Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Urt. v. 26.08.2024 – 1 ORs 4 SRs 37/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Der Grenzwert der nicht geringen Menge liegt auch nach der Einführung des KCanG bei 7,5 Gramm THC, weil sich an der Beurteilung der Gefährlichkeit von Cannabis hinsichtlich dessen Wirkungsweise und Wirkungsintensität nichts geändert hat.
2. Bei den in § 34 Abs. 1 und 2 KCanG festgelegten Mengen handelt es sich um Freigrenzen. Werden diese überschritten, ist der gesamte Besitz strafbar und unterliegt deshalb insgesamt der Beschlagnahme und Einziehung.
3. Dem gesetzgeberischen Ziel der Entkriminalisierung beim Umgang mit Cannabis ist allerdings auf der Rechtsfolgenseite Rechnung zu tragen, weil der Schuldumfang aufgrund der begrenzten Straflosigkeit des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis geringer ist. Mengen, die ohne Überschreitung der Freigrenzen legal besessen, angebaut oder erworben worden wären, sind daher bei der Anwendung des Strafrahmens von § 34 Abs. 4 KCanG auszunehmen.
In pp.
Das Urteil des Amtsgerichts Lübeck - Schöffengericht - vom 19. April 2024 (93 Ls 713 Js 41681/21) wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Schöffenabteilung des Amtsgerichts Lübeck zurückverwiesen.-
Gründe
I.
Das Schöffengericht hat den Angeklagten wegen des unerlaubten Besitzes von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1c) KCanG schuldig gesprochen. Im Rechtsfolgenausspruch hat es auf Grundlage von § 59 StGB eine Verwarnung mit Strafvorbehalt erteilt und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 45,00 € vorbehalten.
Zur Sache hat das Schöffengericht folgende Feststellungen getroffen:
„Bei der Wohnungsdurchsuchung am 20.09.2021 verfügte der Angeklagte in seiner Wohnung pp. über sechs Cannabispflanzen. Diese Pflanzen hatte der Angeklagte einige Monate zuvor auf seinem Balkon für seinen Eigenkonsum angebaut. Die Polizeibeamten schnitten die Pflanzen, die etwa 2 Wochen vor der Ernte standen, vollständig ab. Die 1.202,40 Gramm netto Blatt- und Blütenspitzenmaterial enthielten nach der kriminaltechnischen Untersuchung bei einem durchschnittlich verfügbaren THC-Gehalt von 3,12 % insgesamt 37,5 Gramm des Wirkstoffes THC. Ferner bewahrte der Angeklagte weitere 3,92 Gramm netto Blütenspitzenmaterial in einer leeren WC-Rolle auf.“
Das Schöffengericht hat die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG abgelehnt. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes sei die Grenze der nicht geringen Menge von bisher 7,5 Gramm THC nicht mehr maßgeblich. Unter Berücksichtigung der legalisierten Besitzmengen werde der Grenzwert, der nach der Rechtsprechung zu entwickeln sei, deutlich höher liegen. Angesichts der bis zur seiner Entscheidung ergangenen Rechtsprechung und veröffentlichten Literaturbeiträge sei bei einem „lediglich“ zweifachen Überschreiten der erlaubten Besitzmenge das Vorliegen eines besonders schweren Falles zu verneinen.
Hiergegen richtet sich die Sprungrevision der Staatsanwaltschaft, mit welcher sie wegen der Nichtannahme eines besonders schweren Falles nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt hat,
das Urteil in vollem Umfang aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel beigetreten und hat sich hierbei maßgeblich auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 18., 23. und 24. April 2024 (1 StR 106/24, 5 StR 153/24 und 4 StR 50/24) sowie des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 9. April 2024 (5 Ws 19/24) bezogen. Das Amtsgericht habe das Regelbeispiel des unerlaubten Besitzes von Cannabis in „nicht geringer Menge“ gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG rechtsfehlerhaft abgelehnt. Die dortige Regelung knüpfe sowohl im Wortlaut als auch in der Zielsetzung an § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG an. Dem beabsichtigten besseren Gesundheitsschutz von Konsumenten liefe es unbeschadet der nach der gesetzlichen Neuregelung geringeren Strafwürdigkeit zuwider, die Mengengrenze nicht in Abhängigkeit von der Gefährlichkeit, also vom Wirkstoffgehalt, zu bestimmen. Die Gesetzesbegründung, mit welcher eine andere Erwartung an die Rechtsprechung dahin verknüpft gewesen sei, dass der Grenzwert zukünftig „deutlich höher liegen“ müsse, spreche nicht dagegen, mit der Rechtsprechung den Grenzwert weiterhin bei 7,5 Gramm THC anzunehmen. Die mit dem KCanG bezweckte Entkriminalisierung des Besitzes von Cannabis in Mengen von 25 bzw. 50 Gramm könne auch bei Beibehaltung des bisherigen Grenzwertes erreicht werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
Der Angeklagte beantragt,
die Revision zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 335 Abs. 1 StPO statthafte und zulässig erhobene Revision der Staatsanwaltschaft hat auch in der Sache Erfolg.
Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zwar hat das Schöffengericht den Schuldspruch zutreffend auf § 34 Abs. 1 Nr. 1 c) KCanG gestützt, soweit es auch im Rechtsfolgenausspruch den Strafrahmen dieser Vorschrift entnommen und das Vorliegen eines besonders schweren Falles nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG abgelehnt hat, ist dies aber rechtsfehlerhaft.
Im Einzelnen:
1. Der Senat folgt der bislang in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen einhelligen Auffassung, wonach auch nach der Einführung des KCanG der Grenzwert einer „nicht geringen Menge“ bei einem Wirkstoffgehalt von 7,5 Gramm THC erreicht ist.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Grundsatzentscheidung zu dieser Frage (BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24 –, juris) ausgeführt, dass weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck, die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte des § 34 KCanG Veranlassung geben, an dem Grenzwert der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm bei THC Veränderungen vorzunehmen. Konkret hat er dazu ausgeführt:
„An dem grundsätzlichen Verbot des Umgangs mit Cannabis hat der Gesetzgeber festgehalten. Hinsichtlich der Bestimmung des Grenzwerts nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG führt die Gesetzesbegründung aus, der konkrete Wert sei „abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). „Im Lichte der legalisierten Mengen [werde] man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und [werde] der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Mit der Anknüpfung an die seit Jahrzehnten ständige Rechtsprechung zur Bestimmung der nicht geringen Menge hat sich der Gesetzgeber die hierfür geltenden Maßstäbe im Ausgangspunkt zu eigen gemacht. Er hat damit im Ergebnis selbst auf die konkrete Wirkungsweise und -intensität des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol abgestellt, die sich nicht geändert haben. Soweit von einer „geänderten Risikobewertung“ (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 132) die Rede ist, sind der – nicht bindenden – Gesetzesbegründung keine tatsachenbasierten Informationen zu entnehmen, auf welche weitergehende Rückschlüsse oder gar eine Berechnung gestützt werden könnten. Es wird schon nicht klar, worauf genau sich diese geänderte Risikobewertung beziehen soll (kurzfristige Wirkweise, Nebenwirkungen, Langfristschäden, Konsumentwicklung, Vergleich zu Nachbarstaaten, gesellschaftliche Auswirkungen, Kriminalitätsentwicklung). Konkrete, allgemein anerkannte und wissenschaftlich belegte oder belegbare Prämissen benennt der Gesetzgeber nicht. Insbesondere lässt sich weder aus Gesetz noch Begründung ableiten, welche Konsum- oder Wirkstoffmenge medizinisch-toxikologisch (noch) unbedenklich sein soll. Auch den Widerspruch, der sich aus dem Regelungszweck des Gesundheitsschutzes und den ihm dienenden Vorschriften einerseits und der „geänderten Risikobewertung“ andererseits ergibt, löst die Gesetzesbegründung nicht auf. Wenngleich die Absenkung der in § 34 KCanG vorgesehenen Strafrahmen gegenüber den vormals geltenden Straftatbeständen des Betäubungsmittelgesetzes zeigt, dass der Gesetzgeber die unter Strafe gestellten Handlungen nunmehr für weniger strafwürdig hält als zuvor, ergeben sich daraus keine Folgerungen für die Frage, ab welcher Mengengrenze der Handel mit Cannabis der gegenüber dem Grundtatbestand verschärften Strafandrohung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG unterliegen soll (so auch Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24).“
Ebenso hat der 5. Strafsenat entschieden: „Der Gesetzgeber hat den seit Jahrzehnten etablierten Begriff der nicht geringen Menge, der durch die skizzierte gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung Konturierung erfahren hat und deshalb insbesondere auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit genügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2023 – 2 BvL 3/20 u.a. Rn. 107), aus dem bisherigen BtMG unverändert in das KCanG übernommen. Diese Vorgehensweise legt nahe, dass er diesem Rechtsbegriff keine andere Bedeutung unterlegen und nicht zwei inhaltlich verschiedene Begriffe der nicht geringen Menge kreieren wollte.“ (BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 –, juris).
Auch der 4. Strafsenat hält an dem bisherigen Grenzwert von 7,5 Gramm THC fest (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2024 – 4 StR 5/24 –, juris).
Der Senat schließt sich dieser Betrachtung zur nicht geringen Menge an.
2. Diese Rechtsprechung bezieht sich allerdings im Ausgangspunkt auf solche Tathandlungen, die auch nach der seit dem 1. April 2024 geltenden Gesetzeslage uneingeschränkt - wenn auch unter abgesenkten Strafrahmen gegenüber den Strafvorschriften des BtMG - strafbar sind. In Fällen, die nach der neuen Rechtslage auch straflos sein können und erst mit erreichen von gesetzlich normierten Mengen strafbewehrt sind (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KCanG) ist eine differenzierte Betrachtung geboten:
a) Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs vertritt die Auffassung, dass in diesen Fällen dem gesetzgeberischen Ziel der Entkriminalisierung dadurch Rechnung zu tragen ist, dass der legale Besitz bis zu den gesetzlich festgelegten Mengen nicht straferschwerend berücksichtigt werden darf, wenn diese insgesamt durch eine darüber hinausgehende Besitzmenge überschritten werden (BGH, Beschluss vom 30. April 2024 – 6 StR 536/23 –, juris, dort Rn. 27ff.; so auch: Patzak/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, 11. Auflage 204, § 34 KCanG Rn.23; AG Bautzen, Beschluss vom 27. Mai 2024 – 47 Gs 409/24 –, juris). Bei der Ermittlung einer nicht geringen Menge müssten hiernach also die legal besessenen Mengen bzw. Pflanzen ausgenommen werden.
b) Dem hat sich der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs angeschlossen. Danach handelt es sich bei den in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG normierten Einschränkungen zwar um Freigrenzen mit der Folge, dass bei deren Überschreiten die Handlung hinsichtlich des gesamten besessenen, angebauten oder erworbenen Cannabis strafbewehrt ist und das Cannabis als Bezugsgegenstand auch vollständig der Einziehung nach § 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB unterliegt (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2024 - 1 StR 105/24 - juris, dort Rn. 20ff.).
Für dieses Verständnis sei zunächst der Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG heranzuziehen, denn die Formulierung "mehr als" … … "besitzt", "anbaut" oder "erwirbt" bedeute lediglich, dass eine Strafbarkeit nur dann in Betracht komme, wenn die jeweils genannte Menge überschritten sei. Dass die "erlaubten" Mengen in jedem Fall aus der Strafbarkeit ausgenommen sein sollen, ergebe sich hieraus nicht. Aus der Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG folge nichts Anderes, da nach § 2 KCanG der Umgang mit Cannabis grundsätzlich verboten sei.
Auch die Systematik des Konsumcannabisgesetzes und der Wille des Gesetzgebers sprächen hierfür; insbesondere führe die Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Besitzmengen in §§ 3, 4 KCanG von dem in § 2 KCanG normierten Verbot des Umgangs mit Cannabis auszunehmen, zu keiner anderen Bewertung. Der Normgeber habe in §§ 3, 4 KCanG infolge einer „geänderten Risikobewertung" von Cannabis für Erwachsene den Besitz bestimmter Mengen zum Eigenkonsum von dem grundsätzlichen Umgangsverbot des § 2 KCanG ausgenommen (BT-Drucks. 20/8704, S. 93). Zwar teile die Gesetzesbegründung nicht mit, von welchen Erwägungen sich der Gesetzgeber bei der Festlegung der Mengen konkret habe leiten lassen. Angesichts dessen, dass das Konsumcannabisgesetz nach seiner Präambel einen verbesserten Gesundheitsschutz und die Stärkung eines "verantwortungsvolle[n] Umgang[s] mit Cannabis" (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1) zum Ziel habe, sei jedoch davon auszugehen, dass sich die festgesetzten Mengen hieran orientieren und das äußerste Maß dessen darstellen, was mit Blick auf die – auch aus der Sicht des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1) – grundsätzlich weiterhin gegebene Gefährlichkeit von Cannabis vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung noch verantwortet werden kann. Dies bedeute, dass der Gesetzgeber den gleichzeitigen Besitz größerer als in §§ 3, 4 KCanG genannter Mengen als gefährlich angesehen und daher verboten habe (vgl. dazu BT-Drucks. 20/8704, S. 131: "erst bei Überschreiten … … strafbar"). Da die Straftatbestände des § 34 KCanG der Durchsetzung der gesetzgeberischen Wertungen – mithin auch dem strikten Verbot, mehr als die in §§ 3, 4 KCanG genannten Mengen zu besitzen – dienen sollen, seien die Regelungen des § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG als Freigrenzen zu verstehen.
Allerdings sei auf der Strafzumessungsebene der geänderten Bewertung des Umgangs mit Cannabis durch den Gesetzgeber Rechnung zu tragen, denn die Wertung des Normgebers, den Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum in einem bestimmten Maß zu erlauben und damit einhergehend den Besitz, Anbau und Erwerb zum Eigenkonsum nur bei Überschreiten bestimmter Grenzen unter Strafe zu stellen, wirke sich auf den Schuldumfang aus. Die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG genannten Freigrenzen seien daher innerhalb der Straftatbestände des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG) bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO).
Auch dieser Auffassung tritt der Senat bei. Bei Überschreitung der zulässigen Gesamtmenge ist der gesamte Besitz strafbewehrt und unterliegt deshalb der Beschlagnahme und Einziehung; der Entkriminalisierung ist allein auf der Rechtsfolgenseite Rechnung zu tragen.
c) Im vorliegenden Fall bedeutet dies bei der Strafrahmenwahl, dass ausgehend von den sechs Cannabis-Pflanzen, die bei dem Angeklagten gefunden wurden, nur drei Pflanzen die Annahme einer nicht geringen Menge begründen könnten, und die drei Pflanzen, die er legal hätte besitzen dürfen, wenn er die legale Besitzmenge nicht insgesamt überschritten hätte, bei der Berechnung außer Betracht zu bleiben haben. Ist es - wie vorliegend - zu einer Gesamtbeschlagnahme gekommen, wäre daher Voraussetzung für den Nachweis einer nicht geringen Menge des illegalen Cannabis-Besitzes, dass eine sichere Tatsachengrundlage derartige Feststellungen (noch) ermöglicht. So liegt es hier. Aufgrund der konkreten tatsächlichen Feststellungen des Schöffengerichts, dass die Pflanzen „etwa 2 Wochen vor der Ernte standen“, geht der Senat davon aus, dass es sich um in Wuchs und Wirkstoffgehalt vergleichbare Cannabispflanzen gehandelt hat, diese mithin auch einen vergleichbaren Wirkstoffgehalt hatten. Bei dieser Tatsachengrundlage kann trotz der rechtmäßigen Gesamtbeschlagnahme unter Berücksichtigung der Freigrenzen im Rahmen der Strafzumessung eine nicht geringe Menge hinsichtlich des illegalen Cannabis-Besitzes festgestellt werden, denn die der Freigrenze unterliegenden Besitzmengen können bei der Berechnung der nicht geringen Menge herausgerechnet werden. Ausgehend von den Feststellungen des Amtsgerichts enthielten drei der Pflanzen, die der Angeklagte besessen hat, insgesamt 18,75 Gramm des Wirkstoffes THC, so dass die nicht geringe Menge um mehr als das Doppelte überschritten war. Selbst wenn hiervon zugunsten des Angeklagten ein Abschlag von 10 % aufgrund der nicht ganz auszuschließenden Qualitätsdivergenz der Pflanzen in Abzug gebracht würde, beliefe sich die bereinigte Wirkstoffmenge immer noch auf 16, 87 Gramm THC. (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 24. April 2024 – 4 StR 50/24 –, juris Rn. 18).
3. Das Schöffengericht hat daher seiner Entscheidung einen falschen Strafrahmen zugrunde gelegt. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil zugunsten des Angeklagten auch, weil nicht auszuschließen ist, dass eine andere Schöffenabteilung des Amtsgerichts unter Anwendung des höheren Strafrahmens des § 34 Abs. 3 KCanG nach neuer Hauptverhandlung im Rechtsfolgenausspruch auf eine höhere Strafe erkennen wird, insbesondere von einer Anwendung des § 59 StGB möglicherweise absieht. Es war daher auf das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zuungunsten des Angeklagten im tenorierten Umfang aufzuheben. Da sich allein die Strafrahmenwahl als rechtsfehlerhaft erweist, haben die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO) und können in der neuen Hauptverhandlung ggf. ergänzt werden.
Einsender:
Anmerkung:
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".