Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 25.07.2024 – 3 ORbs 126/24 – 122 SsBs 22/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Beruht das Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung auf dem Einsatz eines standardisierten Messverfahrens, kann sich die Beweisaufnahme auf ein Minimum beschränken, wenn sich dem Tatgericht im Rahmen der Amtsermittlung keine Zweifel daran aufdrängen müssen, dass das Messgerät von seinem Bedienungspersonal standardgemäß, also in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller herausgegebenen Bedienungsanleitung, verwendet worden ist.
2. Wenn nicht ausnahmsweise etwas dagegenspricht, kann davon ausgegangen werden, dass von der Polizei eingesetzte Messgeräte grundsätzlich geeicht sind und auch die Bedienungsanleitung eingehalten worden ist.
3. Liegt der Verurteilung eine Messung mit einem standardisierten Verfahren zugrunde, so muss im Regelfall nur das Messverfahren (nicht: der Gerätetyp) und ggf. der Toleranzabzug mitgeteilt werden. Nicht mitzuteilen sind hingegen regelmäßig die Umstände, welche die Standardisierung tatsächlich tragen (sog. „Prämissen“, also die Vorbedingungen oder „materiellrechtlichen Voraussetzungen“ der Standardisierung).
3 ORbs 126/24 – 122 SsBs 22/24
In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am 25. Juli 2024 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. April 2024 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.
Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
Indem die Rechtsbeschwerde im Urteil anlasslos „Feststellungen hinsichtlich der Durchführung der nach der Bedienungsanleitung vor der Inbetriebnahme erforderlichen Tests“ verlangt, überspannt sie die an eine Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu stellenden Anforderungen. Tatsächlich ist zwischen den Anforderungen an Messvorgänge (1.) und der Verpflichtung des Tatrichters, deren Einhaltung in den Urteilsgründen zu dokumentieren (2.), zu unterscheiden.
1. Die für standardisierte Messverfahren geltenden Erleichterungen bei der Abfassung des Urteils setzen voraus, dass das eingesetzte Messgerät von seinem Bedienungspersonal standardgemäß, das heißt in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller herausgegebenen Bedienungsanleitung verwendet worden ist (vgl. BGH NZV 1993, 485; Senat NStZ-RR 2022, 619). Der Tatrichter muss sich daher im Grundsatz die Überzeugung von diesen Umständen verschaffen (§ 77 Abs. 1 OWiG). Allerdings kann, wenn nicht ausnahmsweise etwas dagegenspricht, davon ausgegangen werden, „dass von der Polizei eingesetzte Messgeräte grundsätzlich geeicht sind“ (vgl. Cierniak, zfs 2012, 664). Gleiches gilt für die Einhaltung der Bedienungsanleitung (Cierniak, a.a.O.). Daraus folgt, dass sich die Beweisaufnahme auf ein Minimum beschränken kann, wenn ein als standardisiert anerkanntes Verfahren zur Geschwindigkeitsmessung angewandt worden ist und sich dem Tatgericht im Rahmen der Amtsermittlung keine Zweifel an der Richtigkeit der Messung aufdrängen müssen. Nicht auf objektive Umstände, sondern auf bloße Vermutungen gestützte Einwände des Betroffenen sind in der Regel nicht geeignet, eine vertiefte Amtsaufklärung zu veranlassen.
2. Von den nach § 77 Abs. 1 OWiG aufzuklärenden Umständen zu unterscheiden sind die Anforderungen, die sich aus §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 StPO für die Urteilsgründe ableiten. Die Ausführungen im Urteil sind nicht Selbstzweck (vgl. BGH wistra 1992, 225; 1992, 256). Weder ist der Tatrichter hier verpflichtet, alle als beweiserheblich in Betracht kommenden Umstände ausdrücklich anzuführen, noch hat er stets darzulegen, auf welchem Wege und aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel er seine Überzeugung gewonnen hat (vgl. BGH NZV 1993, 485 m. w. N.).
Liegt der Verurteilung eine Messung mit einem standardisierten Verfahren zugrunde, so muss im Regelfall sogar nur das Messverfahren (nicht: der Gerätetyp) und ggf. der Toleranzabzug mitgeteilt werden (vgl. BGH NZV 1993, 485). Nicht mitzuteilen sind hingegen regelmäßig die Umstände, welche die Standardisierung tatsächlich tragen (sog. „Prämissen“ [vgl. OLG Bamberg DAR 2016, 337; BayObLG VRR 2020, Nr. 12], also die Vorbedingungen oder „materiellrechtlichen Voraussetzungen“ [BGH NZV 1993, 485] der Standardisierung).
Haben sich keine Hinweise auf z. B. eine bedienungsanleitungswidrige Verwendung des Messgeräts ergeben, ist es unnötig, wenn das Urteil hierzu Einzelheiten wiedergibt. Müsste die Einhaltung aller Vorbedingungen positiv festgestellt werden, uferten Bußgeldurteile ohne Mehrwert aus. Ohnedies stellte sich bei dem vielstufigen Zulassungs- und Qualitätssicherungsverfahren für Messverfahren und Messgeräte die Frage, in welcher Tiefe die Vorbedingungen (z. B. Zertifizierung des Konformitätsprüfers oder Ausbildung des Eichbeamten) festgestellt und erörtert werden müssten. Vielmehr bleibt es in diesem (Regel-) Fall dabei, dass lediglich das Messverfahren und ggf. der Toleranzabzug mitzuteilen ist.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin
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