Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2024 – 3 Ws 204/24
Leitsatz des Gerichts:
Zur Kostentragungspflicht der Staatskasse bei einem erfolgreichen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit dem eine auf Antrag der Staatsanwaltschaft ergangene unrichtige Entscheidung korrigiert wird.
In pp.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Gelsenkirchen hat den Verurteilten am 6. November 2013, rechtskräftig seit dem 22. Dezember 2014, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.
Nachdem bereits zwei Drittel der Strafe vollstreckt wurden, hat das Amtsgericht Gelsenkirchen mit Beschluss vom 31. März 2022, rechtskräftig seit dem 13. April 2022, u.a. den Strafrest aus der o.g. Verurteilung gemäß § 36 Abs. 1 BtMG zur Bewährung ausgesetzt, nachdem der Verurteilte eine Therapie regulär beendet hatte und die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt.
Mit Verfügung vom 25. März 2024 hat die Staatsanwaltschaft Essen beantragt, "die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit zu erlassen".
Mit Beschluss vom 12. April 2024 hat die I. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen "die Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 06.11.2013 nach Ablauf der Bewährungszeit gemäß § 56g StGB erlassen".
Gegen diesen ihr am 18. April 2024 zugestellten Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Essen mit Fax vom 22. April 2024 "zuungunsten" des Verurteilten sofortige Beschwerde eingelegt und mit Verfügung vom 23. April 2024 zur Begründung ausgeführt, die Bewährungszeit laufe noch bis zum 12. April 2025.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der sofortigen Beschwerde beigetreten und beantragt, den Beschluss des Landgerichts Essen vom 12. April 2024 aufzuheben.
II.
Die gemäß § 453 Abs. 2 Satz 2 StGB statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 56g Abs. 1 StGB nicht erfüllt sind. Denn ein Straferlass kann schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift erst nach Ablauf der Bewährungszeit erfolgen. Hier läuft die Bewährungszeit hingegen noch bis zum 12. April 2025.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V. mit § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. September 1999 - 1 Ws 701/99 - NStZ-RR 2000, 223 m.w.N., Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, § 473 Rdnr. 17 m.w.N.). Denn trotz des entgegenstehenden Wortlauts hat die Staatsanwaltschaft Essen die sofortige Beschwerde nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht zuungunsten des Verurteilten eingelegt, sondern in erster Linie unter Wahrnehmung ihrer Aufgabe, gerichtliche Entscheidungen mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, zumal sie für die fehlerhafte Entscheidung aufgrund ihres verfrühten Antrags vom 25. März 2024 "mitverantwortlich" ist. Insoweit gilt, dass der Verurteilte nicht mit Kosten und Auslagen belastet werden darf, die nur dadurch entstanden sind, dass eine auf einem Irrtum des Gerichts beruhende gesetzwidrige Entscheidung beseitigt wird (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).
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