Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.05.2024 - 3 Ws 128/24
Eigener Leitsatz:
Der Haftbefehl ist in den Fällen des § 120 Abs. 1 Satz 2 StPO auch dann aufzuheben ist, wenn der Freispruch als fehlerhaft erkannt ist und die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nach vorliegen.
3 Ws 128/24
Oberlandesgericht Karlsruhe
3. STRAFSENAT
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Verteidiger
Rechtsanwalt
wegen Verdachts des Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge u.a.
hier: Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim
hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 3. Strafsenat - am 14., Mai 2024 beschlossen:
1. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 12. April 2024 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Mannheim hat in einem von der Staatsanwaltschaft Mannheim unter dem Az. 804 Js 28622/21 geführten Ermittlungsverfahren am 16.11.2021 Haftbefehl gegen den Angeklagten wegen des dringenden Tatverdachts der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, erlassen.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim erhob am 12.05.2023 wegen der im Haftbefehl aufgeführten Taten Anklage zur Großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim. Mit Beschluss vom 18.10.2023 eröffnete die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim das Hauptverfahren und bestimmte mit Verfügung vom selben Tag Termine zur Hauptverhandlung.
Im Hauptverhandlungstermin am 12.04.2024 wurde ein freisprechendes Urteil verkündet und mit Beschluss vom selben Tag der Haftbefehl des Amtsgerichts Mannheim vorn 16.11.2021 aufgehoben.
Gegen das Urteil vorn 12.04.2024 legte die Staatsanwaltschaft Mannheim Revision und gegen den Beschluss vom 12.04.2024 mit Schrift vom 15.04.2024 Beschwerde ein. Dieser Beschwerde half das Landgericht Mannheim mit Beschluss vorn 16.04.2024 nicht ab. Mit Schrift vom 26.04.2024 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 12.04.2024 aufzuheben und den Haftbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 16.11.2021 wieder in Vollzug zu setzen und vorab bis zu einer Entscheidung über die Beschwerde gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen.
Die nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 306 Abs. 1 StPO) Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ist ein Haftbefehl aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Als Sonderfall hiervon wird in § 120 Abs. 1 Satz 2 StPO der Fall des Freispruchs behandelt. Im Falle eines Freispruchs wird gesetzlich vermutet, dass ein dringender Tatverdacht nicht mehr besteht, das heißt, dass die', Haftvoraussetzungen weggefallen sind oder dass wenigstens die Haft zu dem endgültigen Verfahrensergebnis in keinem angemessenen Verhältnis mehr steht (vgl. Senat, Beschluss vom 12.101.1981 - 3.Ws 9/81, NStZ 1981, 192, beck-online). Die Vermutung wird bereits durch den bloßen Akt der freisprechenden Entscheidung begründet, ohne dass es auf deren Richtigkeit oder Rechtskraft ankommt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. 7. 1999 - 2 Ws 227/99, NStl.1999, 585, beck-online; Lind in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2019, § 120, Rn. 33). Der Haftbefehl ist in den Fällen des § 120 Abs. 1 Satz 2 StPO deshalb auch dann aufzuheben ist, wenn der Freispruch als fehlerhaft erkannt ist und die Voraussetzungen der Untersuchungshaft noch vorliegen (Und in Löwe-Rosenberg a.a.O.). Da die Prüfung der Erfolgsaussichten einer staatsanwaltschaftlichen Revision alleine dem Revisionsgericht obliegt, ist dem Senat als Haftbeschwerdegericht eine eigene verbindliche Prüfung im Hinblick auf tatsächliche oder vermeintliche offensichtliche Revisionsfehler verwehrt (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl. 2023, StPO § 120 Rn. 11).
Aufgrund der gesetzlichen Vermutung des § 120 Abs. 1 Satz 2 StPO darf bis zu der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts erneute Untersuchungshaft nur auf Grund neuer Tatsachen und. Beweismittel angeordnet werden; eine andere tatsächliche oder rechtliche Beurteilung reicht dafür nicht aus (vgl. Senat, Beschluss vom 12.01.1981 - 3 Ws 9/81, aaO; OLG Hamm, Beschluss vom 11. August 1980 — 3 Ws 430/80 —, Rn. 4, juris). Da neue Beweismittel hier nicht vorliegen, kann die Haftbeschwerde der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO.
Einsender: RA P. Welke, Heidelberg
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