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Entscheidungen

StPO

Steuerstrafverfahren, Aussetzung, Entscheidung des FG, steuerrechtliche Vorfragen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 08.10.2024 - 4 Ws 143/24

Eigener Leitsatz:

Zur Aussetzung eines Steuerstrafverfahrens bis zur Klärung steuerrechtlicher Vorfragen in einem beim FG anhängigen Klageverfahren


In pp.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bochum wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe

I.

Dem Angeklagten wird durch Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 9. Juni 2016 Steuerhinterziehung in zwölf Fällen vorgeworfen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb. Ihm wird zur Last gelegt, in der Zeit vom 13. Oktober 2003 bis zum 23. März 2015 pflichtwidrig dem für ihn zuständigen Finanzamt Essen-Süd. nicht angegeben zu haben, dass auf seinen Namen bei der V.-Bank in Luxemburg und auf den Bahamas seit den 1980er Jahren zahlreiche Vermögensanlagen in Höhe von insgesamt zwischen 26 und 60 Millionen USD angelegt sind und dass sich aus diesen Vermögensanlagen erhebliche Kapitaleinkünfte ergeben haben.

Durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 5. Oktober 2017 wurde der Angeklagte daraufhin nach teilweiser Verfahrenseinstellung im Übrigen wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 10. Januar 2019 (Aktenzeichen 1 StR 347/18) das Urteil des Landgerichts Bochum mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

Daraufhin hat das Landgericht Bochum - nun die 6. großen Strafkammer - durch den angefochtenen Beschluss vom 28. August 2023 das Verfahren gemäß § 396 AO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Besteuerungsverfahrens ausgesetzt.

Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Bochum durch Schreiben vom 29. Januar 2024 Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm ist in ihrer Antragsschrift vom 10. Juni 2024 der Beschwerde beigetreten und beantragt, den angefochtenen Beschluss des Landgerichts Bochum vom 28. August 2023 aufzuheben.

Der Angeklagte hat durch seine Verteidiger durch Schreiben vom 8. März 2024 und vom 5. August 2024 zu der Beschwerde der Staatsanwaltschaft und der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Stellung genommen.

II.

Die Zulässigkeit der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bochum kann dahingestellt bleiben, denn die Beschwerde ist jedenfalls in der Sache unbegründet.

Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss in rechtlich nicht zu beanstandender Weise und mit zutreffender Begründung beschlossen, das Strafverfahren gemäß § 396 AO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Besteuerungsverfahrens auszusetzen.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Vorliegend hängt die Beurteilung der dem Angeklagten vorgeworfenen Taten als Steuerhinterziehung davon ab, ob ein Steueranspruch besteht und ob Steuern verkürzt worden sind. Auch ist das anhängige - sich mittlerweile im Klageverfahren vor dem Finanzgericht Düsseldorf befindliche - Besteuerungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Bei der Beurteilung der Taten als Steuerhinterziehung kommt es vorliegend auf die vom Landgericht aufgeworfene entscheidungserhebliche steuerrechtliche Vorfrage an, inwieweit die - vom Landgericht mit Recht so bezeichnete - Einzigartigkeit der beruflichen Tätigkeit des Angeklagten als Geheimagent sowie auch die Einzigartigkeit des ihm hierfür überlassenen "Geheimfonds" sich auf die Frage des Bestehens eines Steueranspruchs des Staates und eine entsprechende Erklärungspflicht des Angeklagten auswirken. Es handelt sich insoweit um eine Rechtsfrage und nicht um Rechtsanwendung bestehender steuerrechtlicher Vorschriften.

Der Angeklagte lässt sich - detailreich sowie unter Benennung zahlreicher Beweismittel - dahingehend ein, es handele sich bei dem in Rede stehenden Vermögen um einen Treuhandfonds ("Kapitalstock") westlicher Sicherheitsbehörden. Treugeber sei ein ausländischer Staat, ausgeübt werde die treugeberische Verwaltung durch den Auslandsgeheimdienst dieses Staates. Der Fonds sei - mit Kenntnis deutscher Sicherheitsbehörden - zum Zwecke der Tarnung auf seinen - des Angeklagten - Namen angelegt worden. Er habe den Fonds absprachegemäß zur Finanzierung seiner operativen Einsätze als Geheimagent genutzt und die Existenz des Fonds Dritten gegenüber nicht offenlegen dürfen. Die Tarnung habe dem Schutz staatlicher Institutionen sowie dem Schutz von Leib und Leben des Geheimagenten nebst seiner Familie und weiterer geheimer Mitarbeiter gedient. Die Sicherheitsbehörden hätten den Fonds bei den Finanzbehörden angemeldet, eine Versteuerung der Mittel sei nicht erfolgt.

Hiernach handelt es sich vorliegend um einen Fall, in dem einerseits staatliche Geheimhaltungsinteressen betreffend Geldflüsse im Zusammenhang mit geheimdienstlicher Tätigkeit und andererseits der staatliche Steueranspruch miteinander in Konflikt stehen.

Die Auswirkungen übergeordneter staatlicher Geheimhaltungspflichten gegenüber Steueransprüchen sind in anderen Bereichen teilweise geregelt. So ist etwa in § 1 Abs. 1 S. 3 der Verordnung über Mitteilungen an die Finanzbehörden durch andere Behörden und öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten (Mitteilungsverordnung - MV) vorgesehen, dass für grundsätzlich mitteilungspflichtige Behörden eine Verpflichtung zur Mitteilung an die Finanzbehörden dann entfällt, wenn die Gefahr besteht, dass das Bekanntwerden des Inhalts der Mitteilung dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Auch gibt es Vereinbarungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder aus dem Jahr 1963, zuletzt bestätigt im Jahr 1998 (zitiert in BT-Drucksache 16/8447 S. 16), die regeln, dass Beträge, die an Informanten des Bundesnachrichtendienstes für die Übermittlung steuerrelevanter Daten aus Liechtenstein gezahlt werden, steuerlich so behandelt werden, dass staatliche Stellen in diesen Fällen einen pauschalen Einkommensteuerbetrag in Höhe von 10 Prozent der Prämiensumme an die Finanzkassen der einzelnen Bundesländer abführen. Auf eine Erklärung durch die Informanten selbst gegenüber Finanzbehörden wird aus Geheimhaltungsgründen verzichtet.

Auch wenn Finanzbehörden an das Steuergeheimnis gebunden sind, zeigen die vorgenannten Regelungen, dass diese Schweigepflicht zum Schutz eines überragenden staatlichen Geheimhaltungsinteresses als nicht ausreichend angesehen wird. Vielmehr überwiegt in solchen Fällen das Geheimhaltungsinteresse derart, dass der staatliche Steueranspruch bzw. das staatliche Interesse an ordnungsgemäßer Erklärung steuerrechtlich relevanter Sachverhalte dahinter zurücktreten müssen.

Für das vorliegende Strafverfahren ist nach alledem die Frage maßgeblich, ob entsprechend diesem Rechtsgedanken wegen übergeordneter staatlicher Geheimhaltungspflichten auch im Falle eines Geheimagenten eine Steuerschuld bzw. eine entsprechende steuerrechtliche Erklärungspflicht des Agenten von vornherein zu verneinen ist. Hierbei handelt es sich aus Sicht des Senats um eine entscheidungserhebliche abstrakte Rechtsfrage, die durch die Fachgerichte der Finanzgerichtsbarkeit zu beantworten ist.

Fehler des Landgerichts bei der Ermessensausübung sind auch ansonsten nicht ersichtlich.

Aus den vorgenannten Gründen ist der Beschluss des Landgerichts Bochum vom 28. August 2023 rechtlich nicht zu beanstanden und daher im Ergebnis auch unanfechtbar (vgl. zur Unanfechtbarkeit Jäger in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Auflage 2023, § 396 AO Rn. 51; Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Dokumentstand 177. Lieferung, 9/2023, Werkstand 181. Lieferung 5/2024, § 396 AO Rn. 62; Schaefer in: BeckOK AO, 28. Edition, Stand 15.4.2024, § 396 AO Rn. 55).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO.


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Anmerkung:


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