Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 23.07.2024 – 3 Ws 257/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Bei der in § 181 Abs. 1 GVG geregelten Beschwerde gegen Ordnungsmittel handelt es sich nach um eine sofortige Beschwerde im Sinne des § 311 StPO.
2. Bei der Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr muss im Protokoll der Vorfall so deutlich festgehalten sein, dass das Beschwerdegericht den Grund und die Höhe der Sanktion ohne eigene Erhebungen überprüfen kann.
3. Ein ungebührliches Verhalten kann in dem demonstrativen Sitzenbleiben während der Urteilsverkündung trotz entsprechender Aufforderung seitens des Gerichts sowie in einer (wiederholten) Unterbrechung des Gerichts während der Urteilsverkündung liegen.
In pp.
Dem Verurteilten wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Siegen vom 23. Januar 2024 gewährt.
Die Beschwerde des Verurteilten vom 05. Mai 2024 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand trägt der Verurteilte.
Gründe
I.
Am 23. Januar 2024 verhandelte das Amtsgericht - Strafrichterin - Siegen in einer Strafsache gegen den Beschwerdeführer und verurteilte ihn mit an diesem Tage verkündetem Urteil wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Gegen Ende des Hauptverhandlungstermins verhängte das Amtsgericht gegen den Verurteilten zudem ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 Euro, ersatzweise drei Tage Ordnungshaft.
In dem Hauptverhandlungsprotokoll heißt es u.a. wie folgt:
"Der Angeklagte unterbricht ebenfalls mehrfach das Plädoyer.
[...]
Sodann erfolgte die Urteilsverkündung.
Der Angeklagte erhob sich zunächst nicht, mit Verweis auf Schmerzen in seiner Schulter.
Dem Angeklagten wurde angedroht, sollte er sich nicht zur Urteilsverkündung erheben, dass ein Ordnungsgeld gegen ihn festgesetzt wird.
Der Angeklagte verweigerte sich weiterhin, obwohl er bei seinem letzten Wort extra betont hat, dafür aufstehen zu wollen und auch gestanden hat.
Der Angeklagte unterbrach weiterhin mehrfach während der Urteilsverkündung das Gericht.
Ihm wurde erneut ein Ordnungsgeld angedroht.
Der Angeklagte sprach immer weiter und äußerte nach jedem weiteren Versuch des Gerichts das Wort zu ergreifen "Ich will hier eine faire Verhandlung" und wiederholte dies immer wieder.
Auch der im Publikum befindlichen Freundin musste wieder ein Ordnungsgeld angedroht werden, sollte sie sich nicht zurückhalten.
Beschlossen und verkündet:
Gegen den Angeklagten wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro, ersatzweise 3 Tage Ordnungshaft festgesetzt."
Dem Hauptverhandlungsprotokoll selbst ist eine Rechtsmittelbelehrung in Bezug auf diesen Ordnungsgeldbeschluss nicht zu entnehmen.
Gegen diesen in der Hauptverhandlung am 23. Januar 2024 in Anwesenheit des Verurteilten verkündeten und sodann auf Anordnung der Vorsitzenden vom 24. Januar 2024 diesem am 25. Januar 2024 gegen Postzustellungsurkunde in schriftlicher Form zugestellten und nicht weiter begründeten Beschluss, der eine Rechtsmittelbelehrung enthält, in der es heißt, gegen den Beschluss sei das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde zulässig, die an keine Frist gebunden sei, hat der Verurteilte mit Schreiben vom 05. Mai 2024, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Siegen am 10. Mai 2024 und nach Weiterleitung beim Amtsgericht Siegen am 17. Juni 2024, Einwendungen erhoben.
Das Amtsgericht Siegen hat mit begründetem Beschluss vom 18. Juni 2024 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Siegen zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht Siegen hat die Sache unter Verweis auf seine fehlende Zuständigkeit mit Verfügung vom 20. Juni 2024 an das Amtsgericht Siegen zurückübersandt. Mit Verfügung vom 24. Juni 2024 hat das Amtsgericht Siegen die Sache sodann dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat die Akte anschließend der Generalstaatsanwaltschaft mit der Bitte um Stellungnahme übersandt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat nach Rückübersendung der Akte mit Zuschrift vom 28. Juni 2024 beantragt, zu erkennen, wie geschehen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
1. a) Das Schreiben des Verurteilten vom 05. Mai 2024, in welchem er sich inhaltlich gegen die Verhängung des Ordnungsgeldes in der Hauptverhandlung vom 23. Januar 2024 wendet, ist nach dem Rechtsgedanken des § 300 StPO als insoweit statthafte Beschwerde gemäß § 181 Abs. 1 GVG i. V. m. § 178 GVG auszulegen, über die nach § 181 Abs. 3 GVG das Oberlandesgericht zu entscheiden hat.
b) Bei der in § 181 Abs. 1 GVG geregelten Beschwerde gegen Ordnungsmittel handelt es sich nach ganz vorherrschender Meinung um eine sofortige Beschwerde im Sinne des § 311 StPO. Die ausdrückliche Bezeichnung des in § 181 Abs. 1 GVG geregelten Rechtsmittels als sofortige Beschwerde ist nur unterblieben, weil die Frist für diese Beschwerde im Strafprozess anders bemessen ist als im Zivilprozess, indes die Regelung sowohl den Straf- als auch den Zivilprozess betrifft (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 181 GVG Rn. 1; Krauß in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 181 GVG Rn. 1; OLG Hamm, Beschluss vom 03.05.1963 - 3 Ws 144/63 - beck-online). Hieraus folgt zugleich, dass eine Abhilfemöglichkeit - mit Ausnahme des in § 311 Abs. 3 S. 2 StPO geregelten, hier aber nicht einschlägigen Falls der Verletzung des rechtlichen Gehörs, nicht besteht und damit eine (Nicht)Abhilfeentscheidung der unteren Instanz - wie sie vom Amtsgericht Siegen hier am 18. Juni 2024 getroffen wurde - tatsächlich nicht veranlasst war.
c) Die Beschwerde ist zwar nicht binnen der in § 181 Abs. 1 GVG geregelten einwöchigen Frist, die mit der Bekanntmachung des Beschlusses zu laufen beginnt, beim nach § 311 Abs. 1 StPO i. V. m. § 306 Abs. 1 StPO zuständigen Amtsgericht Siegen eingegangen und wäre daher aufgrund des Fristversäumnisses unzulässig. Denn der Beschluss ist dem Beschwerdeführer bereits in der Hauptverhandlung am 23. Januar 2024 verkündet und überdies nochmals in schriftlicher Form am 25. Januar 2024 förmlich zugestellt worden. Das an die Staatsanwaltschaft Siegen gerichtete Beschwerdeschreiben vom 05. Mai 2024, welches dort am 10. Mai 2024 und nach entsprechender Weiterleitung sodann am 17. Juni 2024 beim Amtsgericht Siegen eingegangen ist, erweist sich daher grundsätzlich als verfristet.
d) Dem Verurteilten war aber von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde zu gewähren, da er gemäß § 44 S. 1 StPO ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Auch die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand finden bei einer Versäumung der Frist des § 181 GVG Anwendung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 181 GVG Rn. 4; Krauß in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 181 GVG Rn. 8; OLG Hamm a. a. O.).
Nach § 44 S. 2 StPO ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist u.a. als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach § 35a S. 1 StPO unterblieben ist. Dies war hier der Fall. Der Verurteilte ist, obgleich zwingend in § 35a StPO vorgeschrieben, über Form und Frist des ihm zustehenden befristeten Rechtsmittels im Sinne § 181 GVG nicht bzw. nicht zutreffend belehrt worden.
Dass eine Rechtsmittelbelehrung in der Hauptverhandlung vom 23. Januar 2024 nach Verkündung des Ordnungsgeldbeschlusses erfolgt ist, kann dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht entnommen werden. Bei Übersendung der schriftlichen Beschlussgründe ist der Verurteilte sodann über die Beschwerdemöglichkeit im Sinne einer einfachen fristungebundenen Beschwerde, mithin in Bezug auf die Art des Rechtsmittels und das Bestehen einer Frist unzutreffend und im Hinblick auf die einzuhaltende Form und den richtigen Adressaten des Rechtsmittels - hier: das Amtsgericht Siegen gemäß § 311 Abs. 1 StPO i. V. m. § 306 Abs. 1 StPO - nicht belehrt worden.
Unterbleibt eine Rechtsmittelbelehrung oder wird eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt, deren Unrichtigkeit sich, wie vorliegend, auf einen wesentlichen Punkt bezieht, steht dem Beschwerdeführer, der nicht nach § 35a StPO belehrt worden ist, nach § 44 S. 2 StPO das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu (zu vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 35a StPO Rn. 15; OLG Hamm a. a. O.).
Da sich dem Beschwerdeschreiben vom 05. Mai 2024 der Wille des Verurteilten entnehmen lässt, eine entsprechende Prozesshandlung vorzunehmen und sofortige Beschwerde einzulegen und zugleich sein fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis offenkundig und jedenfalls im vorliegenden Fall auch von der erforderlichen Kausalität zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis auszugehen ist, war gemäß § 45 Abs. 2 S. 3 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen zu gewähren.
2. Die Beschwerde des Verurteilten ist in der Sache aber unbegründet.
a) Die formellen Voraussetzungen für die Festsetzung des Ordnungsgeldes sind (noch) erfüllt.
aa) Ist ein Ordnungsmittel wegen Ungebühr festgesetzt, so ist der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen, § 182 GVG. Der notwendige Inhalt des Protokolls ergibt sich aus dem Zweck der Protokollierung, den gesamten Geschehensablauf, der zu dem Beschluss geführt hat, unter dem unmittelbaren frischen Eindruck des Geschehens schriftlich niederzulegen, um dem Beschwerdegericht ein möglichst objektives, von Erinnerungsfehlern freies und so umfassendes Bild des tatsächlichen Vorgangs zu geben, dass es Grund und Höhe des Ordnungsmittels in der Regel ohne weitere Ermittlungen nachprüfen kann. Bei der Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr muss im Protokoll der Vorfall so deutlich festgehalten sein, dass das Beschwerdegericht den Grund und die Höhe der Sanktion ohne eigene Erhebungen überprüfen kann (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 10. Auflage 2021, § 182 Rn. 2; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03. August 2016 - 11 W 75/16 - zit. nach beck-online). Eine solche präzise Protokollierung ist deshalb geboten, weil eine nachträgliche Ergänzung des Protokollierten vor dem Hintergrund des oben dargestellten Zwecks der Vorschrift nicht zulässig ist (vgl. Kissel/Mayer, GVG, § 182 Rn. 4 mit Verweis auf OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. Februar 1997 - 14 W 1/97).
Diesen Anforderungen ist das Gericht noch gerecht geworden.
(1) Die Veranlassung zur Ordnungsgeldverhängung ist hinreichend protokolliert worden. Aus der unter I. dargestellten Protokollierung ergibt sich zunächst, dass das Nichterheben zur Urteilsverkündung sowie später das mehrfache Unterbrechen des Gerichts durch den Verurteilten während der Urteilsbegründung Anlass für die Verhängung des Ordnungsgeldes war, was im Protokoll auch jeweils näher hinsichtlich des objektiven Geschehensablauf konkretisiert worden ist.
(2) Der Ordnungsgeldbeschluss ist auch in das Sitzungsprotokoll aufgenommen worden. Soweit der Beschluss entgegen § 34 StPO nicht begründet worden ist, führt dieser Mangel, der im vorliegenden Fall auch nicht durch den gesetzlich nicht vorgesehenen Nichtabhilfebeschluss vom 18. Juni 2024 behoben werden konnte, im vorliegenden Fall nicht zur Aufhebung der Ordnungsmittelanordnung.
Denn es reicht aus, wenn auf Grund der durch § 182 GVG vorgeschriebenen Protokollierung des den Beschluss veranlassenden Geschehens für den Betroffenen der Anordnungsgrund außer Zweifel steht und für das Beschwerdegericht die Festsetzung des Ordnungsgeldes in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht dem Grunde und der Höhe nach überprüfbar ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 182 GVG Rn. 4 mit Verweis auf OLG Hamburg, Beschluss vom 07. Februar 2018 - 2 Ws 22/18). Dies ist hier der Fall. Für den Verurteilten bestand kein Zweifel daran, aus welchem Grund gegen ihn das Ordnungsgeld verhängt worden ist. Wie sich dem Protokoll entnehmen lässt, hat das Gericht ihn nach seinen Fehlverhaltensweisen jeweils ausdrücklich die Verhängung eines Ordnungsgeldes angedroht; hinsichtlich der durch den Verurteilten erfolgten Unterbrechungen ist er bereits vor der Androhung des Ordnungsgeldes bereits zweimal seitens des Gerichts ermahnt worden, indem dessen Störung entsprechend protokolliert worden ist.
bb) Dem Verurteilten ist vor Verhängung des Ordnungsgeldes schließlich auch rechtliches Gehör gewährt worden.
Das Gericht hat - wie bereits ausgeführt - den Verurteilten hinsichtlich beider oben beschriebener Fehlverhaltensweisen jeweils die Verhängung eines Ordnungsgeldes angedroht und ihm damit zugleich die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt, von der er jedenfalls hinsichtlich des Nichterhebens zur Urteilsverkündung auch ausdrücklich Gebrauch gemacht hat. Im Übrigen ist ein Absehen von der vorherigen Anhörung der betroffenen Person gerechtfertigt, wenn die Ungebühr und der Ungebührwille völlig außer Frage stehen und die Anhörung nur zu weiteren Ausfällen Gelegenheit gäbe (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 178 GVG Rn. 14; Kissel/Mayer, GVG, § 178 Rn. 45 ff. m.w.N.) Dies war hier der Fall, nachdem der Verurteilte ausweislich der Protokollierung auf jeden weiteren Versuch des Gerichts das Wort zu ergreifen, immer wieder mit dem Satz reagierte, dass er eine faire Verhandlung wolle.
b) Auch die materiellen Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes sind gegeben.
Gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG kann gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden.
Ungebühr i.S.d. § 178 Abs. 1 GVG ist ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung, auf deren justizförmigen Ablauf, auf den Gerichtsfrieden und damit auf die Würde des Gerichts (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18. Februar 2005 - 2 Ws 36/05; OLG Hamm, Beschluss vom 28. November 2000 - 2 Ws 292 u. 296/00; zit. nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 178 GVG, Rn. 2).
aa) Ein ungebührliches Verhalten des Verurteilten in diesem Sinne lag zunächst in dem demonstrativen Sitzenbleiben während der Urteilsverkündung trotz entsprechender Aufforderung seitens der Vorsitzenden (vgl. hierzu: KG, Beschluss vom 24. August 2009 - 3 Ws 368/09, zit. nach beck-online; Krauß in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 178 GVG, Rn. 17). Die in der Rechtsprechung allgemein vertretene Auffassung, dass hierin ein ungebührliches Verhalten zu erkennen ist wird von der auch vom Senat geteilten Auffassung getragen, dass die Erfüllung der den Gerichten in einem Rechtsstaat obliegenden Aufgabe, die Wahrheit zu finden und zu einer gerechten Entscheidung zu kommen, eines ordnungsgemäßen Ablaufs gerichtlicher Verhandlung bedarf, zu dem auch die Wahrung gewisser äußerer Formen gehört. Diese haben unter anderem den Sinn, die Bedeutung gewisser Verfahrensabschnitte für alle Anwesende zu verdeutlichen. Deswegen gehört auch die in Nr. 124 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren dargestellte Übung, dass sich bei der Verkündung der Urteilsformel sämtliche Anwesenden von ihren Plätzen erheben, zum ordnungsgemäßen Verfahrensablauf, dessen Nichtbeachtung in aller Regel eine Ungebühr darstellt (vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 11. Juni 2013 - 2 Ws 12/13, zit. nach beck-online; OLG Celle, Beschluss vom 17. Januar 2012 - 1 Ws 504/11, zit. nach juris).
Ein ungebührliches Verhalten lag ferner in der mehrfachen Unterbrechung der Vorsitzenden während ihrer Urteilsverkündung. Die Unterbrechung der mündlichen Urteilsbegründung durch Zwischenrufe bzw. "Dazwischenreden" stört nicht nur den Gang des Verfahrens, sondern missachtet die Würde des Gerichts bei der Erfüllung seines besonderen Verfassungsauftrages. Die Wahrung der äußeren Form bei der Eröffnung der Urteilsgründe ist ein Zeichen selbstverständlicher Achtung der besonderen Bedeutung des richterlichen Auftrages und des Richteramtes (vgl. KG, Beschluss vom 23. Mai 2001 - 1 AR 524/01; KG, Beschluss vom 29. April 1998 - 3 Ws 210/98). Dies gilt erst recht, wenn - wie hier protokolliert - die Störung derart massiv ist, dass dem Gericht nicht nur durch eine vereinzelte, sondern mehrfache wiederholende Aussage, die auch keine Wahrnehmung berechtigter prozessualer Rechte beinhaltet (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 08. April 2024 - Ws 248/24, zit. nach beck-online), das Wort zeitweise gänzlich abgeschnitten wird.
bb) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Gericht auch im Hinblick auf das Nichterheben des Verurteilten zur Urteilsverkündung - in Bezug auf die Unterbrechungen während der Urteilsbegründung liegt dies auf der Hand - von einer schuldhaft bzw. vorwerfbar begangenen Ungebühr ausgegangen ist. Das Gericht hat den vom Verurteilten vorgebrachten Entschuldigungsgrund - die angeblichen Schmerzen an seiner Schulter - mit tragfähiger Begründung unter Bezugnahme auf sein unmittelbar zuvor gezeigtes Verhalten in seinem letzten Wort (insoweit ist protokolliert, dass er sich dazu habe erheben wollen und sich erhoben hat) als vorgeschoben bewertet. An dieser Bewertung ist seitens des Senats nichts zu erinnern.
cc) Die Höhe des vom Amtsgericht bestimmten Ordnungsgeldes und der ersatzweise festgesetzten Ordnungshaft begegnen keinen Bedenken.
(1) Die Bemessung eines Ordnungsgeldes erfolgt ausgehend von einem Rahmen zwischen 5,00 Euro und 1.000,00 Euro gemäß § 178 Abs. 1 S. 1 GVG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EGStGB nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Kissel/Mayer, GVG, § 178 Rn. 42), den allgemeinen Grundsätzen für die Zumessung von Sanktionen folgend und unter Berücksichtigung der prozessualen Funktion des Ordnungsmittels. Die Nachprüfung durch das Beschwerdegericht erstreckt sich auf Art und Maß der Festsetzung (vgl. Krauß in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2022, § 178 GVG Rn. 24).
(2) Im vorliegenden Fall ist bei der Bemessung des Ordnungsgeldes zu berücksichtigen, dass sich die Ungebühr des Beschwerdeführers in der Gesamtschau der Verfehlungen durchaus als massiv darstellt. Vor diesem Hintergrund ist die amtsgerichtliche Ordnungsgeldbemessung mit im unteren Bereich des Rahmens liegenden 150,00 Euro und die Bemessung der Ersatzordnungshaft gemäß § 178 Abs. 1 S. 2 GVG mit drei Tagen nicht zu beanstanden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 und Absatz 7.
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