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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Rückwirkung, Bestellung, Zulässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Meiningen, Beschl. v. 09.10.2024 - 6 Qs 141/24

Eigener Leitsatz:

Die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers ist unzulässig, und zwar auch dann, wenn der Antrag noch vor der Beendigung des Verfahrens gestellt worden ist.


Landgericht Meiningen
6 Cs 141/24

Beschluss

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger

wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Meiningen durch pp. am 09.10.2024 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten pp. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Meiningen vom 16.08.2024 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Beschuldigte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist bereits unzulässig. Es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Be-schwer als Zulässigkeitsvoraussetzung.

Für eine Pflichtverteidigerbestellung nach Verfahrensabschluss ist erkennbar kein Raum.

Die weit überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung vertritt nach wie vor konsequenterweise, dass eine rückwirkende Bestellung nach Verfahrensabschluss nicht möglich ist. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht dem Kosteninteresse des Be-schuldigten oder seines Verteidigers dient, sondern allein den Zweck verfolgt, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Betroffener in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Bei-stand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (vgl. BVerfGE 39, 238, 242; OLG Düsseldorf StV 1984, 66; wistra 1992, 320). Eine nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers ist daher unzulässig, und dies auch dann, wenn. der Antrag - so wie hier - noch vor der Beendigung des Verfahrens gestellt worden ist (vgl. Kammergericht Berlin Be-schlüsse vom 21. Juli 2005 — 5 Ws 374/05 — und 9. Februar 2005 — 5 Ws 40/05 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 142 Rdn. 19). Für ein abgeschlossenes Verfahren darf ein Pflichtverteidiger unter keinen Umständen rückwirkend bestellt werden, weil eine solche Bestellung auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 09.03.2006, 1 AR 1407/05 - 5 Ws 563/05, 1 AR 1407/05, 5 Ws 563/05). Der Verteidiger hat seine Leistung bereits als Wahlverteidiger aufgrund eines Mandatsverhältnisses abschließend erbracht. Die mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger einsetzende öffentlich-rechtliche Pflicht zum Tätigwerden kann er nach Abschluss des Verfahrens nicht mehr erfüllen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.07.2000 - 1 Ws 206/00 - www.burhoff.de/rspr/texte/q_00022.htm mit weit. Nachw.). Schon aus diesen Gründen kommt es nicht darauf an, ob der Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt wurde.

Das Thüringer Oberlandesgericht (1 Ws 151/20) hat die entsprechende Auffassung - auch der zweiten Strafkammer bei dem Landgericht Meiningen - bestätigt und damit auch nach der letzten Änderung des Rechts der Pflichtverteidigung seine seit jeher bestehende Rechtsauffassung (davor zuletzt im Beschluss vom 01.11.2019, 1 Ws 379/19) bekräftigt. Erneut hat derselbe Senat des Thüringer Oberlandesgerichts mit Beschluss vom 23.07.2021 (Az. 1 Ws 237/21) in gleicher Weise entschieden, wobei zahlreiche weitere Oberlandesgerichte dieser Auffassung folgen, etwa OLG Braunschweig, Beschl. v. 02.03.2021 — 1 Ws 12/21 = BeckRS 2021, 3268; OLG Brandenburg NStZ 2020, 625; KG, Beschl. v. 09.04.2020 — 2 Ws 30/20 = BeckRS 2020, 9383; OLG Hamburg, Beschl. v. 16.09.2020 - 2 Ws 112/20 = BeckRS 2020, 27077; ferner aber auch: LG Halle, Beschl. v. 18.11.2020 — 3 Qs 109/20 = BeckRS 2020, 33056; LG Berlin, Beschl. v. 25.01.2021 —511 Qs 3/21 = BeckRS 2021, 3090. Die im Beschwerdeschreiben zitierte - zumeist untergerichtliche - Rechtsprechung aus anderen Oberlandesgerichtsbezirken hat naturgemäß keine Bindungswirkung.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA H. Urbanzyk, Coesfeld

Anmerkung:


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