Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Urt. v. 05.10.2023 - 12 U 47/23
Leitsatz des Gerichts:
Einem Rechtsanwalt, der sich darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz per beA zu übermitteln, kann im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorgehalten werden, er hätte sicherstellen müssen, im Störungsfall einen zweiten Versandweg zur Verfügung zu haben (Fax) oder auf einen neuen Versandweg ausweichen müssen, den er vorher noch nicht genutzt hatte (Computerfax).
OLG Karlsruhe
Urteil
vom 05.10.2023
In pp.
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 14.02.2023, Az. 2 O 407/21, im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
a. Das Versäumnisurteil vom 10.10.2022 wird aufgehoben.
b. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag Nr. (...) im Zusammenhang mit der Schadennummer (...) verpflichtet ist, die Kosten der außergerichtlichen und erstinstanzlichen Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers gegen die [Herstellerin] aus dem Kauf eines [Fahrzeugs] (FIN ...) und der unterstellten Manipulation der Abgassteuerung dieses Fahrzeugs zu tragen, soweit der Kläger den Differenzschaden geltend macht. Dieser ist innerhalb einer Bandbreite zwischen 5% und 15% des gezahlten Kaufpreises zu bemessen und später eintretende Umstände sind im Wege der Vorteilsausgleichung schadensmindernd anzurechnen. Insbesondere sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs anzurechnen, wenn sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen.
c. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Deckungsschutz aus der Rechtsschutzversicherung, die er bei der Beklagten unterhält (Versicherungsvertrag Nr. ...).
In den Vertrag einbezogen sind die Verkehrs-Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen der Beklagten (VRB) 2008 (im Folgenden: VRB 2008), die der Kläger in der Berufung mit Schriftsatz vom 22.08.2023 vorgelegt hat. Diese lauten auszugsweise wie folgt:
§ 2 Leistungsarten
Die verschiedenen Formen des [...]-Rechtsschutzes werden in den Paragrafen 21 bis 25 geregelt.
Dort wird der Versicherungsschutz hinsichtlich bestimmter Fahrzeuge oder im Rahmen bestimmter Eigenschaften der versicherten Personen aus den folgenden Leistungsarten gebildet:
1. Schadenersatz-Rechtsschutz für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des Versicherten, die auf gesetzlicher Haftpflicht des Schädigers beruhen;
(...)
§ 17 Deckungsablehnung wegen ungenügender Erfolgsaussicht
(1) Soweit die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann der Versicherer den Rechtsschutz ganz oder teilweise ablehnen; dies gilt nicht bei den Fällen des § 2 Nr. 3 (Verteidigungs-Rechtsschutz) in den Tatsacheninstanzen.
(2) Die Ablehnung ist dem Versicherten unter Angabe der Gründe unverzüglich mitzuteilen, sobald der Sachverhalt genügend geklärt ist. Gleichzeitig ist der Versicherte darauf hinzuweisen, dass er anstelle einer gerichtlichen Klärung zunächst ein Schiedsgutachterverfahren einleiten kann, dessen Kosten der Versicherer trägt. Dazu veranlasst der Versicherte seinen Rechtsanwalt, eine begründete Stellungnahme darüber abzugeben, ob die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
(3) Die unparteiische Entscheidung des Gutachters ist für beide Seiten bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht.
(4) Will der Versicherer sich darauf berufen, dass diese Entscheidung nicht bindend sei, muss er dies gegenüber dem Versicherten innerhalb eines Monats begründen.
Der Kläger beabsichtigt, gegen die [Herstellerin] Schadensersatzansprüche wegen einer Manipulation der Abgassteuerung am Pkw des Klägers ([Fahrzeug, FIN: ...]) geltend zu machen. Das Fahrzeug hatte der Kläger am 17.09.2015 als Gebrauchtwagen zum Preis von 25.900,00 EUR gekauft. Grundlage der beabsichtigten Klage ist die Annahme des Klägers, in dem Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung zur Verringerung des Schadstoffausstoßes verbaut. Die Software sei so konzipiert, dass sie Prüfungssituationen als unnatürliches Fahrverhalten erkenne und in einem solchen Fall die Abgasaufbereitung optimiere, so dass möglichst wenig Stickoxide entstünden. Das Fahrzeug verfüge über ein "Thermofenster": Der Wirkungsgrad der Abgasreinigung werde im Temperaturbereich zwischen 20 und 30° C (ggf. mit einem geringen Sicherheitspuffer von einigen Grad nach oben und unten) reduziert bzw. diese werde irgendwann gänzlich abgeschaltet. Die Abgasrückführung werde auch in Abhängigkeit der Drehzahl, des Umgebungsdrucks und des Drehmoments gesteuert und auf den Rollenprüfstand abgestimmt. Zudem sei in die Motorsteuerung ein unzulässiges "Kaltlaufheizen" eingebaut, um die normierte Prüfung zu bestehen. Als Beleg hierfür beruft er sich auf verschiedene Untersuchungen zu Fahrzeugen der [Herstellerin], unter anderem zum Motor (...), der im Fahrzeug verbaut sei.
Mit Anwaltsschreiben vom 16.03.2021 (Anlage K1) wandte sich der Kläger an die Beklagte; diese lehnte die beantragte Deckung mit Schreiben vom 19.05.2021 unter der Schadennummer (...) ab (Anlage K2). Unter Ziffer 5 enthält das Schreiben folgenden Hinweis:
Wir weisen hiermit ausdrücklich auf die Möglichkeit der Abgabe eines Stichentscheids nach § 17 Abs. 2 VRB (2006) hin.
Danach steht es dem Versicherten frei, seinen für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf unsere Kosten eine begründete Stellungnahme darüber abgeben zu lassen, ob die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die unparteiische Entscheidung des Rechtsanwalts ist für beide Seiten bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht.
Darüber hinaus verweisen wir hinsichtlich der Anforderungen an einen wirksamen Stichentscheid auf die Rechtsprechung des BGH gemäß dem Urteil vom 17.01.1990, IV ZR 214/88. Der Stichentscheid muss sich demnach insbesondere mit den Argumenten des Versicherers auseinandersetzen, die gegen eine Erfolgsaussicht sprechen. Ebenso muss ggf. das bestehende Prozessrisiko dargelegt werden.
Unter dem 16.09.2021 erstellten die Klägervertreter eine als Stichentscheid bezeichnete Stellungnahme, die zu dem Ergebnis kam, die Klage habe hinreichende Erfolgsaussichten (Anlage K3). Mit Schreiben vom 16.11.2021 (Anlage B3) wies die Beklagte auch den Stichentscheid zurück, weil er die neuere Rechtsprechung insbesondere zum "Thermofenster" nicht berücksichtige.
Mit dem Beginn des Berufungsverfahrens, durch Schreiben vom 31.03.2023, richtete der Kläger eine erneute Deckungsanfrage an die Beklagte (Anlage KN 1). Darin machte er geltend, durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21.03.2023 in der Rechtssache C-100/21 habe sich die Rechtslage zu Gunsten des Versicherungsnehmers geändert. Die vom Fahrzeughersteller verletzen Vorschriften der Art. 18, 26, 46 der RL 2007/46/EG und Art. 5 Abs. 2 der VO 715/2007 hätten drittschützenden Charakter, so dass der Versicherungsnehmer auch Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB verlangen könne. Dieser Anspruch setze nur fahrlässiges Handeln voraus. Die Beklagte wies die Deckungsanfrage mit Schreiben vom 01.04.2023 unter Verweisung auf ein weiteres Schreiben vom 27.03.2023 zurück (Anlage KN 2).
Der Kläger hat in erster Instanz geltend gemacht, die Herstellerin sei nach § 826 BGB verantwortlich. Der Einwand der fehlenden Erfolgsaussichten sei bereits durch den bindenden Stichentscheid ausgeschlossen. Ungeachtet dessen seien hinreichende Erfolgsaussichten gegeben. Die vom Kläger vorgetragenen Umstände legten die Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung so nahe, dass die Herstellerin eine sekundäre Darlegungslast für die Ursachen der ermittelten Schadstoffwerte treffe. Auch wegen der Frage der Sittenwidrigkeit greife eine sekundäre Darlegungslast jedenfalls dann ein, wenn das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch ein gerichtliches Gutachten erwiesen sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1.Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag Nr. (...) im Zusammenhang mit der Schadennummer (...) verpflichtet ist, die Kosten der außergerichtlichen und erstinstanzlichen Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Klagepartei gegen die [Herstellerin] aus dem Kauf eines [Fahrzeugs] (FIN ...) und der unterstellten Manipulation der Abgassteuerung dieses Fahrzeugs zu tragen mit der Maßgabe, dass der Deckungsschutz unter der Einschränkung steht, dass sich der Kläger den Vorteil anrechnen lassen muss, den er durch die Nutzung des Fahrzeugs seit dessen Erwerb erzielt hat. Die Berechnung des Nutzungsersatzes ist auf der Grundlage einer angenommenen Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 300.000 km vorzunehmen.
2.Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten des in Zusammenhang mit der Schadennummer (...) gefertigten Stichentscheids der [Prozessvertreter] vom 16.09.2021 in Höhe von Euro 627,13 freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eingewandt, die beabsichtigte Klage habe keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Die Annahme einer objektiven Sittenwidrigkeit im Rahmen des § 826 BGB setze die Darlegung greifbarer Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Umschaltlogik voraus. Im vorliegenden Fall fehle es insoweit an schlüssigem Vortrag. Dass im Fahrzeug des Klägers der Motor (...) verbaut sei, hat die Beklagte bestritten. Mit den in den vorgelegten Studien genannten Motoren und Fahrzeugen sei der Pkw des Klägers nicht direkt vergleichbar. Vom Vorhandensein eines Thermofensters könne nicht auf die Sittenwidrigkeit geschlossen werden; eine sekundäre Darlegungslast des Herstellers begründe der Vortrag des Klägers weder im Hinblick auf das Thermofenster noch auf die weiteren Faktoren, die der Kläger unsubstantiiert behaupte. Der Stichentscheid sei nicht bindend, weil die maßgebliche Rechtsprechung darin nicht berücksichtigt werde. Zudem könne der Kläger eine Deckungszusage allenfalls für die vorgerichtliche Tätigkeit verlangen, nicht auch für die erste Instanz.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 10.10.2022 antragsgemäß verurteilt. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 17.10.2022 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 04.11.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat die Beklagte hiergegen Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Sie hat geltend gemacht, der Beklagtenvertreter sei ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO gehindert gewesen. Am 31.10.2022 - dem Tag des Fristablaufs - habe der Beklagtenvertreter im Zeitraum von 18.34 Uhr bis 21.37 Uhr insgesamt sechs Schriftsätze über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach versandt. Nachdem er den Einspruchsschriftsatz gegen 23:10 Uhr fertiggestellt habe, habe er sich dann aber nicht mehr einloggen können, weil vom 31.10.2022 ab ca. 21.30 Uhr bis zum 01.11.2022 gegen 09.31 Uhr eine technische Störung beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach bestanden habe. Eine anderweitige Möglichkeit zur Einreichung des Schriftsatzes habe dem Beklagtenvertreter nicht zur Verfügung gestanden. Er sei am 31.10.2022 nach Chemnitz gereist und habe dort in einer Privatunterkunft übernachtet, um am 01.11.2022 einen Gerichtstermin in Potsdam wahrnehmen zu können. Ein Fax-Gerät habe ihm dort nicht zur Verfügung gestanden. Die Möglichkeit, ein Internet-Fax zu versenden, sei dem Beklagtenvertreter nicht geläufig und er habe in der verbleibenden Zeit auch keine Möglichkeit gehabt, die technischen Voraussetzung für diese Übertragung zu schaffen. In der Sache hat die Beklagte weiter geltend gemacht, Klagantrag Ziffer 1 sei schon mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig; zudem sei die Klage aus den bereits geltend gemachten Gründen unbegründet. Den mit Antrag Ziffer 2 gestellten Freistellungsanspruch habe die Beklagte durch Erteilung von Abwehrdeckung in der Klageschrift ohnehin bereits erfüllt.
Mit Urteil vom 14.02.2023 hat das Landgericht den Einspruch als unzulässig verworfen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil der Beklagtenvertreter - dessen Verschulden sich die Beklagte zurechnen lassen müsse - nicht unverschuldet an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert gewesen sei. Der Beklagtenvertreter habe zwar die Frist bis zum letzten Tag ausschöpfen dürfen; er habe dann aber wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufwenden müssen. Angesichts dessen hätte er eine Ersatzeinreichung per Computerfax vornehmen müssen. Soweit er dazu nicht imstande gewesen sei, sei ihm im Sinne eines Organisationsverschuldens vorzuwerfen, dass er sich schuldhaft in eine Situation gegeben habe, bei dem ihm die Möglichkeit einer Ersatzeinreichung nicht mehr zur Verfügung stand.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht ein Verschulden des Beklagtenvertreters erkannt. Die Rechtsauffassung des Landgerichts laufe im Ergebnis darauf hinaus, dass ein Rechtsanwalt stets die technischen Möglichkeiten einer Einreichung per Telefax oder Computerfax vorhalten müsse. Eine solche Verpflichtung bestehe aber nicht. Ein Rechtsanwalt dürfe sich grundsätzlich auf die technische Funktionsfähigkeit des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verlassen. In der Sache sei die Klage aus den bereits erstinstanzlich vorgebrachten Gründen abzuweisen: Der Stichentscheid sei nicht bindend, weil er die maßgebliche ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung ab dem 19.01.2021 nicht berücksichtige. Er sei deshalb von der Beklagten zu Recht und fristgemäß zurückgewiesen worden. Es bleibe dabei, dass die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten habe. Hinsichtlich des Stichentscheides habe die Beklagte in der Klageerwiderung Abwehrdeckung gewährt.
Die Beklagte beantragt,
1.der Beklagten aufgrund des Antrages vom 04.11.2022 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
2.das Versäumnisurteil vom 10.10.2022 aufzuheben, und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, und verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Überdies hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2023 ausdrücklich hilfsweise auf die Deckungsanfrage vom 31.03.2023 gestützt und den sogenannten "kleinen" Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 18, 26, 46 der RL 2007/46/EG und Art. 5 Abs. 2 der VO 715/2007 geltend gemacht.
II.
Die Berufung ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Beklagten ist wegen der versäumten Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (1.). Von einer Zurückweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sieht der Senat ab, da die Sache entscheidungsreif ist (2.). Der Kläger dringt mit seinem hauptsächlich zur Entscheidung gestellten Sachvortrag, der auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtet ist, nicht durch; mit dem in der Berufung eingebrachten Hilfsvortrag, der sich auf die Geltendmachung des sogenannten "kleinen Schadensersatzes", gestützt auf § 823 Abs. 2 BGB, richtet, hat er dagegen Erfolg (3.). Wegen der Erstattung der Kosten für den "Stichentscheid" hat die Beklagte mit ihrer Berufung Erfolg (4.).
1. Der am 04.11.2022 erhobene Einspruch war zulässig und führt dazu, dass der Rechtsstreit in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand (§ 342 ZPO). Zwar war die Einspruchsfrist am 30.10.2022 abgelaufen. Der Beklagten war aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren.
a. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde mit Schriftsatz vom 04.11.2022 rechtzeitig gestellt (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und die dafür vorgetragenen Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 ZPO). Die Ergänzung des Tatsachenvortrags auf Hinweis des Landgerichts mit Schriftsatz vom 23.11.2022 - außerhalb der Frist nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO, aber innerhalb der vom Landgericht gesetzten Frist - war zulässig und ist zu beachten (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - III ZB 31/20, Rn. 33). Zu Recht - und unangegriffen - hat das Landgericht die zugrunde zu legenden Tatsachen daher so festgestellt wie vom Kläger vorgetragen.
b. Auf dieser Grundlage ist der Beklagten kein Verschulden an der Versäumnis der Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO anzulasten (§ 233 ZPO). In Frage steht dabei im vorliegenden Fall nur ein etwaiges Verschulden des Prozessbevollmächtigten, das sich die Beklagte zurechnen lassen müsste (§ 85 Abs. 2 ZPO). Dem Beklagtenvertreter fällt aber kein Verschulden zur Last.
aa. Ein solches Verschulden liegt noch nicht darin, dass er die Frist bis zum letzten Tag ausgeschöpft hat, denn hierzu war er berechtigt (BGH, Beschluss vom 09.05.2017 - VIII ZB 5/16).
bb. Allerdings hat der Rechtsanwalt wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Insbesondere hat er unvorhergesehene Verzögerungen beim Versandvorgang in Rechnung zu stellen und zusätzlich zur eigentlichen Sendedauer eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen, um gegebenenfalls durch Wiederholung der Übermittlungsvorgänge einen Zugang des zu übersendenden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten. Beginnt ein Rechtsanwalt aber am letzten Tag einer Frist so rechtzeitig mit der Übertragung, dass unter gewöhnlichen Umständen mit deren Abschluss vor 24:00 Uhr am Tage des Fristablaufs gerechnet werden konnte, verwendet er dabei ein funktionsfähiges Sendegerät und die korrekte Empfangsadresse, so hat er grundsätzlich das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan (BGH, Beschluss vom 23.10.2018 - III ZB 54/18, Rn. 9 f., zur Einreichung per Fax).
Auch insoweit ist dem Beklagtenvertreter kein Versäumnis vorzuwerfen. Der Beginn des beabsichtigten Versandprozesses bei einem ersten Login gegen 23:15 Uhr war rechtzeitig, um bei einem grundsätzlich funktionsfähigen elektronischen Übermittlungsweg auch im Fall einer unvorhergesehenen Verzögerung oder einer Wiederholung eine Übermittlung bis 24:00 Uhr sicherzustellen. Der Beklagtenvertreter hat auch durch Vorlage entsprechender Screenshots glaubhaft gemacht, dass er bis 23:55 Uhr - was gerade noch rechtzeitig hätte sein können - noch mehrmals vergeblich versucht hat, sich in seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach anzumelden.
cc. Entgegen dem angefochtenen Urteil liegt ein Verschulden auch nicht darin begründet, dass der Beklagtenvertreter nicht sichergestellt hat, einen zweiten Versandweg zur Verfügung zu haben (Fax) und auch nicht auf einen neuen Versandweg ausgewichen ist, den er vorher noch nicht genutzt hatte (Computerfax).
Beide Versandwege standen dem Beklagtenvertreter grundsätzlich nach § 130d Satz 2 ZPO offen, weil - wie die Beklagte glaubhaft gemacht hat - das besondere elektronische Anwaltspostfach am Abend des 31.10.2022 bis zum Morgen des 01.11.2022 gestört und ein Versand nicht möglich war. § 130d Satz 2 ZPO stellt dabei keinen Sonderfall des § 233 ZPO dar, sondern erlaubt das Ausweichen auf einen anderen Übermittlungsweg innerhalb der Frist (Jansen, in: juris-PK ERV, Stand: 30.01.2023, § 233 Rn. 38). Umgekehrt ergibt sich aus § 130d Satz 2 ZPO aber auch keine unmittelbare Verpflichtung zur Ersatzeinreichung. Ob diese möglich und zumutbar und deshalb geboten war, ist vielmehr nach dem Verschuldensmaßstab des § 233 Satz 2 ZPO und den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.
Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach entsprechen denjenigen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax (BGH, Beschluss vom 30.11.2022 - IV ZB 17/22, Rn. 10). Für die (geplante) Übermittlung per Fax sind die Maßstäbe, die insoweit anzulegen sind, geklärt. Im Ausgangspunkt gilt, dass die aus den technischen Gegebenheiten herrührenden besonderen Risiken eines vom Gericht eröffneten Übermittlungswegs nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Deshalb darf ein Rechtsanwalt sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf einrichten, einen Schriftsatz auf einem bestimmten Weg - insbesondere per Telefax - zu übermitteln. Scheitert die Übermittlung, so ist der Rechtsanwalt zunächst gehalten, im gewählten Übermittlungsweg nach Alternativen zu suchen, die sich aufdrängen. Liegt die Ursache aber in einem Defekt des Empfangsgeräts oder Leitungsstörungen, kann vom Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verlangt werden, innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherzustellen (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - III ZB 31/20, Rn. 18; BVerfG, Beschluss vom 21.06.2001 - 1 BvR 436/01, Rn. 10). Im Einzelfall kann das Ausweichen auf eine andere als die gewählte Übermittlungsart gleichwohl geboten sein, insbesondere dann, wenn der Zusatzaufwand geringfügig und zumutbar ist. Hierzu wurde in der Zeit vor Inkrafttreten der aktiven Nutzungspflicht nach § 130d ZPO höchstrichterlich entschieden, dass die Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nach gescheiterter Übermittlung per Telefax jedenfalls dann kein zumutbarer, nur geringfügigen Aufwand verursachender alternativer Übermittlungsweg ist, wenn der Prozessbevollmächtigte das besondere elektronische Anwaltspostfach bisher nicht aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt hat und mit seiner Nutzung nicht vertraut ist (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - III ZB 31/20, Rn. 26 f.; BGH, Beschluss vom 25.02.2021 - III ZB 34/20, Rn. 17; BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZB 12/21, Rn. 31-33).
Demnach durfte sich der Beklagtenvertreter darauf einrichten, den Schriftsatz am letzten Tag der Frist über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu übermitteln. Eine Verpflichtung, daneben stets - für den Fehlerfall - ein versandbereites Faxgerät bereitzuhalten, ergibt sich aus § 130d Satz 2 ZPO ebensowenig, wie sich aus § 130a ZPO vor Inkrafttreten des § 130d ZPO die Verpflichtung ergab, ein versandbereites besonderes elektronisches Anwaltspostfach bereitzuhalten. Zum Ausweichen auf ein Computerfax wäre der Beklagtenvertreter nur dann gehalten gewesen, wenn er diesen Weg bereits zuvor aktiv genutzt hätte und damit vertraut gewesen wäre. Letzteres war aber nicht der Fall.
2. Von einer Zurückverweisung an das Landgericht nach § 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sieht der Senat ab.
§ 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erlaubt die Zurückverweisung im Fall der fehlerhaften Verwerfung eines Einspruchs nach § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Den dafür erforderlichen Antrag (§ 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO a.E.) hat die Beklagte gestellt; der Kläger ist dem entgegengetreten. Damit liegt die Entscheidung über die Zurückverweisung im Ermessen des Senats. Maßgeblich ist dabei der Gesichtspunkt der Prozessökonomie. Je näher die Entscheidungsreife des gesamten Prozesses gerückt ist, desto eher bietet sich eine abschließende zweitinstanzliche Entscheidung an (Rimmelspacher, in MüKo-ZPO, 6. Aufl., § 538 Rn. 76; Heßler, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 538 Rn. 6). Der vorliegende Rechtsstreit ist in der Sache entscheidungsreif. Eine Zurückverweisung würde ihn nur verzögern.
3. In der Sache ist die Berufung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Versicherungsfall ist eingetreten (a.). Der Kläger dringt mit seinem hauptsächlich zur Entscheidung gestellten Sachvortrag nicht durch: Die beabsichtigte Klage auf "großen Schadensersatz" (Erstattung des Kaufpreises gegen Überlassung des Fahrzeugs) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB hat keine hinreichenden Erfolgsaussichten (b.). Auch aus § 823 Abs. 2 BGB kann dies nicht verlangt werden (c.). Mit dem in der Berufung eingebrachten Hilfsvortrag, der sich auf die Geltendmachung des sogenannten "kleinen Schadensersatzes", gestützt auf § 823 Abs. 2 BGB, richtet, hat der Kläger dagegen Erfolg (d.).
a. Ein Versicherungsfall ist in Gestalt eines Schadenersatz-Rechtsschutzfalls nach § 2 Nr. 1 VRB 2008 eingetreten.
Wegen des Eintritts des Versicherungsfalles in der Rechtsschutzversicherung ist nicht auf die objektiven Gegebenheiten abzustellen, sondern auf die vom Versicherungsnehmer behaupteten Vorgänge, für die der Anspruchsgegner ihm gegenüber haftungsrechtlich verantwortlich sein und durch die er ihn geschädigt haben soll. Auf Schlüssigkeit und Beweisbarkeit dieses Vortrages kommt es dabei nicht an (BGH, Urteil vom 30.04.2014 - IV ZR 61/13, Rn. 16 f.). Dieses weite Verständnis des Rechtsschutzfalles trägt den Interessen beider Vertragspartner Rechnung. Der Versicherer ist dadurch geschützt, dass ihm der Einwand mangelnder Erfolgsaussicht unbenommen bleibt (BGH, Urteil vom 19.11.2008 - IV ZR 305/07, Rn. 23).
Der Kläger macht geltend, durch die [Herstellerin] wegen des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung geschädigt worden zu sein. Demzufolge trat der Versicherungsfall mit dem Kauf am 17.09.2015 ein, weil damit das dem Schadenersatzanspruch zugrunde liegende Schadenereignis im Sinne des § 4 Abs. 2 Buchst. a VRB 2008 eingetreten ist (vgl. zum Zeitpunkt des Schadensereignisses in "Diesel-Fällen" OLG Köln, Beschluss vom 30.03.2017 - 9 U 182/16; OLG Stuttgart, Urteil vom 02.02.2023 - 7 U 186/22).
b. Das hauptsächlich verfolgte Klagebegehren bleibt erfolglos. Die beabsichtigte Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB hat keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
Die fehlenden Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung stellt nach § 17 Abs. 1 VRB 2008 einen Einwand dar (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2008 - IV ZR 305/07, Rn. 23; Piontek in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. § 1 ARB 2010 Rn. 10; § 3a ARB 2010 Rn. 4); es handelt sich somit um eine sekundäre Risikobegrenzung, für die der Versicherer beweispflichtig ist. Im vorliegenden Fall ist der Einwand nicht ausgeschlossen (aa.) und im Hinblick auf das beabsichtigte Vorgehen nach § 826 BGB auch begründet (bb).
aa. Der Einwand der fehlenden Erfolgsaussichten ist der Beklagten nicht nach § 17 Abs. 3 VRB 2008 verwehrt.
Nach dieser Bestimmung ist die unparteiische Entscheidung eines Gutachters für beide Seiten bindend. Hintergrund dieser Regelung ist § 128 VVG, demzufolge zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten über die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen ist. In der Praxis haben sich hierfür zwei verschiedene Varianten etabliert: Beim Stichentscheid-Verfahren hat der vom Versicherungsnehmer beauftragte Anwalt das "letzte Wort", beim Schiedsgutachter-Verfahren kommt diese Rolle einem mit der Sache bislang nicht befassten Rechtsanwalt zu (Piontek, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., ARB 2010 § 3a Rn. 1). Vor diesem Hintergrund ist fraglich ob das als "Stichenscheid" bezeichnete Schreiben vom 16.09.2021 eine "unparteiische Entscheidung" im Sinne des § 17 Abs. 3 VRB 2008 darstellen kann (1). Falls in § 17 VRB 2008 ein Schiedsgutachterverfahren vereinbart wurde, kommt eine Bindungswirkung gleichwohl aufgrund des Hinweises im Ablehnungsschreiben vom 19.05.2021 in Betracht (2). Beides kann offen bleiben, da der "Stichentscheid" vom 16.09.2021 in jedem Fall inhaltlich unzureichend ist (3).
(1) Das von den Klägervertretern verfasste und als "Stichentscheid" bezeichnete Schreiben vom 16.09.2021 könnte nur dann nach § 17 Abs. 3 VRB 2008 Bindungswirkung entfalten, wenn in § 17 VRB 2008 das Stichentscheid-Verfahren vereinbart worden wäre. Das ist unklar. In § 17 Abs. 2 Satz 2 VRB 2008 wird zunächst die Möglichkeit eines "Schiedsgutachtenverfahrens" aufgezeigt. Daran schließt sich allerdings die typische Regelung eines Stichentscheid-Verfahrens an, ohne dass dieser Begriff verwendet würde: Hierzu solle der Versicherte seinen Rechtsanwalt zu einer "begründeten Stellungnahme" über die Erfolgsaussichten veranlassen (§ 17 Abs. 2 Satz 4 VRB 2008). Bestimmungen zum weiteren Verfahren sind nicht getroffen. Mit der "unparteiischen Entscheidung des Gutachters" in § 17 Abs. 3 VRB 2008 könnte deshalb trotz der terminologischen Differenz die "begründete Stellungnahme des Rechtsanwalts" (§ 17 Abs. 2 Satz 4 VRB 2008) gemeint sein, womit ein Stichentscheid-Verfahren geregelt wäre. Es könnte sich aber auch um die Entscheidung eines dritten, unparteiischen Gutachters am Ende eines Schiedsgutachterverfahrens handeln (§ 17 Abs. 2 Satz 2 VRB), das durch die "begründete Stellungnahme" (§ 17 Abs. 2 Satz 4 VRB 2008) nur eingeleitet wird und dessen weiteres Verfahren nicht geregelt ist.
(2) Sollte in § 17 VRB 2008 das Schiedsgutachterverfahren vorgesehen sein, könnte das Schreiben vom 16.09.2021 allerdings auch auf Grundlage des Hinweises im Ablehnungsschreiben vom 19.05.2021 Bindungswirkung entfalten. In diesem Ablehnungsschreiben hat die Beklagte den Kläger ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, "seinen für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf unsere Kosten eine begründete Stellungnahme" über die Erfolgsaussichten abgeben zu lassen; die "unparteiische Entscheidung des Rechtsanwalts" sei dann für beide Seiten bindend. Damit hat sie zweifelsfrei ein Stichentscheid-Verfahren beschrieben. An diesem Verständnis haben seither beide Seiten ihr weiteres Verhalten und auch ihren Prozessvortrag ausgerichtet. Darin dürfte eine seitens des Klägers durch schlüssiges Verhalten erklärte und ggf. von § 17 VRB 2008 abweichende Individualvereinbarung zugunsten eines Stichentscheid-Verfahrens liegen; zumindest aber wäre zu prüfen, ob sich die Beklagte die Bindungswirkung des "Stichentscheides" nach § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten lassen müsste.
(3) Diese Fragen können dahinstehen, da der "Stichentscheid" vom 16.09.2021 jedenfalls den inhaltlichen Anforderungen nicht genügt.
§ 17 Abs. 3 VRB 2008 stellt die Bindungswirkung unter die Voraussetzung, dass die Entscheidung nicht offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht. Dieselbe Bedingung ist im Schreiben vom 19.05.2021 formuliert. Um dieser Anforderung zu genügen, müssen die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Interessenwahrnehmung nach dem in einem Prozesskostenhilfeverfahren geltenden Maßstab dargelegt werden. Dafür ist der entscheidungserhebliche Streitstoff darzustellen, sind mögliche Beweisantritte bei bestrittenem Vorbringen darzulegen, die Rechtsfragen unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Lehre herauszuarbeiten und zum Prozessrisiko Stellung zu nehmen. Wird dabei die Sach- und Rechtslage gröblich verkannt und drängt sich dies einem Sachkundigen ggf. nach Prüfung deutlich auf, weicht die Entscheidung offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage ab (OLG Frankfurt, Urteil vom 25.03.2015 - 7 U 24/14; BGH, Urteil vom 17.01.1990 - IV ZR 214/88, Rn. 5 f.).
Diesen Anforderungen wird der "Stichentscheid" vom 16.09.2021 nicht gerecht, weil er die maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung vollständig außer Betracht lässt und auf die Frage des Nachweises von Sittenwidrigkeit und Vorsatz, die sich einem Sachkundigen im Rahmen des § 826 BGB deutlich aufdrängten, nicht eingeht. Der Bundesgerichtshof hat ab Januar 2021 in mehreren Entscheidungen die Voraussetzungen präzisiert, unter denen der Hersteller für den Einbau eines sogenannten "Thermofensters" nach § 826 BGB verantwortlich gemacht werden kann. Demnach genügt allein der Umstand, dass in dem Fahrzeug eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung verbaut ist, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist, auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht des Herstellers für sich genommen noch nicht, um dessen Verhalten als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Für den Nachweis der Sittenwidrigkeit sind vielmehr weitere Umstände vorzutragen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19, Rn. 16; BGH, Urteil vom 13.07.2021 - VI ZR 128/20, Rn. 13; BGH, Urteil vom 20.07.2021 - VI ZR 1154/20, Rn. 13). Insoweit bestehen gewichtige Unterschiede zu der Konstellation, dass der Hersteller sich entscheidet, von der Einhaltung der Grenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen und zur Erlangung der Typgenehmigung eine Umschaltlogik einzusetzen, die den Prüfstandsbetrieb erkennt und dann einen besonderen Prozess aktiviert, der die Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand sicherstellt (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19, Rn. 17).
Im Licht dieser Rechtsprechung war die Behauptung, das Fahrzeug verfüge über eine temperaturabhängige Abgassteuerung ("Thermofenster"), nicht ausreichend, um den Tatbestand des § 826 BGB auszufüllen. Hierauf geht der Stichentscheid vom 16.09.2021 aber nicht ein, und es werden auch keine weiteren Umstände erwähnt, die auf ein vorsätzliches, sittenwidriges Handeln der für den Hersteller verantwortlichen Personen hindeuteten. Nichts anders gilt für die Behauptung, die Abgasrückführung werde auch in Abhängigkeit der Drehzahl, des Umgebungsdrucks und des Drehmoments gesteuert und es sei ein unzulässiges "Kaltlaufheizen" eingebaut, um die Abgasaufbereitung auf dem Prüfstand zu optimieren. Auch insoweit mögen die vom Kläger geltend gemachten Umstände auf eine unzulässige Abschalteinrichtung hindeuten; es wurde aber schon nicht behauptet, der Hersteller habe sich bewusst dafür entschieden, die Abschalteinrichtung mittels einer Umschaltlogik gänzlich auf den Prüfstand auszurichten und von der Einhaltung der Grenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass auch die Beklagte in ihrer Deckungsablehnung vom 19.05.2021 die Frage des Nachweises von Sittenwidrigkeit und Vorsatz nicht angesprochen, sondern nur eingewandt hat, es liege keine unzulässige Abschalteinrichtung vor. Die Begründung, auf die der Versicherer die Ablehnung seiner Eintrittspflicht stützt, bestimmt auch die inhaltlichen Anforderungen an den Stichentscheid im Einzelfall. Beschränkt der Versicherer seine Ablehnung auf bestimmte Punkte, so genügt es grundsätzlich, wenn der Stichentscheid diese Einwände ausräumt (OLG Frankfurt, Urteil vom 20.03.2019 - 7 U 8/18; OLG Naumburg, Urteil vom 07.07.2016 - 41 U 7/16; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.07.2017 - I-4 U 40/16). Indessen kann auch die Ablehnungsentscheidung des Versicherers nicht isoliert betrachtet werden, sondern stellt ihrerseits eine Reaktion auf die Deckungsanfrage dar. Unter diesem Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, dass sich auch die Deckungsanfrage vom 16.03.2021 ausschließlich mit der Frage befasst, ob es sich bei einem "Thermofenster" um eine unzulässige Abschalteinrichtung oder einen Sachmangel im Sinne des Kaufrechts handelt. Wesentliche Informationen werden in dem Schreiben vom 16.03.2021 nicht mitgeteilt: Etwa, um welches Fahrzeug und welchen Motor es sich handelt, wann das Fahrzeug vom Kläger erworben wurde und auf welcher rechtlichen Grundlage der Kläger vorzugehen beabsichtigte. Angesichts dessen genügte dieses Schreiben den Anforderungen des § 16 Abs. 2 VRB 2008 nicht, der bei der Geltendmachung eines Schadensfalles eine vollständige und wahrheitsgemäße Unterrichtung des Versicherers verlangt. Erst mit Erfüllung dieser Obliegenheit beginnt die Prüfungs- und Erklärungspflicht des Versicherers (BGH, Urteil vom 19.03.2003 - IV ZR 139/01, jurs Rn. 13; Piontek, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., ARB 2010 Rn. 16).
In der Gesamtbetrachtung sind sämtliche vorgerichtlich ausgetauschten Schreiben unzureichend, insbesondere berücksichtigt keines davon die ab Januar 2021 ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an den Nachweis von Sittenwidrigkeit und Vorsatz, obwohl sich deren Bedeutung für den vorliegenden Fall einem Sachkundigen deutlich aufdrängte. Dies ist nicht nur der Beklagten anzulasten, sondern auch dem anwaltlich vertretenen Kläger, der bereits die Deckungsanfrage von seinen Prozessbevollmächtigten hat verfassen lassen. Bei dieser Sachlage bleibt es dabei, dass der Stichentscheid auch unter Berücksichtigung der Ablehnungsentscheidung offensichtlich unvollständig und damit auch nicht bindend ist.
bb. Der Einwand der fehlenden Erfolgsaussichten ist in der Sache begründet, soweit der Kläger mit seinem Hauptvorbringen Rückabwicklung des Vertrages nach § 826 BGB verlangt.
Für die Frage, wann eine Klage hinreichende Erfolgsaussichten hat, gilt der Maßstab des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO (BGH, Urteil vom 19.02.2003 - IV ZR 318/02, Rn. 16; st. Rspr.). Demnach reicht es aus, dass der Rechtsstandpunkt des Versicherungsnehmers vertretbar ist und in tatsächlicher Hinsicht zumindest die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH, Urteil vom 16.09.1987 - IVa ZR 76/86, Rn. 10; Schmitt, in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 9. Aufl., § 3a ARB 2010 Rn. 16 f.; Piontek, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., ARB 2010 § 1 Rn. 8-10, jeweils m.w.Nachw.). Wie im Rahmen der Prüfung nach § 114 ZPO bestehen hinreichende Erfolgsaussichten auch dann, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- und Tatfragen abhängt: Die Klärung solcher Fragen darf nicht in den Deckungsprozess verlagert werden (BGH, Beschluss vom 07.03.2007 - IV ZB 37/06, Rn. 7; BVerfG, Beschluss vom 22.02.2011 - 1 BvR 409/09, Rn. 25 f.).
(1) Nach diesem Maßstab fehlen die Erfolgsaussichten nicht schon deswegen, weil der Kläger nicht hinreichend zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen hätte.
(aa) Der Kläger stützt sich hauptsächlich darauf, im Fahrzeug sei ein sogenanntes Thermofenster verbaut. Dass Systeme, die die Abgasrückführung in Abhängigkeit von bestimmten Parametern, insbesondere der Temperatur, allmählich reduzieren, unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne der Art. 3 Nr. 10; 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstellen können, ist und war bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife höchstrichterlich geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19, Rn. 16-18). Fraglich - und auch im vorliegenden Fall umstritten - war allerdings, welche Anforderungen an den Klägervortrag zu stellen waren, um eine Beweiserhebung zu veranlassen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Substantiierungsanforderungen an die Darlegung des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Dieselmotor nicht überspannt werden dürfen. Ein Sachvortrag ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Weiter ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist (BGH, Beschluss vom 28.01.2020 - VIII ZR 57/19, Rn. 6ff.).
Davon kann hier angesichts der vom Kläger vorgelegten Messwerte keine Rede sein. Zwar ist zwischen den Parteien auch streitig, ob die vom Kläger vorgelegten Messwerte auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar sind. Der Vortrag des Klägers ist aber nach den oben dargestellten Maßstäben so substantiiert, dass es nicht unwahrscheinlich erscheint, dass ein von ihm angerufenes Gericht die Frage der unzulässigen Abschalteinrichtung im Wege der Beweiserhebung klären wird. Der Kläger hat auch angekündigt, Beweis durch ein Sachverständigengutachten führen zu wollen. Das Ergebnis dieser Beweisaufnahme ist im Deckungsprozess nicht zu prognostizieren. Vielmehr bestehen nach den oben dargelegten Maßstäben hinreichende Erfolgsaussichten schon dann, wenn eine Beweisführung zumindest möglich ist. Das ist der Fall.
(bb) Ob auch hinsichtlich der übrigen Abgasmanipulationsfunktionen, namentlich Kaltstartheizen und Fahrzykluserkennung, hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, kann dahinstehen. Denn die beabsichtigte Schadensersatzklage hat - soweit das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Frage steht - bereits unter dem Gesichtspunkt des Thermofensters hinreichende Erfolgsaussicht.
(2) Es fehlt aber an hinreichendem Vortrag zu Vorsatz und Sittenwidrigkeit.
(aa) Für die Beurteilung maßgeblich ist dabei grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungsreife (Senat, Urteil vom 06.12.2016 - 12 U 106/16; OLG Stuttgart, Urteil vom 02.02.2023 - 7 U 186/22).
Soweit - wie hier - Rechtsschutz für eine sogenannte "Diesel-Klage" begehrt wird, die im Wesentlichen auf eine Haftung nach § 826 BGB und das Vorliegen eines sogenannten "Thermofensters" gestützt werden soll, ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Bewilligungsreife vor oder nach dem Beginn des Jahres 2021 eingetreten ist. Bis Ende 2020 war die Rechtslage insbesondere wegen der Frage der Darlegungslast zur Frage der Sittenwidrigkeit noch nicht höchstrichterlich geklärt, so dass eine Klage auch dann Erfolgsaussichten haben konnte, wenn keine besonderen Anhaltspunkte dafür vorgetragen waren, dass der Hersteller sittenwidrig gehandelt hatte (Senat, Urteil vom 06.04.2021 - 12 U 296/20, vom Kläger vorgelegt als Anlage K8). Ab Januar 2021 hat der Bundesgerichtshof die offenen Rechtsfragen aber in einer Reihe von Entscheidungen geklärt (Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19; Beschluss vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20; Urteil vom 13.07.2021 - VI ZR 128/20; Urteil vom 20.07.2021 - VI ZR 1154/20).
(bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab Januar 2021 reicht der Umstand, dass die Abgasrückführung durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs ("Thermofenster") reduziert und letztlich ganz abgeschaltet wird, für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Das gilt auch unter der Annahme, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist. Der darin liegende Gesetzesverstoß ist auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 Rn. 16).
Im Unterschied zur Motorsteuerungssoftware, die bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden (Umschaltlogik), unterscheidet die temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 Rn. 17 f.).
Bei dieser Sachlage wäre der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber dem Hersteller nur gerechtfertigt, wenn weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 Rn. 19). Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 Rn. 19).
(cc) Nach diesen Maßstäben war der Einwand der fehlenden Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife - frühestens mit der Ablehnungsentscheidung vom 19.05.2021 - begründet, weil der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen hat, die auf ein entsprechendes Vorstellungsbild bei den verantwortlichen Personen der [Herstellerin] hindeuteten. Der Vortrag des Klägers vermag im Hauptsacheprozess keine sekundäre Darlegungslast des Herstellers auszulösen; er erschöpft sich vielmehr in Spekulationen und Mutmaßungen (vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21s Rn. 16).
Insbesondere sind keine Hinweise auf wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der [Herstellerin] im Typengenehmigungsverfahren dargelegt worden, die auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des Kraftfahrtbundesamts und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 Rn. 24).
(dd) Auch der Vortrag im Stichentscheid und in der Klageschrift, wonach in der Motorsteuerung eine Abschalteinrichtung verbaut sei, die erkenne, wann sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befinde und unter diesen Voraussetzungen die Abgasreinigung optimiere, ist unsubstantiiert. Es fehlt an konkreten Ausführungen zu einer spezifisch an die Prüfstandsituation anknüpfenden Abschaltung der Abgasreinigung. Die behaupteten Diskrepanzen zwischen den Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen und im Normalbetrieb, die sich aus verschiedenen Studien ergeben hätten, sind kein Indiz für eine Manipulationssoftware. Dass die Werte im Realbetrieb diejenigen erheblich übertreffen, die im seinerzeit maßgeblichen "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) erzielt werden, ist schon angesichts der Unterschiede der Bedingungen und unabhängig von der Verwendung einer Umschaltlogik zu erwarten und stellt deshalb für sich allein keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür dar, dass der Motor zur Täuschung der zuständigen Behörde auf dem Prüfstand in einem anderen Modus als außerhalb des Prüfstands betrieben wird (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2021 - VI ZR 128/20 Rn. 23; BGH, Urteil vom 16.09.2021 - VII ZR 190/20 Rn. 25; BGH, Urteil vom 26.04.2022 - VI ZR 435/20 Rn. 15; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.09.2021 - 6 U 13/20).
Nichts Anderes gilt für den Vortrag zur Funktion des "Kaltstartheizens". Dazu behauptet der Kläger, mit dieser Funktion werde unter sehr engen Bedingungen nach Motorstart die Verbrennung so geregelt, dass Kraftstoff unverbrannt den Motor verlassen könne und erst im Abgasstrang verbrannt werde, um diesen sehr schnell auf Temperatur zu bekommen. Hintergrund sei, dass der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute NOx-Speicherkatalysator zunächst eine sehr hohe Temperatur erreichen müsse, um NOx wirksam zu filtern. Außerhalb der Prüfbedingungen sei es sehr unwahrscheinlich, dass das Fahrzeug Situationen ausgesetzt sei, die das Kaltaufheizen bei Motorstart auslösten. Auch insoweit behauptet der Kläger lediglich, dass die Abgasreinigung - wie bei dem sog. Thermofenster - unter anderen als den im Prüfstand herrschenden Bedingungen, insbesondere bei einer niedrigen oder hohen Umgebungstemperatur, nur eingeschränkt wirksam sei. Anhaltspunkte für ein vorsätzliches und sittenwidriges Verhalten sind damit nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Thermofenster nicht dargelegt (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 16.03.2022 - 4 U 82/21). Im Übrigen wird ein Bezug zum streitgegenständlichen Motor nicht hergestellt, da sich nach dem Vortrag des Klägers diese Erkenntnis auf eine Software-Analyse hinsichtlich der Motoren (...) und (...) stützt.
Auch die Behauptung des Klägers, das Ausbleiben von Warnmeldungen des OBD-System zeige, dass dieses bewusst manipuliert worden sei, um die Abschalteinrichtungen zu verschleiern, ist zur Substantiierung eines Schadenersatzanspruchs gegen die Herstellerin nicht ausreichend. Das OBD-System dient nicht der permanenten Überwachung des Schadstoffausstoßes, sondern der Funktionalität der zu überwachenden Bestandteile des Abgasrückführungssystems (BGH, Urteil vom 08.12.2021 - VIII ZR 190/19, Rn. 91; OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.05.2021 - 8 U 14/20; OLG Frankfurt, Urteil vom 07.07.2021 - 17 U 63/19). Aus dem Ausbleiben von Warnmeldungen des OBD-Systems lässt sich daher lediglich folgern, dass das System, etwa das Thermofenster, so arbeitet wie es programmiert ist. Ein Indiz für ein vorsätzliches und sittenwidriges Verhalten kann daraus nicht abgeleitet werden.
(ee) An den rechtlichen Maßstäben, die an die Haftung der Herstellerin nach § 826 BGB anzulegen sind, hat sich seit der Bewilligungsreife nichts geändert. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zu § 826 BGB nicht in Zweifel gezogen oder geändert (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 10-17). Auf die umstrittene Frage, ob eine neue Rechtsprechung zu Gunsten des Versicherungsnehmers auch nach Eintritt der Bewilligungsreife noch zu berücksichtigen ist (dafür OLG Hamm, Urteil vom 13.04.2023 - I-6 U 8/22; OLG Jena, Beschluss vom 12.05.2023 - 4 U 660/22; dagegen OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2022 - 7 U 52/22; OLG Schleswig, Beschluss vom 21.06.2022 - 16 U 53/22; unklar OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.03.2023 - 8 U 3296/228), kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an.
c. Den hauptsächlich begehrten "großen Schadensersatz" kann der Kläger auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verlangen. Die europarechtlichen Vorschriften zur Typengenehmigung von Fahrzeugen haben zwar verbraucherschützenden Charakter, sie schützen aber nicht das Interesse des Käufers, nicht an dem Vertrag festgehalten zu werden. Daher verlangt auch das Unionsrecht nicht, den Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Dabei bleibt es auch weiterhin (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 19-27).
d. Mit seinem hilfsweise zur Entscheidung gestellten Sachvortrag zielt der Kläger - wie er in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat - aber auch und insbesondere auf die Geltendmachung des "kleinen Schadensersatzes" nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ab. Mit diesem Begehren hat er Erfolg.
Den neuen Vortrag konnte der Kläger in das Berufungsverfahren im Wege der Klageänderung einbringen (aa.). In der Sache hat er damit Erfolg (bb.).
aa. Bei dem hilfsweise zur Entscheidung gestellten Vortrag handelt es sich um eine Klageänderung (1.), die in der Berufung noch zulässig war (2.).
(1.) Ob eine Klageänderung vorliegt, ist auch im Berufungsverfahren nach den Maßstäben der §§ 263, 264 ZPO zu beurteilen (Heßler, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 533 Rn. 3). Eine Klageänderung nach § 263 ZPO liegt vor, wenn der Streitgegenstand gewechselt wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die von der Klagepartei in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem die Klagepartei die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 12.03.2020 - I ZR 126/18, Rn. 25). Demzufolge setzt eine Klageänderung keine Antragsänderung voraus, sondern kann auch darin liegen, dass der Kläger bei gleichbleibendem Antrag den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt ändert (Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 263 Rn. 7).
So liegt der Fall hier. Zwar ist der Lebenssachverhalt, der der beabsichtigten Hauptsachklage zugrunde liegt, unverändert, und im Wechsel der Schadensbemessung liegt nicht ohne Weiteres auch eine Klageänderung (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.08.2023 - 8 U 271/21). Im Rahmen einer Deckungsklage ist aber nicht nur der Gegenstand der Hauptsacheklage von Bedeutung, sondern auch die zugrunde liegende Deckungsanfrage und das daraufhin durchgeführte Prüfverfahren. Aus dem Ablauf des Prüfverfahrens können sich Folgen wie der Ausschluss von Einwendungen ergeben, die den Ausgang des gerichtlichen Deckungsprozesses beeinflussen. Deshalb hat der Kläger, indem er sich - bei gleichbleibendem Antrag - hilfsweise auf die am 31.03.2023 gestellte und am 01.04.2023 abgelehnte neue Deckungsanfrage gestützt hat, nicht nur die rechtliche Begründung, sondern auch den für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Sachvortrag gewechselt.
(2.) Die Klageänderung ist nach § 533 ZPO auch zulässig.
Sie ist sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die Beurteilung der Sachdienlichkeit eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beidseitigen Interessen. Dabei ist entscheidend, ob und inwieweit die Zulassung der geänderten Klage den Streit im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt, so dass sich ein weiterer Prozess vermeiden lässt. Eine Klageänderung ist danach nicht sachdienlich, wenn ein völlig neuer Streitstoff zur Beurteilung und Entscheidung gestellt wird, ohne dass dafür das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden kann (BGH, Urteil vom 02.04.2020 - IX ZR 135/19, jiris Rn. 14; st. Rspr.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall offensichtlich erfüllt.
Die Klageänderung kann auch auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Die neue Deckungsanfrage und deren Ablehnung sind unstreitig. Unstreitiges und damit nicht beweisbedüftiges Vorbringen hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen der §§ 529, 531 ZPO zugrunde zu legen (BGH, Urteil vom 20.05.2009 - VIII ZR 247/06, Rn. 15).
(3.) Dass der Kläger auf die Deckungsablehnung vom 01.04.2023 kein Schiedsgutachten- oder Stichentscheid-Verfahren eingeleitet hat, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen.
Der Versicherungsnehmer ist durch § 17 Abs. 2 VRB 2008 nicht gezwungen, nach einer Ablehnung des Versicherers das Schiedsgutachterverfahren zu verlangen oder durchzuführen ("kann"). Durch den Verzicht darauf entfällt lediglich die Wirkung des § 17 Abs. 3 VRB 2008 und der Einwand der fehlenden Erfolgsaussichten ist insgesamt im Deckungsprozess zu klären (Piontek, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., ARB 2010 § 3a Rn. 5).
bb. Gegenüber einer Klage, mit der nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV der "kleine Schadensersatz" geltend gemacht wird, greift der Einwand der fehlenden Erfolgsaussichten nicht durch.
(1.) Insoweit hat der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-100/21 mit Urteil vom 21.03.2023 entschieden, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der einschlägigen Vorschriften in der RL 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 385/2009 der Kommission vom 7. Mai 2009 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist.
Im Anschluss daran hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26.06.2023 (VIa ZR 335/21) entschieden, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehenen Kraftfahrzeugs ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zustehen kann.
(2.) Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch hat der Kläger nach dem Maßstab des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO in hinreichender Weise dargelegt.
Wegen der Möglichkeit, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist, gelten die obigen Ausführungen. An den hierbei anzulegenden rechtlichen Maßstäben hat sich bis heute nichts geändert (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 53). Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass ein vom Kläger angerufenes Gericht auf seinen Vortrag hin die Frage der unzulässigen Abschalteinrichtung im Wege der Beweiserhebung klären wird. Das ist im Rahmen des Deckungsprozesses ausreichend.
Ein sittenwidriges oder vorsätzliches Verhalten der verantwortlichen Personen setzt eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB nicht voraus; es genügt einfache Fahrlässigkeit. Insoweit ist allerdings die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Hauptprozess zu berücksichtigen. Trifft den Gegner des Versicherungsnehmers im Hauptprozess eine sekundäre Darlegungslast, kann dies dem Einwand fehlender Erfolgsaussichten entgegenstehen (Piontek, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 1 ARB 2010 Rn. 10). So liegt der Fall hier, denn dem Geschädigten kommt eine von der objektiven Schutzgesetzverletzung ausgehende Verschuldensvermutung zu Gute. Dementsprechend muss der Fahrzeughersteller, wenn er eine Übereinstimmungsbescheinigung trotz der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegeben und dadurch § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verletzt hat, Umstände darlegen und beweisen, die sein Verhalten ausnahmsweise nicht als fahrlässig erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 59). Ob und ggf. mit welchem Vortrag sich der Hersteller gerade im vorliegenden Fall gegen die Verschuldensvermutung verteidigt, kann im Deckungsprozess nicht vorhergesehen werden. Daher kann und muss der Kläger als Versicherungsnehmer nach den Maßstäben des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu dieser Frage nicht weiter vortragen (vgl. Senat, Urteil vom 06.04.2021 - 12 U 296/20, vom Kläger vorgelegt als Anlage K8, S. 13).
Die Einwendung der Beklagten im Schriftsatz vom 21.09.2023, es habe eine "langjährige Verwaltungspraxis der Typengenehmigungsbehörden zum Thermofenster" dahingehend gegeben, dass alle Typgenehmigungsbehörden in der EU bis Ende 2015 ein Thermofenster als zulässig erachtet hätten, ändert hieran nichts. Solche allgemeinen Erwägungen genügen nicht, um den Hersteller zu entlasten. Erforderlich ist vielmehr konkreter Vortrag dazu, dass gerade die im konkreten Fahrzeug verbaute Abschalteinrichtung, ggf. in der dort aufgefundenen Kombination von Einzelelementen, geprüft wurde und unbeanstandet geblieben ist. Auch eine ungeklärte Rechtslage entlastet den Hersteller nicht ohne Weiteres (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 66-70). Die von der Beklagten zu dieser Frage auf Seite 12-14 des Schriftsatzes vom 21.09.2023 zitierte Rechtsprechung liegt großteils zeitlich vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21.03.2023 (Rechtssache C-100/21), jedenfalls aber vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2023 (VIa ZR 335/21)
(3.) Dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2023 erst nach der Ablehnung durch die Beklagte am 01.04.2023 ergangen ist, steht dem Erfolg der Klage nicht entgegen.
Zwar markiert die Ablehnungsentscheidung vom 01.04.2023 grundsätzlich den für die Prüfung der Erfolgsaussichten maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife und es ist - wie ausgeführt - zweifelhaft, ob spätere, für den Versicherungsnehmer günstige Änderungen im Deckungsprozess noch zu berücksichtigen sind. Auf diese Frage kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, weil sich die rechtliche Bewertung nicht verändert hat. Durch die vorhergehende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21.03.2023, auf die sich der Kläger in seiner Deckungsanfrage vom 31.03.2023 auch ausdrücklich bezogen hat, war die weitere Bewertung des Sachverhalts im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB vorgezeichnet. Neu war sie indessen nicht. Der Bundesgerichtshof hat sich auf die Entscheidung des Gerichtshofs gestützt (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 29-33), aber auch klargestellt, dass damit keine Änderung der Rechtsprechung verbunden war (a.a.O. Rn. 18-27). Insbesondere habe es schon bisher höchstrichterlicher Rechtsprechung entsprochen, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs in den persönlichen Schutzbereich der § 6 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 EG-FGV in Verbindung mit Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 falle (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 21).
(4.) Der Einwand der Beklagten in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 21.09.2023 (S. 15), auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2023 seien auf § 823 Abs. 2 BGB gestützte Klagen stets erfolglos geblieben, ist bereits deshalb unerheblich, weil er auf einen Zeitpunkt nach ihrer Deckungsablehnung abstellt. Eine für den Versicherungsnehmer nachteilige spätere Änderung in der Rechtsprechung ist jedenfalls nicht zu berücksichtigen (Senat, Urteil vom 06.12.2016 - 12 U 106/16). Im Übrigen ist der Einwand auch unzutreffend (z.B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.08.2023 - 8 U 271/21).
(5.) Wie oben bereits ausgeführt, kann nach § 823 Abs. 2 BGB nur der "kleine Schadensersatz" verlangt werden. Dies war im Tenor klarzustellen. Der Kläger hat seine Schadensberechnung nach den Grundsätzen vorzunehmen, die der Bundesgerichtshof hierfür aufgestellt hat.
Danach wird der Differenzschaden vom entscheidenden Gericht im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO innerhalb einer Bandbreite zwischen 5% und 15% des gezahlten Kaufpreises zu bemessen sein (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 73-79). Zudem sind später eintretende Umstände im Wege der Vorteilsausgleichung schadensmindernd zu berücksichtigen. Insbesondere sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs anzurechnen, wenn sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen. Ein Software-Update kann nur dann zu einer Schadensminderung führen, wenn es die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert, was nicht der Fall ist, wenn es seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält. Die Vorteilausgleichung kann den Differenzschaden vollständig ausgleichen, so dass im Ergebnis kein Anspruch mehr verbleibt (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 80).
Letzteres ist im vorliegenden Fall noch nicht eingetreten. In der Regel werden die Nutzungsvorteile aufgrund einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km bis 300.000 km berechnet. Erst bei einer entsprechend hohen Laufleistung ist der Differenzschaden durch die Nutzungsvorteile aufgezehrt (vgl. OLG München, Beschluss vom 30.08.2023 - 27 U 1464/23 e). Dass dieser Fall hier eingetreten sein könnte, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die Möglichkeit zwar in den Raum gestellt. Sie hat den Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2023, per 22.08.2023 habe der Kilometerstand bei 65.951 km gelegen, aber nicht bestritten. Dies ist daher der Entscheidung des Senats zugrunde zu legen.
(6.) Der Einwand der Beklagten, die Deckungszusage könne nicht zugleich für das außergerichtliche und das erstinstanzliche gerichtliche Vorgehen verlangt werden, vielmehr sei die Deckungsprüfung auf das jeweilige Stadium der - hier noch außergerichtlichen - Interessenwahrnehmung beschränkt, greift nicht durch.
Nach den von der Beklagten genannten Fundstellen beschränkt sich die Wirkung des Stichentscheides oder der Deckungszusage jeweils auf die Instanz, in der sich das Verfahren gerade befindet (z.B. Piontek, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., ARB 2010 § 3a Rn. 6; BGH, Beschluss vom 02.05.1990 - IV ZR 294/89). Mit "Instanz" ist dabei aber - wie sich aus den Fundstellen ergibt - jeweils die Instanz innerhalb des gerichtlichen Verfahrens gemeint. Eine Trennung zwischen dem vorgerichtlichen und dem erstinstanzlichen Verfahren lässt sich weder diesen noch den weiteren von der Beklagten genannten Fundstellen entnehmen.
4. Soweit das Landgericht die Beklagte verurteilt hat, den Kläger von den Kosten für den Stichentscheid vom 16.09.2021 freizustellen, hat die Berufung Erfolg.
Im Ausgangspunkt hat die Beklagte nach § 17 Abs. 2 Satz 2 VRB 2008 die Kosten für die anwaltliche Stellungnahme vom 16.09.2021 zu übernehmen. Dabei ist unerheblich, ob § 17 VRB 2008 das Schiedsgutachten- oder das Stichentscheid-Verfahren vorsieht (s.o.). Nach der insoweit eindeutigen Bestimmung in § 17 Abs. 2 Satz 2 VRB 2008 trägt der Versicherer die Kosten für die begründete Stellungnahme des Rechtsanwaltes.
Die Beklagte hat den Anspruch aber durch die Gewährung von Abwehrdeckung erfüllt.
§ 17 Abs. 2 Satz 2 VRB 2008 enthält keine Erklärung des Versicherers, die Gebührenschuld für die Erstellung eines Stichentscheids mit befreiender Wirkung für den Versicherungsnehmer zu übernehmen. Vielmehr steht es dem Versicherer grundsätzlich frei, auf welche Weise er den Kostenschuldner von der Gebührenforderung des Rechtsanwalts befreit. Er kann sich hierfür für die Gewährung von Abwehrdeckung entscheiden (BGH, Beschluss vom 12.12.2018 - IV ZR 216/17, Rn. 13-15). Soweit der Kläger in erster Instanz gerügt hat, die Abwehrdeckung sei nur bedingt erteilt worden, ist dieser Einwand nunmehr ausgeräumt: Die Beklagte hat die Abwehrdeckung hinsichtlich der Stichentscheidskosten in der Berufungsbegründung "unbedingt und uneingeschränkt" erklärt.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Kostenaufhebung bringt zum Ausdruck, dass der Kläger in Antrag Ziffer 1 nur mit seinem Hilfsbegehren Erfolg hat, mit seinem Hauptbegehren und mit Antrag Ziffer 2 dagegen scheitert. Dass der Kläger nur aufgrund seiner Klageänderung in der Berufung obsiegt, ist ihm im Rahmen der Kostenentscheidung nicht zur Last zu legen. Es ist ihm nicht vorzuwerfen, dass er erst nach Bekanntwerden der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 - dann aber unverzüglich - eine neue, auf § 823 Abs. 2 BGB gestützte Deckungsanfrage gestellt hat. Für eine Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO bleibt bei diesem Hergang kein Raum.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Anlass für die Zulassung der Revision (§ 543 As. 2 ZPO) bestand nicht.
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