Gericht / Entscheidungsdatum: LG Münster, Beschl. v. 15.08.2024 – 115 O 144/23
Leitsatz:
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufzuheben, wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat.
Beschluss
In dem Rechtsstreit pp.
Der Beschluss der Kammer vom 30.10.2023, mit dem dem Kläger Prozesskostenhilfe für seinen mit Schriftsatz vom 08.02.2024 gestellten Klageantrag bewilligt worden ist, wird aufgehoben.
Gründe:
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe war nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufzuheben, da der Kläger durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat.
Hierzu war der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.08.2024 auch bereits angehört worden, während die Anhörung dabei nicht gesondert in das Terminsprotokoll aufgenommen worden ist.
Die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfordert, dass die Partei in ihrem Antrag nach § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO oder in einem in Bezug genommenen sonstigen Vortrag das Streitverhältnis unrichtig dargestellt hat. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine das Streitverhältnis betreffende Tatsache von der Prozesskostenhilfepartei entgegen der sie treffenden Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) falsch dargestellt, nicht richtiggestellt oder verschwiegen worden ist, so dass das Gericht sie nicht erkannt und bei seiner Entscheidung im Hinblick auf die hinreichende Erfolgsaussicht und die fehlende Mutwilligkeit (§ 114 ZPO) deshalb nicht berücksichtigt hat. Falsch kann eine Darstellung schließlich auch deshalb sein, weil sie unvollständig ist. Die klagende Prozesskostenhilfepartei muss deshalb auch diejenigen Tatsachen vortragen, aus denen sich die möglichen, insbesondere die schon vorprozessual geltend gemachten Einwendungen und Einreden des Beklagten ergeben (vgl. BeckOK, § 124 ZPO, Rn. 10 m.w.N.).
Weiter muss die Prozesskostenhilfepartei das Streitverhältnis auch jedenfalls bedingt vorsätzlich falsch dargestellt haben. Dies ist der Fall, wenn die Partei zumindest damit gerechnet hat, bei wahrheitsgemäßem und vollständigem Vortrag keine oder nur teilweise Prozesskostenhilfe zu erhalten (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.1999, 2 W 69/99, BeckRS 1999, 7804).
So liegt es hier.
Der Kläger hat vorliegend arglistig falsche Angaben zur Behebung der vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall eingetretenen Vorschäden gemacht, was zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten wegen arglistiger Obliegenheitsverletzung nach E.1.1.3, E.2.1 AKB i.V.m. § 28 Abs. 2 VVG führt.
Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils der Kammer vom 01.08.2024.
Ob die unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kausal gewesen sein muss (so MüKo, § 124 ZPO, Rn. 8; BeckOK, § 124 ZPO, Rn. 14) oder dies wegen des Sanktionscharakters der Vorschrift nicht erforderlich ist (BGH, Beschl. v. 10. 10. 2012, IV ZB 16/12, NJW 2013,68), bedurfte vorliegend keiner Entscheidung. Denn jedenfalls hat sich die Falschangabe des Klägers hier kausal ausgewirkt. Hätte der Kläger hier bereits im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens eingeräumt, dass der Vorschaden am rechten Stoßfänger entgegen seiner mit Schreiben an die Beklagte vom 02.02.2023 getätigten Äußerungen vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall tatsächlich noch nicht repariert worden war, sodass damit ein Altschaden weiterhin bestand, wäre dem Kläger die begehrte Prozesskostenhilfe wegen dieser Aufklärungspflichtverletzung zu versagen gewesen.
Münster, 15.08.2024
15. Zivilkammer
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