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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Fahrtenbuchauflage, standardisiertes Messverfahren, Zugang Daten, Bußgeldstelle, Mitwirkungspflicht

Gericht / Entscheidungsdatum: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 06.08.2024 – 13 S 1001/23

Leitsatz des Gerichts:

1. Wird eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt, muss das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung auch bei fehlenden Rohmessdaten nur dann von Amts wegen überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben.
2. Der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung, der sich gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren wendet, kann sich nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um - ggf. auch nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Ahndung des Verkehrsverstoßes - den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten.


In pp.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. April 2023 - 2 K 561/21 - wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.469,11 EUR festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) gestützte Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28.04.2023 hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zuzulassen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der von der Klägerin innerhalb der Zulassungsbegründungsfrist dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18.06.2019 - 1 BvR 587/17 - juris Rn. 32 und vom 09.06.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16; Beschluss des Senats vom 24.06.2024 - 13 S 365/22 - juris Rn. 9). Um dem Darlegungserfordernis (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) zu genügen, ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich. Dies erfordert ein Durchdringen und Aufbereiten des Sach- und Streitstoffs in einer Weise, die im Einzelnen verdeutlicht, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen den entscheidungstragenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt werden kann (vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.06.2024 a. a. O. Rn. 10 und vom 25.03.2024 - 13 S 730/23 - juris Rn. 3).

Von diesen Vorgaben ausgehend werden von der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils aufgezeigt.

a) Ihre Rüge, das Verwaltungsgericht habe „auf Seite 11 der Entscheidungsgründe auf Ausführungen in einem Parallelverfahren im Beschluss vom 19.02.2021 - 2 K 5148/20 -“ verwiesen, was jedoch ohne Wiedergabe der tragenden Gründe unzulässig sei, erfüllt bereits nicht die Mindestanforderungen an eine hinreichende Darlegung eines Zulassungsgrunds im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat auf Seite 11 seines Urteils festgestellt, dass die streitige Fahrtenbuchanordnung rechtmäßig war, und „insofern zunächst auf seine Ausführungen in dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 19.02.2021 - 2 K 5148/20 -, mit dem es den Antrag der Klägerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.10.2020 ablehnte“, verwiesen. Zur Begründung seiner Verweisung hat es ausgeführt, dass den „dortigen Erwägungen des Gerichts [...] die Klägerin im Rahmen des Klageverfahrens in weiten Teilen schon überhaupt nicht substantiiert entgegengetreten [ist], sodass die seinerzeitigen Ausführungen des Gerichts auch nach nochmaliger Prüfung im Klageverfahren nach wie vor Geltung beanspruchen“. Hieran anschließend ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil auf das weitergehende Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren im Einzelnen eingegangen (vgl. S. 11 ff. des Urteilsabdrucks). Ein nachvollziehbarer Grund, weshalb diese Verweisung unzulässig oder das Urteil insoweit ohne „ordnungsgemäße Begründung“ sein soll, wird von der Klägerin nicht angeführt und ist auch nicht erkennbar (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 14.03.2011 - 8 B 61.10 - juris Rn. 24 und vom 09.06.1981 - 7 B 121.81 - juris Rn. 7).

b) In dem so in die Entscheidungsgründe des Urteils einbezogenen Beschluss vom 19.02.2021 - 2 K 5148/20 - hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass und warum hier im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO „die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war“ (vgl. S. 10 bis 15 des Beschlussabdrucks). Soweit die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen vorträgt, dass die Nichtermittelbarkeit des verantwortlichen Fahrers in der Sphäre der Bußgeldbehörde liege, da diese der Fahrzeughalterin weder den Anhörungsbogen innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach dem Tatzeitpunkt noch ein ordnungsgemäßes Lichtbild habe zukommen lassen, wiederholt sie lediglich ihr früheres Vorbringen, ohne sich mit der sorgfältigen Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen. Damit wird schon dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügt. Unabhängig hiervon ist das diesbezügliche Zulassungsvorbringen auch inhaltlich nicht geeignet, die Richtigkeit der hierzu gemachten Ausführungen des Verwaltungsgerichts, auf die, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen wird (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), in Zweifel zu ziehen (zur Obliegenheit bei Firmenfahrzeugen, die Fahrzeugnutzung zu dokumentieren, vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 21.07.2014 - 10 S 1256/13 - juris Rn. 6 ff. und vom 30.11.2010 - 10 S 1860/10 - juris Rn. 15; ebenso Beschlüsse vom 06.11.2019 - 10 S 2345/19 - und vom 09.02.2017 - 10 S 1659/16 - jew. n. v.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.06.2023 - 7 B 10360/23 - juris Rn. 6; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.06.2020 - 8 A 1423/19 - juris Rn. 13 ff.).

c) In der Zulassungsbegründung wirft die Klägerin dem Verwaltungsgericht vor, es habe keine eigenständige Sachaufklärung betrieben und der angebliche Verstoß am 20.04.2020 gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit stehe überhaupt nicht fest, da eine Verwertbarkeit der Messung und ein standardisiertes Verfahren nur dann vorlägen, wenn die Roh-Messdaten gespeichert worden seien, was hier nicht geschehen sei. Das habe sie gegenüber dem Verwaltungsgericht vorgetragen und damit ihrer Darlegungslast genügt. Hier hätte das Verwaltungsgericht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz aufklären müssen, ob ein Geschwindigkeitsverstoß vorgelegen habe. Sie selbst sei nicht in der Lage gewesen, weitergehend einen substantiierten Verdacht gegen die Richtigkeit des Ergebnisses der konkreten Geschwindigkeitsmessung vorzubringen. Sie habe im Bußgeldverfahren sofort Akteneinsicht beantragt, was ihr verweigert worden sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sie keine Beteiligte am Bußgeldverfahren gewesen sei und damit keine Möglichkeit gehabt habe, die Messung einem Sachverständigen vorzulegen und konkrete Rügen zur Messung zu erheben. Das Verwaltungsgericht habe bei seinen Ausführungen die von ihr zitierte Rechtsprechung unterschlagen.

Mit dem Einwand der Klägerin, dass der der Fahrtenbuchanordnung zugrunde gelegte Verkehrsverstoß überhaupt nicht feststehe, hat sich das Verwaltungsgericht bereits im angegriffenen Urteil eingehend befasst und hierbei auf umfangreich zitierte Rechtsprechung zurückgegriffen (vgl. S. 11 bis 13 des Urteilsabdrucks). Das hiergegen gerichtete Zulassungsvorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufzuwerfen. Mehrere Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 21.06.2023 - 2 BvR 1090/21 -, vom 21.06.2023 - 2 BvR 1082/21 - und vom 20.06.2023 - 2 BvR 1167/20 - jeweils bei juris) bestätigen in der Sache die Richtigkeit der Argumentation des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil. So hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem Folgendes ausgeführt (Beschluss vom 21.06.2023 - 2 BvR 1090/21 - juris Rn. 30 bis 47):

a) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, wenn Fachgerichte in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht im Fall eines standardisierten Messverfahrens ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 39 ff.).

aa) Bei einem standardisierten Messverfahren handelt es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind, wobei dies nicht bedeutet, dass die Messung in einem voll automatisierten, menschliche Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren stattfindet (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 41, unter Hinweis auf BGHSt 43, 277 <284>). Regelmäßig werden technische Messsysteme, deren Bauart von der PTB zur Eichung zugelassen ist, von den Gerichten als standardisierte Messverfahren insbesondere bei Geschwindigkeitsmessungen anerkannt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 41 m.w.N.).

Kommt bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein standardisiertes Messverfahren zur Anwendung, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geringere Anforderungen an die Beweisführung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 42, unter Verweis auf BGHSt 39, 291; 43, 277). Denn die Zulassung durch die PTB bietet bei Verwendung des Messgerätes im Rahmen der Zulassungsvorgaben nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich eine ausreichende Gewähr dafür, dass die Messung bei Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen für den Einsatz auch im Einzelfall ein fehlerfreies Ergebnis liefert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 42 m.w.N.). Wie bei allen technischen Untersuchungsmethoden, insbesondere solchen, die in Bereichen des täglichen Lebens außerhalb von Laboratorien durch „angelerntes“ Personal gewonnen werden, ist auch bei standardisierten Messverfahren eine absolute Genauigkeit, also eine sichere Übereinstimmung mit der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit, nicht möglich; das Tatgericht muss sich deshalb bei der Berücksichtigung der Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessgeräten bewusst sein, dass Fehler nicht auszuschließen sind und es hat diesem Umstand durch die Berücksichtigung von Messtoleranzen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 42, unter Hinweis auf BGHSt 39, 291 <301>).

Davon abgesehen ist das Tatgericht nur dann gehalten, das Messergebnis zu überprüfen und sich von der Zuverlässigkeit der Messung zu überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 43, unter Hinweis auf BGHSt 39, 291 <301>; 43, 277 <283 f.>). Wurde das Messgerät von seinem Bedienpersonal standardmäßig, also in geeichtem Zustand gemäß der Betriebsanleitung des Herstellers und den Zulassungsbedingungen der PTB entsprechend verwendet, ist das Tatgericht auch von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zur Funktionsweise des Messgerätes, freigestellt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 43 m.w.N.).

Die amtliche Zulassung von Messgeräten sowie die Reduzierung des gemessenen Wertes um einen - systemimmanente Messfehler erfassenden - Toleranzwert dient dem Zweck, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und der Erörterung des Regelfalles zu entlasten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 44 m.w.N.). Bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit des Messergebnisses, genügt deshalb zum Nachweis eines Geschwindigkeitsverstoßes grundsätzlich die Mitteilung des eingesetzten Messverfahrens, der ermittelten Geschwindigkeit nach Abzug der Toleranz und des berücksichtigten Toleranzwertes (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 44 m.w.N.). Bei standardisierten Messverfahren sind daher im Regelfall - ohne konkrete Anhaltspunkte für eventuelle Messfehler - die Feststellungs- und Darlegungspflichten des Tatgerichts reduziert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 44 m.w.N.). Regelmäßig umfasst der Akteninhalt der Bußgeldakte deshalb lediglich diejenigen Informationen, die zur Feststellung des Geschwindigkeitsverstoßes nach den Grundsätzen zum standardisierten Messverfahren entscheidungserheblich sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 44 m.w.N.).

bb) Dabei bleibt der Anspruch des Betroffenen, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten verurteilt zu werden, gewahrt, wenn ihm die Möglichkeit eröffnet ist, das Tatgericht im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Durch das Stellen von Beweisanträgen, Beweisermittlungsanträgen und Beweisanregungen hat der Betroffene ausreichende prozessuale Möglichkeiten, weiterhin auf Inhalt und Umfang der Beweisaufnahme Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 45 m.w.N.).

Für einen erfolgreichen Beweisantrag muss der Betroffene konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes vortragen, wohingegen die bloß allgemeine Behauptung, die Messung sei fehlerhaft gewesen, das Gericht nicht zur Aufklärung anhält (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 46 m.w.N.). Gleiches gilt für pauschale Behauptungen des Betroffenen ins Blaue hinein, etwa, dass das Messgerät nicht richtig funktioniert habe, die Gebrauchsanweisung nicht eingehalten oder nachträglich Eingriffe an dem Gerät vorgenommen worden seien (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 46 m.w.N.).

cc) Mit der Rechtsprechungspraxis zum standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsverstößen wird gewährleistet, dass bei massenhaft vorkommenden Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht jedes Amtsgericht bei jedem einzelnen Bußgeldverfahren anlasslos die technische Richtigkeit einer Messung jeweils neu überprüfen muss. Die damit verbundene Vereinfachung des Verfahrensgangs ist bei derartigen Bußgeldverfahren indiziert (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 48 m.w.N.). Das Bußgeldverfahren als solches ist gerade im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine Vereinfachung des Verfahrensgangs und eine schnelle Erledigung ausgerichtet (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 48 m.w.N.). Anders als das Strafverfahren dient es nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung, der der Ernst der staatlichen Strafe fehlt (vgl. BVerfGE 27, 18 <33 m.w.N.>; 45, 272 <288 f.>). Es ist von Verfassungs wegen deshalb auch nicht zu beanstanden, wenn dem geringeren Unrechtsgehalt der Ordnungswidrigkeiten gerade im Bereich von massenhaft vorkommenden Verkehrsverstößen durch Vereinfachungen des Verfahrensgangs Rechnung getragen wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 48, unter Hinweis auf BVerfGE 45, 272 <289> zu Sonderregelungen im Bußgeldverfahren).

b) Ein rechtsstaatliches und faires Verfahren fordert „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Beschuldigten andererseits, weshalb der Beschuldigte ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen und auf die Vermittlung der erforderlichen materiell- und prozessrechtlichen Informationen hat, ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 50, unter Verweis auf BVerfGE 110, 226 <253>). Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Januar 1983 (BVerfGE 63, 45) zu sogenannten Spurenakten gehört hierzu auch der Zugang zu den bei den Ermittlungsbehörden anlässlich des Verfahrens entstandenen Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen, die dem Gericht durch die Verfolgungsbehörde nicht vorgelegt wurden und deren Beiziehung seitens des Fachgerichts unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich erachtet wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 50 ff., unter Verweis auf BVerfGE 63, 45 <66 ff.>). Diese für das Strafverfahren geltenden Grundsätze können auch auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren übertragen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 53 f.).

Dabei gilt das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten nicht unbegrenzt, weil andernfalls die Gefahr der uferlosen Ausforschung, erheblicher Verfahrensverzögerungen und des Rechtsmissbrauchs bestünde (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 56). Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssen deshalb zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 57). Die Bußgeldbehörden beziehungsweise die Fachgerichte haben im Einzelfall zu entscheiden, ob sich das den Geschwindigkeitsverstoß betreffende Zugangsgesuch der Verteidigung in Bezug auf die angeforderten Informationen innerhalb dieses Rahmens hält; eine generell-abstrakte, über den Einzelfall hinausgehende Festlegung des Umfangs des Informationszugangs und der Modalitäten seiner Gewährung durch das Bundesverfassungsgericht ist insoweit weder möglich noch von Verfassungs wegen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 58).

Der Gewährung eines solchen Informationszugangs können zudem gewichtige verfassungsrechtlich verbürgte Interessen wie beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege oder auch schützenswerte Interessen Dritter widerstreiten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 59, unter Hinweis auf BVerfGE 63, 45 <66>). Auch müssen unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ in der Rollenverteilung begründete verfahrensspezifische Unterschiede in den Handlungsmöglichkeiten von Verfolgungsbehörde und Verteidigung nicht in jeder Beziehung ausgeglichen werden (vgl. BVerfGE 63, 45 <67>; 122, 248 <275>).

3. Vorliegend zeigt die Beschwerdeführerin nicht die Möglichkeit auf, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt zu sein.

Zur Begründung macht sie im Kern geltend, dass das Amtsgericht dem Gedanken der Waffengleichheit nicht hinreichend Rechnung getragen habe, weil es ihr aufgrund der Art und Weise der systembedingt erzeugten Geschwindigkeitsmessung im Wege eines standardisierten Messverfahrens nicht möglich sei, etwaige Unplausibilitäten in Bezug auf das Messergebnis anhand der technischen Abläufe zu verifizieren und sachverständig untersuchen zu lassen. Für ihre Position führt sie insbesondere Argumente aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5. Juli 2019 (VerfGH Saarland, Urteil vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 -, juris) an, dem eine Geschwindigkeitsmessung mit dem - auch vorliegend verwendeten - Gerät des Typs TraffiStar S350 zugrunde lag. Weiterhin führt sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2020 zum Anspruch auf Zugang zu vorhandenen Informationen in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren an (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -).

Zwar ist denkbar, dass die Beschwerdeführerin aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Betroffenen in einem Bußgeldverfahren andererseits auch Zugang zu - zwar nicht in der Bußgeldakte, aber bei der Bußgeldbehörde - vorhandenen Informationen verlangen kann (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 50 ff.). Ihre Behauptung, das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 12. November 2020 zu dem Messgerät PoliScan Speed M1 klargestellt, dass ein Betroffener in der Regel Anspruch auf Kenntnis von vorhandenen Rohmessdaten habe, trifft jedoch nicht zu. In dem Ausgangsverfahren der entsprechenden Stattgabeentscheidung verkannten die Fachgerichte bereits den grundsätzlich bestehenden Anspruch des Beschwerdeführers auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 62 ff.). Ob auch die von der Beschwerdeführerin vorliegend bezeichneten „Rohmessdaten“, wenn diese vorhanden gewesen wären, zu diesen herauszugebenden Informationen zählen können, haben die Bußgeldbehörden beziehungsweise die Fachgerichte im Einzelfall zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 58). Letzteres war in dem entsprechenden Ausgangsverfahren der Stattgabeentscheidung vom 12. November 2020 in Anbetracht der generellen Versagung des geltend gemachten Informationsbegehrens unterblieben, weshalb das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung über den konkreten Umfang des verfassungsrechtlich gebotenen Informationsumfangs weder treffen konnte noch von Verfassungs wegen musste.

Die Beschwerdeführerin scheint vor allem zu schlussfolgern, der aus dem Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren resultierende Gedanke der Waffengleichheit gebiete es darüber hinaus, dass die zuständigen Behörden nur Geräte einsetzen, die sogenannte „Rohmessdaten“ erheben. Damit verlangt sie ein Mehr im Vergleich zur bloßen Herausgabe von vorhandenen Informationen, weil nach ihrem Vorbringen auch die Bußgeldbehörde nicht im Besitz der von ihr bezeichneten „Rohmessdaten“ ist. Die Beschwerdeführerin legt insofern nicht substantiiert dar, dass aus dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf ein faires Verfahren - aus Gründen der „Waffengleichheit“ oder in sonstiger Hinsicht - eine staatliche Pflicht folgt, potentielle Beweismittel zur Wahrung von Verteidigungsrechten vorzuhalten beziehungsweise zu schaffen. Dies gilt erst recht in Anbetracht der besonderen Substantiierungsanforderungen im Falle von Handlungspflichten der öffentlichen Gewalt (vgl. etwa BVerfGE 56, 54 <80 f.>; 77, 170 <214 f.>; 158, 170 <190 ff. Rn. 48 ff.>; 160, 79 <104 f. Rn. 69 ff.>; BVerfGK 14, 192 <199 ff.>; 20, 320 <324 f.> zur Darlegung von Schutzpflichtverletzungen) und der von der Beschwerdeführerin geforderten Ausweitung der Verteidigungsrechte im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf ein faires Verfahren. Auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung wird nahezu einhellig abgelehnt, dass aus dem Recht auf gleichmäßigen Zugang zu vorhandenen Beweismitteln auch ein Recht auf Vorhaltung beziehungsweise Schaffung potentieller Beweismittel folge und wird das standardisierte Messverfahren nach den allgemeinen Grundsätzen auch bei nicht vorhandenen Rohmessdaten zur Anwendung gebracht (vgl. etwa KG, Beschluss vom 2. Oktober 2019 - 3 Ws [B] 296/19, 3 Ws [B] 296/19 - 162 Ss 122/19 -, juris, Rn. 3 ff. m.w.N. und Beschluss vom 5. April 2020 - 3 Ws [B] 64/20, 3 Ws [B] 64/20 - 122 Ss 21/20 -, juris, Rn. 14 ff. m.w.N.; BayObLG, Beschluss vom 9. Dezember 2019 - 202 ObOWi 1955/19 -, juris, Rn. 5 ff. m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 - 3 Rb 33 Ss 763/19 -, juris, Rn. 18 ff. m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 2020 - IV-2 RBs 30/20 -, juris, Rn. 4 ff. und Rn. 17 m.w.N.; OLG Koblenz, Beschluss vom 17. November 2020 - 1 OWi 6 SsRs 271/20 -, juris, Rn. 22 ff. m.w.N.; hierzu nunmehr auch VerfGH RP, Beschluss vom 22. Juli 2022 - VGH B 30/21 -, Rn. 33 m.w.N.; abweichend hiervon kann nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes das Recht auf effektive Verteidigung es gebieten, „Rohmessdaten“ als Grundlage eines standardisiert ermittelten Messergebnisses zu speichern unter der Voraussetzung, dass - und hiervon geht der Verfassungsgerichtshof im zu entscheidenden Fall aus - zuverlässige Verteidigungsmittel fehlen und eine Speicherung technisch möglich sowie zur Verifizierung des Messvorgangs geeignet ist, vgl. VerfGH Saarland, Urteil vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 -, juris, Rn. 96 ff.).

Die Beschwerdeführerin versäumt es insoweit auch, an die - vorstehend dargestellten - Maßstäbe und Feststellungen im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2020 (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -) anzuknüpfen und darzulegen, dass die dort genannten verfassungsrechtlichen Maßstäbe von Verfassungs wegen fortzuentwickeln seien. Denn sie stützt ihr Vorbringen auf ein von ihr für verfassungsrechtlich geboten gehaltenes Recht auf Vorhaltung beziehungsweise Schaffung von Beweismitteln und damit auf eine Veränderung der Anforderungen an ein standardisiertes Messverfahren. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsmessungen konstatiert jedoch lediglich ein Recht auf erweiterten Zugang zu vorhandenen Informationen und dies auch nicht unbegrenzt, sondern abhängig von dem jeweiligen Einzelfall (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, Rn. 55 ff.).

In Anbetracht der nicht hinreichenden rechtlichen Substantiierung kommt es nicht mehr darauf an, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin auch in tatsächlicher Hinsicht den Begründungsanforderungen nicht genügen dürfte. Zwar nimmt die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die von ihr behauptete technische Relevanz sogenannter „Rohmessdaten“ Bezug auf Angaben der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof des Saarlandes angehörten Sachverständigen Dr.-Ing. J. P. und Prof. Dr. A. S.; diese äußerten sich zu einer möglichen Überprüfung von Geschwindigkeitsmessungen durch das - auch hier eingesetzte - Gerät des Typs TraffiStar S350 anhand von Daten des Messvorgangs (vgl. hierzu VerfGH Saarland, Urteil vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 -, juris, Rn. 34 ff.). Allerdings führte der ebenfalls angehörte Sachverständige Dr. R. von der PTB zur Bedeutung der Rohmessdaten aus, dass deren Speicherung kein Vorteil für eine nachträgliche Kontrolle der Messrichtigkeit sei (vgl. VerfGH Saarland, Urteil vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 -, juris, Rn. 49, sowie Rn. 50 zur sog. Statistikdatei). Des Weiteren gab die PTB in ihrer vom Verfassungsgerichtshof eingeholten Auskunft unter anderem an, dass die Plausibilitätsprüfung des geeichten Messwertes schon im Gerät selbst anhand aller verfügbaren Daten erfolge und eine nachträgliche Überprüfung anhand dieser gleichen Datenpunkte keinen messtechnischen Erkenntnisgewinn bringe (vgl. im Einzelnen VerfGH Saarland, Urteil vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 -, juris, Rn. 25 ff.). Nach alledem bestehen offenkundige tatsächliche Unsicherheiten im Hinblick auf den Nutzen von „Rohmessdaten“ (vgl. zur kontroversen Diskussion über den Nutzen von Rohmessdaten für die nachträgliche Überprüfung des Messwertes aus technischer Sicht etwa OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29. August 2019 - 1 OWi 2 Ss Bs 68/19 -, juris, Rn. 6 m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. November 2019 - 2 Rb 35 Ss 808/19 -, juris, Rn. 8 und Beschluss vom 8. Januar 2020 - 3 Rb 33 Ss 763/19 -, juris, Rn. 14 f. m.w.N.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20. November 2019 - [1 Z] 53 Ss-OWi 661/19 [381/19] -, juris, Rn. 4 m.w.N.; VerfGH RP, Beschluss vom 22. Juli 2022 - VGH B 30/21 -, Rn. 41 m.w.N.).

Angesichts dieses Befundes zeigt die Beschwerdeführerin nicht substantiiert auf, dass das Amtsgericht - bestätigt durch das Oberlandesgericht - vorliegend gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen haben könnte, indem es die angegriffene Verurteilung auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung stützte, die im Wege eines anerkannten standardisierten Messverfahrens ermittelt worden war. Dass die Fachgerichte dabei rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben haben könnten (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 63, 45 <61>; 64, 135 <145 f.>; 70, 297 <308 f.>; 86, 288 <317 f.>; 122, 248 <272>; 130, 1 <25 f.>), kann auf dieser Grundlage im Rahmen der gebotenen Gesamtschau auf das Verfahrensrecht nicht festgestellt werden.

Wird eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt, muss nach dieser Rechtsprechung das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung auch bei fehlenden Rohmessdaten nur dann von Amts wegen überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben (zum Ganzen siehe auch BVerwG, Urteil vom 02.02.2023 - 3 C 14.21 - juris Rn. 19 ff.; VerfGH Thüringen, Beschluss vom 03.04.2024 - 107/20 - juris Rn. 16 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22.07.2022 - VGH B 30/21 - juris Rn. 30 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 10.08.2015 - 10 S 278/15 - juris Rn. 7 und vom 21.07.2014 - 10 S 1256/13 - juris Rn. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.10.2023 - 8 B 960/23 - juris Rn. 12 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.06.2023 - 7 B 10360/23 - juris Rn. 4 f.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23.09.2020 - 12 ME 130/20 - juris Rn. 9 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.04.2024 - 2 Orbs 35 Ss 425/23 - juris Rn. 3 ff.; Bleckat, SVR 2023, 469; Grube in jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., OWiG - Bezüge zum Straßenverkehrsrecht Rn. 139 ff.; Helle in jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 3 StVO Rn. 58 ff., 85). Hiervon ausgehend ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht der Klägerin eine fehlende Plausibilisierung eines Messfehlers vorgehalten und es insbesondere als nicht ausreichend angesehen hat, allein aus dem Fehlen von Rohmessdaten einen Fehler der Messung herzuleiten.

Auch greift der Einwand der Klägerin nicht durch, dass sie zu einer Plausibilisierung eines Messfehlers nicht in der Lage gewesen sei, weil sie im Bußgeldverfahren keine Beteiligtenstellung innegehabt habe und ihr im Bußgeldverfahren gestellter Antrag auf Akteneinsicht abgelehnt worden sei.

Der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung, der sich gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren wendet, kann sich nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um - ggf. auch nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Ahndung des Verkehrsverstoßes - den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.02.2023 a. a. O. Rn. 46 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.10.2023 a. a. O. Rn. 14 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.06.2023 a. a. O. Rn. 5). Dem Zulassungsvorbringen kann nicht entnommen werden, dass die Klägerin alles ihr Zumutbare unternommen hat, um von der Bußgeldstelle die nach ihrer Einschätzung für eine Überprüfung des Messergebnisses erforderlichen Daten zu erhalten. Im seinerzeit laufenden Ordnungswidrigkeitenverfahren hat sie lediglich gegenüber der Bußgeldbehörde beantragt, ihr „die Verfahrensakte zu übermitteln, damit der Tatvorwurf geprüft und der Fahrer ermittelt werden kann“ (vgl. Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 14.05.2020; in den weiteren Schreiben vom 20.05.2020 und 07.07.2020 wird als Grund des unter dem 14.05.2020 gestellten Antrags nur die Möglichkeit genannt, den verantwortlichen Fahrer zu ermitteln). Die Beklagte übersandte der Klägerin schließlich mit Schreiben vom 02.09.2020 die angefragte Verfahrensakte zum Zweck der Einsichtnahme. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin mithin Einsicht in alle Akten, die von ihr angefragt wurden. Dass die Klägerin darüber hinaus weitere Daten bei der Bußgeldbehörde angefordert hätte, ist nicht ersichtlich. Von einer entsprechenden Anfrage konnte die Klägerin aber nicht allein mit der Begründung absehen, dass sie nicht am Bußgeldverfahren beteiligt gewesen sei. Durch das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 07.08.2020 ist sie nämlich Betroffene einer ihr angedrohten Fahrtenbuchanordnung geworden. Dies hätte sie zum Anlass nehmen können und müssen, bei der Bußgeldbehörde einen Zugang zu den für eine Überprüfung des Messergebnisses erforderlichen Daten zu beantragen und ggf. einen solchen von ihr behaupteten Zugangsanspruch auch gerichtlich gegenüber der Bußgeldbehörde durchzusetzen (vgl. etwa §§ 49b, 62 OWiG i. V. m. § 475 StPO).

Nach alledem wird die Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe hier kein Grund an der Richtigkeit des Ergebnisses der Geschwindigkeitsmessungen zu zweifeln, von dem Zulassungsvorbringen nicht infrage gestellt. Vor diesem Hintergrund kann dem Zulassungsvorbringen auch eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht entnommen werden (dazu vgl. etwa Beschluss des Senats vom 24.06.2024 - 13 S 365/22 - juris Rn. 93; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.11.2020 - 10 S 2012/19 - juris Rn. 3).

d) Das Zulassungsvorbringen legt nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dar, weshalb dem angegriffenen Urteil ernstliche Zweifel begegnen, soweit darin die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr von 65,-- EUR und eines Auslagenersatzes in Höhe von 4,11 EUR in Ziffer 4 des streitigen Bescheids der Beklagten vom 15.10.2020 als rechtmäßig bestätigt wurde (vgl. S. 14 des Urteilsabdrucks). Wie sich bereits aus obigen Ausführungen ergibt, greift hier das Argument der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Fahrtenbuchanordnung ziehe die Rechtswidrigkeit der Gebührenfestsetzung nach sich, nicht durch. Wieso - wie die Klägerin meint - die in der Sache lediglich ergänzende und vom Verwaltungsgericht ausdrücklich auf § 117 Abs. 5 VwGO gestützte Verweisung auf die im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10.02.2021 enthaltenen Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Gebührenfestsetzung im Ausgangsbescheid rechtlich nicht zulässig sein soll, wird in der Zulassungsbegründung schon nicht hinreichend nachvollziehbar aufgezeigt und ist im Übrigen auch nicht erkennbar. Soweit von der Klägerin geltend gemacht wird, bei einer fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Regierungspräsidiums als Widerspruchsbehörde zur Entscheidung über die Gebührenfestsetzung im Ausgangsbescheid könne zu ihren Gunsten nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte eine andere Gebühr erhoben hätte, wird damit gleichfalls nicht dem Darlegungsgebot gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprochen. Denn die Klägerin ist nicht nur - worauf im angegriffenen Urteil hingewiesen wurde - der im Widerspruchsbescheid enthaltenen materiellen Begründung, sondern auch der im Ausgangsbescheid enthaltenen Begründung zur Gebührenfestsetzung sachlich-argumentativ nicht entgegengetreten. Überdies fehlen Ausführungen der Klägerin dazu, dass und warum die Beklagte ihre eigene Gebührenfestsetzung nicht überprüft haben soll (vgl. etwa Schreiben der Beklagten vom 18.11.2020 an den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin, nach dem die Beklagte nach nochmaliger eingehender Überprüfung der Angelegenheit zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Verfügung zu Recht ergangen sei).

2. Die von der Klägerin weiter geltend gemachten Zulassungsgründe der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), sind im Hinblick auf die insoweit jeweils fehlende nähere Begründung nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend hinreichend dargelegt (dazu vgl. etwa Beschlüsse des Senats vom 24.06.2024 - 13 S 365/22 - juris Rn. 73, 87, vom 12.03.2024 - 13 S 196/23 - juris Rn. 35, 54 und vom 07.02.2024 - 13 S 1495/23 - juris Rn. 11 ff.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 39 Abs. 1, §§ 47 und 52 Abs. 1 und 3 GKG i. V. m. der Empfehlung in Nummer 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, unter § 163).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


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