Gericht / Entscheidungsdatum: AG Mannheim, Beschl. v. 06.08.2024 – 2 Ls 302 Js 14819/21
Eigener Leitsatz:
Mit der Formulierung „zugleich“ in Art. 313 Abs. 3 Satz 1 EGStGB ist (lediglich) Tateinheit, nicht aber Handlungseinheit gemeint.
In pp.
Der Antrag der Verteidigung vom 24.06.2024, unter Auflösung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, die Strafe des Urteils des Amtsgerichts Mannheim vom 22.02.2022 [sic!] (Az. 2 Ls 811 Js 37440/20) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5,00 Euro neu festzusetzen und eine neue Gesamtstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten zu bilden, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Verurteilte M. I. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 22.03.2022 (Az. 2 Ls 811 Js 37440/20) wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 21.01.2021 gegen 11:20 Uhr bewahrte der Angeklagte in seiner Wohnung in der E.-Straße in M. wissentlich und willentlich 40,40 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 18,97 +/- 0,95 %, entsprechend 7,663 +/- 0,379 g THC und 9,110 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 48,21 +/- 1,44 % an Cocainbase, entsprechend 4,917 +/- 0,146 g Cocainhydrochlorid auf.
Wie der Angeklagte wusste, verfügte er nicht über die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderlichen behördlichen Erlaubnis.
Mit Urteil vom 25.07.2022 (Az. 9 Ls 703 Js 5471/22) wurde er ferner wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Hehlerei - unter Einbeziehung der vorgenannten Entscheidung vom 22.03.2022 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt.
Mit Urteil vom 30.08.2022 (Az. 2 Ls 302 Js 14819/21) wurde der Verurteilte wegen Betruges in 13 Fällen, Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug in vier tatmehrheitlichen Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen und Missbrauchs von Ausweispapieren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. In der Berufung wurde der er sodann durch das Landgericht Mannheim mit Urteil vom 23.02.2023 (Az. 15 Ns 302 Js 14819/21) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 31.07.2023 wurde aus den Entscheidungen des Amtsgerichts Mannheim vom 25.07.2022 (Az. 9 Ls 703 Js 5471/22) und des Landgerichts Mannheim vom 23.02.2023 (Az. 15 Ns 302 Js 14819/21) sodann nachträglich eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten festgesetzt.
Die Verteidigung hat mit Schriftsatz vom 24.06.2024 nunmehr beantragt, unter Auflösung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, die Strafe des Urteils des Amtsgerichts Mannheim vom 22.02.2022 [richtig: 22.03.2022] (Az. 2 Ls 811 Js 37440/20) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5,00 Euro neu festzusetzen und eine neue Gesamtstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten zu bilden.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Besitz von 40,40 Gramm Marihuana am Wohnsitz des Verurteilten nicht mehr strafbar sei. Dies habe zur Folge, dass der Verurteilte, würde der Sachverhalt nunmehr abgeurteilt werden, nur wegen Besitzes von 9,100 Gramm Kokain (mit 4,917 Gramm Cocainhydrochlorid) zu bestrafen wäre. Der Besitz des Kokains würde nunmehr nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG [richtig: § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG] bestraft werden und nicht mehr - wie damals - gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, sodass vorliegend eine Geldstrafe und nicht zwingend eine Freiheitsstrafe in Betracht komme.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim als Vollstreckungsbehörde hat beantragt die Strafe nicht neu festzusetzen. Der Verurteilte sei wegen des Besitzes von 40,40 Gramm Marihuana und zusätzlich 9,110 Gramm Kokain in Handlungseinheit verurteilt worden, sodass Art. 313 Abs. 3 EGStGB nicht einschlägig sei.
II.
Der Antrag auf Neufestsetzung war abzulehnen, da eine gesetzliche Grundlage hierfür nicht besteht. Art. 316p i.V.m. Art. 313 EGStGB ist vorliegend nicht anwendbar.
Nach dem am 01.04.2024 in Kraft getretenen KCanG ist der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis in der eigenen Wohnung zwar mittlerweile erlaubt (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 2 Nr. 1 KCanG), sodass bei einer Entscheidung über den dem Urteil vom 22.03.2022 zugrundeliegenden Sachverhalt zum heutigen Zeitpunkt lediglich noch eine Verurteilung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG wegen des Besitzes des Kokains in Betracht käme.
Bei der über Art. 316p EGStGB für anwendbar erklärten Vorschrift des Art 313 EGStGB über den Straferlass noch nicht vollstreckter Strafen handelt es sich indes um eine Ausnahmevorschrift, deren Wortlaut die vorliegende Konstellation nicht erfasst.
Gemäß Art 313 Abs. 3 EGStGB finden die Straferlassregelungen der Absätze 1 und 2 keine Anwendung, wenn „der Täter wegen einer Handlung verurteilt worden [ist], die eine nach neuem Recht nicht mehr anwendbare Strafvorschrift und zugleich eine andere Strafvorschrift verletzt hat (§ 73 Abs. 2 des Strafgesetzbuches in der bisherigen Fassung)“.
§ 73 Abs. 2 StGB in der bisherigen Fassung entspricht indes dem heutigen § 52 Abs. 2 StGB, mithin tateinheitlich verwirklichte Gesetzesverletzungen. Durch diese Bezugnahme wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung „zugleich“ in Art. 313 Abs. 3 Satz 1 EGStGB (lediglich) Tateinheit, nicht aber Handlungseinheit meinte. Eine Auslegung über den Wortlaut hinaus ist angesichts des erwähnten Ausnahmecharakters der Vorschrift auch nach Sinn und Zweck nicht angezeigt.
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