Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.07.2024 – 1 ORbs 134/24
Eigener Leitsatz:
Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist der Sinn des Fahrverbots in Frage zu stellen, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt-
In pp.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 21. Februar 2024 wird gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG in Verbindung mit § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.
Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.
Gründe
I.
Der Zentraldienst der Polizei des Landes Brandenburg – Zentrale Bußgeldstelle – verhängte mit Bescheid vom 04. Juli 2022 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 49 km/h ein Bußgeld in Höhe von 320,00 € und – unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2a StVG – ein einmonatiges Fahrverbot gegen den Betroffenen. Die Zentrale Bußgeldstelle warf ihm vor, am (Datum) gegen (Uhrzeit) mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen: …, die Bundesautobahn … auf Höhe des Kilometers … in Fahrtrichtung … mit einer Geschwindigkeit von – nach Toleranzabzug – 149 km/h befahren zu haben, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt gewesen sei.
Auf den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen, den dieser in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, erkannte das Amtsgericht Oranienburg mit Urteil vom 21. Februar 2024 auf eine Geldbuße in Höhe von 640,00 €, die in zwei monatlichen Raten zu je 320,00 € zu zahlen sei. Von der Verhängung eines Fahrverbots sah das Amtsgericht ab. Hierzu führte es aus, der Betroffene sei zwar von einem Fahrverbot nicht im Sinne einer besonderen Härte besonders betroffen, allerdings sei die erzieherische Erforderlichkeit des Fahrverbots im Laufe des Verfahrens entfallen. Insbesondere bei einem – wie hier – nicht vorbelasteten und fahrlässig handelnden Betroffenen könne die Erforderlichkeit des Fahrverbots entfallen, wenn durch Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV die Geldbuße angemessen erhöht werde, sodass bereits hierdurch ein erzieherischer Effekt eintrete. Das sei vorliegend mit einer Verdoppelung der Geldbuße der Fall.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner am 26. Februar 2024 bei dem Amtsgericht angebrachten Rechtsbeschwerde, die er nach am 02. April 2024 erfolgter Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe unter dem 08. April 2024 begründet hat. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Urteilsfeststellungen seien lückenhaft, weil nicht dargestellt sei, warum das Bußgeld verdoppelt worden sei, denn ein Fahrverbot sei schon wegen Zeitablaufs nicht mehr geboten gewesen. Zur Einspruchsbeschränkung auf die Rechtsfolgen sei es nur gekommen, weil das Bußgeldgericht verdeutlicht habe, die Geldbuße schon wegen Vorsatzes verdoppeln zu wollen, eine Kompensation des Fahrverbots würde dann zu einer Vervierfachung führen. Der Betroffene meint, selbst die Verdoppelung der Geldbuße sei rechtsfehlerhaft erfolgt, weil das Fahrverbot schon wegen Zeitablaufs in Wegfall habe geraten müssen.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 08. Mai 2024, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Betroffene hat hierzu mit Anwaltsschriftsatz vom 01. Juni 2024 Stellung genommen.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG statthaft und entsprechend §§ 79 Abs. 3 S:1 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
a) Die Rüge einer Verletzung formellen Rechts ist nicht hinreichend ausgeführt und deshalb gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG in Verbindung mit § 344 Abs. 2 S. 2 StPO unzulässig.
b) Die auf die Sachrüge vorgenommene Überprüfung des angefochtenen Urteils hat Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht ergeben.
Insbesondere ist das Erkenntnis des Bußgeldgerichts, von der Verhängung des nach BKatV bei der hier vorliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung um 49 km/h indizierten Fahrverbots vermittels Kompensation durch eine Verdoppelung der Geldbuße abzusehen, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Der Verhängung des Fahrverbots steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Ordnungswidrigkeit bereits 22,5 Monate vor der angefochtenen Entscheidung des Bußgeldgerichts begangen worden war. Das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 90; BVerfGE 27, 36, 42). Das Fahrverbot kann deshalb seinen Sinn verloren haben, wenn seit dem Verkehrsverstoß ein erheblicher Zeitraum vergangen ist (vgl. KG StraFo 2007, 518 m. w. N.). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom nach der BKatV indizierten Fahrverbot rechtfertigen kann, ist eine Frage des Einzelfalls, die dem Tatrichter einen Beurteilungsspielraum eröffnet.
Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist der Sinn des Fahrverbots in Frage zu stellen, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt (vgl. OLG Hamm DAR 2012, 340; OLG Celle VRS 108, 118; OLG Karlsruhe DAR 2005, 168; OLG Bamberg DAR 2008, 651 m. w. N.; ständige Senatsrspr., vgl. statt vieler: Beschluss vom 05. Februar 2021 – 1 OLG 53 Ss-OWi 6/21; s. a. König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage, zu § 25 StVG, Rz. 24 m. zahlr. N.). Hinsichtlich dieser Zweijahresfrist kommt es auf den Zeitraum zwischen Tatbegehung und letzter tatrichterliche Verhandlung an, da der Tatrichter den sich anschließenden Zeitraum zwischen seiner Entscheidung und deren Rechtskraft nicht berücksichtigen kann und das Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu prüfen hat, ob das Urteil des Bußgeldgerichts auch den Rechtsfolgenausspruch, insbesondere die Verhängung und Begründung des Fahrverbots, betreffend Rechtsfehler aufweist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. März 2011- 3 RBs 70/10;OLG Oldenburg, Beschluss vom 03. August 2011- 2 BsSs 172/11; jeweils zitiert nach juris).Selbst ein Zeitablauf von zwei Jahren zwischen Tatbegehung und tatrichterlichem Urteil führt nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot. Er beinhaltet lediglich einen Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung dazu, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck noch erfüllen kann, geboten ist. Bei einem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es nach Auffassung des Senats besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2000, 829; s. zum Ganzen auch: König in: Hentschel/Dauer/König a. a. O.).
Im vorliegenden Fall war die Zweijahresfrist bei der Entscheidung des Amtsgerichts noch nicht abgelaufen. Die Kompensation seines Wegfalls durch eine Verdoppelung der Geldbuße ist deshalb nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO.
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