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Entscheidungen

StPO

Durchsuchung, Geldwäscheverdacht, doppelter Anfangsverdacht,

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.7.2024 – 13 Qs 19/24

Leitsatz des Gerichts:

Auch hinsichtlich der seit dem 18.3.2021 geltenden Fassung des § 261 StGB erfordert eine Durchsuchungsanordnung wegen Geldwäsche einen Anfangsverdacht nicht nur hinsichtlich der Geldwäschehandlung, sondern auch in Bezug auf die Vortat (sog. „doppelter Anfangsverdacht“).


In pp.

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 27.10.2023, Az.: 7 Gs 743/23, rechtswidrig war und den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschuldigten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche.

Am 24.08.2022 meldete die pp. auffällige und ungewöhnliche Vorgänge auf dem Konto des Beschuldigten mit der IBAN DE pp. Dort gingen seit der Kontoeröffnung am 30.07.2022 und der Kündigung durch die Bank am 25.08.2022 eine Vielzahl von Überweisungsgutschriften von Privatpersonen ein, welche taggleich vom beschuldigten Kontoinhaber auf dessen Konto bei dem Zahlungsdiensteanbieter pp. mit Sitz in pp. sowie auf Konten anderer Privatpersonen weitertransferiert wurden. Auf dem pp. Konto des Beschuldigten gingen im Zeitraum 16.03.2022 bis 15.10.2022 insgesamt Gutschriften in einer Höhe von 92.762,50 € ein, welche jeweils binnen weniger Minuten nach deren Eingang vollständig auf Konten bei den Kryptowährungsdienstleistern -- und pp. weitertransferiert wurden. Angesichts der Umstände, dass der Beschuldigte die Mittelherkunft gegenüber der Bank nicht erklären konnte, jedenfalls eine der überweisenden Privatpersonen ihrerseits wegen Betruges strafrechtlich in Erscheinung getreten war und sämtliche Geldeingänge auf dem pp. Konto zeitnah und vollständig vom Beschuldigten in den Bereich der Kryptowährung weitergeleitet wurden, hegten die Ermittlungsbehörden den Verdacht, dass die auf den Konten des Beschuldigten eingegangenen Gelder aus Straftaten stammten und der Beschuldigte dies wusste.

Nach ergebnisloser Überwachung der Telekommunikation des Beschuldigten im Zeitraum 22.03.2023 bis 31.05.2023 erließ das Amtsgericht Saarbrücken auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten am 28.06.2023 einen Beschluss, der die Durchsuchung der Wohnung und Geschäftsräume, Nebenräume, Garagen und PKWs des Beschuldigten sowie dessen Person anordnete. Nachdem ein Wohnortwechsel des Beschuldigten bekannt wurde, erließ das Amtsgericht am 27.10.2023 einen inhaltlich gleichlautenden Durchsuchungsbeschluss unter der neuen Anschrift, einer Wohnung in einem Studentenwohnheim. Bezüglich des Inhalts im Einzelnen wird auf Bl. 384 ff. d.A. Bezug genommen.

Der Beschluss wurde am 21.02.2024 vollzogen. Der Beschuldigte händigte sein Mobiltelefon, ein Smartphone Apple iPhone 14 pro max, freiwillig aus, welches sodann von den Beamten vor Ort sichergestellt wurde. Weiter ließ sich der Beschuldigte spontan und erneut nach Belehrung zur Sache ein. Die Auswertung des Smartphones ist nach Aktenlage noch nicht abgeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2024 legte der Beschuldigte über seinen Verteidiger Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss und die Beschlagnahme sämtlicher Gegenstände ein und beantragte, den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss aufzuheben und die sichergestellten Gegenstände herauszugeben. Eine Beschwerdebegründung ging nicht ein.

Die Staatsanwaltschaft ist der Beschwerde entgegengetreten und hat die Anordnung der Beschlagnahme beantragt.

Mit undatiertem Beschluss, Bl. 440 d.A., bestätigte das Amtsgericht Saarbrücken die vorläufige Sicherstellung des Smartphones. Der Beschwerde half es nicht ab.

II.

Die Beschwerde des Beschuldigten ist, soweit sie die Durchsuchungsanordnung selbst betrifft, zulässig und begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde unzulässig.

1. a) Die Beschwerde gegen die Anordnung der Durchsuchung ist nach § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ihr steht insbesondere nicht entgegen, dass die Durchsuchung bereits beendet ist, denn auch nach Beendigung einer Maßnahme kann mit der Beschwerde die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit beantragt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.7.2013 – 2 BvR 370/13, BeckRS 2013, 54085). Dies gilt insbesondere für tiefgreifende Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach – wie hier – häufig vor einer möglichen gerichtlichen Überprüfung schon wieder beendet sind (BVerfG, aaO).

b) Soweit der Beschuldigte darüber hinaus Beschwerde gegen die Beschlagnahme eingelegt hat, ist diese aufgrund prozessualer Überholung unstatthaft geworden, weil das Amtsgericht Saarbrücken mit undatiertem Beschluss gem. Bl. 440 d.A. hierüber bereits entschieden hat.

aa) Der Beschuldigte hat mit seinem Schriftsatz vom 23.02.2024 Beschwerde gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss eingelegt und beantragt, diese aufzuheben und die sichergestellten Gegenstände herauszugeben. Die Staatsanwaltschaft hat dies in einen „Widerspruch“ nach zuvor freiwilliger Herausgabe umgedeutet und die Sache insoweit sowie zur Entscheidung über die Beschwerde dem Amtsgericht vorlegt. Das Amtsgericht hat dies seinerseits zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Sicherstellung verstanden und diese richterlich bestätigt. Der Beschwerde half es nicht ab.

Da sich der Beschuldigte durch die Formulierung seines Antrags erkennbar nicht nur gegen den Durchsuchungsbeschluss gewandt hat, war die seitens der Staatsanwaltschaft vorgenommene Aufspaltung des Rechtsmittels sachgerecht, weil sie dem insoweit vorgesehenen Rechtsschutz entspricht. Durch die Auslegung des Rechtsmittels in eine Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss einerseits und einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 110 Abs. 4, 98 Abs. 2 StPO andererseits konnte das Anliegen des Beschuldigten in Bezug auf die Sicherstellung zunächst erstinstanzlich durch das Amtsgericht geprüft werden, dessen Entscheidung regelmäßig durch die Möglichkeit der Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklungen nach Erlass der Durchsuchungsanordnung sachverhaltsnäher ist, als eine auf den Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung bezogene Entscheidung des Beschwerdegerichts. Die Gründe der Durchsicht müssen mit denen für die Anordnung der Durchsuchung auch nicht vollständig identisch sein; im Detail können andere Voraussetzungen bestehen als für die Durchsuchungsanordnung (BGH Beschl. v. 18.5.2022 – StB 17/22). Außerdem kann so der Gefahr sachlich sich widersprechender Entscheidungen begegnet werden, die im Fall der Konkurrenz zwischen Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung und richterlicher Entscheidung über die vorläufige Sicherstellung nach § 110 Abs. 1 StPO möglich wären (ebd.).

bb) Soweit das Amtsgericht nunmehr die Sicherstellung des Smartphones zur Durchsicht vorläufig bestätigt hat, beruht die damit verbundene Eingriffswirkung nicht mehr auf der Durchsuchung, sondern auf dem amtsgerichtlichen Beschluss, der wiederum der eigenen Beschwerdemöglichkeit nach § 304 Abs. 1 StPO unterliegt, der Entscheidung der Kammer in hiesiger Sache mithin entzogen ist.

2. Die im Übrigen zulässige Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung nach §§ 102, 105 StPO lagen zum Zeitpunkts ihres Erlasses nicht vor.

Es bestand kein auf konkreten Tatsachen beruhender Verdacht einer Straftat nach § 261 Abs. 1 S. 1 StGB.

a) Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird. Zur Rechtfertigung dieses Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung ist daher der Verdacht erforderlich, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht finden lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.8.2014 – 2 BvR 969/14 m.w.N.).

Eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche setzt zudem voraus, dass ein Anfangsverdacht nicht nur für die Geldwäschehandlung vorliegt, sondern auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Vortat gegeben ist (sog. „doppelter Anfangsverdacht“, vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.1.2020 – 2 BvR 2992/14). Dass eine Vortat begangen wurde, ist ein wesentliches Merkmal der Strafbarkeit der Geldwäsche. Erst die Vortat versieht das Geld oder den sonstigen Gegenstand, mit dem der Geldwäschetäter umgeht, mit dem Makel, der einer neutralen, sozialtypischen Handlung wie beispielsweise einer Geldzahlung das Unwerturteil der Strafbarkeit zuweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. 7. 2006 - 2 BvR 950/05). Nicht ausreichend für die Annahme eines Anfangsverdachts ist es demnach, wenn keine über bloße Vermutungen hinausgehende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen (BVerfG, Beschl. v. 19.4.2023 – 2 BvR 2180/20 - BKR 2023, 723).

Aus dem Umstand, dass der Wortlaut des § 261 Abs. 1 StGB in seiner seit dem 18. März 2021 geltenden Fassung – anders als zum Zeitpunkt der vorgenannten Entscheidung – keine bestimmte Katalogtat als Vortat mehr erfordert, sondern lediglich irgendeine rechtswidrige Vortat verlangt (sog. „all-crimes“-Modell), ergibt sich nach Auffassung der Kammer nichts Anderes. Mit dem Verzicht auf einen selektiven Vortatenkatalog sollte zwar die Beweisführung in Bezug auf die Vortat erleichtert werden (Herzog/El-Ghazi in Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 6. Auflage 2024, Rn.109). Aus der Gesetzbegründung ergibt sich aber auch, dass insbesondere Feststellungen, die sich nur auf ein Fehlen von ausreichendem, legalem Einkommen beziehen, für die Konkretisierung einer Vortat nicht ausreichen sollen (BT-Drs. 19/24180, S. 29,30). Eine Beweiserleichterung gegenüber den allgemeinen Beweisgrundsätzen im Strafverfahren ist mit dem Wechsel zum „all-crimes“- Ansatz nicht verbunden (El-Ghazi in: Herzog, Geldwäschegesetz, 5. Auflage 2023, StGB § 261, Rn. 59).

Auch nach neuer Rechtslage ist es daher für die Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen nicht ausreichend, wenn lediglich ungesicherte Anhaltspunkte dafür vorliegen, das betroffene Geld stamme aus irgendeiner Straftat (Hiéramente, jurisPR-StrafR 9/2021 Anm. zu BVerfG, Beschluss v. 03.03.2021 – 2 BvR 1746/18; a.A. LG Saarbrücken, Beschluss v. 04.08.1997 – 8 Qs 72/97 – zur alten Rechtslage). Für diese Ansicht spricht auch, dass die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Zwangsmaßnahme durch den Ermittlungsrichter nur dann sinnvoll möglich ist, wenn die betreffende Vortat jedenfalls in ihren wesentlichen Konturen bekannt ist. Darüber hinaus wird die Begrenzungsfunktion einer Durchsuchungsanordnung aufgelöst, wenn in Ermangelung eines konkreten tatsachenbasierten Tatvorwurfs der äußere Rahmen einer Durchsuchung fehlt und damit eine grenzenlose Ausforschung des Adressaten ermöglicht wird (Anm. Neumann zu BVerfG, Beschl. v. 19.4.2023 – 2 BvR 2180/20).

Daher können auch nach neuem Recht die auf der Grundlage des Geldwäschegesetzes (GwG) erfolgten Meldungen alleine nicht ausreichen, um einen Anfangsverdacht einer Vortat der Geldwäsche zu begründen. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 GwG hat der Verpflichtete der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen bereits dann Meldung zu machen, wenn Tatsachen vorliegen, die darauf hindeuten, dass ein Vermögensgegenstand, der mit einer Geschäftsbeziehung, einem Maklergeschäft oder einer Transaktion im Zusammenhang steht, aus einer strafbaren Handlung stammt, die eine Vortat der Geldwäsche darstellen könnte. Hiermit ist allenfalls eine kursorische Prüfung verbunden, ob überhaupt eine Geldwäsche vorliegen kann (Erbs/Kohlhaas/Häberle, 251. EL März 2024, GwG § 43 Rn. 3; BVerfG, Beschluss v. 31.01.2020 – 2 BvR 2992/14). Eine Durchsuchung darf aber gerade nicht dazu dienen, diejenigen Tatsachen erst zu ermitteln, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erforderlich sind (BVerfG, Beschl. v. 03.07. 2006 - 2 BvR 2030/04; Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urteil. v. 21.06.2024 – Lv 3/23).

b) Ausweislich der Ermittlungsvermerke vom 10.10.2022, Bl. 333 d.A. und 07.06.2023, Bl 364 d.A., liegen über die in den Meldungen der Banken enthaltenen Informationen (unbekannte Mittelherkunft der eingezahlten Gelder; keine Einnahmen aus legaler Tätigkeit; Durchlaufcharakter des Kontos; Kontakt mit bereits gemeldeten Kunden) hinaus keine weiteren Anhaltspunkte vor, die auf eine Vortat hindeuten. Die Herkunft der Gelder bleibt daher letztlich ungeklärt. Es kann folglich auch nicht beurteilt werden, ob sie aus einer Straftat stammen oder die dem Beschuldigten zur Last gelegte Handlung eine Straftat möglicherweise erst vorbereiten soll oder sich gar als strafrechtlich neutral erweist. Aus der Verschleierungshandlung allein auf die Annahme einer bereits begangenen Straftat zu schließen, lässt in diesem Zusammenhang mögliches strafloses Alternativverhalten unberücksichtigt und widerspricht somit den oben dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Anfangsverdacht als Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 13 Abs. 1 GG. Dies gilt vorliegend umso mehr, nachdem die bereits durchgeführte Überwachung der Telekommunikation keinerlei weitere Hinweise auf mögliche Vortaten ergeben hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §§ 467 Abs. 1 StPO. Da die Beschwerde weit überwiegend Erfolg hat, hat die Kammer von der Anwendung der Kostenregelung des § 473 StPO abgesehen.


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