Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 20.08.2024 – 5 Ws 230/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Allein der Umstand, dass das Handeltreiben mit Marihuana in nicht geringer Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG im Vergleich zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit einer geringeren Strafe bedroht ist, führt nicht zu einer nachträglichen Strafmilderung nach Art. 316p, 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB.
2. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB liegen nicht vor.
In pp.
Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
Zusatz:
Die Strafkammer hat eine Neufestsetzung der im Urteil des Landgerichts Hagen vom 22. November 2021 festgesetzten Einzel- und Gesamtstrafen zu Recht abgelehnt.
Der Anwendungsbereich des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB ist nicht eröffnet. Die mit der Einführung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) zum 1. April 2024 geschaffene Regelung des Art. 316p EGStGB sieht eine Verweisung auf Art. 313 EGStGB ausdrücklich nur für solche Fälle vor, die nach dem neuem Recht des KCanG weder strafbar noch mit Bußgeld bedroht sind. Das abgeurteilte Verhalten des Angeklagten ist dagegen auch nach der Einführung des KCanG noch strafbar (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KCanG). Allein der Umstand, dass das Handeltreiben mit Marihuana in nicht geringer Menge nach der neuen Gesetzeslage im Vergleich zu der in dem Urteil des Landgerichts Hagen noch zur Anwendung gelangten Strafvorschrift (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) mit einer geringeren Strafe bedroht ist, führt nicht zu einer nachträglichen Strafmilderung (vgl. BGH, Urt. v. 23. Mai 2024 - 5 StR 68/24 -, BeckRS 2024, 13152; OLG Jena, Beschl. v. 25. Juni 2024 - 1 Ws 204/24 -, BeckRS 2024, 16416; OLG Brandenburg Beschl. v. 21. Mai 2024 - 2 Ws 54/24 -, BeckRS 2024, 12707; LG Karlsruhe, Beschl. v. 15. Mai 2024 - 20 StVK 228/24 -, BeckRS 2024, 10817; AG Köln, Beschl. v. 16. Mai 2024 - 583 Ds 135/22 -, BeckRS 2024, 12051).
Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB liegen nicht vor. Da es sich bei den genannten Normen um Ausnahmevorschriften handelt, ist bei der Annahme einer Analogie grundsätzlich Zurückhaltung geboten, zumal diese die Abänderung rechtskräftiger Entscheidungen ermöglichen. Gemessen daran vermag der Senat eine für den Analogieschluss erforderliche planwidrige Regelunglücke weder dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, noch dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 155) zu entnehmen (so im Ergebnis auch LG Karlsruhe a.a.O.; a.A. BeckOK StGB/Seel, 62. Ed., Art. 316p EGStGB, Rn. 2). Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Einführung des KCanG keine eigenständige Amnestieregelung schaffen wollen, sondern mit dem Verweis in Art. 316p EGStGB die bereits 1974 in Kraft getretenen Regelungen des Art. 313 EGStGB zur Anwendung gebracht. Hierzu war bereits höchstrichterlich anerkannt, dass diese Regelungen keine Fälle erfassen, in denen die Strafandrohung durch das neue Gesetz lediglich gemildert wird (BGH, Urt. v. 16. August 1977 - 1 StR 390/77 -, BeckRS 1977, 233). Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des KCanG diesbezüglich von der bestehenden Rechtslage abweichen wollte. Aus einer allgemein geänderten Risikobewertung des Gesetzgebers in Bezug auf den Umgang mit Cannabis (vgl. BeckOK StGB/Seel a.a.O.) lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten.
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