Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 04.06.2024 - 203 StRR 212/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Will die Revision mit ihrer Rüge einer Verletzung von § 329 Abs. 1 StPO im Falle einer Erkrankung des Angeklagten eine unrichtige Beurteilung der Entschuldigung geltend machen, hat sie die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass dem Angeklagten das Erscheinen unmöglich oder unzumutbar war und das Berufungsgericht von diesem Entschuldigungsgrund Kenntnis hatte. In der Revision genügt allein die Mitteilung einer ärztlichen Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit ohne belastbare Aussagen zum Krankheitszustand diesen Anforderungen nicht.
2. Der Vortrag der Revision, es sei nicht ausgeschlossen, dass die Ergebnisse von Corona-Selbsttests vom Angeklagten herrührten, genügt nicht, um eine Verletzung von § 329 Abs. 1 StPO nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO hinreichend bestimmt zu behaupten. Die Revision muss Verfahrensverstöße als Tatsachen, nicht als bloße Möglichkeiten darstellen.
Bayerisches Oberstes Landesgericht
203 StRR 212/24
In dem Strafverfahren
Gegen pp.
wegen Betruges
erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht - 3. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 4. Juni 2024 folgenden
Beschluss
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. Dezember 2023 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
A.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Berufung des vom Amtsgericht Fürth am 25. Juli 2023 wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilten Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO nach der Einholung einer ärztlichen Stellungnahme verworfen, weil er unentschuldigt trotz ordnungsgemäßer Ladung in dem Termin zur Hauptverhandlung am 12. Dezember 2023 ausgeblieben war. Eine vom Verteidiger am Vormittag des Terminstages vorgelegte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11. Dezember 2023, die auf fernmündlichen Angaben des Angeklagten beruhe und eine Mandelentzündung bescheinige, die schriftliche Mitteilung des Angeklagten vom 11. Dezember 2023, wonach er an „39.8 Fieber Husten Gliederschmerzen Kopfschmerzen“ leide und corona positiv im Bett läge und ein vom Angeklagten stammendes Lichtbild, das zwei Covid-19-Testbehälter sowie Teststreifen mit jeweils zwei Strichen, den handschriftlich aufgebrachten Namen des Angeklagten und das Datum „11.12.2023“ zeigen würde, könnten den Angeklagten nicht entschuldigen, nachdem ein Telefonat des Vorsitzenden mit dem ausstellenden Arzt ergeben hätte, dass sich der Angeklagte lediglich telefonisch krank gemeldet und gegenüber dem Arzt von einer Coronaerkrankung nichts erwähnt hätte. Nach der Beurteilung des Arztes wäre es dem Angeklagten ausgehend von den geschilderten Symptomen aus medizinischer Sicht möglich gewesen, zum Termin anzureisen und an der Verhandlung teilzunehmen.
B.
Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten erweist sich als zulässig, jedoch unbegründet.
I. Die Verfahrensrüge der Verletzung von § 329 StPO ist nicht zulässig erhoben.
1. Die Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO in der Berufungsinstanz setzt voraus, dass das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist.
a) Das Ausbleiben des Angeklagten ist dann genügend entschuldigt, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalles ein Erscheinen nicht zumutbar war und ihm deshalb wegen seines Ausbleibens billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann (st. Rspr., vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Dezember 2023 – 204 StRR 548/23 –, juris Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 6. November 2002 – 5 St RR 279/02 –, juris Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. § 329 Rn. 23; Quentin in MüKoStPO, 2. Aufl. 2024, § 329 Rn. 29; Gössel in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 329 Rn. 35). Entscheidend ist die objektive Sachlage. Ob sich der Angeklagte genügend entschuldigt hat, ist nicht maßgeblich; von Bedeutung ist, ob er genügend entschuldigt ist (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 5. April 2023 – 203 StRR 95/23 –, juris Rn. 4; BGHSt 17, 391 zitiert nach juris Rn. 15; Paul in KK-StPO, 9. Aufl., § 329 Rn. 7 ff., 14 m.w.N.; Quentin a.a.O. Rn. 30; Gössel a.a.O. Rn. 26). Liegen in der Berufungshauptverhandlung Anhaltspunkte für einen Entschuldigungsgrund vor, hat das Gericht von Amts wegen im Freibeweis zu prüfen, ob er zutrifft (st. Rspr., vgl. Senat a.a.O. Rn. 4; BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 - 202 StRR 29/20 -, juris Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2000 - 5 St RR 259/00 -, juris Rn. 9; BGHSt 17, 391; Eschelbach in BeckOK StPO 51. Ed. § 329 Rn. 23, 34 f.; Quentin a.a.O. Rn. 32; Gössel a.a.O. Rn. 22, 30; Paul a.a.O.) und das Ergebnis der Abklärung im Urteil darzulegen. Etwa vorgebrachte Entschuldigungsgründe und sonstige als Entschuldigung in Betracht kommende Tatsachen müssen in den Urteilsgründen wiedergegeben und gewürdigt werden (Senat a.a.O. Rn. 4; OLG Dresden, Beschluss vom 31. Januar 2019 - 2 OLG 22 Ss 699/18 -, juris Rn. 7; KG Berlin, Beschluss vom 19. Dezember 2001 – (3) 1 Ss 149/01 (92/01) –, juris Rn. 5; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Februar 1999 - 2 Ss 121/99 -, juris Rn. 15 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 33). Das folgt schon daraus, dass das Revisionsgericht bei der Prüfung der Frage, ob das Berufungsgericht die in § 329 StPO enthaltenen Rechtsbegriffe verkannt hat, an die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Verwerfungsurteil gebunden ist. Es darf sie weder in Frage stellen noch im Freibeweisverfahren ergänzen (BGHSt 28, 384; KG a.a.O.; Quentin a.a.O. Rn. 109; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 48).
b) Eine Erkrankung entschuldigt das Ausbleiben des Angeklagten bereits dann, wenn ihm nach der Art und den Auswirkungen seiner Krankheit die Fahrt zum Verhandlungsort und die Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zumutbar sind; des Nachweises einer Verhandlungsunfähigkeit bedarf es nicht (Senat a.a.O. Rn. 5 m.w.N.; BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 - 202 StRR 29/20 -, juris Rn. 8; BayObLG, Beschluss vom 6. November 2002 - 5 StRR 279/02 -, juris Rn. 5; OLG München, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 5 OLG 15 Ss 173/17 -, juris Rn. 13 m.w.N.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. Januar 2022 - 1 OLG 53 Ss-OWi 586/21 -, juris Rn. 17 m.w.N. zu § 74 Abs. 2 OWiG; Paul a.a.O. Rn. 10 m.w.N. Eschelbach a.a.O. Rn. 25; Quentin a.a.O. Rn. 44; Gössel a.a.O. Rn. 36; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 26). Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, auch ohne Nennung einer Diagnose, ist grundsätzlich geeignet, dem Tatgericht Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zu bieten und die gerichtliche Nachforschungspflicht auszulösen (vgl. Senat a.a.O. Rn. 6; KG Berlin, Urteil vom 24. Juli 2023 – 3 ORs 38/23 - 121 Ss 84/23 –, juris Rn. 10; zu Einzelheiten vgl. Quentin a.a.O. § 329 Rn. 44).
2. In der Revision ist die Frage, ob der Angeklagte unentschuldigt im Sinne von § 329 StPO gefehlt hat, so dass das Gericht seine Berufung ohne weiteres verwerfen durfte, also ob der Tatrichter den Begriff der Entschuldigung zutreffend angewandt oder verkannt hat und ob er der Art und den Auswirkungen der Erkrankung weiter nachgehen musste, nicht von Amts wegen zu prüfen, sondern nur auf eine zulässig erhobene Verfahrensrüge (Senat a.a.O. Rn. 7; BayObLG, Urteil vom 25. Oktober 2022 - 206 StRR 286/22 -, juris, Rn. 8 m.w.N.; BGHSt 17, 391 zitiert nach juris Rn. 15; Paul, a.a.O. Rn. 7 ff., 14 m.w.N.; Gössel a.a.O. Rn. 95; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 48). Da dem Revisionsgericht eigene Feststellungen verwehrt sind, ist grundsätzlich erforderlich, in der Begründung der Revision alle den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO so vollständig und genau mitzuteilen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die vom Revisionsführer behaupteten Tatsachen im Freibeweisverfahren (Gericke in KK-StPO a.a.O. § 344 Rn. 40) bewiesen werden (st. Rspr. vgl. Senat, a.a.O. Rn. 7; KG Berlin a.a.O. Rn. 6; Nachweise bei Gericke a.a.O. Rn. 39; Gössel a.a.O. Rn. 95 und 100; Quentin a.a.O. Rn. 100 ff.; Eschelbach a.a.O. Rn. 67). Danach gilt:
a) Will die Revision im Falle einer Erkrankung des Angeklagten eine unrichtige Beurteilung der Entschuldigung geltend machen, hat sie die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass dem Angeklagten das Erscheinen unmöglich oder unzumutbar war und das Berufungsgericht von diesem Entschuldigungsgrund Kenntnis hatte (vgl. Eschelbach a.a.O. Rn. 67). Der Beschwerdeführer hat den Entschuldigungsgrund der Erkrankung so hinreichend darzulegen, dass dem Revisionsgericht allein aufgrund des Vorbringens die Bewertung einer Krankheit als Entschuldigungsgrund ermöglicht wird. Dazu ist die Art der Erkrankung unter Angabe der Symptomatik in der Rechtfertigungsschrift detailliert darzustellen (Senat a.a.O. Rn. 8 m.w.N.; BayObLG, Urteil vom 25. Oktober 2022 - 206 StRR 286/22 -, juris Rn. 11; KG Berlin a.a.O. Rn. 7 m.w.N.). Maßgeblich ist der Kenntnisstand des Tatrichters. Nachträgliches Entschuldigungsvorbringen ist insoweit unbeachtlich (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 48). In der Revision genügt allein die Mitteilung einer ärztlichen Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit ohne belastbare Aussagen zum Krankheitszustand diesen Anforderungen nicht (vgl. KG a.a.O. Rn. 11; Eschelbach a.a.O. Rn. 67).
b) Will die Revision die Verletzung der Aufklärungspflicht rügen und beanstanden, dass das Berufungsgericht trotz vorliegender Anhaltspunkte für einen bestimmten Entschuldigungssachverhalt diesem nicht in dem gebotenen Maße nachgegangen ist und die Aufklärung das Vorliegen eines genügenden Entschuldigungsgrundes ergeben hätte, ist in der Revisionsbegründung darzulegen, welcher konkrete Umstand aufgeklärt werden sollte, welches Beweismittel benutzt werden sollte, warum sich diese Aufklärung aufdrängte und was sie zugunsten des Beschwerdeführers ergeben hätte (Senat a.a.O. Rn. 9; KG a.a.O. Rn. 14; Gössel a.a.O. Rn. 95, 100; Eschelbach a.a.O. Rn. 69, 70). Auch insoweit gehören zum notwendigen Revisionsvorbringen neben der Angabe der Art der Erkrankung eine Darstellung der aktuell zum Termin bestehenden Symptomatik und die Darlegung der daraus zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung resultierenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen (Senat a.a.O. Rn. 9 und 10; Quentin a.a.O. Rn. 103 m.w.N.).
3. Die Verfahrensrüge des Angeklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Denn der Revisionsschrift lässt sich aufgrund der widersprüchlichen und lückenhaften Angaben zur angeblichen Erkrankung weder das genaue Ausmaß der körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung oder einer akuten Infektionsgefahr entnehmen noch behauptet der Beschwerdeführer, dass dem Tatrichter am Tage der Hauptverhandlung über die eingeholte ärztliche Auskunft hinaus eine weitere Erkenntnismöglichkeit für eine Klärung des Zustands des Angeklagten zur Verfügung gestanden hätte.
a) Dass alleine die Vorlage einer Bescheinigung über einen positiven Antigentest auf das Vorliegen einer SARS-CoV-2 Infektion nach dem Ende der Quarantänepflicht das Ausbleiben eines Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht genügend entschuldigt, ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgericht bereits geklärt (Beschluss vom 28. Juni 2023 – 206 StRR 174/23-, juris; im Ergebnis auch OLG Hamm, Beschluss vom 6. Januar 2022 – III-5 RVs 131/21 –, juris Rn. 9 zu einem auf eine Covid-Infektion gestützten Wiedereinsetzungsantrag; anders im Fall des ärztlich attestierten Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und hohen Fiebers OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16. Februar 2023 – 1 ORs 2 Ss 44/22 –, juris). Durch die zur Begründung des Verfahrensverstoßes gewählte Formulierung, es sei nicht ausgeschlossen, dass die Ergebnisse der Corona-Selbsttests vom Angeklagten herrührten und aktuell waren, wird die Verletzung von formellen Recht zudem nicht hinreichend bestimmt behauptet. Die Revision muss Verfahrensverstöße als Tatsachen, nicht als bloße Möglichkeiten behaupten (BGH, Urteil vom 4. September 2014 – 1 StR 75/14 –, juris Rn. 65; Gericke a.a.O. § 344 Rn. 33). Das Vorbringen genügt somit nicht, um ein konkretes, die Abwesenheit des Angeklagten entschuldigendes Erkrankungsbild oder eine ernsthafte Infektionsgefahr (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - 206 StRR 286/22, juris Rn. 11) hinreichend bestimmt darzulegen, zumal die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Coronainfektion, sondern die Diagnose einer Mandelentzündung ausweist. Dem Senat ist mangels bestimmter Behauptung einer Erkrankung die Prüfung, ob entgegen der auf die ärztliche Auskunft gestützte Beurteilung des Tatrichters die Fahrt zum Verhandlungsort und die Teilnahme an der Hauptverhandlung nach der Art und den Auswirkungen der Krankheit nicht zumutbar waren, nicht eröffnet.
b) Was die Strafkammer am Tage der Hauptverhandlung über die Auskunft des Arztes hinaus noch hätte aufklären und welches Beweismittel sie dafür hätte nutzen können, erschließt die Rechtfertigungsschrift nicht. Das Gericht ist bei einem Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung nach dem Normzweck, das Berufungsverfahren zügig zum Abschluss zu bringen und von dem Angeklagten anlastbaren Verzögerungen freizuhalten (vgl. Quentin a.a.O. Rn. 5) nur gehalten, diejenigen Beweise zu erheben, die sofort zur Verfügung stehen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 6. November 2002 – 5St RR 279/02 –, juris Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2000 – 5St RR 259/00 –, juris Rn. 9; Eschelbach a.a.O. Rn. 23; Quentin a.a.O. Rn. 36; Gössel a.a.O. Rn. 24; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 21).
4. Die Rüge des Verstoßes gegen die ärztliche Schweigepflicht geht bereits deshalb fehl, weil es der Angeklagte selbst war, der über seinen Verteidiger die Bescheinigung bei Gericht vorgelegt hat. Mit der Vorlage der ärztlichen Bescheinigung bei Gericht als Beleg für eine Entschuldigung ist eine konkludente Entbindung des ausstellenden Arztes von der ärztlichen Schweigepflicht verbunden (st. Rspr., vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. September 2000 – 5St RR 259/00 –, juris Rn. 9; OLG München, Beschluss vom 27. Juni 2017 – 5 OLG 15 Ss 173/17 –, juris Rn. 16; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. Mai 2005 – 3 Ws 405/05 –, juris Rn. 8; Eschelbach a.a.O. Rn. 23).
5. Der Rechtsansicht der Revision, die Strafkammer habe mit der Verwerfung der Berufung gegen die Vorschrift von § 230 StPO verstoßen, ist nicht zu folgen.
a) Der Normzweck der Ausnahmebestimmung über die Verwerfung der Berufung wegen Nichterscheinens des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung besteht darin, zu verhindern, dass der Angeklagte durch unentschuldigtes Ausbleiben, durch eigenmächtiges Sich-Entfernen oder durch schuldhafte Herbeiführung von Verhandlungsunfähigkeit den Abschluss des Verfahrens verzögert (Eschelbach a.a.O. Rn. 1). Er verliert sein Recht auf eine Verhandlung in der Sache, wenn er durch sein unentschuldigtes Fernbleiben die von ihm selbst beantragte erneute sachliche Entscheidung hindert. Das Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO ist ein Prozessurteil, kein Sachurteil.
b) Somit liegt kein Verstoß gegen das Anwesenheitsrecht vor, wenn der Angeklagte als Rechtsmittelführer der Berufungsverhandlung fernbleibt und die Strafkammer nach § 329 Abs. 1 StPO verfährt. Denn in diesem Fall wird weder zur Sache verhandelt noch werden Feststellungen zum Schuld- oder Strafausspruch getroffen, sondern es wird als Folge der Abwesenheit des Angeklagten lediglich die verfahrensrechtliche Frage geprüft, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des § 329 Abs. 1 StPO vorliegen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13. September 2011 – 32 Ss 119/11 -, juris Rn. 31; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. August 2004 – 1 Ss 132/04 –, juris; Gössel a.a.O. Rn. 31).
II. Die ebenfalls erhobene Sachrüge führt, da das angefochtene Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO als reines Prozessurteil keine Sachentscheidung in Bezug auf den Verfahrensgegenstand enthält, nur zur Prüfung, ob Verfahrenshindernisse vorliegen (Senat a.a.O. Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 9. Oktober 2020 – 202 StRR 94/20 –, juris Rn. 19 m.w.N.; Gössel a.a.O. Rn. 98; Quentin a.a.O. Rn. 101; Reichenbach in: Gercke/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023, § 329 StPO Rn. 70); solche sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Einsender: 3. Strafsenat des BayObLG
Anmerkung:
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