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Entscheidungen

Zivilrecht

Gefährdungshaftung, beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges, Kollision einem Autozugtransport, Sylt Shuttle

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Beschl. v. 31.07.2024 – 7 U 48/24

Leitsatz des Gerichts:

1. Der Begriff „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ i.S.v. § 7 StVG ist weit zu fassen.
2. Die Haftung aus Betriebsgefahr verwirklicht sich auch dann, wenn einzig die von außen wirkende Kraft des Windes den Schaden im ruhenden Verkehr bewirkt hat. Die Beeinflussung von Fahrzeugen (insbesondere mit höheren Aufbauten) durch Wind stellt grundsätzlich auch eine typische Gefahrenquelle des Straßenverkehrs dar, die bei wertender Betrachtung vom Schutzzweck der Gefährdungshaftung miterfasst wird.
3. Der angebotene Zeugenbeweis im zweiten Rechtszug kann gem. §§ 529, 531 ZPO verspätet sein, wenn der Zeuge erstinstanzlich nur für unstreitige Tatsachen benannt worden ist und erstmals mit der Berufung auch für streitige Behauptungen benannt wird.


In pp.

31.07.2024

In pp.

Tatbestand

Die Klägerin (eine GmbH) verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres Pkws während der Fahrt auf einem Autozug nach Sylt (Sylt-Shuttle).

Am 24.8.2022 wurde der Pkw der Klägerin (Mercedes-Benz) in Niebüll auf den Autozug nach Westerland (Sylt) verladen. Im Pkw befanden sich der Geschäftsführer der Klägerin sowie die Zeugin H.. Entsprechend einer Lautsprecherdurchsage der DB als Betreiberin der Zugverbindung war im klägerischen Fahrzeug die Handbremse angezogen und ein Gang eingelegt. Hinter diesem Pkw stand ein Mercedes Sprinter mit französischen Kennzeichen, geführt vom Fahrer T.. Dieser Sprinter wurde von DB-Mitarbeitern vor der Fahrt angegurtet. Während des ersten Abschnitts der Fahrt des Zuges nach Sylt kam es zweimal dazu, dass nach einem Anfahren und Abstoppen des Zuges der Sprinter von hinten gegen das klägerische Fahrzeug stieß, die Gurte waren gerissen. Am Klägerfahrzeug entstand ein Schaden in Höhe ca. 20.000,-- €.

Die Klägerin hat behauptet, der französische Fahrer habe die Handbremse nicht angezogen und keinen Gang eingelegt gehabt. Die Gurte hätten nur der zusätzlichen Sicherung neben Handbremse und Gang gedient, unter diesen Umständen das Gewicht des Beklagtenfahrzeugs aber nicht halten können. Nach den zwei Anstößen habe der französische Fahrer die Bremse angezogen, deshalb sei es danach zu keinen weiteren Aufschlägen mehr gekommen.

Die Beklagte hat behauptet, dass selbst bei nicht angezogener Handbremse (was bestritten sei) die Gurte nicht hätten reißen dürfen, dies sei nur durch Verschleiß/Materialermüdung zu erklären. Außerdem sei für den Schaden allein die DB verantwortlich. Die straßenverkehrsrechtliche Gefährdungshaftung für das Kraftfahrzeug greife nicht, weil dieses lediglich wie eine Ware auf dem Zug transportiert worden sei.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H.. Außerdem hat es den Geschäftsführer der Klägerin persönlich angehört.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage gem. §§ 7,17 StVG in vollem Umfang stattgegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Unfall dadurch ereignet hat, dass bei dem französischen Sprinter zu Beginn der Bahnfahrt weder die Handbremse aktiviert noch ein Gang eingelegt war. Dies lasse sich auch nicht durch eine fehlende Sprachkenntnis des französischen Fahrers entschuldigen. Den Fahrer T. sei nur für die unstreitige Tatsache als Zeugen benannt worden, dass die Spanngurte im Verlauf der Fahrt rissen und es zu einem Kontakt zwischen dem Sprinter und dem klägerischen Mercedes kam. Hinsichtlich des Anziehens der Handbremse und des Einlegens eines Ganges habe die Beklagte einfach nur den klägerischen Vortrag bestritten, aber nicht ihrerseits positiv behauptet, dass die Handbremse angezogen und der Gang eingelegt gewesen sei und hierfür zum Beweis den Zeugen T. angeboten. ouré auch nicht für eine solche positive Behauptung benannt. Der Unfall habe sich auch „beim Betrieb“ i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG ereignet. Das Merkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ sei entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr komme es maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs stehe (BGH, Urteil vom 20.10.2020, Az. VI ZR 319/18, bei juris Rn. 7).c Das sei hier der Fall. Das Fahrzeug sei hier für eine vergleichsweise kurze Zeit voll betriebsbereit auf den Autozug verladen worden. Der Fahrer befand sich weiterhin im Wagen und hatte nach wie vor Einflussmöglichkeiten auf das Geschehen. Es habe sich eine fahrzeugtypische Gefahr realisiert. Der Kollisionsgefahr der verladenen Fahrzeuge sollte neben dem Angurten auch durch das Anziehen der Handbremse und Einlegen eines Ganges entgegengewirkt werden. Gerade deshalb seien die Kraftfahrer unstreitig durch eine entsprechende Durchsage der DB und nach den glaubhaften Angaben des Geschäftsführers der Klägerin auch durch entsprechende Hinweisschilder zu diesen Sicherungsmaßnahmen aufgefordert worden.

Dagegen richtet sich die Berufung der beklagten Versicherung. Sie meint, der Zeuge T. wäre zwingend zu hören gewesen. Außerdem sei die Klage zwingend deshalb abzuweisen, weil sich der Schaden nicht beim Betrieb gemäß § 7 Abs. 1 StVG ereignet habe. Der Bahntransport gehöre nicht mehr zum Betrieb des Sprinters. Der Sprinter sei bloßes Ladegut gewesen. Er habe angegurtet auf dem Zug gestanden. Es sei unerheblich, dass sich der Fahrer weiter im Wagen befunden habe. Nicht das Kraftfahrzeug habe den Fahrer befördert, sondern der Zug. Die Klägerin hätte deshalb ihre Ansprüche gegenüber dem Halter des Zuges geltend machen müssen. In diesem Zusammenhang verweis die Berufung auf das Urteil OLG Karlsruhe vom 28.04.2014, 13 U 15/14, NZV 2014, 73. Dort hatte das OLG Karlsruhe für den Fall entschieden, dass ein Fahrzeug auf einen Abschleppwagen aufgeladen ist und dort in Brand geriet, dass es sich lediglich um einen Transport handelte, von dem keine Betriebsgefahr des transportierten Wagens mehr ausging. Realisiert habe sich hier nicht mehr die Gefahr einer bestimmten Betriebseinrichtung, sondern allein das Risiko des Zuges. Der Fall sei vergleichbar mit einem Container, der auf dem Zug aufgeladen worden sei. Unabhängig von der Frage, ob die Feststellbremse tatsächlich angezogen war, hätte auch bei einem sonstigen Gegenstand, der gegen Wegrutschen hätte gesichert werden können, dies aber unterlassen war, ein Verrutschen erfolgen können. Damit ging von dem Beklagtenfahrzeug keine besondere Betriebsgefahr aus, vor der der Verkehr zu schützen war.

Entscheidungsgründe

Der Senat hat mit Verfügung vom 31.7.2024 auf Folgendes hingewiesen und der Beklagten geraten, die Rücknahme ihrer Berufung - aus Kostengründen- in Erwägung zu ziehen:

1. Bei der Neufassung des § 7 Abs. 1 StVG zum 01.08.2002 hat sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung des „Betriebsbegriffs“ - abweichend von der engen maschinentechnischen Auffassung des Reichsgerichts- von der verkehrstechnischen Auffassung leiten lassen. Der Zweck des Gesetzes, die Verkehrsteilnehmer vor den wachsenden Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu schützen, macht es erforderlich, den Begriff „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ weit zu fassen. Die Gefahren, die durch das Kraftfahrzeug in den Verkehr getragen werden, gehen nicht nur von dem Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug aus, sondern mit der Zunahme des Verkehrs mehr und mehr von der gesamten Abwicklung des Verkehrs und im besonderen Maße von Kraftfahrzeugen, die nach der diese Umstände nicht berücksichtigenden maschinenrechtlichen Auffassung eigentlich nicht „im Betrieb“ sind. Die Haftung aus Betriebsgefahr verwirklicht sich auch dann, wenn einzig die von außen wirkende Kraft des Windes den Schaden im ruhenden Verkehr bewirkt (vgl. BGH v. 11.02.2020 - VI ZR 286/19 - ZfSch 2020, 614 ff. „Der umgewehte Auflieger“) Denn § 7 Abs. 1 StVG beschränkt die Einstandspflicht nicht auf fahrzeugspezifische Gefahren in dem Sinne, dass der in Rede stehende Schaden allein durch ein Fahrzeug verursacht werden können müsste. Die Beeinflussung von Fahrzeugen (insbesondere mit höheren Aufbauten) durch Wind stellt grundsätzlich auch eine typische Gefahrenquelle des Straßenverkehrs dar, die bei wertender Betrachtung vom Schutzzweck der Gefährdungshaftung miterfasst wird (vgl. Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 7 StVG, Rn. 29). 2) Das Beweisangebot (Zeugnis des Fahrers T.) dürfte gem. §§ 529, 531 ZPO verspätet sein. Der Zeuge wurde - wie das Landgericht richtig erkannt hat - erstinstanzlich nur für die unstreitige Tatsache benannt, dass die Spanngurte im Verlauf der Fahrt rissen und es zu einem Kontakt zwischen dem Sprinter und dem klägerischen Mercedes kam. Erstmals im zweiten Rechtszug ist der Zeuge jedoch für die Behauptung benannt worden, dass er beim Bahntransport tatsächlich die Handbremse angezogen und einen Gang eingelegt hatte. Dies hat die Klägerin stets bestritten, im Übrigen spricht auch das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme dagegen.

Die Beklagte hat daraufhin Ihre Berufung mit Schriftsatz vom 8.8.2024 zurückgenommen. Die Entscheidung des Landgerichts zur Haftung der Beklagten aus §§ 7 I STVG, 115 VVG ist damit rechtskräftig geworden.


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Anmerkung:


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