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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis, Einnahme harter Drogen („Amphetamin“), Behauptung des Vertauschens/Manipulation der Blutprobe. Behauptung der unbewussten Aufnahme durch Antidepressivum

Gericht / Entscheidungsdatum: VG München, Beschl. v. 30.08.2024 – M 6 S 24.3538

Eigener Leitsatz:

Soweit gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Konsum von Amphetamin als solcher bestritten wird, setzt die erfolgreiche Behauptung einer ggf. unbewussten Drogenaufnahme voraus oder einer Vertauschung/Manipulation voraus, dass der Betroffene nachvollziehbar und in sich schlüssig einen Sachverhalt darlegt, der ein derartiges Geschehen ernsthaft möglich erscheinen lässt.


In pp.

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1978 geborene Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die sofort vollziehbare Aberkennung des Rechts von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.

Die Fahrerlaubnisbehörde erhielt über eine Mitteilung der Polizeiinspektion D. vom pp. April 2024 Kenntnis davon, dass der Antragsteller am pp. April 2024 um 15:50 Uhr einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen wurde und dabei drogentypische Auffälligkeiten zeigte. Ein Urintest sei verweigert worden.

Bei der toxikologischen Untersuchung einer dem Antragsteller am pp. April 2024 um 16:10 Uhr entnommenen Blutprobe wurde ein Amphetamin-Wert von 233 µg/l sowie ein THC-Carbonsäure-Wert von 116 µg/l festgestellt (Gutachten des pp. Labor K. vom pp. April 2024).

Mit Schreiben vom 10. Mai 2024 hörte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller zur beabsichtigten Aberkennung des Rechts von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen an und wies darauf hin, dass bereits der nachgewiesene einmalige Konsum von „harten Drogen“ wie Amphetamin – unabhängig von einer Verkehrsteilnahme und der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration – die Fahreignung entfallen lasse, sodass die Aberkennung des Rechts von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen ausgesprochen werden müsse.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2024, zugestellt am 11. Juni 2024, erkannte die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller das Recht von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen ab (Nr. 1 des Bescheids), verpflichtete ihn dazu, seinen Führerschein spätestens sieben Tage ab Zustellung des Bescheids bei der Behörde zur Eintragung eines Vermerks vorzulegen (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 3), drohte für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage des Führerscheins ein Zwangsgeld von EUR 500 an (Nr. 4) und entschied über die Kosten (Nrn. 5).

Zur Begründung führte die Fahrerlaubnisbehörde im Wesentlichen aus, der Antragsteller sei infolge seines Amphetaminkonsums gem. § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Der Konsum stehe aufgrund des Gutachtens vom pp. April 2024 fest. Eine Wiedererlangung der Fahreignung komme nicht in Betracht. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass der Antragsteller nachweislich harte Drogen konsumiert habe, sodass zu befürchten sei, dass dieser eventuell erneut unter Einfluss von Betäubungsmittel am Straßenverkehr teilnehmen und damit Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und sich selbst gefährden werde.

Mit beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 17. Juni 2024 eingegangen Schriftsatz erhob der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage gegen diesen Bescheid (M 6 K 24.3536) und beantragte gleichzeitig,

die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid erhobenen Klage hinsichtlich der Ziffern 1. und 2. des Bescheids wiederherzustellen.

Zur Begründung wurden im Wesentlichen vorgetragen die Verkehrskontrolle sei nicht ordnungsgemäß und unvoreingenommen durchgeführt worden. Die Probe sei manipuliert/vertauscht worden. Der Antragsteller nehme das Antidepressivum Trimipramin, aber kein Amphetamin ein. Eine eidesstattliche Versicherung werde nachgereicht.
Randnummer10

Der Antragsgegner legte die Akte in elektronischer Form vor, eine Antragstellung unterblieb.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2024 forderte die Fahrerlaubnisbehörde das . Labor K. auf, eine Stellungnahme zur Möglichkeit des Vertauschens von Blutproben abzugeben. In deren Stellungnahme wurde ein Vertauschen aufgrund des „4-Augen-Prinzips“ ausgeschlossen.

Mit Beschluss vom 8. August 2024 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte in diesem sowie im Verfahren M 6 K 24.3536 verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 31. Mai 2024 war nicht wiederherzustellen. Die Aberkennung des Rechts des Antragstellers von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.

1. Einwendungen gegen die formellen Anforderungen an die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 3 VwGO) wurden weder vorgebracht noch sind solche ersichtlich. Die Sicherheitsrecht vollziehende Behörde hat ausführlich dargelegt, warum sie im konkreten Einzelfall des Antragstellers im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit vor den Gefährdungen durch ungeeignete Kraftfahrer die sofortige Vollziehung anordnete.

2. Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Klage und Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung, die aber entfällt, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft eine originäre Ermessensentscheidung und hat abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs – hier der Klage – zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 31. Mai 2024 enthaltene Aberkennung des Rechts von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen Antragstellers nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend, da hier direkt Klage erhoben wurde. Die Aberkennung des Rechts vom Gebrauch einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworbenen Fahrerlaubnis aufgrund der Nichteignung des Führerscheininhabers unterliegt den gleichen gesetzlichen Anforderungen wie der Entzug der deutschen Fahrerlaubnis, § 3 Abs. 1 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).

Die Fahrerlaubnisbehörde durfte zurecht von der Nichteignung des Antragstellers ausgehen. Das Gericht verweist auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, denen es im Ergebnis folgt und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu Eigen (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend und im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers wird ausgeführt:

2.1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist in der Regel ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnimmt – unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen waren (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069). Amphetamin stellt ein solches Betäubungsmittel nach § 1 Abs. 1 BtMG dar. Die Fahrerlaubnisbehörde hat sowohl die den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen zutreffend angegeben als auch im Ergebnis richtig festgestellt, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen war, weil er aufgrund des durch Gutachten des . Labors K. vom . April 2024 nachgewiesenen Konsums von Amphetamin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. In deren abschließenden Beurteilung wird festgehalten, dass der Nachweis von Amphetamin beweisend für einen kürzlich erfolgten Amphetamin-Abusus ist.

2.2. Soweit der Antragsteller den Konsum von Amphetamin als solchen bestreitet, so setzt die erfolgreiche Behauptung einer ggf. unbewussten Drogenaufnahme voraus oder einer Vertauschung/Manipulation voraus, dass der Betroffene nachvollziehbar und in sich schlüssig einen Sachverhalt darlegt, der ein derartiges Geschehen ernsthaft möglich erscheinen lässt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 28.02.2024 – 11 CS 23.1387, BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292, BayVGH, B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308; OVG NRW, B. v. 6.3.2013 – 16 B 1378/12 –, juris, Rn. 4 f.). Daran fehlt es hier. Das alleinige Bestreiten des Konsums – wobei der Antragsteller hier sogar die angekündigte eidesstaatliche Versicherung schuldig bleibt – und der möglichen Erklärung des Antragstellers, dass es zu einer Vertauschung/Manipulation der Probe gekommen sei oder hilfsweise, dass er ein Antidepressivum nehme, reicht jedenfalls nicht aus.

Es fehlt bereits an nachvollziehbaren Angaben zu einer Vertauschung/Manipulation der Proben. Die schwerwiegenden und möglicherweise strafrechtlich relevanten Mutmaßungen, der Polizist sei mit den Proben alleine gewesen und könnte diese vertauscht haben, sind äußerst vage und werden jedenfalls durch die in der Akte befindliche ergänzende Stellungnahme des pp. Labors K. vom pp. Juni 2024 („4-Augen-Prinzip“) sowie der Stellungnahme der PI D. vom pp. Juni 2024 entkräftet. Zudem ist weder ersichtlich noch im Ansatz plausibel vorgetragen wie ein mit Amphetamin kontaminiertes Blut in dieser Situation in das Probenröhrchen des Antragstellers gelangt sein soll. Der Vortrag ist somit als bloße Schutzbehauptung zu werten. Ebenso die völlig unsubstantiiert gebliebene Einlassung des Antragstellers, er nehme ein Antidepressivum. Wie dies überhaupt und zu einem solchen Amphetaminwert führen soll, ist nicht im Ansatz dargelegt. Auch insoweit ist der Vortrag als weitere Schutzbehauptung zu werten, sodass sich das Gericht – insbesondere in einem Verfahren des einstweilen Rechtsschutzes – nicht veranlasst sieht, dieser Behauptung näher entgegenzutreten. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, eine DNA-Analyse mit der Rückstellprobe zu veranlassen und diese im Hauptsacheverfahren vorzulegen. Warum dies von Seiten des Antragstellers zur Untermauerung seiner Vorwürfe nicht längst vorgenommen wurde, ist nicht nachvollziehbar.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt geht das Gericht von einem Amphetamin-Konsum aus, der zum Verlust der Fahreignung führte.

2.3. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalls nach Nummer 3 der Vorbemerkung zur Anlage 4 FeV sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Der Antragsteller hat seine Fahreignung zum maßgeblichen Zeitpunkt auch nicht wiedererlangt. Die Wiedererlangung setzt neben einer durch entsprechende Nachweise belegte substantiierte Abstinenzbehauptung voraus, dass die Abstinenz auf einem motivational gefestigtem Verhaltens- und Einstellungswandel des Betroffenen beruht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2018 – 11 CS 18.2351; BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 11 CS 18.460 – juris; BayVGH, B.v. 30.8.2016 – 11 CS 16.1542 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 11 CS 16.2561 – juris). Weder konnten entsprechende Nachweise über einen ausreichenden Zeitraum vorgelegt werden, noch kommt bei der Einlassung des Antragstellers, er habe kein Amphetamin konsumiert, überhaupt ein solcher Einstellungswandel in Betracht.

2.4. Angesichts der mangelnden Erfolgsaussichten der Klage und der Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Personen hat es bei der sofortigen Vollziehung der Aberkennung zu verbleiben und müssen die beruflichen und privaten Interessen des Antragstellers am Erhalt der Fahrerlaubnis zurücktreten.

3. Somit ist auch die – auf die Aberkennung gestützte – Anordnung zur Vorlage des Führerscheins in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG - i.V.m. den Empfehlungen Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl 2019, Anhang § 164 Rn. 14).


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