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Entscheidungen

Corona

Corona, Abbildung eines Hakenkreuzes, Maske, Kritik an den Corona-Maßnahmen, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Urt. v. 30.09.2024 – 2 ORs 14/24

Leitsatz des Gerichts:

Die Veröffentlichung eines Fotos, auf welchem eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung sichtbar ist, welche mittig die Abbildung eines sogenannten Hakenkreuzes trägt, im Zusammenhang mit Kritik an den Corona-Maßnahmen erfüllt den Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB.


Im Namen des Volkes

In der Strafsache
gegen pp.

wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin aufgrund der Hauptverhandlung vom 30.09.2024, an der teilgenommen haben:

pp.

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. Januar 2024 aufgehoben.
Der Angeklagte ist des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Or-ganisationen in zwei Fällen schuldig.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch sowie die Kosten der Revision an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tier¬garten – Strafrichter – zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten mit Urteil vom 23. Januar 2024 vom Vorwurf, im Inland Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation in zwei Fällen verbreitet zu haben, „aus tatsächlichen Gründen“ freigesprochen, mit der Begründung, dass die Veröffentlichungen des Angeklagten nicht vom Tatbestand des § 86a StGB erfasst seien.

Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe hat das Amtsgericht Tiergarten festgestellt, dass der Angeklagte am 24. August 2022 um 17.51 Uhr und am 27. August 2022 um 8.47 Uhr auf seinem bei der Plattform Twitter geführten, öffentlich einsehbaren Nutzerprofil mit dem Benutzernamen @c…_f…. ein Foto veröffentlichte, auf welchem eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung sichtbar ist, wel¬che mittig die Abbildung eines sogenannten Hakenkreuzes trägt.

Der Veröffentlichung des Fotos am 24. August 2022 fügte er den folgenden Text bei: „Die #Masken sind Symbole der Ideologiekonformität. Das ist alles, was sie sind. Das waren sie schon immer. Hören Sie auf, so zu tun, als wären sie jemals etwas anderes, oder gewöhnen Sie sich daran, sie zu tragen. #MaskensindkeinmildesMittel“.

Der Veröffentlichung des Fotos am 27. August 2022 fügte er den folgenden Text bei: „,Von der Maske geht immer auch ein Signal aus‘ – K… L…, August 2022“. Darunter verlinkte er einen Artikel der „Welt“ mit dem Titel „Von der Maske geht immer auch ein Signal aus“.

Wie der Angeklagte wusste, konnte dieser Post durch einen größeren, durch persön-liche Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden. Ihm war ferner bewusst, dass es sich bei dem Hakenkreuz um ein Symbol der verbotenen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) handelt.

Die gegen den Freispruch gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügt, wird von der Generalstaatsanwaltschaft ver-treten.

II.

Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 335 Abs. 1 StPO) und fristgerecht erhobene (§ 341 StPO) Sprungrevision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Rechtsfehlerhaft hat das Amtsgericht eine Straf¬barkeit des Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidri¬ger Organisationen (§ 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB) verneint.

1. Wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wird ge¬mäß § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB bestraft, wer Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Abs. 2 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt (§ 11 Abs. 3 StGB) verwendet.

a) Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass das abgebildete Hakenkreuz ein Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation im Sinne des § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB darstellt, das der Angeklagte auf seinem öffentlich einsehbaren Twitter-Account mit seinen „Followern“ teilte und damit einer unbestimmten Vielzahl von Personen zugänglich machte (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. November 2023 – 202 StRR 88/23 –, juris).

Kennzeichen sind alle sicht- oder hörbaren Symbole, deren sich die genannten Orga-nisationen bedienen und bedient haben, um propagandistisch auf ihre politischen Ziele und die Zusammengehörigkeit ihrer Anhänger hinzuweisen (vgl. BGHSt 52, 364). Un¬ter diesen Begriff fällt das Hakenkreuz als eines der Hauptkennzeichen der National¬sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP; vgl. BGH NJW 1979, 1555).

Unter Verwenden ist jeder Gebrauch zu verstehen, der das Kennzeichen optisch oder akustisch wahrnehmbar macht. Entscheidend für die Öffentlichkeit der Verwendung ist die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zu¬sammenhängenden Personenkreis (vgl. BGH NStZ 2015, 81). Der Umstand, dass die inkriminierte Abbildung lediglich mit den „Followern“ des Angeklagten geteilt wurde, steht dem nicht entgegen, weil es sich bei diesen von vornherein nicht um einen durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis handelte, der über¬dies nicht überschaubar war (vgl. BayObLG aaO).

b) Die Verwirklichung des Tatbestandes des § 86a StGB ist entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Angeklagte die Kennzeichen in Darstellungen verwendet hat, bei denen sich bereits aus ihrem Inhalt in offenkundi¬ger und eindeutiger Weise ergibt, dass sie in einem nachdrücklich ablehnenden Sinne gebraucht werden (vgl. BVerfGK 7, 452; BGHSt 51, 244). Ein solcher Gebrauch liegt hier nicht vor.

aa) Die Vorschrift des § 86a StGB dient der Abwehr der symbolhaft durch die Verwen¬dung eines Kennzeichens ausgedrückten Wiederbelebung bestimmter verfassungs¬feindlicher Organisationen sowie der symbolhaft gekennzeichneten Wiederbelebung der von solchen Organisationen verfolgten Bestrebungen. Als abstraktes Gefähr¬dungsdelikt wehrt sie Gefahren ab, die allein mit dem äußeren Erscheinungsbild sol¬cher Kennzeichen verbunden sind, und verbannt deshalb die von diesen Organisatio¬nen verwendeten Symbole aus dem Bild des politischen Lebens (vgl. BVerfG NJW 2009, 2805 und BVerfGK 7, 452; BGHSt 52, 364; BayObLG aaO; OLG Hamm, Be¬schluss vom 27. Juni 2023 – 4 ORs 46/23 –; siehe auch EGMR, Entscheidung vom 13. März 2018 – 35285/16 – [Nix v. Germany]).

§ 86a StGB will darüber hinaus verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen – ungeachtet der damit verbunde-nen Absichten – sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden kön¬nen (vgl. BGHSt 51, 244 mwN).

bb) Die weite Fassung des Tatbestandes, der nach seinem Wortlaut – von Fällen der sogenannten Sozialadäquanzklausel nach § 86a Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 4 StGB ab-gesehen – jegliches Verwenden eines solchen Kennzeichens anspricht, würde bei wortgetreuer Auslegung auch Handlungen erfassen, die diesem Schutzzweck nicht zuwiderlaufen oder sogar in seinem Sinne wirken sollen. Dies erfordert eine Restriktion des Tatbestandes, die derartige Kennzeichenverwendungen von der Strafbarkeit nach § 86a StGB ausnimmt (vgl. BGHSt 51, 244).

Im Einzelfall kann unter bestimmten Voraussetzungen der Gebrauch eines Kennzei-chens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in of-fenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Be-kämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, dem Schutzzweck ersichtlich nicht zu¬widerlaufen und wird daher vom Tatbestand des § 86a StGB nicht erfasst. Da sich in einem derartigen Fall die ablehnende Zielrichtung bereits aus dem Aussagegehalt der Darstellung selbst ergeben muss, erstreckt sich der Tatbestandsausschluss grund¬sätzlich auf jeglichen Gebrauch der Kennzeichen. Auf die Umstände des Gebrauchs kommt es dabei zur Begründung einer Tatbestandsrestriktion nicht an. Jedoch ist eine Tatbestandsrestriktion nur dann gerechtfertigt, wenn die Gegnerschaft sich eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag. Für diese Wertung sind die gesamten Umstände der Tat zu berücksichtigen. Ist dage¬gen der Aussagegehalt einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur un¬deutlich erkennbar, ist der Schutzzweck des § 86a StGB verletzt (vgl. BGHSt 51, 244; BayObLG aaO). Die Einschränkung des Straftatbestandes in solchen Fällen trägt nicht nur dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG, sondern auch der allgemeinen Handlungsfreiheit Rechnung (vgl. BGHSt 52, 364). Zwar handelt es sich bei § 86a StGB um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Läuft jedoch ein Handeln dem Schutzzweck des § 86a StGB nicht zuwider, wäre es auch verfassungsrechtlich bedenklich, ein solches Verhalten gleichwohl zu inkriminieren und dadurch die Freiheit von Bürgern zu beschränken, die gegen die Wiederbelebung von nationalsozialistischen Bestrebungen in der Weise protestieren wollen, dass sie gerade die Kennzeichen angreifen, die eben diese unerwünschten Bestrebungen sym¬bolisieren (vgl. BVerfGK 7, 452; BGHSt 51, 244; 52, 364).

cc) Ein solcher Ausnahmefall, der eine zulässige Verwendung des verbotenen Kenn-zeichens begründen würde, liegt hier nicht vor.

(1) Die Ausführungen des Amtsgerichts Tiergarten zur Begründung einer Tatbestands¬restriktion überzeugen nicht. Danach sei ohne weiteres erkennbar, dass die Verbin¬dung zum Nationalsozialismus in einem nachdrücklich ablehnenden Sinn hergestellt werde; es sei ersichtlich, dass der Angeklagte als Verfasser den Nationalsozialismus scharf ablehne. Der Angeklagte habe – auch für seine Anhänger erkennbar – durch die Verwendung des Hakenkreuzes im Zusammenhang mit der Maske als Symbol der Corona-Maßnahmen gerade seine Ablehnung des durch das Hakenkreuz repräsen¬tierten nationalsozialistischen Totalitarismus zum Ausdruck bringen wollen, um seine Kritik an den Corona-Maßnahmen zu verdeutlichen. Damit fehle den Posts jede Eig¬nung, einer Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts oder gar ehemali¬ger nationalsozialistischer Organisationen zu dienen.

(2) Eine solche eindeutige Abkehr vom Nationalsozialismus ist aus den Posts des An¬geklagten, die dem Senat aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme des Amtsgerichts nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in den Urteilsgründen aus eigener Anschauung zu¬gänglich und damit in seine revisionsgerichtliche Prüfung einzubeziehen sind, nicht erkennbar.

Aus Sicht eines objektiven Betrachters zeigt die Fotomontage in Form einer weißen Mund-Nasen-Bedeckung mit einem weißen Hakenkreuz allenfalls indirekt eine kriti-sche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Ziel der Verwendung der Ab-bildung sollte nach den Feststellungen des Amtsgerichts die Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie sein. Durch die Verbindung des Abbildes der Mund-Nasen-Bedeckung mit dem weißen Hakenkreuz solle nach den Vorstellungen des Angeklagten darauf hingewiesen werden, dass das Handeln der Regierung an die Methoden des Nationalsozialismus erinnere und das Vorgehen der Regierung mit den Methoden des NS-Staats vergleichbar sei. Kritisiert werden damit allein die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie, nicht aber der Nationalsozialismus. Es sollen jedoch nur solche Handlungen nicht vom Tat¬bestand des § 86a StGB erfasst werden, in denen das Kennzeichen offenkundig ge¬rade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung oder der ihr zu Grunde lie¬genden Ideologie eingesetzt wird, woran es hier fehlt.

Der Vergleich von Corona-Maßnahmen, die durch die Verwendung der Mund-Nasen-Bedeckung verkörpert werden sollen, mit dem durch das Hakenkreuz symbolisierten NS-Terrorregime stellt eine Verharmlosung des Nationalsozialismus und des national¬sozialistischen Völkermordes an Millionen Juden dar, nicht aber eine Kritik daran (zu § 130 StGB vgl. BayObLG, Urteil vom 20. März 2023 – 206 StRR 1/23 –). Selbst die teilweise – nicht jedoch vom Senat (vgl. Urteil vom 13. Februar 2023 – [2] 121 Ss 140/22 [44/22] –, juris) – vertretene Auffassung, dass Gegner der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie durch entsprechende Vergleiche das durch Na¬tionalsozialisten zugefügte Unrecht gerade nicht bagatellisieren, sondern das eigene Leid lediglich im Sinne einer überzogenen Dramatisierung aufwerten wollen, führt hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn auch darin liegt keine für die Tatbestandsrest¬riktion des § 86a StGB erforderliche Abkehr vom Nationalsozialismus, die voraussetzt, dass sich – wie der Senat ausgeführt hat – die Gegnerschaft eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag.

Eine andere Beurteilung folgt ebenso wenig aus dem Zusammenhang mit den den Abbildungen jeweils beigefügten Texten. Aus den Texten ist eine Ablehnung des Na-tionalsozialismus ebenfalls nicht zu erkennen, diese beziehen sich jeweils nur auf die Maßnahme der Maskenpflicht; aus ihnen wird allein deren Ablehnung deutlich.

Auch liegt es nicht fern, dass derartige Abbildungen einer Wiederbelebung nationalso¬zialistischen Gedankenguts oder ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen dienen. Eine Maske mit einem Symbol des Nationalsozialismus erweckt bei einem ein¬sichtigen Betrachter ohne Weiteres den Eindruck, die Verwendung des Hakenkreuzes werde in der Bundesrepublik Deutschland geduldet (vgl. BGHSt 25, 133).

Da die Tatbestandsrestriktion nicht eingreift, ist der Tatbestand des § 86a StGB erfüllt. Die vorliegende Verwendung der Kennzeichnung ist gerade das, was die Vorschrift des § 86a StGB verhindern soll, denn sie soll einer Gewöhnung an bestimmte Kenn¬zeichen zuvorkommen, indem diese aus allen Kommunikationsmitteln verbannt wer¬den (sogenanntes „kommunikatives Tabu", vgl. OLG Hamm aaO). Diese Tabuisie¬rungsfunktion des Gesetzes soll nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Verwen¬dung derartiger Symbole allein deswegen für zulässig angesehen wird, weil sie in kri¬tischer Absicht erfolgt (vgl. BVerfGK 7, 452).

c) Die Veröffentlichung der Abbildung durch den Angeklagten diente auch nicht der staatsbürgerlichen Aufklärung oder der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitge-schehens oder der Geschichte oder ähnlichen sozialadäquaten Zwecken im Sinne von § 86a Abs. 3 StGB i.V.m. § 86 Abs. 4 StGB.

Eine Verhaltensweise dient der staatsbürgerlichen Aufklärung, wenn es um die Ver-mittlung von Wissen zur Anregung der politischen Willensbildung und Verantwortungs¬bereitschaft des Staatsbürgers und damit der Förderung seiner politischen Mündigkeit durch Information geht (vgl. BayObLG aaO). Eine Wissensvermittlung liegt bereits auf¬grund der bewusst auf einseitige Meinungsbeeinflussung ausgerichteten Aussage der verwendeten Abbildung nicht vor. Denn es ging dem Angeklagten gerade nicht um die (objektive) Vermittlung von Fakten zur Covid 19-Pandemie; diese gehen weder aus den veröffentlichten Bildern noch aus den jeweiligen Begleittexten hervor.

Aufgrund der fehlenden Vermittlung von Tatsachen stellt die Veröffentlichung der Ab-bildungen ebenso wenig einen Beitrag zur Berichterstattung über Vorgänge des Zeit-geschehens oder der Geschichte oder zu ähnlichen Zwecken dar. Darum ging es dem Angeklagten auch nicht, da er nach eigener Aussage vor einem aus seiner Sicht neu aufkommenden Totalitarismus warnen wollte. Eine Berichterstattung über tatsächliche Geschehnisse geht damit nicht einher.

d) Die Veröffentlichungen des Angeklagten sind auch nicht von der Kunstfreiheit ge-deckt im Sinne des § 86a Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 4 StGB.

Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob es sich bei der vom Angeklagten veröffentlichten Abbildung, auf der sich das Hakenkreuz befand, überhaupt um Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG handelt. Selbst wenn man die Abbildung als solche dem Kunstbegriff unterfallen lassen wollte, wäre jedenfalls der Angeklagte nicht vom Schutzbereich der Grundrechtsnorm erfasst; es ist nicht ersichtlich, dass dieser Schöpfer oder Urheber der Abbildung ist oder er mit deren Verbreitung betraut war.

Dem Angeklagten würde bei einer Verurteilung wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB zudem weder die Äußerung eines bestimmten Gedankeninhalts oder irgendeine Form einer (etwaigen) künstlerischen Betätigung des Werk- oder Wir¬kungsbereichs verboten, sondern es würde lediglich eine bestimmte Form der Mei¬nungsäußerung bzw. ein Teil davon sanktioniert werden (vgl. BVerfG NJW 1985, 263).

e) Das Verhalten des Angeklagten ist auch nicht vom Grundrecht der freien Meinungs¬äußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt.

Die Strafvorschrift des § 86a StGB ist ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Der mit einer Verurteilung verbundene Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts, von dem auch bildhafte Meinungsäußerungen erfasst sind, ist verfas-sungsrechtlich gerechtfertigt, da dem Grundrecht durch die teleologische Restriktion des Tatbestands in Fällen, in denen die Gegnerschaft des Handelnden zur NS-Ideolo¬gie zweifelsfrei und auf Anhieb erkennbar wird, hinreichend Rechnung getragen wird. Fehlt es – wie hier – an der Erkennbarkeit, muss das Grundrecht der Meinungsäuße¬rungsfreiheit zurücktreten (vgl. BVerfGK 7, 452; BayObLG aaO). Dies muss hier ins¬besondere auch deshalb gelten, weil der von dem Angeklagten verwandte Text isoliert betrachtet zulässig ist. Allein die gleichzeitig verwendeten Abbildungen mit dem Ha¬kenkreuz unterfallen der Strafbarkeit des § 86a StGB.

Die Veröffentlichungen des Angeklagten wären auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Satire zulässig. Ob die Veröffentlichungen als satirisch zu betrachten sind, kann letztlich dahinstehen, da es auch insoweit daran fehlt, dass aus den Veröffentlichungen des Angeklagten eine kritische Haltung zum Nationalsozialismus eindeutig und auf Anhieb ersichtlich ist (vgl. BayObLG aaO).

III.

Der Angeklagte ist somit des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Or-ganisationen in zwei Fällen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig. Der Senat durfte hier unter entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ausnahmsweise in der Schuldfrage selbst entscheiden. Die Verurteilung eines vom Tatrichter freigesproche-nen Angeklagten durch das Revisionsgericht unter Zurückverweisung zur Festsetzung der Strafe wird unter bestimmten, engen Voraussetzungen ganz überwiegend für zu¬lässig erachtet (vgl. BGH NJW 1952, 1263, 1264; BGHSt 36, 277, 282 f.; KG, Urteil vom 28. September 2000 – [4] 1 Ss 44/00 [50/00] – mwN). Dem schließt sich der Senat jedenfalls für eng begrenzte Ausnahmefälle, zu denen der vorliegende gehört, an. Denn das Amtsgericht hat hier alle entscheidungserheblichen Umstände aufgeklärt. Das angefochtene Urteil enthält rechtsfehlerfreie Feststellungen zum äußeren Tatbe¬stand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die auf dem umfassenden Geständnis des Angeklagten beruhen. Aus dem Gesamtzusam¬menhang der Urteilsgründe lassen sich auch hinreichende Feststellungen zum sub¬jektiven Tatbestand entnehmen. Auf Grundlage der amtsgerichtlichen Feststellungen schließt der Senat das Vorliegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums aus. Ein die Schuld ausschließender unvermeidbarer Verbotsirrtum liegt gemäß § 17 Satz 1 StGB vor, wenn dem Täter die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Unrechtseinsicht liegt bereits dann vor, wenn der Täter mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 3 StR 394/07 –; BayObLG, Beschluss vom 15. November 2022 – 206 StRR 289/22 –). Der Angeklagte wusste jedenfalls um das grundsätzliche Verbot der Verwendung des Hakenkreuzes in Deutschland, er irrte sich allenfalls über die Reichweite des Verbots und handelte daher mit Unrechtseinsicht.

Bei dieser Sachlage ist auszuschließen, dass dem Angeklagten Rügemöglichkeiten abgeschnitten werden und weitere für ihn günstigere Erkenntnisse auch im subjektiven Bereich getroffen werden könnten. Das Amtsgericht hat lediglich eine zu beurteilende Rechtsfrage abweichend von der dargestellten Auffassung des Senats bewertet. In diesem Ausnahmefall wäre es weder sinnvoll noch prozessökonomisch, wenn das Re¬visionsgericht wegen eines bloßen Subsumtionsfehlers eine Sache an den Tatrichter zurückverweisen müsste, dem dann nichts anderes übrigbliebe, als den Schuldspruch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts zu berichtigen (vgl. KG, Urteil vom 28. September 2000 aaO). Eines rechtlichen Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO bedurfte es nicht, weil der Schuldspruch nicht von dem Strafbefehl abweicht. Da die Verurteilung nicht durch eine vom tatrichterlichen Freispruch abwei¬chende eigene Beweiswürdigung des Revisionsgerichts erfolgt, bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG StV 1991, 545, 546).

Im Umfang der Aufhebung war die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zur Ver-handlung und Entscheidung über den Strafausspruch sowie die Kosten der Revision an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückzuverweisen. Die Fest-setzung der Strafe ist dem neuen Tatrichter zu überlassen, der sie unter Berücksichti¬gung der bestehen bleibenden bisherigen Feststellungen, die allenfalls durch neue wi¬derspruchsfreie ergänzbar sind, vorzunehmen haben wird.


Einsender: RiKG D. Neumann, Berlin

Anmerkung:


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