Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 09.09.2024 – 1 Ws 92/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Die Feststellung, ob eine Tat im Sinne des Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB nicht mehr strafbar ist, ist allein anhand der Urteilsfeststellungen zu treffen.
2. Steht nach den Urteilsfeststellungen die fehlende Strafbarkeit einer einer Einheitsjugendstrafe zugrundeliegenden Tat nach neuem Recht nicht fest, ist eine Neufestsetzung der Einheitsjugendstrafe nach Art. 313 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB, § 66 JGG nicht veranlasst.
In pp.
1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Jugendkammer I des Landgerichts Saarbrücken vom 25. April 2024 wird als unbegründet
verworfen.
2. Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 13. Juli 2023 in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2023 (Az.: 6 StR 505/23) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 35 Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Besitzes von Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln liegt zugrunde, dass der Verurteilte in seiner Wohnung insgesamt 61,61 Gramm Cannabis (7,94 Gramm Haschisch, 9,69 Gramm Marihuana und 43,98 Gramm Marihuana-Stängel) aufbewahrt hatte. Die Strafvollstreckung ist noch nicht eingeleitet.
Mit Beschluss vom 25. April 2024 hat die Jugendkammer I des Landgerichts Saarbrücken festgestellt, dass eine Änderung des Schuldspruchs oder eine Neufestsetzung der mit Urteil vom 13. Juli 2023 verhängten Jugendstrafe „auch nach Inkrafttreten des seit 01.04.2024 geltenden Konsumcannabisgesetz (KCanG) nicht veranlasst“ ist. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass die abgeurteilte Tat des Besitzes von 61,61 Gramm Cannabis auch unter Geltung des Konsumcannabisgesetzes weiterhin strafbar und eine Strafneufestsetzung gemäß Art. 313 Abs. 4 Satz 2 EGStGB daher nicht veranlasst sei. Im Übrigen hat die Kammer ausgeschlossen, dass sie selbst bei Entfallen des Schuldspruchs wegen Besitzes von Betäubungsmitteln für die dann verbleibenden 35 Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln auf eine insgesamt niedrigere Jugendstrafe erkennen würde.
Gegen diesen dem Verurteilten am 3. Mai 2024 zugestellten Beschluss hat dessen Verteidigerin am 10. Mai 2024 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, das Landgericht sei im Zuge der Prüfung der fortbestehenden Strafbarkeit des abgeurteilten Besitzes von Cannabis gehalten gewesen, aufzuklären, ob den 43,98 Gramm besessenen Marihuana-Stängeln anderes Material, wie etwa Pfefferminzstängel, beigemischt waren, und festzustellen, ob sich die festgestellten Besitzmengen auf getrocknetes Material bezogen, weil es bei den für eine Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis nach dem seit dem 1. April 2024 geltenden Konsumcannabisgesetz (KCanG) maßgeblichen Gewichtsgrenzen auf das Gewicht in trockenem Zustand ankomme. Die Ablehnung einer Neufestsetzung der Strafe könne auch nicht hilfsweise mit der Erwägung begründet werden, dass das Entfallen des Schuldspruchs wegen Besitzes von Betäubungsmitteln unter Berücksichtigung der verbleibenden Taten die Verhängung einer niedrigeren Strafe nicht gebiete, nachdem bereits im Revisionsverfahren der ursprüngliche Strafausspruch von fünf Jahren aufrechterhalten wurde, obwohl ein Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge lediglich als einfaches Handeltreiben eingeordnet worden sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter Hinweis darauf, dass sich die im Urteil festgestellten Gewichtsmengen der vom Verurteilten besessenen Cannabisprodukte ausweislich ergänzender Auskünfte des Landespolizeipräsidiums jeweils auf Material im getrockneten Zustand beziehen, beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß Art. 316p EGStGB i.V.m. Art. 313 Abs. 5 EGStGB und § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft und fristgerecht eingelegt (§ 311 Abs. 2 StPO).
2. In der Sache verbleibt die sofortige Beschwerde ohne Erfolg. Die Jugendammer I des Landgerichts Saarbrücken hat, da die Strafe derzeit noch nicht vollstreckt wird, als sachlich, örtlich und funktionell zuständiges Gericht des ersten Rechtszugs (zur Zuständigkeit des Tatgerichts im Erwachsenenstrafrecht vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Juni 2024 – 4 Ws 167/24 –, juris Rn. 10 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 18. Juni 2024 – 2 Ws 319/24 –, juris Rn. 9 ff.; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 25. Juni 2024 – 1 Ws 204/24 –, juris Rn. 6 ff.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 26. Juni 2024 – Ws 420/24 –, juris Rn. 11 ff.; Senatsbeschlüsse vom 2. Juli 2024 – 1 Ws 96/24 – und – 1 Ws 98-99/24 – sowie vom 11. Juli 2024 – 1 Ws 121/24 –; im Jugendstrafrecht gilt eine abweichende Zuständigkeit des Vollstreckungsleiters gemäß dem Rechtsgedanken aus § 66 Abs. 2 Satz 3 und 4 JGG allenfalls in dem Fall, in dem die Vollstreckung der Jugendstrafe bereits begonnen hat; so jedenfalls OLG Hamm, Beschluss vom 23. April 2024 – 4 OGs 10/24 –, juris Rn. 6 ff.) zu Recht davon abgesehen, den im Urteil vom 13. Juli 2023 in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2023 (Az.: 6 StR 505/23) getroffenen Schuldspruch abzuändern und die dafür verhängte Jugendstrafe von fünf Jahren neu festzusetzen.
a) Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB ordnet an, dass eine vor dem 1. April 2024 rechtskräftig verhängte Gesamtstrafe, die eine nach Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB erlassene Einzelstrafe für eine nach dem Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) und dem Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (Medizinal-Cannabisgesetz – MedCanG) nicht mehr strafbare und auch nicht mit Geldbuße bedrohte Tat und andere Einzelstrafen enthält, neu festzusetzen ist. Nach Art. 313 Abs. 4 Satz 2 EGStGB gilt dies entsprechend in Fällen, in denen ein Gericht wie hier gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 JGG gegen einen Jugendlichen wegen mehrerer Straftaten rechtskräftig eine Jugendstrafe festgesetzt hat, wenn wenigstens eine der Jugendstrafe zugrundeliegende Tat nach dem Konsumcannabis- oder Medizinal-Cannabisgesetz nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht ist.
b) Danach hat das Landgericht zu Recht davon abgesehen, den im Urteil vom 13. Juli 2023 in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2023 (Az.: 6 StR 505/23) getroffenen Schuldspruch abzuändern und die dafür verhängte Jugendstrafe von fünf Jahren neu festzusetzen.
aa) Soweit das Landgericht ausdrücklich von einer Änderung des durch Urteil vom 13. Juli 2023 in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2023 (Az.: 6 StR 505/23) rechtskräftig getroffenen Schuldspruchs abgesehen hat, bleibt dem Rechtsmittel der Erfolg bereits deshalb versagt, weil eine solche Änderung im Zuge einer Überprüfung noch nicht vollstreckter Strafen nach Art. 313 EGStGB von Rechts wegen ausgeschlossen ist. Eine Durchbrechung der Rechtskraft erlaubt das Verfahren nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 und 2 EGStGB ausschließlich im Wege der Neufestsetzung eines Ausspruchs über eine Gesamt- oder eine für mehrere Taten nach §§ 31, 66 JGG einheitlich festgesetzte Jugendstrafe. Eine die Rechtskraft durchbrechende Anpassung des Schuldspruchs ist hingegen gesetzlich nicht vorgesehen und daher auch nicht zulässig. Der Schuldspruch bleibt vielmehr von einem Straferlass unberührt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. Juni 2024 – 204 StRR 205/24 –, juris Rn. 29). Eine Regelung vergleichbar § 354a StPO, wonach das Revisionsgericht auch dann nach § 354 StPO zu verfahren hat, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung, und in dessen entsprechender Anwendung das Revisionsgericht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Schuldsprüche, die aufgrund einer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision in Rechtskraft erwachsen sind, ändern kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 4 StR 633/10 –, juris Rn. 4; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964 – 3 StR 35/64 –, juris Rn. 22), existiert für das Verfahren nach Art. 313 Abs. 4 EGStGB nicht.
bb) Auch von einer Neufestsetzung der mit Urteil vom 13. Juli 2023 verhängten Jugendstrafe hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht abgesehen, weil die im Urteil vom 13. Juli 2023 zu der seinerzeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG strafbaren Tat des Besitzes von Betäubungsmitteln getroffenen Feststellungen nicht belegen, dass die Tat nach dem Konsumcannabisgesetz und dem Medizinal-Cannabisgesetz nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht ist.
(a) Die Neufestsetzung einer rechtskräftig wegen mehrerer Straftaten gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 JGG einheitlich festgesetzten Jugendstrafe ist nach Art. 313 Abs. 4 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 316p EGStGB dann vorzunehmen, wenn eine der Jugendstrafe zugrundeliegende Tat nach neuem Recht nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht ist. Die Prüfung der Sanktionsfreiheit nach neuem Recht hat dabei ausschließlich auf Grundlage der Feststellungen des in seinem Schuldspruch rechtskräftigen Urteils zu erfolgen. Belegen diese eine Sanktionsfreiheit nach neuem Recht nicht, ist für eine Strafneufestsetzung kein Raum, ohne dass das zur Entscheidung berufene Gericht zu eigenen (ergänzenden) Feststellungen ermächtigt oder gehalten ist (offengelassen von OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. Mai 2024 – 1 ORs 24 SRs 167/24 –, juris Rn.13 für den Fall der Prüfung des Straferlasses durch das Revisionsgericht gemäß § 354a StPO i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB).
Der Begriff der Tat umschreibt nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. zum Tatbegriff des § 264 StPO: BGHSt 32, 215, 217; Tiemann in: KK-StPO, 9. Aufl., § 264 Rn. 5 ff. m.w.N.) den Lebenssachverhalt, wie er sich nach den Urteilsfeststellungen als einheitliches geschichtliches Geschehen darstellt. Dieses ist im Fall der Prüfung einer Strafneufestsetzung aufgrund rechtskräftigen Urteils bindend festgestellt. Art. 313 Abs. 4 EGStGB (hier i.V.m. Art. 316p EGStGB) erlaubt eine Durchbrechung der Urteilsrechtskraft ausschließlich hinsichtlich des Strafausspruchs, nicht aber hinsichtlich des Schuldspruchs und der ihn tragenden Feststellungen. Ein Straferlass nach Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB als Voraussetzung einer Strafneufestsetzung nach Art. 313 Abs. 4 EGStGB tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer Entscheidung der Vollstreckungsbehörde bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 – 3 StR 177/24 –, juris Rn. 10; OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. Mai 2024 – 1 ORs 24 SRs 167/24 –, juris Rn. 7 ff.; BayObLG, Beschluss vom 27. Juni 2024 – 204 StRR 205/24 –, juris Rn. 28). In dem bei Zweifeln über einen Straferlass nach Art. 313 Abs. 5 EGStGB i.V.m. § 458 StPO vorgesehenen gerichtlichen Verfahren sind inhaltliche Änderungen oder sachliche Ergänzungen des rechtskräftigen Urteils nicht zulässig (vgl. Appl in: KK-StPO, 9. Aufl., § 458 Rn. 5a). Im Verfahren der Neufestsetzung nach Art. 313 Abs. 4 EGStGB (i.V.m. § 462 Abs. 1 Satz 1 StPO) kann nichts anderes gelten. Das Verfahren hat den ausschließlichen Zweck, dem kraft Gesetzes eingetretenen Privileg des Straferlasses nach Art. 313 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 316p EGStGB auch in den Fällen tatsächliche Geltung zu verschaffen, in denen die aufgrund Sanktionsfreiheit nach neuem Recht erlassene Strafe in einer Gesamtstrafe enthalten oder die nach neuem Recht nicht mehr sanktionierte Tat Gegenstand einer gemäß §§ 31, 66 JGG einheitlich festgesetzten Jugendstrafe ist. Ein kraft Gesetzes eintretender Straferlass lässt das betroffene Strafurteil in seinem Bestand und seinem Schuldspruch unberührt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. Juni 2024 – 204 StRR 205/24 –, juris Rn. 29); er führt lediglich dazu, dass die erlassene Strafe nicht vollstreckt werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2024 – 2 StR 480/23 –, juris Rn 22). Um diesem (teilweisen) Vollstreckungshindernis auch in den Fällen Geltung zu verschaffen, in denen eine kraft Gesetzes erlassene Strafe neben anderen Einzelstrafen in einer Gesamtstrafe enthalten ist, bedarf es eines gerichtlichen Umsetzungsaktes in Form der Neufestsetzung der Strafe. Dasselbe gilt bei einer – wie hier – für mehrere Taten einheitlich festgesetzten Jugendstrafe, wenn einzelne der Taten nach neuem Recht nicht mehr strafbar sind. Anlass und Raum für eigene (ergänzende) Feststellungen des zur Entscheidung über eine Strafneufestsetzung berufenen Gerichts schafft dies nicht (offengelassen von OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. Mai 2024 – 1 ORs 24 SRs 167/24 –, juris Rn.17).
Soweit der Bundesgerichtshof in Revisionsverfahren bei nicht auszuräumenden Zweifeln über das Vorliegen der Voraussetzungen einer gemäß § 354a StPO zu berücksichtigenden Amnestie oder deren Auswirkungen auf die Frage der Strafbarkeit eine Aufhebung des Schuldspruchs und Zurückverweisung der Sache zwecks weitergehender Feststellungen durch das Tatgericht vornimmt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 411/02 –, BeckRS 2003, 341; vgl. auch Franke in: LR-StPO, 26. Aufl., § 354a Rn. 11; Knauer/Kudlich in: MüKo-StPO, 1. Aufl., § 354a Rn. 9; zur Annahme der Möglichkeit gar eigener ergänzender Feststellungen des Revisionsgerichts vgl. noch BGH, Urteil vom 27. Februar 1958 – 4 StR 472/57 –, juris (Leitsatz)), findet diese Vorgehensweise ihre rechtliche Rechtfertigung darin, dass der Schuldspruch – anders als im Verfahren nach Art. 313 Abs. 4 (i.V.m. Art. 316p) EGStGB im Fall seiner Anfechtung mit der Revision nicht in Rechtskraft erwachsen ist und die ihm zugrundeliegenden Feststellungen daher keine Bindungswirkung entfalten.
(b) Danach kann ein nach neuem Recht erlaubter Besitz von Cannabis im Fall 37 der Gründe des Urteils vom 13. Juli 2023 nicht angenommen werden.
Nach dem Konsumcannabisgesetz ist der häusliche Besitz von Cannabis für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, abweichend von der früheren Rechtslage nur bußgeld- oder strafbewehrt, wenn die besessene Menge 50 Gramm übersteigt, bei Blüten, blütennahen Blättern oder sonstigem Pflanzenmaterial der Cannabispflanze bezogen auf das Gewicht nach dem Trocknen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. b), § 36 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) KCanG).
Einen solchen erlaubten Cannabisbesitz belegen die Feststellungen des Urteils vom 13. Juli 2023 nicht. Danach bewahrte der Verurteilte am 7. Januar 2021 in seiner Wohnung 7,94 Gramm (netto) Haschisch, 9,69 Gramm Marihuana (netto) und 43,98 Gramm (netto) Marihuana-Stängel, mithin insgesamt 61,61 Gramm Cannabis auf. Dass sich die festgestellte Gewichtsmenge bei den Marihuana-Stängeln auf das Gewicht vor dem Trocknen bezieht und das Gewicht nach dem Trocknen in einem solchen Umfang reduziert war, dass die besessene Gesamtmenge an Cannabis nach dem Trocknen lediglich 59 Gramm betrug, ergibt sich aus den Urteilsgründen, auch in ihrer Gesamtschau, ebenso wenig wie die von der Verteidigung behauptete Tatsache, dass den Marihuana-Stängeln Stängel der Pfefferminzpflanze beigemischt waren. Davon auszugehen, war auch von Verfassungs wegen nicht veranlasst. Der aus dem Schuldprinzip abzuleitende Zweifelssatz bedingt in Fällen, in denen sich anhand des Urteils die Voraussetzungen einer Straflosigkeit nach neuem Recht weder bejahen noch verneinen lassen, keine Annahme eines Straferlasses zugunsten des Verurteilten und keine daran anknüpfende Strafneufestsetzung nach Art. 313 Abs. 4 Satz 1 oder 2 EGStGB. Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist ein strafverfahrensrechtlicher Satz, der zu Gunsten eines Angeklagten Anwendung findet. Im Verfahren nach Art. 313 Abs. 4 EGStGB geht es indes – vergleichbar dem strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 2 BvR 1601/94 –, juris Rn. 2) – nicht um die Verurteilung oder die Erneuerung einer Verurteilung. Vermag ein Gericht die Straffreiheit nach neuem Recht als Voraussetzung eines Straferlasses nach Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB (i.V.m. Art. 316p EGStGB) nicht festzustellen und verneint es deshalb den Anlass zu einer Strafneufestsetzung nach Art. 313 Abs. 4 EGStGB, liegt darin – ebenso wie bei Ablehnung einer Rehabilitierung (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Dezember 1999 – 2 BvR 1533/94 –, juris Rn. 99) – kein erneuter Ausspruch eines strafrechtlichen Unwerturteils, der mit dem Schuldprinzip unvereinbar wäre, soweit dieses die Zulässigkeit eines strafrechtlichen Vorwurfs an strafrechtliche Schuld i.S.v. Vorwerfbarkeit knüpft und verbietet, schuldloses Verhalten mit Strafe zu bedrohen oder zu belegen (vgl. BVerfGE 20, 323, 331).
(c) Eine Neufestsetzung der verhängten Jugendstrafe war von Rechts wegen auch nicht deshalb veranlasst, weil die Tat des Besitzes von 61,61 Gramm Cannabis nach neuem Recht mit niedrigerer Strafe (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) KCanG: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre oder Geldstrafe) bedroht ist als bisher (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe) und dieser Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts jedenfalls als Orientierungslinie auch für die Bestimmung der zurechenbaren Schuld im Jugendstrafrecht Bedeutung haben kann, weil in ihm die Bewertung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt (sog. Parallelwertung nach Erwachsenenstrafrecht; vgl. BGH, NStZ-RR 2017, 231; NStZ 2021, 372; NStZ 2022, 749; Schäfer/Sander/van Gemmeren Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 1983, 1993). Denn Art. 316p i.V.m. Art. 313 EGStGB eröffnet nicht – auch nicht in entsprechender Anwendung – die Möglichkeit, Strafen für solche Taten zu ermäßigen oder neu festzusetzen, die nach dem Betäubungsmittelgesetz verhängt wurden und nach dem Konsumcannabisgesetz weiterhin strafbar, aber mit geringerer Strafe bedroht sind als zuvor (so bereits LG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Mai 2024 – 20 StVK 228/24 –, juris Rn. 18 ff.).
(d) Im Übrigen tritt der Senat der Einschätzung des Landgerichts bei, dass eine im Wege der Neufestsetzung vorzunehmende Ermäßigung der verhängten Jugendstrafe auch dann nicht veranlasst wäre, wenn die abgeurteilte Tat des Besitzes nach neuem Recht nicht mehr strafbar wäre. Es verblieben in diesem Fall 36 Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, davon in 35 Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Diese Taten, nicht hingegen die einzelne Tat des Betäubungsmittelbesitzes, haben den Schuldgehalt des dem Verurteilten anzulastenden Unrechts nach den Ausführungen des Landgerichts im Urteil vom 13. Juli 2023 maßgeblich geprägt. Das Landgericht hat entscheidend auf die Gesamthandelsmenge, die Vielzahl der Taten und die hohe Anzahl der Weiterveräußerungshandlungen abgestellt (UA S. 35). Demnach hat sich die im Verhältnis zu den übrigen Taten den geringsten Schuldgehalt aufweisende Besitztat nicht maßgeblich auf die Bemessung der Jugendstrafe ausgewirkt, sodass ihr Entfallen eine Herabsetzung der Strafe nicht gebieten würde.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
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