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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Vorführung, Pflichtverteidiger, Gebührenanspruch, Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Braunschweig, Beschl. v. 27.09.2024 - 4 Ds 210 Js 8094/24 (33/24)

Eigener Leitsatz:

Durch die Beiordnung eines Rechtsanwalts als Verteidiger für die Wahrnehmung eines Termins wird ein eigenständiges, vollumfängliches öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer seiner Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Daraus folgt, dass der Rechtsanwalt alle Gebühren eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG geltend machen kann. Das gilt auch für einen Vorführungstermin nach § 115 StPO.


4 Ds 210 Js 8094/24 (33/24)

In der Strafsache
gegen pp.

Pflichtverteidiger: pp.

wegen Diebstahls mit Waffen

wird der Erinnerung von Rechtsanwalt E. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 30.07.2024 abgeholfen.
Die aus der Landeskasse an Rechtsanwalt E. zu erstattenden Pflichtverteidigergebühren werden auf 709,24 € (Nettobetrag 596,00 € plus 113,24 € Mehrwertsteuer) festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Mit Beschluss des Amtsgerichts Burgwedel vom 13.06.2024 (68 Gs 4/24) wurde dem Beschuldigten Herr Rechtsanwalt E. für die Verkündung des Haftbefehls beigeordnet.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 04.07.2024 wurde dem Beschuldigten für das weitere Verfahren Rechtsanwalt M. aus Braunschweig als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Mit Antrag vom 14.06.2024 macht der Verteidiger für die Vertretung im Termin der Haftbefehlsverkündung vor dem Amtsgericht Burgwedel am 13.06.2024 folgende Gebühren geltend:

4101 Grundgebühr des Verteidigers
mit Zuschlag (gerichtlich bestellt oder beigeordnet) 216,00 €
4103 Terminsgebühr mit Zuschlag
(gerichtlich bestellt oder beigeordnet) 183,00 €
4107 Verfahrensgebühr für den ersten
Rechtszug vor dem Amtsgericht mit Zuschlag
(gerichtlich bestellt oder beigeordnet) 177,00 €
7002 Post- und Telekommunikationspauschale 20,00 €
Nettobetrag 596,00 €
Umsatzsteter 113,24 €
Bruttobetrag 709,24 €

Mit Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 30.07.2024 wurde die zu erstattende Pflichtverteidigervergütung auf 217,77 € (Terminsgebühr nach 4103 VV RVG) festgesetzt. Hiergegen wendet sich Rechtsanwalt E. mit seiner Erinnerung im Schriftsatz vom 01.08.2024 und beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 30.07.2024 aufzuheben und die Gebühren, wie beantragt, festzusetzen.

Die Erinnerung ist zulässig und begründet.

Dem Verteidiger stehen vorliegend auch im Rahmen einer auf die Haftbefehlsverkündung gemäß § 115 StPO beschränkten Beiordnung sowohl die Terminsgebühr Nr. 4103 VV RVG als auch die Verfahrensgebühr Nr. 4105 VV RVG und die Grundgebühr Nr. 4101 VV RVG nebst Auslagenpauschale zu.

Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG regelt die Vergütung des Verteidigers. Liegt ein Verteidigungsverhältnis vor, macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob sich die Tätigkeit insbesondere auch in den Fällen des sogenannten Terminvertreters auf die Wahrnehmung eines einzelnen Termins beschränkt. Die Beiordnung, auch für einen Termin, begründet ein eigenständiges Beiordnungsverhältnis in dessen Rahmen der Pflichtverteidiger die Verteidigung umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Eine gebührenrechtlich unterschiedliche Behandlung dieses Verteidigers gegenüber dem Hauptverteidiger ließe eine Entwertung des Instituts der Pflichtverteidigung und damit einhergehend des Rechts des Angeklagten auf eine effektive rechtsstaatliche Grundsätzen genügend Verteidigung besorgen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2010, 2 Ws 129/10 Juris, Randnr. 6; OLG München, Beschluss vom 23.10.2008 — 4 Ws 140(08) NStZ-RR 2009, 32 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Diese Grundsätze gelten vorliegend auch für die Verteidigung im Rahmen einer Haftbefehlseröffnung nach § 115 StPO. Es besteht kein sachlich gerechtfertigter Anlass, die Verteidigung im Verfahren nach § 115 StPO gebührenrechtlich anders zu beurteilen, als eine solche im Rahmen der Hauptverhandlung. Die Freiheit des Betroffenen stellt ein Grundrecht dar. Der in seinem Grundrecht durch die Haftanordnung verletzte Betroffene hat ein Recht auf effektive Verteidigung sowohl hinsichtlich des Tatvorwurfs als auch hinsichtlich der Annahme der Haftgründe (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 24.01.2024 — 3 Ws 50/23; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.07.2024 — 2 Ws 412/24).

Vorliegend war eine Erstberatung noch nicht erfolgt; daher war — unabhängig von der später erfolgten Beiordnung eines Verteidigers für das Verfahren — eine umfassende Beratung zur Verteidigungsstrategie im Rahmen der Vorführung nach § 115 StPO zwingend geboten. Es war zu entscheiden, ob der Beschuldigte sich durch eine Einlassung bereits zum frühen Zeitpunkt verteidigt und dadurch gegebenenfalls das Verfahren abkürzt oder sich eine geständige Einlassung auf die Frage einer Außervollzugsetzung des Haftbefehls auswirken kann bzw. ob andere Umstände hier geringe Tatbeute, eine Außervollzugsetzung rechtfertigen. Die gewählte Vorgehensweise kann sich gegebenenfalls bestimmend für das Verteidigungsverhalten im weiteren Verfahrensverlauf auswirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 RVG.


Einsender: RA B. Eickelberg, Großburgwedel

Anmerkung:


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