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Entscheidungen

OWi

Geschwindigkeitsmessung, Video-Verkehrsüberwachungsanlage ProVida2000/ViDista, Anforderungen an die Urteilsgründe

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.07.2024 – 1 ORbs 144/24

Eigener Leitsatz:

Zu den Anforderungen an die tatrichterlichen Urteilsgründe, wenn Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren mit einem Messfahrzeug unter Verwendung der Video-Verkehrsüberwachungsanlage ProVida2000/ViDista vorgenommen worden sind.


In pp.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg a. d. H. vom 04. März 2024 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Brandenburg a. d. H. zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Brandenburg a. d. H. erkannte mit Urteil vom 04. März 2024 gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 53 km/h und um 46 km/h auf eine Geldbuße in Höhe von 640,00 € und ein einmonatiges Fahrverbot. Hinsichtlich der Geldbuße räumte es dem Betroffenen die Möglichkeit ein, dieses in monatlichen Raten zu je 100,00 € zu zahlen, betreffend das Fahrverbot machte das Bußgeldgericht von der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2a StVG Gebrauch.

Den Feststellungen des Amtsgerichts zufolge hatte der Betroffene am (Datum) in der Zeit zwischen 10:53 Uhr und 10:54 Uhr mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen: pp., die Bundesautobahn pp. auf Höhe der Anschlussstelle pp. in Fahrtrichtung Autobahndreieck … befahren. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war im von dem Betroffenen befahrenen Streckenabschnitt durch beidseits aufgestellte Beschilderung zunächst auf 130 km/h und sodann auf 120 km/h beschränkt.

Im Bereich der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 130 km/h hatte der Betroffene in der Zeit von 10:53:24 Uhr bis 10:53:34 Uhr über eine Messstrecke von 478,79 Metern eine Geschwindigkeit von mindestens 176 km/h inne, im Bereich der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h in der Zeit von 10:53:58 Uhr bis 10:54:09 Uhr über eine Messstrecke von 522,69 Metern eine solche von mindestens 173 km/h. Messtoleranzen nennt das Urteil des Tatgerichts nicht.

Die Geschwindigkeit war in beiden Fällen durch ein dem Pkw des Betroffenen folgendes Polizeifahrzeug (amtliches Kennzeichen: pp.) mittels der nach den Feststellungen des Tatgerichts zum Zeitpunkt gültig geeichten Verkehrsüberwachungsanlage ProVida 2000/Vidista gemessen worden, die konkrete Geschwindigkeit war durch eine Auswertung des Videofilms mittels der Vidista-Einheit der Verkehrsüberwachungsanlage ermittelt worden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner am 07. März 2024 bei dem Amtsgericht angebrachten Rechtsbeschwerde, die er nach unter dem 22. April erfolgter Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe mit Anwaltsschriftsatz vom 25. April 2024 begründet hat. Der Betroffene rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 23. Mai 2024, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Betroffene hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 und 2 OWiG statthaft und entsprechend §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341,344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht und begründet worden, sonach zulässig.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel auf die Sachrüge (vorläufig) Erfolg.

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch nicht.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren mit einem Messfahrzeug unter Verwendung der Video-Verkehrsüberwachungsanlage ProVida2000/ViDista vorgenommen worden sind. Diese Messmethode ist als standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu BGHSt 39, 291 = NZV 1993, 485) anerkannt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. November 2000 – 2 Ss OWi 1057/2000, 2 Ss OWi 1057/00; Rz. 9; OLG Köln, Beschluss vom 30. Juli 1999 – Ss 343/99 B – Rz. 17 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 04. Dezember 2008 – 3 Ss OWi 871/08 – Rz. 19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juni 2000 – 2b Ss (OWi) 125/00 – (OWi) 52/00 I – Rz. 20 m. w. N.; sämtlich zitiert nach juris).

Das Urteil muss deshalb feststellen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Geschwindigkeitsmessung beruht. Dazu gehören insbesondere Angaben darüber, ob die Messung durch elektronische Aufzeichnungen oder durch Ablesen, durch stationäre Geräte oder aus einem fahrenden Fahrzeug heraus erfolgte, wie lang ggf. die Verfolgungsstrecke und der Abstand des Polizeifahrzeugs zu dem verfolgten Fahrzeug des Betroffenen waren und welcher Toleranzabzug bei der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung vorgenommen worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. November 2019 – 2 Rb 35 Ss 795/19 –, Rz. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juni 2000 – 2b Ss (OWi) 125/00 – (OWi) 52/00 I –, Rz. 18; OLG Hamm, Beschluss vom 04. Dezember 2008 – 3 Ss OWi 871/08 –, Rz. 19; OLG Köln, Beschluss vom 30. Juli 1999 – Ss 343/99 B –, Rz. 17; sämtlich zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es enthält weder Feststellungen zum Abstand des Polizeifahrzeugs zu dem verfolgten Auto des Betroffenen noch einen bei der Geschwindigkeitsmessung berücksichtigten Toleranzabzug.

Das Urteil unterliegt deshalb gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 349 Abs. 4 StPO der Aufhebung. Die Sache war an das Amtsgericht, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird, zurückzuverweisen.


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