Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bremen, Beschl. v. 21.08.2024 – 3 U 46/23
Eigener Leitsatz:
Eine Klausel in einer als Nebenprodukt eines Kreditkartenvertrages abgeschlossenen Reisekrankenversicherung, wonach der Versicherungsschutz davon abhängt, dass die Reise unter Verwendung der Kreditkarte bezahlt wurde, ist weder intransparent noch überraschend.
In pp.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bremen – 8. Zivilkammer - vom 22.09.2023 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 13.09.2024 schriftsätzlich Stellung zu nehmen (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen von der Beklagten aus einer Auslandsreisekrankenversicherung, die mit einem Kreditkartenvertrag des Klägers verbunden ist.
Der Kläger ist Inhaber einer sogenannten „Platinum Card“ des Kreditkartenunternehmens A. und versicherte Person aus einem zwischen dem Kreditkartenunternehmen und der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrag. Nach den Versicherungsbedingungen der „A. Platinum Card“ wird Versicherungsschutz aus einer Auslandsreise-Krankenversicherung ausweislich der Überschrift in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen („AVB“) zum Abschnitt III nur in Verbindung mit einem Karteneinsatz gewährt und nur für die Dauer von max. 120 Tagen je Reise.
In den AVB ist in Abschnitt 10 folgendes geregelt:
„Reise“ bedeutet:
Eine mit Ihrer A. Platinum Card gezahlte Reise außerhalb ihres Heimatlandes oder eine mit ihrer A. Platinum Card bezahlte Reise innerhalb ihres Heimatlandes, die einen Flug oder mindestens eine zuvor gebuchte Übernachtung außerhalb ihres Heims einschließt.
„Sie/Ihr/Ihrer“ bedeutet:
Alle A. Platinum Card Inhaber und deren Familien sowie deren Zusatzkarteninhaber und deren Familien.
„Familie“ bedeutet:
Ihr Partner/Gatte, verheiratet oder unverheiratet, an der gleichen Adresse wie Sie gemeldet, und Kinder unter 25 Jahren, die rechtlich von ihnen abhängig sind, einschließlich Stiefkinder, Pflegekinder oder Adoptivkinder.“
In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist der Auslandsreise-Krankenversicherungsschutz ab Seite 13 bis Seite 15 (Bl. 26 bis Bl. 27, jeweils Vorderseite, der Akte) geregelt. Der Abschnitt ist wie folgt überschrieben und eingeleitet:
„III. Platinum Card Reise-Versicherungsleistungen
- Gültig nur mit Karteneinsatz, bis 120 Tage je Reise -
Auslandsreise-Krankenversicherung
- gültig nur mit Karteneinsatz, bis 120 Tage je Reise-
Versicherer ist IPA (siehe Seite 3)
Alle Platinum Card Inhaber einschließlich der Zusatzkarteninhaber und ihrer Familien müssen während der mit Ihrer A. Platinum Card gezahlten Reise unter 80 Jahre sein, um ärztliche Hilfe und Kostenersatz zu erhalten (…)“
Der Kläger, der gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem minderjährigen Kind von Deutschland aus eine Flugreise in die USA über Bremen, München, Denver, San Diego, San Francisco am 27. Juli 2021 sowie zurück von San Diego über Francisco, München nach Bremen am 24. und 25. August 2021 antrat, buchte hierfür seinen eigenen Flug über seine A. Platinum Card separat.
Die Flüge für die gleichzeitig mitreisenden Familienangehörigen, die Ehefrau des Klägers und das minderjährige Kind, wurden nicht unter Verwendung der klägerischen Kreditkarte, sondern jener seiner Ehefrau bezahlt.
Während der Reise erkrankte die Ehefrau des Klägers plötzlich und schwer und musste mit akuten heftigen Bauchschmerzen stationär in ein Krankenhaus aufgenommen werden, wo noch gleichentags operativ eine Gallenblasen-Entfernung durchgeführt wurde. Für die Behandlung stellte der Krankenhausträger der Ehefrau des Klägers einen Betrag von 31.992,52 US-Dollar in Rechnung, welchen der Kläger und seine Ehefrau (zunächst) aus eigenen Mitteln beglichen. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass irgendwelche Reiseleistungen für die Ehefrau des Klägers mit der Kreditkarte des Klägers bezahlt wurden.
Nachdem der Kläger nach Rückkehr von der Reise die (zunächst) vorgestreckten Behandlungskosten bei der früheren Beklagten, der A. A. Deutschland GmbH, eingereicht hatte, lehnte diese eine Leistung mit der Begründung ab, ein Versicherungsfall nach den insoweit maßgeblichen Bedingungen läge nicht vor, die Behandlungskosten der Ehefrau des Klägers seien nicht vom Versicherungsschutz umfasst.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht Bremen, 8. Zivilkammer, hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, es liege kein bedingungsgemäßer Versicherungsfall vor. Zwar ergebe sich dies noch nicht mit aller Deutlichkeit aus den allgemeinen auf unterschiedliche Versicherungsleistungen verschiedener Sparten anwendbaren Bestimmungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten auf Seite 7 (Bl. 23 der Akte). Bei einigermaßen sinnvoller Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen könne man nicht ernsthaft den Eindruck gewinnen, auch ohne einen Kreditkarteneinsatz bei der Buchung der eigenen Reise aufgrund eines bloßen Angehörigenstatus zum Kreditkarteninhaber bestünde Versicherungsschutz.
Auf die Entscheidungsgründe wird ergänzend verwiesen.
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten, rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Das Landgericht habe die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen komplett außer Acht gelassen und stattdessen einen etwas wirr erscheinenden Auslegungsversuch unternommen, dessen Maßstab es scheinbar sei, nicht zu einem „vollkommen absurden Auslegungsergebnis“ zu kommen. Dabei sei es sicherlich kein vollkommen absurdes Auslegungsergebnis, wenn der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für seine mitreisenden Angehörigen erwarte, wenn er seine Reise mit der Kreditkarte zahle, wenn auch nicht die gesamten Reisekosten. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen müssten dem Versicherungsnehmer hinreichend verdeutlichen, dass eine Versicherungsleistung ausgeschlossen sei, wenn nicht die gesamte Reise mit der Kreditkarte bezahlt werde. Dass der Kläger sämtliche Teile der Reise oder sämtliche Flüge, auch die seiner Familienangehörigen, mit seiner A.Platinum Card bezahlen müsse, sei dem Wortlaut der Klauseln nicht zu entnehmen, insbesondere wenn die Familie ohne weitere Voraussetzungen als der Zahlung der einen Flug enthaltenden Reise mit der A. Platinum Card in den Versicherungsschutz einbezogen sei.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II.
Der Senat ist einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung offensichtlich unbegründet ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung durch Urteil unter Zulassung der Revision ist auch nicht gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Schließlich ist auch eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zurecht insgesamt abgewiesen. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Ein Deckungsanspruch des Klägers aus dem zwischen dem Kreditkarteninstitut und der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag besteht nicht, da es bereits – wie es das Landgericht festgestellt hat - am Vorliegen eines Versicherungsfalles fehlt.
Unter I. auf Seite 9 der Versicherungsbedingungen ist Reise unter der Überschrift „Allgemeine Definitionen für Reise-Versicherungen“ wie folgt definiert:
„Reise“ bedeutet: Eine mit Ihrer A. Plantinum Card gezahlte Reise außerhalb Ihres Heimatlandes oder eine mit Ihrer A. Plantinum Card gezahlte Reise innerhalb Ihres Heimatlandes, die einen Flug oder mindestens eine zuvor gebuchte Übernachtung außerhalb Ihres Heims einschließt.“
Nach den A. Plantinum Card Versicherungsbedingungen (Anlage B1, Bl. 20 ff. d.A.) Ziffer III. Nr. 1 1.1 besteht u.a. folgende Leistung des (Gruppen-) Versicherungsvertrages: „Notwendige medizinische, chirurgische und Krankenhauskosten, die sich daraus ergeben, dass Sie während Ihrer Reise krank oder verletzt werden.“
Der so definierte Versicherungsfall liegt nicht vor. In der Person des Klägers fehlt es an einer Erkrankung oder Verletzung. In der Person der Ehefrau des Klägers lag zwar eine Erkrankung vor, aber diese trat nicht während einer bedingungsgemäßen Reise auf, da die Reise der Ehefrau unstreitig nicht mit der A. Plantinum Card des Klägers bezahlt worden ist.
Die Bedingungen zur Definition des Versicherungsfalles sind gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2014 – IV ZR 422/12, NJW 2014, 2038, Rn. 34). Sie sind auch weder intransparent i.S.v. § 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2 BGB noch überraschend nach § 305c Abs. 1 BGB.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Liegt – wie hier – ein Gruppenversicherungsvertrag vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – IV ZR 289/13, VersR 2015, 318 Rn. 22 m.w.N.; BGH, Urteil vom 10. Juli 2024 – IV ZR 129/23, BeckRS 2024, 19898 Rn. 15, beck-online). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, NJW 2022, 872 = VersR 2022, 312 Rn. 10; stRspr).
Auf der Grundlage dieses Maßstabs legen die zitierten Klauseln die von der Beklagten geschuldete Leistung fest. Danach soll ein Versicherungsfall nur vorliegen, wenn die Reise (-Leistung) unter Verwendung der Kreditkarte bezahlt wurde. Diese Einschränkung ist weder überraschend noch intransparent. Ersteres wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn die Bezahlung der Reise mit einer Kreditkarte Bestandteil der Bedingungen eines direkten Versicherungsvertrages ohne Kreditkartenzusammenhang wäre. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Es handelt sich bei der hier in Rede stehenden Reisekrankenversicherung um ein Nebenprodukt eines Kreditkartenvertrages. Die angebotenen Versicherungsleistungen sollen (auch) einen Anreiz zur Verwendung der Kreditkarte darstellen. Die Versicherungsbedingungen benennen daher Versicherungsleistungen mit und ohne Karteneinsatz. Für die hier in Rede stehende Reisekrankenversicherung ist der so genannte Karteneinsatz mehrfach als Voraussetzung in den Versicherungsbedingungen genannt und andererseits klar unter I. auf Seite 9 der Versicherungsbedingungen definiert.
Ein anderes Verständnis der Versicherungsbedingungen wird dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie nicht gerecht. Danach ist es den Vertragsparteien – vorbehaltlich einer Abweichung von gesetzlichen Regelungen – freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen (vgl. BGH, NJW 2001, 1132 unter A II 1 a Rn. 20; BGH NJW 2018, 534, Rn. 15). Dies gilt auch für den vom Versicherer gewährten Versicherungsschutz und damit ebenfalls für die versicherten Ereignisse. Hier ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar, dass die Beklagte nicht schon bei jeder Reise, sondern nur bei einer Reise, die mit der Kreditkarte bezahlt wurde, (Kranken-) Versicherungsschutz gewährt. Dass bereits die Teilnahme an einer bedingungsgemäßen Reise (hier nur die Reise des Klägers selbst) einen Versicherungsschutz für die Teilnehmer, hier die Ehefrau, begründen soll, lässt sich den Bedingungen nicht entnehmen.
Fehlt es somit am Vorliegen eines Versicherungsfalles, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, ob die Ehefrau des Klägers versicherte Person nach den Versicherungsbedingungen ist. Ebenso kann die Frage dahingestellt bleiben, ob etwaige Leistungsansprüche auch deswegen ausgeschlossen sind, da es sich jedenfalls nicht um Kosten handelt, die vom Arzt des Assistance-Service-Erbringers genehmigt worden sind (vgl. Ziffer III, 2., Nr. 2.1 der Versicherungsbedingungen). Insgesamt hat das Landgericht die Klage daher zurecht vollständig als unbegründet abgewiesen.
III.
Die Berufung hat nach allem keine Aussicht auf Erfolg, weshalb der Kläger für sich prüfen möge, das Rechtsmittel innerhalb der im Tenor genannten Frist zurückzunehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren gespart werden können (Nr. 1222 KV GKG, Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0).
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