nicht ausreichend ist, dass der Verteidiger geltend macht, er verfüge nicht über ausreichende Informationen.


OLG Köln

BESCHLUSS

In der Strafsache
gegen pp.

wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln

auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 19. Juni 2024 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO am 26. September 2024 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.


Gründe:

I.

Das Amtsgericht Gummersbach hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 22. September 2023 wegen „Verstoßes gegen das Waffengesetz“ eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 € verhängt und die Einziehung einer Waffe angeordnet.

Die Berufung des Angeklagten hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Köln mit Urteil vom 19. Juni 2024 gemäß § 329 StPO verworfen, nachdem der Angeklagte zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen ist. Im Termin ist lediglich sein Verteidiger anwesend gewesen.

Der Angeklagte rügt im Wege der Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Insbesondere beanstandet er, dass die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Berufung nicht vorgelegen hätten. Der Angeklagte sei nicht säumig gewesen, weil er in der Berufungshauptverhandlung durch seinen mit einer Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger vertreten gewesen sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Vorlageverfügung vom 17. September 2024 beantragt wie erkannt.

II.

Das keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegende Rechtsmittel des Angeklagten hat (vorläufig) Erfolg.

1. Das Rechtsmittel führt bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§§ 353, 354 Abs. 2 StPO).

Das angefochtene Urteil hält materiell-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn es trägt keine richterliche Unterschrift.

Damit fehlt es bereits an der notwendigen Prüfungsgrundlage.

Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung in sachlich-rechtlicher Hinsicht sind allein die schriftlichen Entscheidungsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben (vgl. SenE v. 05.03.2010 - III-1 RVs 26/10; SenE v. 28.03.2024 - III-1 ORs 51/24; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 337 Rdn. 22 m.w.N.).

Ein vollständiges schriftliches Urteil liegt erst vor, wenn sämtliche an ihm beteiligten Berufsrichter seinen Inhalt gebilligt und dies mit ihrer Unterschrift bestätigt haben (BGH StV 2010, 618; OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2010, 250; SenE v. 13.09.2005 - 83 Ss 47/05; SenE v. 22.02.2011 - III-1 RVs 35/11; SenE v. 27.11.2012 - III-1 RVs 215/12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 275 Rdn. 4).

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Umstand, dass die Vorsitzende der Berufungsstrafkammer im Zusammenhang mit dem Urteil eine Zustellungsverfügung unterzeichnet hat. Die Unterschrift unter den Urteilsgründen als letzter Akt der Urteilsfällung kann nicht durch eine solche auf einer von dem erkennenden Richter unterzeichneten gesonderten Verfügung ersetzt werden (vgl. BGH StV 2010, 618; SenE v. 19.11.2002 - Ss 479/02 B - m.w.N.; SenE v. 13.09.2005 - 83 Ss 47/05; SenE v. 19.07.2011 - III-1 RVs 166/11 = NStZ-RR 2011, 348; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 275 Rdn. 6).

Der vorbezeichnete Mangel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (SenE v. 11.01.2013 - III-1 RVs 1/13; SenE v. 28.10.2014 - III- RVs 199/14; SenE v. 17.10.2017 - III-1 RVs 237/17; SenE v. 11.04.2018 - III-1 RVs 76/18; SenE v. 27.07.2021 - III-1 RBs 214/21; SenE v. 01.02.2024 - III-1 ORbs 12/24; Meyer-Goßner/Schmitt, SPO, 67. Aufl., § 338 Rdn. 52 m.w.N.), wenn - wie hier - die Unterschrift nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl. SenE v. 20.08.2010 - III-1 RVs 166/11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. § 275 Rdn. 6 m.w.N.).

2. Da das Urteil bereits - wie ausgeführt - auf die Sachrüge der Aufhebung unterliegt, brauchte der Senat nicht mehr zu entscheiden, ob der Angeklagte auch mit den erhobenen Verfahrensrügen durchgedrungen wäre.

Hinsichtlich der Verfahrensrüge, die Berufung hätte wegen wirksamer Vertretung durch einen mit einer schriftlichen Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger nicht verworfen werden dürfen, merkt der Senat allerdings - ungeachtet der Frage, ob diese Rüge in zulässiger Weise erhoben wurde - Folgendes an:

Ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO setzt neben der Säumnis des Angeklagten voraus, dass kein mit einer nachgewiesenen Vertretungsvollmacht ausgestatteter Verteidiger erschienen ist.

Ein solcher Verteidiger muss bereit sein, den Angeklagten aufgrund der Vollmacht zu vertreten (vgl. KG 18.4.1985 – 1 Ss 329/84 - JR 1985, 343; OLG Oldenburg StV 2018, 148; SenE v. 27.08.1991 - Ss 399/91 = StV 1992, 567; SenE v. 31.01.1992 - Ss 22/92 - 20 = StV 1993, 292; SenE v. 09.04.2013 - III-1 RVs 62/13; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 329 Rdn. 16). Zur „Vertretung“ gehört dabei in der Regel nur, dass der bevollmächtigte Verteidiger für den Angeklagten anwesend ist. Eine weitere Mitwirkung an der Verhandlung obliegt ihm ebenso wenig wie dem Angeklagten, wenn dieser selbst anwesend wäre (vgl. SenE v. 31.01.1992 - Ss 22/92 - 20 = StV 1993, 292; OLG Oldenburg StV 2018, 148). Auch der Verteidiger muss keine Erklärungen zur Sache abgeben oder Anträge stellen.

Eine Verwerfung trotz Erscheinens eines Verteidigers mit Vertretungsvollmacht kommt vor diesem Hintergrund nur unter besonderen Umständen in Betracht, etwa wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Verteidiger es gar nicht zu einer Sachverhandlung kommen lassen will bzw. nicht gewillt ist, den Angeklagten in einer solchen zu vertreten (vgl. OLG Hamm StV 2018, 150 m.w.N.; OLG Oldenburg StV 2018, 148; SenE v. 27.08.1991 - Ss 399/91 = StV 1992, 567; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 329 Rdn. 4 u. 16; vgl. amtl. Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 18/3562, S. 69).

Der Rechtsansicht des Landgerichts, auch der Verteidiger vertrete nicht, der geltend mache, nicht über ausreichende Informationen zu verfügen, vermöchte der Senat hingegen nicht zu folgen. Sie wird auf eine Kommentarstelle gestützt, die ihrerseits ausschließlich auf Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Neufassung des § 329 StPO verweist (MüKo-StPO-Quentin, 2. Aufl. 2024, § 329 Rdn. 27 m. w. N. in Fn. 72). Indessen ist - wie dargelegt - auch der mit Vertretungsvollmacht ausgestattete Verteidiger zu Angaben nicht verpflichtet. Die Erklärung des Verteidigers, ihm fehlten Informationen, erlangt daher vor allem im Hinblick auf § 349 Abs. 4 StPO Bedeutung: Nach dieser Vorschrift hat das Gericht den Angeklagten zur Fortsetzung der Hauptverhandlung zu laden und dessen persönliches Erscheinen anzuordnen, wenn es die Anwesenheit des Angeklagten in der auf seine Berufung hin durchgeführten Hauptverhandlung trotz der Vertretung durch einen Verteidiger für erforderlich hält. Je weniger Informationen aber dem mit Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger vorliegen, desto eher wird sich für das Gericht die Frage stellen, ob nicht die Anberaumung eines Fortsetzungstermins unter Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten erforderlich ist.

Aus dem bloßen Umstand, dass sich ein Verteidiger für eine Aussetzung der Hauptverhandlung bzw. für die Anberaumung eines Fortsetzungstermins im Sinne von § 329 Abs. 4 StPO ausspricht, kann nicht hergeleitet werden, dass dieser nicht bereit wäre, im Falle der Ablehnung seines Begehrens den Angeklagten in der Sachverhandlung zu vertreten (vgl. SenE v. 27.08.1991 - Ss 399/91 = StV 1992, 567).


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