Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 17.07.2024 – 2 Ws 379/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Bei Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr nach § 178 GVG sind gemäß § 182 GVG der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen. Dabei muss der Sachverhalt so deutlich dargestellt werden, dass das Beschwerdegericht nachprüfen kann, ob eine Ungebühr vorlag. Die Niederschrift muss ein so deutliches Bild von dem Vorgang geben, dass der Grund und die Höhe der Sanktion ohne Weiteres nachzuprüfen sind. Wertungen oder abstrakte Darstellungen sind mangels Subsumierbarkeit ungenügend. Wesentliche Lücken können nicht durch dienstliche Erklärungen oder sonstige. Beweiserhebungen ausgefüllt werden.
2. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch in Fällen, in denen der Beschwerdeführer das dem Ordnungsmittel zugrundegelegte Verhalten als solches nicht bestreitet. Dies erlaubt es dem Beschwerdegericht ausnahmsweise, für die Prüfung des Ordnungsgeldbeschlusses auch auf außerhalb des Hauptverhandlungsprotokolls liegende Quellen, etwa einen Nichtabhilfebeschluss, zurückzugreifen.
3. Vor der Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 178 GVG ist dem Betroffenen im Regelfall rechtliches Gehör zu gewähren. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch unter anderem dann, wenn der Betroffene in zeitlicher Nähe vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes wegen eines vergleichbaren Verhaltens ermahnt worden und ihm dieses Ordnungsmittel dabei bereits angedroht worden war.
In pp.
1. Dem Beschwerdeführer wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen vom 22.03.2024 gewährt.
2. Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Vorlageverfügung vom 21.06.2024 zum Verfahrensgang das Folgende ausgeführt:
"Am 22.03.2024 hat vor dem Landgericht Aachen in dem Verfahren 63 KLs 401 Js 113/23-26/23 ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden, dem der Beschwerdeführer, der Vater des Angeklagten, als Zuschauer beigewohnt hat (Bl. 17 ff. OG-Band). Während der Urteilsbegründung hat der Beschwerdeführer den Vorsitzenden unterbrochen. Hierzu heißt es im Sitzungsprotokoll wie folgt:
"Während der mündlichen Urteilsbegründung unterbricht der als Zuschauer anwesende Zeuge I. B. den Vorsitzenden. Er wird ermahnt und ihm für den Wiederholungsfall die Verhängung eines Ordnungsgeldes und die Entfernung aus dem Sitzungssaal angedroht.
Im weiteren Verlauf unterbricht der Zeuge I. B. den Vorsitzenden erneut.
Beschluss des Vorsitzenden:
Der Zeuge I. B., D.-straße N01, N02 J., V. wird in [ein] Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 EUR genommen." (Bl.19 OG-Band).
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.04.2024, eingegangen bei dem Landgericht am 03.04.2024, Einspruch eingelegt (Bl. 3 OG-Band).
Mit Schreiben vom 03.04.2024, das am 04.04.2024 zur Post gegeben worden ist, hat der Vorsitzende den Beschwerdeführer darüber belehrt, dass er in Ansehung der nicht erteilten Rechtsmittelbelehrung [richtig: der Nichtbelehrung über die Wochenfrist des § 181 GVG, Anm. d. Senats] binnen einer Woche nach Zugang des Schreibens Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen könne (Bl. 4 OG-Band).
Mit Schreiben vom 15.04.2024, bei dem Landgericht eingegangen am 16.04.2024, hat der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung angeführt, er sei über die Wochenfrist nach § 181 GVG nicht ordnungsgemäß belehrt worden. Ferner hat er ausgeführt, die Verhängung des Ordnungsgeldes sei zu Unrecht erfolgt, da er nicht zuvor auf sein Fehlverhalten hingewiesen und ihm das Ordnungsgeld nicht angedroht worden sei. Zudem erscheine ihm das Ordnungsgeld als unverhältnismäßig (Bl. 6 OG-Band).
Mit Beschluss vom 24.04.2024 hat der Vorsitzende der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und den Beschluss vom 22.03.2024 wie folgt ergänzt:
"Für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, wird für jeweils 75,00 Euro ein Tag Ordnungshaft festgesetzt." (Bl. 7 ff. OG-Band).
Hierauf nimmt der Senat Bezug.
In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 24.04.2024 hat der Strafkammervorsitzende zu dem dem Ordnungsgeldbeschluss zugrundeliegenden Verhalten des Beschwerdeführers das Folgende ausgeführt:
"Unmittelbar nach Verkündung des Tenors rief er (sinngemäß), das sei eine Farce, das Urteil solle im Namen des Volkes ergehen, er sei schließlich auch das Volk. Offensichtlich aufgrund dieses Ausbruchs verließ die persönlich erschienene Nebenklägerin sofort wieder den Sitzungssaal.
In dieser Situation wurde der Zuschauer (aus Gründen der Deeskalation und mit Rücksicht auf seine verständliche emotionale Situation) lediglich zur Ruhe ermahnt. Allerdings wurde ihm auch ausdrücklich angedroht, dass im Wiederholungsfall ein Ordnungsgeld ergehen werde und er des Saales verwiesen werden könne.
Im weiteren Verlauf der mündlichen Urteilsbegründung rief der Zuschauer erneut in den Saal; die Nebenklägerin habe gelogen und wann das denn bestraft werde (wiederum sinngemäß aus dem Gedächtnis wiedergegeben). Hierauf erging der angefochtene Beschluss."
Der Nichtabhilfebeschluss ist dem Beschwerdeführer am 04.05.2024 zugestellt worden. Eine Reaktion ist hierauf nicht erfolgt.
Die Vorlageverfügung der Generalstaatsanwaltschaft vom 21.06.2024, mit der diese unter ausführlicher Begründung beantragt hat, wie tenoriert zu entscheiden, ist dem Beschwerdeführer durch den Senat mit Gelegenheit zur Stellungnahme übermittelt worden. Innerhalb der hierzu gesetzten Frist ist eine solche nicht eingegangen.
II.
Das gemäß § 300 StPO als nach § 181 GVG statthafte Beschwerde auszulegende Rechtsmittel ist zwar zulässig, erweist sich aber als unbegründet.
A.
Zur Zulässigkeit der Beschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Vorlageverfügung vom 21.06.2024 das Folgende ausgeführt:
"Gemäß § 46 Abs. 1 StPO hat der Senat über das Wiedereinsetzungsgesuch hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde zu entscheiden, da er bei rechtzeitiger Einlegung zur Entscheidung in der Sache berufen wäre.
Der Beschwerdeführer hat die gemäß § 181 Abs. 1 GVG ab Bekanntmachung des Beschlusses laufende einwöchige Beschwerdefrist nicht gewahrt. So ist der Beschluss des Landgerichts Aachen in der Hauptverhandlung vom 22.03.2024 in Anwesenheit des Beschwerdeführers ergangen. Die nach § 43 StPO zu berechnende Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde endete mithin mit Ablauf des 02.04.2024, die Beschwerde ging hingegen erst am 03.04.2024 beim Landgericht Aachen ein.
Dem Beschwerdeführer ist gemäß § 44 Satz 1 StPO Wiedereinsetzung in die Frist des § 181 Abs. 1 GVG zu gewähren, da er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Der seitens des Beschwerdeführers gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist zwar unzulässig, da der Beschwerdeführer mit Schreiben des Vorsitzenden vom 03.04.2024, das am 04.04.2024 zur Post gegeben worden ist, darüber belehrt worden ist, dass er in Ansehung der nicht erteilten Rechtsmittelbelehrung [richtig: der Nichtbelehrung über die Wochenfrist des § 181 GVG, Anm. d. Senats] gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO binnen einer Woche nach Zugang des Schreibens Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen kann, infolgedessen der erst am 16.04.2024 eingegangene Antrag nicht fristgerecht gestellt worden ist.
Dem Beschwerdeführer ist jedoch gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren. Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen ist, dass das fehlende Verschulden des Betroffenen an der Fristversäumung gemäß § 44 Satz 1 StPO offensichtlich und eine Glaubhaftmachung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO daher wegen Offenkundigkeit oder Aktenkundigkeit überflüssig ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage, § 45 Rn. 12, m. w. N.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. So war der Beschwerdeführer ausweislich des Sitzungsprotokolls sowie des Schreibens des Vorsitzenden vom 03.04.2024 über die Wochenfrist des § 181 Abs. 1 GVG nicht belehrt worden und mithin gemäß § 44 Satz 2 StPO an der fristwahrenden Einlegung der Beschwerde ohne Verschulden gehindert. Dabei war eine Nachholung der versäumten Handlung entbehrlich, da die Einlegung des als Beschwerde zu wertenden Einspruches, wenn auch verspätet, bereits erfolgt ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, a. a. O.)."
Dem stimmt der Senat mit der Maßgabe zu, dass sich die Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags des Beschwerdeführers mangels eines aktenkundigen Nachweises des Zeitpunkts des Erhalts des Schreibens vom 03.04.2024 nicht aus einer positiv feststellbaren Versäumung der Frist des § 45 Abs. 1 S. 1 StPO, sondern daraus ergibt, dass der Beschwerdeführer keine Angaben zu diesem den Wegfall des Hindernisses darstellenden Zeitpunkt gemacht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 12.10.2022, 4 StR 319/22).
B.
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Denn die auf § 178 Abs. 1 S. 1 GVG gestützte Festsetzung eines Ordnungsgeldes erweist sich als rechtmäßig.
1. Da sich das Ordnungsmittel gegen einen Zuschauer und damit nicht gegen einen Verfahrensbeteiligten richtete, war gemäß § 178 Abs. 2 GVG der Vorsitzende und nicht die gesamte Strafkammer für die Entscheidung zuständig.
2. Der Aufrechterhaltung des Ordnungsgeldbeschlusses stehen im Ergebnis auch formelle Mängel nicht entgegen.
a) Allerdings wird das Hauptverhandlungsprotokoll den Anforderungen des § 182 GVG nicht gerecht.
aa) Danach ist bei Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen. Dabei muss der Sachverhalt so deutlich dargestellt werden, dass das Beschwerdegericht nachprüfen kann, ob eine Ungebühr vorlag. Die Niederschrift muss ein so deutliches Bild von dem Vorgang geben, dass der Grund und die Höhe der Sanktion ohne Weiteres nachzuprüfen sind. Wesentliche Lücken können nicht durch dienstliche Erklärungen oder sonstige Beweiserhebungen ausgefüllt werden (OLG Nürnberg, Beschl. v. 08.04.2024, Ws 248/24). Vielmehr muss für das Beschwerdegericht aus der Verbindung der Protokollierung des veranlassenden Verhaltens und dem gleichfalls zu protokollierenden Beschluss zweifelsfrei ersichtlich sein, wegen welchen Verhaltens des Betroffenen das Ordnungsmittel angeordnet worden ist. Dieses ist in der Niederschrift konkret festzuhalten. Wertungen oder abstrakte Darstellungen sind mangels Subsumierbarkeit ungenügend. Mithin hat ein angefochtener Ordnungsmittelbeschluss bei - wie hier - Nichtangabe des veranlassenden Geschehens in den Beschlussgründen grundsätzlich nur Bestand, wenn nach allen gemäß § 182 GVG protokollierten möglichen veranlassenden Geschehensalternativen die Ordnungsmittelverhängung von Rechts wegen veranlasst war. Es muss ausgeschlossen werden können, dass die Vorinstanz als Inhaberin des aus der Sitzungsleitung folgenden Anordnungsmonopols das Ordnungsmittel auf eine in Frage kommende Alternative gestützt hat, die die Anordnung zu tragen ungeeignet ist, und dass die von dem Beschwerdegericht als den Tatbestand des § 178 GVG erfüllend gewerteten Alternativen nicht vom Anordnungswillen der Vorinstanz gedeckt sind (OLG Hamburg, Beschl. v. 07.02.2018, 2 Ws 22/18; vgl. zum Ganzen auch: Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 182 GVG Rn. 1 u. 4 m.w.N.; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 182 Rn. 2 m.w.N.; Diemer in KK-StPO, 9. Aufl. 2023, § 182 GVG Rn. 1 m.w.N.).
bb) Gemessen hieran ist die erfolgte Protokollierung des veranlassenden Geschehens ungenügend. Denn der Sitzungsniederschrift lässt sich lediglich entnehmen, dass der Ordnungsmittelbeschluss erging, weil der Beschwerdeführer den Strafkammervorsitzenden während der Urteilsverkündung "unterbrach", nachdem ein gleichfalls während der Urteilsverkündung vorausgegangenes erstes "Unterbrechen" bereits zu einer Ermahnung und Androhung unter anderem der Verhängung eines Ordnungsgeldes geführt hatte. Diese Angaben lassen eine umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht zu. Denn mit Blick auf die fehlende Konkretisierung der Art und des Umfangs der Unterbrechung durch den Beschwerdeführer ist bereits nicht sicher feststellbar, dass sich diese überhaupt als Ungebühr darstellt. Denn nicht schlechthin jede Unterbrechung des Vorsitzenden bei der Urteilsverkündung rechtfertigt Ordnungsmittel (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.). So ist es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass auch ein Zuschauer für eine derartige Unterbrechung berechtigte Interessen in Anspruch nehmen kann. Vorstellbar ist etwa, dass ein Zuschauer den Vorsitzenden bei der Urteilsverkündung auf akustische Probleme oder störendes Verhalten anderer Zuschauer aufmerksam macht. Jedenfalls aber lässt die fehlende Konkretisierung der Art und des Ausmaßes der Unterbrechung durch den Beschwerdeführer in der Sitzungsniederschrift die Beurteilung nicht zu, ob die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes zu seinem Anlass in einem angemessenen Verhältnis steht.
cc) Vorliegend führt der Protokollierungsmangel jedoch nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Zwar ist dies die im Regelfall eintretende Rechtsfolge. Eine Ausnahme hiervon ist jedoch für den Fall anerkannt, dass der Beschwerdeführer das dem Ordnungsmittel zugrunde gelegte Verhalten als solches nicht bestreitet (OLG Rostock, Beschl. v. 16.10.2018, 20 Ws 174/18; OLG Hamm, Beschl. v. 03.05.1963, 3 Ws 144/63; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.02.1997, 14 W 1/97; Mayer, a.a.O. Rn. 8; Schmitt, a.a.O. Rn. 2; Diemer, a.a.O. Rn. 2). So liegt es hier. Denn der Begründung seines Rechtsmittels ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer nicht sein den Ordnungsgeldbeschluss veranlassendes Verhalten in Abrede stellt. Vielmehr leitet er die nach seiner Auffassung bestehende Rechtswidrigkeit des Beschlusses allein daraus her, dass er vor der Verhängung des Ordnungsmittels nicht auf sein Fehlverhalten hingewiesen worden, ihm das Ordnungsgeld nicht angedroht worden und dieses unverhältnismäßig sei. Auch nachdem der Strafkammervorsitzende in seinem - dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten - Nichtabhilfebeschluss den dem Ordnungsgeld zugrundeliegenden Sachverhalt näher ausgeführt hatte, ist der Beschwerdeführer der dabei erfolgten Schilderung seines Verhaltens weder gegenüber dem Landgericht noch gegenüber dem Senat nach Zuleitung des Antrags der Generalstaatsanwaltschaft entgegengetreten. Dies erlaubt es dem Senat ausnahmsweise, für die Prüfung des Ordnungsgeldbeschlusses auch auf außerhalb des Hauptverhandlungsprotokolls liegende Quellen, hier namentlich den Nichtabhilfebeschluss, zurückzugreifen (vgl. OLG Rostock, a.a.O.). Die darin enthaltene Schilderung des Verhaltens des Beschwerdeführers ist ausreichend konkretisiert, um dem Senat eine umfassende Rechtsmäßigkeitsüberprüfung zu ermöglichen (siehe unten 3.).
b) Auch führt es nicht zur Aufhebung des Beschlusses, dass dem Beschwerdeführer ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls und der Angaben des Strafkammervorsitzenden in seinem Nichtabhilfebeschluss vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Zwar ist dies im Regelfall erforderlich (OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.; Schmitt, a.a.O., § 178 GVG Rn. 13 m.w.N.; Mayer, a.a.O., § 178 Rn. 45 m.w.N.; Diemer, a.a.O., § 178 GVG Rn. 7 m.w.N.) und kann ein Verstoß hiergegen im Beschwerdeverfahren auch nicht nachträglich geheilt werden (SenE v. 07.05.2008, 2 Ws 223/08; OLG Nürnberg, a.a.O.; Mayer, a.a.O., § 178 Rn. 47, § 181 Rn. 17; Diemer, a.a.O.). Allerdings sind Ausnahmen von der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs vor der Festsetzung von Ordnungsmitteln anerkannt. Eine solche besteht unter anderem dann, wenn der Betroffene in zeitlicher Nähe vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes wegen eines vergleichbaren Verhaltens ermahnt worden und ihm dieses Ordnungsmittel dabei bereits angedroht worden war (vgl. SenE v. 07.05.2008, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.08.2003, 3 W 41/03; Mayer, a.a.O., § 178 Rn. 46; Allgayer in BeckOK-GVG, 23. Edition, Stand: 15.11.2023, § 178 Rn. 7). Das ist vorliegend der Fall. Soweit der Beschwerdeführer dies pauschal in Abrede stellt, hat der Senat keine Veranlassung, an der Richtigkeit der dahingehenden Angaben des Hauptverhandlungsprotokolls und der Ausführungen in dem Nichtabhilfebeschluss zu zweifeln. Denn insbesondere dem nicht nur von dem Strafkammervorsitzenden selbst, sondern auch dem Urkundsbeamten verantworteten Hauptverhandlungsprotokoll kommt - auch wenn § 274 StPO insoweit nicht anwendbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.03.1988, 1 Ws 170/88; OLG Hamm, a.a.O.; vgl. auch Schmitt, a.a.O., § 182 Rn. 2) - erhebliche Beweiskraft zu. Diese ist durch das einfache Bestreiten des Beschwerdeführers ohne eigene Sachverhaltsschilderung nicht erschüttert worden. Vor diesem Hintergrund bestand zu weitergehenden Beweiserhebungen hierzu kein Anlass.
3. In materieller Hinsicht ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.
Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt:
"Das Verhalten des Beschwerdeführers stellt eine Ungebühr im Sinne des § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG dar. Unter Ungebühr wird dabei ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung, auf deren justizmäßigen Ablauf, auf den Gerichtsfrieden und auch auf die Ehre und Würde des Gerichts verstanden, dessen Autorität vor Einbußen zu bewahren ist (SenE v. 02.11.2022 - 2 Ws 535/22 -; SenE v. 07.05.2008 - 2 Ws 223/08 -). Dies umfasst alle Verhaltensweisen, die den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung gefährden oder beeinträchtigen und die Würde des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten angreifen oder missachten (OLG Stuttgart NJW 1969, 627; OLG Nürnberg JZ 1969, 150; Diemer in: Karlsruher Kommentar zur StPO, § 178 GVG, Rn. 1). Mit der wiederholten Unterbrechung des Vorsitzenden bei der Begründung des Urteils hat der Beschwerdeführer den ordnungsgemäßen Gang des Verfahrens gestört sowie die Autorität und Würde des Gerichts nachhaltig in Frage gestellt."
Dem stimmt der Senat zu.
Die in dem Nichtabhilfebeschluss näher dargelegte, von dem Beschwerdeführer nicht bestrittene Art der (wiederholten) Unterbrechung des Vorsitzenden bei der Urteilsverkündung stellt sich nicht als Wahrnehmung berechtigter Interessen, sondern als bewusst störende und damit schuldhafte, das Ansehen des Gerichts ("Farce") sowie die Integrität der Nebenklägerin ("gelogen") herabsetzende Unmutsbekundung dar. Auch unter Berücksichtigung einer im Ansatz nachvollziehbaren emotionalen Betroffenheit des Beschwerdeführers als Vater des Angeklagten handelt es sich - gerade mit Blick auf die Verfahrenssituation der Urteilsverkündung, die in besonderem Maße vor einer jenseits der Herbeiführung einer Überprüfung der Entscheidung im hierfür vorgesehenen Instanzenzug liegenden Autoritätseinbuße des Gerichts zu schützen ist - um einen erheblichen Angriff auf den justizmäßigen Ablauf der Hauptverhandlung.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers erweist sich das danach zulässigerweise festgesetzte Ordnungsgeld auch der Höhe nach nicht als unverhältnismäßig. Es bewegt sich noch im unteren Drittel des durch § 178 Abs. 1 S. 1 GVG zur Verfügung gestellten Rahmens. Mit Blick auf das erhebliche Gewicht der Ungebühr und den Umstand, dass der Beschwerdeführer Arbeitseinkommen bezieht, erscheint das festgesetzte Ordnungsgeld auch dem Senat als angemessen, zumal der Beschwerdeführer auch im Nachgang keinerlei Gründe vorgebracht hat, die sein Verhalten in milderem Licht erscheinen ließen.
C.
Soweit der Strafkammervorsitzende im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 24.04.2024 den angefochtenen Beschluss um eine Bestimmung nach § 178 Abs. 1 S. 2 GVG ergänzt hat, dürfte sich dies allerdings als rechtswidrig erweisen. Denn das Gericht, das das Ordnungsmittel festgesetzt hat, darf seine Entscheidung nach Einlegung der Beschwerde weder abändern noch ergänzen (vgl. nur Krauß in LR-StPO, 27. Aufl. 2022, § 181 GVG Rn. 11 m.w.N.; Mayer, a.a.O., § 181 Rn. 12). Die erfolgte Verschärfung ist auch kein Anwendungsfall des § 311 Abs. 3 S. 2 StPO.
An einer Aufhebung der Festsetzung der ersatzweisen Ordnungshaft sieht sich der Senat aber dadurch gehindert, dass der Beschwerdeführer diese (bislang) nicht angefochten hat. Dies ergibt sich daraus, dass sich der in der Einlegung und Begründung seiner Beschwerde dokumentierte Anfechtungswille des Beschwerdeführers nicht auf eine erst danach angeordnete Maßnahme beziehen kann. Nach dem Erlass des die Bestimmung nach § 178 Abs. 1 S. 2 GVG beinhaltenden Nichtabhilfebeschlusses wiederum hat der Beschwerdeführer weitere Eingaben, aus denen ein auch insoweit bestehender Anfechtungswille hergeleitet werden könnte, nicht getätigt.
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