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Entscheidungen

StPO

Durchsuchung, freiwillige Herausgabe der Durchsuchungsgegenstände, Verhältnismäßigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 23.10.2024 - 2 Qs 13/24

Eigener Leitsatz:

Eine Durchsuchungsmaßnahme muss aus Gründen der Verhältnismäßigkeit unterbleiben, wenn der Betroffene die im Beschluss konkret benannten Gegenstände freiwillig und vollständig herauszugeben bereit ist.


BESCHLUSS

In dem Ermittlungsverfahren
gegen

Verteidigerin:

Rechtsanwältin
wegen Vergewaltigung

ergeht am 23.10.2024

durch das Landgericht Dresden - 2. Strafkammer als Beschwerdekammer - nachfolgende Entscheidung:

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 16.03.2024 wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 rechtswidrig war.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Dresden führt gegen den Beschuldigten pp. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung.

In den frühen Morgenstunden des 16.03.2024 gegen 02:50 Uhr soll der Beschuldigte durch das Eintreten der Tür in die Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin pp. auf der pp. eingedrungen sein und im dortigen Schlafzimmer mehr als mit der Faust und dem Ellenbogen in das Gesicht von pp. geschlagen haben.

Anschließend soll er mit Gewalt die Hose von pp. ausgezogen und für etwa zehn Minuten den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durchgeführt haben.

Dabei soll er den entgegenstehenden Willen von pp. erkannt haben.

Der Beschuldigte wurde am 16.03.2024 vorläufig festgenommen und das Amtsgericht Dresden ordnete mit Beschluss vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1362/24 die Untersuchungshaft gegen ihn an.
Im Rahmen des Termins zur Haftbefehlseröffnung vor dem Amtsgericht Dresden am 16.03.2024 beantragte die Staatsanwaltschaft Dresden den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnung des Beschuldigten zum Auffinden von dessen Mobiltelefon, seiner Schuhe, von Betäubungsmitteln und von Unterlagen über die Beziehung zwischen dem Beschuldigten und pp. Der Beschuldigte erklärte daraufhin, dass die gesuchten Unterlagen ausschließlich bei pp. aufzufinden seien und er sein Mobiltelefon und seine Schuhe mit Widerspruch übergeben würde, um den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses zu vermeiden.

Das Amtsgericht Dresden ordnete daraufhin mit Beschluss vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten zum Zwecke des Auffindens des Mobiltelefons des Beschuldigten, seiner zur Tatzeit getragenen Bekleidung sowie von Unterlagen über die persönliche Beziehung zwischen dem Beschuldigten und pp. an. Im Hinblick auf die ebenfalls beantragte Durchsuchung der Wohnung nach Betäubungsmitteln sah das Amtsgericht den erforderlichen Anfangsverdacht für nicht gegeben.

Gegen diesen Beschluss legte der Beschuldigte am 16.03.2024 Beschwerde ein und widersprach zugleich der Verwertung der aufzufindenden Beweismittel.

Die Durchsuchungsanordnung vom 16.03.2024 wurde noch am selben Tag vollzogen. Der Beschwerdeführer begehrt nunmehr die Feststellung, dass die Durchsuchung rechtswidrig erfolgt sei.

Zur Begründung seiner Beschwerde wies der Beschuldigte im Wesentlichen darauf hin, dass der Durchsuchungsbeschluss und die damit einhergehende Durchsuchungsmaßnahme rechtswidrig gewesen seien, da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt worden sei. Da er bereit gewesen sei, die gesuchten Gegenstände freiwillig herauszugeben, habe eine weniger einschneidende, jedoch gleichermaßen effektive Maßnahme zur Erreichung des Durchsuchungszwecks zur Verfügung gestanden habe. Des Weiteren sei der Eindruck entstanden, dass die Durchsuchung willkürlich angeordnet worden sei, um einen zusätzlich vermuteten Verdacht des Besitzes von Betäubungsmitteln weiter aufzuklären, obwohl kein dahin-gehender Anfangsverdacht bestanden habe.

Die Staatsanwaltschaft Dresden ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, dass der Beschuldigte durch die Durchsuchungsmaßnahme jedenfalls nicht beschwert sei, da er einer Nachschau in seiner Wohnung und der Beschlagnahme der Gegenstände nicht widersprochen habe.

II.

1. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Ein Rechtsschutzinteresse für die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der hier gegenständlichen, prozessual überholten Durchsuchungsmaßnahme ist wegen des mit der Durchsuchung verbundenen Grundrechtseingriffs gegeben (BVerfG, Beschluss vom 05.07.2023 - 2 BvR 370/13, BeckOK StPO/Cirener, § 296, Rn. 12 ff.).

2. Die Beschwerde des Beschuldigten hat auch in der Sache Erfolg.

a) Gegenüber der durch Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 angeordneten Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten standen den Ermittlungsbehörden gleichermaßen geeignete, aber grundrechtsschonendere Maßnahmen zur Verfügung, weshalb die angeordnete Maßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieß und der Beschluss mithin rechtswidrig war.

Bei der Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme gemäß §§ 102, 105 Abs. 1 Satz 1 StPO muss aufgrund des damit für den Betroffenen einhergehenden intensiven Grundrechtseingriffs dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderem Maße Rechnung getragen werden (BVerfG NJW 1966, 1603 (1607)). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet daher, nahe liegende gleichermaßen geeignete grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen der Maßnahme nach § 102 StPO vorzuziehen (BVerfG NStZ-RR 2006, 110). Eine Durchsuchungsmaßnahme muss aus Gründen der Verhältnismäßigkeit daher unterbleiben, wenn der Betroffene die im Beschluss konkret benannten Gegenstände freiwillig und vollständig herauszugeben bereit ist (MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl., § 102, Rn. 31). Gleichermaßen unterbleiben muss eine Durchsuchungsmaßnahme, wenn durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie die Vernehmung von Zeugen oder die Beiziehung von Akten, der Durchsuchungszweck erreicht werden kann (BVerfG BeckRS 2005, 32877; BVerfG NJW 2009, 281 (282); OLG Dresden BeckRS 2008, 7878).

Im Haftprüfungstermin am 16.03.2024 wurde durch den Beschuldigten erklärt, dass er bereit sei, sein Mobiltelefon und die am Tattag getragene Kleidung freiwillig herauszugeben. Diese im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 konkret genannten Gegenstände hätten somit durch freiwillige Übergabe von dem Beschuldigten erlangt werden können, ohne dass es einer polizeilichen Wohnungsdurchsuchung bedurft hätte. Sachliche Erwägungen, weshalb diese weniger einschneidende Maßnahme zurückgestellt wurde, sind nicht erkennbar. Die angeordnete Maßnahme war daher im Hinblick auf die Durchsuchung zum Zwecke des Auffindens des Mobiltelefons und der am Tattag getragenen Kleidung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar.

Gleichermaßen unvereinbar mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz war die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten im Hinblick auf die Unterlagen zu der persönlichen Beziehung zwischen dem Beschuldigten und der Zeugin pp. Im Haftprüfungstermin am 16.03.2024 wurde durch den Beschuldigten diesbezüglich erklärt, dass die gesuchten Unterlagen ausschließlich bei der Zeugin pp. aufzufinden seien. In Anbetracht dieser Aussage wäre es zunächst angezeigt gewesen, den konkreten Verbleib der Unterlagen durch Einvernahme der Zeugin pp. zu erforschen bzw. die freiwillige Herausgabe zu erwirken. Weiterhin bestand von Seiten der Ermittlungsbehörde, die hier insbesondere ein Interesse am Auffinden von Unterlagen zu familienrechtlichen Streitigkeiten hatte, die Möglichkeit der Aktenanforderung beim zuständigen Familiengericht. Die Ermittlungsbehörden wären daher angehalten gewesen, sich zu bemühen, zunächst durch weniger einschneidende Maßnahmen an die relevanten Unterlagen zu gelangen und die grundrechtsintensive Maßnahme der Wohnungs-durchsuchung zumindest zurückzustellen, insbesondere auch in Anbetracht des Um-standes, dass den Unterlagen zu der persönlichen Beziehung zwischen dem Beschuldigten und hinsichtlich des Tatverdachts der Vergewaltigung nur ein mittelbarer Beweiswert zukommt.

b) Der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 ist indes nicht aufgrund eines Verstoßes gegen das allgemeine Willkürverbot rechtswidrig.

Ein Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot liegt nicht bereits bei der zweifelsfrei fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts vor, sondern erfordert, dass eine zweifelsfrei einschlägige Norm nicht angewendet wurde oder deren Inhalt in erheblicher Weise missgedeutet wurde (BeckOK GG/Kischel, Art. 3, Rn. 84).

Wenngleich das Amtsgericht Dresden bei Auslegung und Anwendung des § 102 StPO die Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verkannt hat, wurde in Ermangelung eines Anfangsverdachts wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln ein darauf gerichteter Durchsuchungsbeschluss ausdrücklich nicht erlassen. Anhaltspunkte dafür, dass der Durchsuchungsbeschluss gleichwohl zur weiteren Erforschung eines etwaigen Betäubungsmitteldelikts erlassen wurde, sind nicht ersichtlich.

3. Bei einer erfolgreichen Beschwerde trägt die Staatskasse die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, § 473, Rn. 2).


Einsender: RAin R. Dornbach, 01187 Dresden

Anmerkung:


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