Gericht / Entscheidungsdatum: LG Regensburg, Beschl. v. 05.09.2024 – 8 Qs 30/24
Leitsatz des Gerichts:
Der Anordnung steht einer Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO steht nicht entgegen, dass kein Verdacht einer besonders schweren Straftat im Sinne des § 100g Abs. 2 StPO vorliegt, da eine solche Katalogtat für eine Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 StPO nicht erforderlich ist. (Anschluss an: LG Hamburg, Beschluss vom 06.06.2024 – 621 Qs 32/24; entgegen: BGH, Beschluss vom 10. Januar 2024 – 2 StR 171/23)
In pp.
1. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Straubing vom 22.08.2024, Az. 3 Gs 592/24, wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben.
2. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing wird nach § 100g Abs. 3 Satz 1 StPO gemäß § 33 Abs. 4 StPO ohne vorherige Anhörung für:
- Telefonica (O2) Germany GmbH & Co. OHG - Special Services, …
- Deutsche Telekom AG (Festnetz und Mobilfunk), …
- Vodafone GmbH, …
die Auskunftserteilung gem. § 100g Abs. 3 StPO über sämtliche Verkehrsdaten im Sinne der §§ 9, 12 TTDSG, § 2a Abs. 1 BDBOSG angeordnet, die vom … .2024 … Uhr bis …-.2024 pp. Uhr angefallen sind und die über die Basisstationen abgewickelt wurden, welche folgende geographischen Standorte funktechnisch versorgen:
Örtlichkeit Telekom Vodafone O2 Telefonica
Bereich:
94315 Straubing, … … pp.
… … … pp.
… … pp.
Die Benachrichtigung der Beteiligten der betroffenen Telekommunikation wird zunächst bis zum 19.08.2025 zurückgestellt.
Durch die Maßnahme sollen folgende Informationen erhoben werden (§ 100e Abs. 3 S. 2 Nr. 4 StPO i.V.m. § 101a Abs. 1 StPO): in der tatortrelevanten Funkzelle zum Tatzeitpunkt eingeloggte Geräte.
Diese Informationen sind für das Verfahren bedeutsam, um d. unbekannten Täter zu ermitteln.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Randnummer1
Dem gegen Unbekannt gerichteten Ermittlungsverfahren liegt der Tatverdacht zugrunde, dass sich ein oder mehrere bislang unbekannte Täter zu einem bislang nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum vom … .2024 ( … Uhr) bis … .2024 (… Uhr) auf bisher unbekanntem Weg unbefugt Zugang zum Gelände der pp. GmbH & Co. KG (Servicewerkstatt für pp.) in pp. 94315 Straubing verschafften und mit vor Ort vorhandenem Werkzeug zwei Tresore öffneten, welche bestückt waren mit Fahrzeugschlüsseln und Bargeld. Zudem betraten der oder die Täter das Ersatzteillager der gesamten Werkstatt und entwendeten wenigstens zwei Sätze AMG Felgen und 16 Katalysatoren.
Dieser Sachverhalt wäre strafbar als Diebstahl gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB.
Mit Verfügung vom 19.08.2024 beantragte die Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing, den Erlass eines Beschlusses über eine Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO. Mit Beschluss vom 22.08.2024 (Gz. 3 Gs 592/24) lehnte das Amtsgericht Straubing - Ermittlungsrichter - den Erlass des beantragten Beschlusses ab. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, dass es an der erforderlichen Katalogtat des § 100g Abs. 2 StPO fehle. Das Amtsgericht schloss sich insoweit der Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs aus dessen Beschluss vom 10.01.2024 (2 StR 171/23) an. Wegen der Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss (Bl. 14 der Akten) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing vom 23.08.2024. Diese wird damit begründet, dass entgegen der Ansicht des 2. Senats des Bundesgerichtshofs unter Verweis auf die Entscheidungen der Landgerichte Hamburg (621 Qs 32/24) und Nürnberg-Fürth (16 Qs 25/24) auch bei Auslegung des § 100g Abs. 3 StPO keine Katalogtat des § 100g Abs. 2 StPO erforderlich sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft Bezug genommen (Bl. 20-22 der Akten).
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.08.2024 nicht abgeholfen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Nichtabhilfebeschluss (Bl. 24 der Akten) Bezug genommen. Die Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing hat die Akte mit Verfügung vom 29.08.2024 dem Landgericht Regensburg als Beschwerdegericht mit dem Antrag zugeleitet, auf die Beschwerde hin den Beschluss des Amtsgerichts Straubing aufzuheben und den beantragten Beschluss zu erlassen, hilfsweise die Rechtswidrigkeit des Beschlusses festzustellen. Die Beschwerde ging bei der Strafabteilung des Gerichts am 04.09.2024 ein.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und bereits im Hauptantrag begründet.
1. Nach Abwägung der Bedeutung des Tatverdachts und des öffentlichen Interesses an der Aufklärung der mutmaßlichen Straftat einerseits und des Eingriffes in die informationelle Selbstbestimmung der von dem Eingriff betroffenen (unbestimmten) Vielzahl von Personen andererseits ist die Kammer der Auffassung, dass der Eingriff hier verhältnismäßig ist.
Vorliegend besteht der Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB. Es liegt damit der Verdacht einer Straftat nach § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StPO, Abs. 1 S. 1 Nr.1 StPO vor, welche auch im Einzelfall von erheblicher Bedeutung ist. Bei Berücksichtigung der konkreten Tatumstände handelt es sich um eine Straftat von erhöhter Kriminalität, an deren Aufklärung ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Insbesondere aufgrund der gezielten und professionalisierten Vorgehensweise durch Umgehung oder Ausnutzung eines aufwändigen Schließsystems durch sog. Chip-Lesegeräte besteht hier auch wegen des erheblichen Wertes der potentiellen Tatbeute ein besonderer öffentlicher Fokus und ein besonderes öffentliches Interesse an der Aufklärung solcher Taten.
Die Erhebung der Daten im Zeitraum von lediglich 36 Stunden steht in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache (§ 100g Abs. 3 Nr. 2 StPO). Die Abfrage ist in zeitlicher Hinsicht auf den hinreichend angenäherten Zeitraum der Tatzeit und in örtlicher Hinsicht allein auf den Tatort beschränkt. Das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit ist vorliegend auch deshalb gewahrt, weil die konkrete Funkzellenabfrage sich nach der nachvollziehbaren Darstellung der KPI Straubing, auf die Bezug genommen wird (Bl. 1 f. der Akten) als besonders erfolgversprechend darstellt. Zu beachten ist dabei, dass nach kriminalistischer Erfahrung in vergleichbaren Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass es sich aufgrund des vorliegenden modus operandi nicht um eine Einzeltat handelt, und somit durch „Kreuztreffer“ mit anderen Funkzellenabfragen Übereinstimmungen möglich sind.
Der Eingriff ist zur Aufklärung der mutmaßlichen Straftat auch erforderlich, da es nach dem Vermerk der KPI Straubing vom 19.08.2024 derzeit keine anderweitigen, ausreichend erfolgversprechende Ermittlungsansätze gibt. Ohne die Funkzellenabfrage wären die Ermittlungen wesentlich erschwert, wenn nicht gar aussichtslos (§ 100g Abs. 3 Nr. 3 StPO), da die Täter hier bislang unbekannt sind und im Rahmen solcher Ermittlungen die Ermittlungsansätze und -möglichkeiten erheblich beschränkt sind. Als einziger weiterer Anknüpfungspunkt dienen die vor Ort gesicherten Spuren, wobei die Erfolgschancen für Spurentreffer völlig unklar sind.
2. Der Anordnung steht dabei nicht entgegen, dass kein Verdacht einer besonders schweren Straftat im Sinne des § 100g Abs. 2 StPO vorliegt, da eine solche Katalogtat für eine Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 StPO nach Ansicht der Kammer nicht zwingend erforderlich ist. Die Kammer folgt insoweit der jüngsten Rechtsprechung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 10.01.2024 - 2 StR 171/23) nicht, sondern schließt sich der überzeugenden Auffassung und Argumentation des Landgerichts Hamburg an. Dieses führte mit Beschluss vom 06.06.2024 - 621 Qs 32/24, BeckRS 2024, 14227, hierzu unter Ziffer III. folgendes aus:
„Der Anordnung steht auch nicht entgegen, dass kein Verdacht einer besonders schweren Straftat aus dem Katalog des § 100g Abs. 2 StPO vorliegt. Der Katalog des § 100g Abs. 2 StPO ist für Funkzellenabfragen nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO nicht einschlägig.
Die Kammer schließt sich damit der jüngsten Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen einer Funkzellenabfrage nicht weiter an (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2024 – 2 StR 171/23 = BeckRS 2024, 10088) und hält an ihrer in den Beschlüssen vom 23.05.2024 (Az.: 621 Qs 28/24) und vom 24.05.2024 (Az.: 621 Qs 29/24) noch vertretenen Rechtsansicht nicht weiter fest.
Der Beschluss des 2. Strafsenats lässt bereits im Ausgangspunkt unerwähnt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 14), dass die darin postulierte Auffassung, eine Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO setze den Verdacht einer besonders schweren Straftat aus dem Katalog des § 100g Abs. 2 StPO voraus, der – soweit ersichtlich – bislang herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur widerspricht (vgl. etwa LG Stade, Beschluss vom 26.10.2018 – 70 Qs 133/18 = BeckRS 2018, 27043; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt-StPO, 66. Auflage 2023, § 100g, Rn. 36-38; Bär, in: BeckOK- StPO, 51. Edition, Stand: 01.04.2024, § 100g, Rn. 50; Henrichs/Weingast, in: KK-StPO, 9. Auflage 2023, § 100g Rn. 12, jeweils m.w.N.).
Die Auffassung des 2. Strafsenats, wonach es für die Anordnung einer Funkzellenabfrage gemäß § 100g Abs. 3 S. 1 StPO des Verdachts einer Katalogstraftat nach § 100g Abs. 2 StPO bedarf, findet im Wortlaut (1.) und der Systematik (2.) des Gesetzes sowie nach historischer (3.) und teleologischer (4.) Auslegung keine Stütze. Auch eine analoge Anwendung des § 100g Abs. 2 StPO scheidet aus (5.).
1. Der Wortlaut des § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StPO ist eindeutig. Der Verweis aus § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StPO zielt explizit allein auf § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO und damit (mittelbar) allein auf den indiziell anzuwendenden Katalog des § 100a Abs. 2 StPO. Es erfolgt in § 100g Abs. 3 S. 1 StPO gerade kein expliziter Verweis auf den gesamten § 100g Abs. 1 S. 1 StPO und schon gar keiner auf § 100g Abs. 1 S. 3 StPO (so auch LG Stade, BeckRS 2018, 27043, Rn. 7).
Die Kammer verkennt nicht, dass innerhalb des § 100g Abs. 1 StPO für retrograde Standortdaten die Vorschrift des § 100 Abs. 1 S. 3 StPO zur Anwendung kommt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 16). Der § 100g Abs. 3 S. 1 StPO verweist aber gerade nicht auf den § 100g Abs. 1 StPO insgesamt, sondern explizit nur auf § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO (vgl. § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StPO).
Daran ändert auch nichts, dass § 100g Abs. 3 S. 1 StPO die Funkzellenabfrage als „die Erhebung aller in einer Funkzelle angefallenen Verkehrsdaten“ legaldefiniert, wie der 2. Strafsenat betont (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 16). Dieser Lesart ist zwar zuzugeben, dass sich unter den „angefallenen Verkehrsdaten“ in aller Regel auch gespeicherte Standortdaten befinden dürften (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 16, ebenso LG Stade, a.a.O., Rn. 6). Auch daraus folgt aber nicht die Anwendbarkeit des § 100g Abs. 2 StPO auf § 100g Abs. 3 S. 1 StPO. Denn die Geltung des Katalogs in § 100g Abs. 2 StPO wird von § 100g Abs. 1 S. 3 StPO seinem Wortlaut nach nur für Erhebungen retrograder Standortdaten „nach diesem“ – also dem ersten – „Absatz“ des § 100g StPO angeordnet. Bei der Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 StPO handelt es sich um einen anderen, eigenständigen Absatz, der eigene Voraussetzungen aufstellt und zudem in § 100g Abs. 3 S. 2 StPO abschließend regelt, wann der Katalog des § 100g Abs. 2 StPO für Funkzellenabfragen gelten soll.
2. Auch die weitere Systematik des Gesetzes spricht dagegen, dass eine Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO nur beim Verdacht einer Katalogtat nach § 100g Abs. 2 StPO in Betracht kommt.
a) Anders ließe sich der bereits erwähnte § 100g Abs. 3 S. 2 StPO nicht erklären. Denn § 100g Abs. 3 S. 2 StPO ordnet nur dann die Anwendung des § 100g Abs. 2 StPO für Funkzellenabfragen an, wenn sich diese auf Verkehrsdaten nach § 176 TKG beziehen. Im Umkehrschluss gelten die Voraussetzungen des § 100g Abs. 2 StPO für alle anderen Funkzellenabfragen gerade nicht. Ansonsten wäre § 100g Abs. 3 S. 2 StPO jeglicher Anwendungsbereich entzogen und die Norm liefe leer. Dies lässt der 2. Strafsenat, der die Norm des § 100g Abs. 3 S. 2 StPO zwar erwähnt, letztlich argumentativ aber außer Acht lässt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 23).
Aktuell werden zwar keine Verkehrsdaten nach § 176 TKG erfasst, weil die darin geregelte Vorratsdatenspeicherung mit Unionsrecht unvereinbar und die Norm daher unanwendbar ist (vgl. Köhler, a.a.O., Rn. 36 m.w.N.). Gleichwohl verdeutlicht der Hintergrund der allgemeinen und unterschiedslosen Speicherung von Vorratsdaten in § 176 TKG, dass (nur) für deren Abruf die erhöhten Anforderungen des § 100g Abs. 2 StPO gelten sollen, für andere Verkehrsdaten, darunter auch gespeicherte Standortdaten, jedoch nicht.
b) In systematischer Hinsicht ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass § 100g Abs. 3 S. 1 StPO insgesamt drei eigene Voraussetzungen aufzählt (vgl. § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1-3 StPO). Dass die Voraussetzungen des § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO erfüllt sein müssen (so § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StPO), ist nur eine dieser drei Voraussetzungen. Daneben muss die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen (§ 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StPO) und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise muss aussichtslos oder wesentlich erschwert sein (§ 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StPO).
Wäre aber der Verweis des § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StPO als Verweis auf den gesamten § 100g Abs. 1 S. 1 StPO zu lesen, wie es der 2. Strafsenat seiner Entscheidung offenbar zugrunde legt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 23), wäre § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StPO überflüssig, der verlangt, dass die Datenerhebung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen muss. Denn dies steht ebenfalls wortgleich am Ende von § 100g Abs. 1 S. 1 StPO.
c) Zusätzlich enthält § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StPO eine im Vergleich zu § 100g Abs. 1 S. 1 StPO partiell engere Voraussetzung, was im Sinne des Spezialitätsgrundsatzes besonders stark gegen einen Pauschalverweis aus § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StPO auf den gesamten § 100g Abs. 1 S. 1 StPO spricht.
Anstatt dass die Datenerhebung lediglich „für die Erforschung des Sachverhalts“ (§ 100g Abs. 1 S. 1 StPO) oder „für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten“ (§ 100g Abs. 1 S. 4 StPO) erforderlich sein muss, setzt § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StPO für die Funkzellenabfrage voraus, dass „die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“.
Die bloße Erforderlichkeitsprüfung in § 100 Abs. 1 S. 1 StPO für die Standortdatenerhebung wird hingegen auch von § 100g Abs. 1 S. 3 StPO für die Erhebung retrograder Standortdaten nicht im Sinne des § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StPO („aussichtslos oder wesentlich erschwert“) verschärft. Dies zeugt davon, dass für gespeicherte Standortdaten zwischen § 100g Abs. 1 StPO und § 100g Abs. 3 StPO der vom 2. Strafsenat bemühte Gleichklang gerade nicht besteht. Der durch § 100g Abs. 1 S. 3 StPO im Rahmen der Standortdatenerhebung nach § 100g Abs. 1 StPO für anwendbar erklärte, verengte Katalog des § 100g Abs. 2 StPO gleicht vielmehr das Fehlen einer mit § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StPO vergleichbaren besonderen Erforderlichkeitsschwelle für die Standortdatenerhebung aus. Umgekehrt ist angesichts der strengen Voraussetzung in § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StPO für die Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO der weitere Katalog aus § 100a Abs. 2 StPO vorgesehen (vgl. § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO) – und das auch nur als Orientierung („insbesondere“).
3. Auch die historische Auslegung der Norm gebietet es nicht, für Funkzellenabfragen nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO den engen Katalog des § 100g Abs. 2 StPO anzuwenden (entgegen BGH, a.a.O., Rn. 17 ff.). Im Gegenteil beabsichtigte der Gesetzgeber eine normenklare Abgrenzung zwischen der Standortdatenerhebung nach § 100g Abs. 1 StPO und der Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 StPO.
a) Die geltende Fassung des § 100g Abs. 3 S. 1 StPO geht zurück auf das Gesetz zur Einführung einer Speicherfrist und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I, S. 2218; vgl. auch BGH, a.a.O., Rn. 18). In der Begründung des Gesetzesentwurfs betonte der Gesetzgeber den Unterschied zwischen der Standortdatenerhebung nach § 100g Abs. 1 StPO und der Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 StPO, jeweils in der damaligen Fassung, vgl. BT-Drs. 18/5088, S. 32 (so auch LG Stade, a.a.O., Rn. 9):
„Zu Absatz 3
Absatz 3 enthält eine Sonderregelung zu Funkzellenabfragen. Bei diesen handelt es sich nicht um Standortdatenerhebungen; vielmehr werden bei einer solchen Abfrage alle Verkehrsdaten erhoben, die in einer bestimmten Funkzelle angefallen sind, um festzustellen, welche Mobilgeräte zu einer bestimmten Zeit der betreffenden Funkzelle zuzuordnen waren. Der Gesetzentwurf führt eine Legaldefinition der Funkzellenabfrage ein und nennt ihre Voraussetzungen. Auf diese Weise wird eine normenklare Ermächtigungsgrundlage für Funkzellenabfragen geschaffen.“
Auf den ebenfalls mit der Reform eingeführten Katalog des § 100g Abs. 2 StPO in der damaligen Fassung wollte der Gesetzgeber bei Funkzellenabfragen bereits damals grundsätzlich nicht zurückgreifen, sondern nur ausnahmsweise bei der Abfrage von Vorratsdaten, vgl. BT-Drs. 18/5088, S. 33:
„Funkzellenabfragen, bei denen auf die nach § 113b TKG-E gespeicherten Daten zugegriffen werden soll, erfolgen auf der Grundlage von Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 2.“
Denn beim damaligen „§ 113b TKG-E“ handelt es sich um die Vorgängernorm des § 176 TKG (vgl. nur Köhler, a.a.O., Rn. 3).
b) An diesem Ergebnis ändert auch die spätere Einführung des § 100g Abs. 1 S. 3 StPO nichts, welcher bei der Erhebung retrograder Standortdaten im Rahmen des § 100g Abs. 1 StPO die Anwendung des § 100g Abs. 2 StPO vorsieht (entgegen BGH, a.a.O., Rn. 19-22).
Die Einführung des § 100g Abs. 1 S. 3 StPO erfolgte durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 vom 20. November 2019 (BGBl. I, S. 1724). In seiner Begründung stellte der Gesetzgeber klar (vgl. BT-Drs. 19/4671, S. 61):
„Durch die Anpassung des Wortlautes von § 100g Absatz 1 Satz 3 soll gewährleistet werden, dass die Strafverfolgungsbehörden bei Vorliegen [der] in § 100g Absatz 2 genannten Voraussetzungen auch auf geschäftlich gespeicherte Standortdaten zugreifen können. Dabei wird die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers gewahrt, der im Jahr 2015 Standortdaten insgesamt nur noch nach den strengeren Anforderungen des § 100g Absatz 2 StPO erheben lassen wollte (Bundestags- Drucksache 18/5088, S. 24).“
Damit änderte der Gesetzgeber nichts an seiner bereits oben zitierten Unterscheidung zwischen der Standortdatenerhebung nach § 100g Abs. 1 StPO auf der einen und der Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 StPO auf der anderen Seite. Die am Ende des obigen Zitats in Bezug genommene Begründung auf S. 24 der BT-Drs. 18/5088 bezieht sich einzig auf § 100g Abs. 1 StPO in der damaligen Fassung, nicht hingegen auf die Funkzellenabfrage, die der Gesetzgeber in der BT-Drs. 18/5088 erst auf S. 32 und – wie bereits zitiert – gerade in Abgrenzung zu § 100g Abs. 1 StPO begründete. Es war 2015 gerade nicht gesetzgeberische Intention, auch die Funkzellenabfrage „insgesamt nur noch nach den strengeren Anforderungen des § 100g Abs. 2 StPO“ zuzulassen, was der 2. Strafsenat aber impliziert (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 22). Insofern ist erneut die Gesetzesbegründung von 2015 in BT-Drs. 18/5088, S. 33 heranzuziehen, aus der sich eine eingeschränkte Anwendbarkeit ergibt:
„Funkzellenabfragen, bei denen auf die nach § 113b TKG-E gespeicherten Daten zugegriffen werden soll, erfolgen auf der Grundlage von Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 2.“
c) Hätte der Gesetzgeber 2019 hingegen auch die Anforderungen an die Funkzellenabfrage entsprechend erhöhen wollen, hätte er eine § 100g Abs. 1 S. 3 StPO entsprechende Regelung auch in § 100g Abs. 3 StPO eingefügt. Eine solche Änderung ist aber unterblieben.
Insoweit liegt auch kein Redaktionsversehen vor. Dies belegt beispielhaft der § 479 StPO, der ebenfalls eine Änderung erfuhr durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 vom 20. November 2019 (BGBl. I, S. 1726). Die Neuregelung fasste Regelungen zusammen, wann personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach der StPO erhoben wurden, welche nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig sind, verfahrensübergreifend verarbeitet werden dürfen.
In § 479 Abs. 3 StPO der damaligen Neufassung hieß es über die Anwendbarkeit von § 100g Abs. 2 StPO (BGBl. Jg. 2019, Teil I, S. 1726, Hervorhebungen diesseits):
„Die Verwendung von durch eine Maßnahme nach den §§ 100b, 100c oder 100g Absatz 2, auch in Verbindung mit § 100g Absatz 1 oder 3 Satz 2, erlangten personenbezogenen Daten […]“,
sowie
„[…] bei verwertbaren, durch eine Maßnahme nach § 100g Absatz 2, auch in Verbindung mit § 100g Absatz 1 Satz 3 oder Absatz 3 Satz 2, erlangten personenbezogenen Daten“.
Der Gesetzgeber machte jeweils deutlich, dass § 100g Abs. 2 StPO nach seiner Auffassung entweder eigenständig oder in Verbindung mit § 100g Abs. 1 (S. 3) StPO oder mit § 100g Abs. 3 S. 2 StPO anwendbar sein sollte, nicht aber mit § 100g Abs. 3 S. 1 StPO.
Vergleichbare Formulierungen finden sich auch heute noch in § 101a Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 1 am Anfang, Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und Abs. 5 StPO. Dort wird § 100g Abs. 2 StPO nicht als in Verbindung mit § 100g Abs. 3 S. 1 StPO anwendbar genannt, sondern nur in Verbindung mit § 100g Abs. 1 S. 3 StPO oder mit § 100g Abs. 3 S. 2 StPO.
4. Schließlich führt auch die teleologische Auslegung nicht zur Anwendbarkeit des Katalogs aus § 100g Abs. 2 StPO auf eine Funkzellenabfrage § 100g Abs. 3 S. 1 StPO.
Die Kammer folgt insoweit dem 2. Strafsenat, dass es Sinn und Zweck der Funkzellenabfrage ist, Ermittlungsansätze zu generieren, die an die Anwesenheit in einer oder mehreren Funkzelle(n), an den Abgleich der festgestellten Anwesenheiten und an eine Kommunikation innerhalb der Funkzelle anknüpfen (BGH, a.a.O., Rn. 25). Der 2. Strafsenat selbst zeigt im Anschluss daran jedoch die entscheidende Differenzierung zwischen der Funkzellenabfrage auf der einen und der retrograden Standortdatenerhebung auf der anderen Seite auf: Während die retrograde Standortdatenerhebung im Sinne des § 100g Abs. 1 StPO ermitteln solle, in welcher Funkzelle sich eine bestimmte Zielperson zu einer bestimmten Zeit aufgehalten habe, wende die Funkzellenabfrage den Blick vom Individuum weg auf ein konkretes räumliches Gebiet (BGH, a.a.O., Rn. 25).
Dem 2. Strafsenat ist in seinen weiteren Ausführungen nicht zu folgen, soweit er die eben erfolgte Differenzierung nicht aufrecht erhält und ausführt, die Funkzellenabfrage unterscheide sich in ihrer Wirkweise aus der maßgeblichen Sicht der von der Maßnahme Betroffenen nicht von einer retrograden Standortdatenerhebung nach § 100g Abs. 1 S. 3 StPO, da auch sie die Erstellung von Bewegungsprofilen ermögliche (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 26).
Denn die Möglichkeit zur Erstellung von Bewegungsprofilen von Unbeteiligten ist, insbesondere wegen der strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen in § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StPO, ein nur sehr geringes Risiko der Maßnahme (so auch LG Stade, a.a.O., Rn. 9). Hingegen ist die Möglichkeit zur Erstellung von (streng begrenzten) Bewegungsprofilen von Beschuldigten typischerweise gerade Sinn und Zweck der Funkzellenabfrage und damit in erster Linie eine Ermittlungschance, welche den Grundrechtseingriff insbesondere gegenüber Unbeteiligten verhältnismäßig macht.
a) Bei der Funkzellenabfrage – mit ihrem schon im Ausgangspunkt rein örtlichen und aus Verhältnismäßigkeitsgesichtsgründen lokal beschränkten Blickwinkel – ist die Möglichkeit der Erstellung von Bewegungsprofilen von Unbeteiligten äußerst gering. Ein Risiko für unbeteiligte Dritte, dass ihre Daten in gleich mehreren örtlich verschiedenen Funkzellen gewissermaßen „falsch positiv“ abgefragt werden und ein Bewegungsprofil erstellt werden kann, besteht kaum. Dies folgt schon aus den weiteren, bereits beleuchteten, strengen Anforderungen für Funkzellenabfragen, insbesondere an ihre Verhältnismäßigkeit, in § 100g Abs. 3 S. 1 StPO. So werden entsprechende Funkzellenabfragen nach den Erfahrungen der Kammer aus der Anordnungspraxis stets auf kurze Zeiträume von höchstens mehreren Stunden und örtlich auf wenige Funkzellen beschränkt, sodass weit überwiegend nur der unmittelbare Tatort zur ungefähren Tatzeit abgefragt wird.
Beides führt im Übrigen auch dazu, dass das für Unbeteiligte einzig realistisch bestehende Risiko, in einer einzigen Funkzelle ein einziges Mal „falsch positiv“ mitabgefragt zu werden, auf ein angemessenes Maß reduziert ist (so auch LG Stade, a.a.O., Rn. 9). Dabei ist zu berücksichtigen, dass aus einem einmaligen „Auftauchen“ in den Verkehrsdaten einer abgefragten Funkzelle für Unbeteiligte zudem rein faktisch nichts weiter folgt und ihre Daten – nach deren unverzüglichen Auswertung (§ 101a Abs. 3 S. 1 StPO) – unverzüglich gelöscht werden, wenn und weil sie zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind (§ 101a Abs. 3 S. 4 i.V.m. § 101 Abs. 8 S. 1 StPO).
b) Zum anderen ist es in erster Linie nicht Risiko, sondern oft Ziel und eingriffsrechtfertigende Chance, mithilfe von Funkzellenabfragen nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO in sehr begrenztem Maße Bewegungsprofile von Beschuldigten zu erstellen. Dies ist – eng begrenzt durch die Anforderungen in § 100g Abs. 3 S. 1 StPO – letztlich vielfach Sinn und Zweck der Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO, was auch der 2. Strafsenat – im Widerspruch zu seiner weiteren Argumentation – anerkennt (BGH, a.a.O., Rn. 25: „Ermittlungsansätze zu generieren, die an die Anwesenheit in einer oder mehreren Funkzelle(n), an den Abgleich der festgestellten Anwesenheiten […] anknüpfen“). Dies gilt insbesondere in Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Beschuldigte. Schließlich besteht der Zweck der Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO in der Erforschung des Sachverhalts oder der Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten, unter der Voraussetzung, dass diese auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre (vgl. § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StPO). Diese Voraussetzung liegt bei Ermittlungen gegen bislang noch unbekannte Beschuldigte in aller Regel vor, weil typischerweise keine anderen Ermittlungsansätze Erfolg versprechen. Derartige Funkzellenabfragen erfüllen die Anforderung der Verhältnismäßigkeit (vgl. § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StPO) besonders dann, wenn „Kreuztreffer“ als eng begrenztes Bewegungsprofil zu erwarten sind, ein Verkehrsdatenverursacher also beispielsweise bei Serienstraftaten in mehreren Tatortfunkzellen auftaucht. Dies stellt regelmäßig ein erstes Indiz einer möglichen Tatbeteiligung dar und lässt womöglich Rückschlüsse auf die Identität eines Beschuldigten zu. Funkzellenabfragen mit Kreuztrefferpotential sind dementsprechend besonders erfolgsversprechend und damit im Sinne der Verhältnismäßigkeit eher geeignet, einen Grundrechtseingriff, insbesondere gegenüber Unbeteiligten, zu rechtfertigen.
Unangemessen umfangreiche Bewegungsprofile von Beschuldigten sind hingegen angesichts der weiteren Anforderungen in § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 StPO, insbesondere aufgrund des strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes und der zeitlichen und örtlichen Begrenzung auf kurze Zeiträume und die notwendigen Funkzellen, nicht zu erwarten. Demgegenüber ist die Standortdatenabfrage nach § 100g Abs. 1 StPO viel gezielter und örtlich von vornherein personenbezogen und linear (vgl. auch LG Stade, a.a.O., Rn. 6 und 9). Auch wegen der besonderen Erforderlichkeitsschwelle in § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StPO birgt die Funkzellenabfrage kein mit der Standortdatenerhebung gemäß § 100g Abs. 1 StPO vergleichbares Risiko einer umfassenden Bewegungsverfolgung.
5. Angesichts des klaren, lückenlosen Regelungskonzepts des insbesondere auf Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte achtenden Gesetzgebers (vgl. § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 StPO) scheidet schließlich auch eine analoge Anwendung des § 100g Abs. 2 StPO auf die Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO aus. Es mangelt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Zur Vermeidung umfassender Wiederholungen (siehe zur Systematik bereits oben, 2.) sei hier einzig § 100g Abs. 3 S. 2 StPO nochmals hervorgehoben. Darin ordnet der Gesetzgeber selbst an, wann § 100g Abs. 2 StPO auf Funkzellenabfragen nach § 100g Abs. 3 StPO anwendbar sein soll.
Außerdem besteht keine vergleichbare Interessenlage zwischen der Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO und der Standortdatenerhebung nach § 100g Abs. 1 S. 3 StPO. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO häufig um eines der wenigen in Betracht kommenden Ermittlungsinstrumente bei ansonsten völlig aussichtslosen Ermittlungsverfahren handelt (vgl. § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StPO), ist es nicht geboten, die infrage kommenden Taten auf den engen Katalog des § 100g Abs. 2 StPO zu reduzieren, den der Gesetzgeber für gezielte retrograde Standortdatenerhebungen nach § 100g Abs. 1 S. 3 StPO vorsieht. Denn die Standortdatenerhebung steht allein unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und Angemessenheit, während die Funkzellenabfrage angemessen und jeder andere Ermittlungsansatz „aussichtslos oder wesentlich erschwert“ sein muss (dazu bereits oben unter 2.c).“
Dem war aus Sicht der Kammer beizutreten.
Demzufolge war dem Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing, stattzugeben. Der angegriffene Beschluss war aufzuheben und die beantragte Anordnung nach § 100g Abs. 3 StPO trotz des bisherigen Zeitablaufs zu erlassen, da nicht auszuschließen ist, dass die begehrten Daten noch vorhanden sind.
Aufgrund des Erfolgs des Hauptantrages musste über den gestellten Hilfsantrag nicht mehr entschieden werden, da die innerprozessuale Bedingung nicht eingetreten ist.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 465 StPO analog.
IV.
Eine weitere Anfechtung dieser Entscheidungen ist nicht statthaft, § 310 Abs. 2 StPO.
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