Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 07.06.2024 – 5 Ws 47/24 – 161 GWs 24/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Die Vorschrift des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO, nach welcher die Vollstreckung der zu einer Geldzahlung verpflichtenden Nebenfolge unterbleibt, soweit sie unverhältnismäßig wäre, ist in ihrer seit dem 1. Juli 2021 geltenden Fassung auch auf Fälle anzuwenden, in denen die zugrundeliegende Straftat bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits beendet war.
2. § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO ist nach seinem Regelungsgehalt eine verfahrensrechtliche Vorschrift, auf welche § 2 Abs. 3 StGB keine Anwendung findet, weil sie lediglich eine den Anordnungen nach § 455 StPO vergleichbare vorläufige (§ 459 Abs. 5 Satz 2 StPO) Unterbleibensanordnung vorsieht, welche die Höhe des durch das Tatgericht materiellrechtlich abschließend bestimmten Einziehungsbetrages unberührt lässt.
3. Unverhältnismäßig im Sinne des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO ist die Vollstreckung nur dann, wenn mit ihr aufgrund besonderer Umstände eine außerhalb des Einziehungszwecks liegende besondere Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Einziehung nicht zugemutet werden kann. Dies gilt auch für die nach bisher geltendem Recht als Unterfall der Unverhältnismäßigkeit gesondert geregelte Konstellation, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist (Entreicherung).
4. Hat der Einziehungsadressat den von ihm erlangten Betrag tatplangemäß an einen Mittäter weitergereicht („Verschiebung“ von Taterlösen), so eröffnet dies regelmäßig keine Anwendung des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO. Eine Begrenzung der Vollstreckung auf den einem Einziehungsbeteiligten verbleibenden Betrag findet im Gesetz keine Stütze und widerspräche nicht nur den materiellrechtlichen Einziehungsvorschriften, nach denen von einer Einziehungsanordnung lediglich in der Ausnahmekonstellation eines nur „transitorischen Besitzes“ abzusehen ist, sondern auch den Wertungen des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts (§ 819 Abs. 1 i. V. m. § 818 Abs. 4 BGB), an denen sich der Gesetzgeber explizit orientiert hat.
In pp.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 27. Dezember 2023 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
1. Mit seit dem 30. März 2022 rechtskräftigem Urteil vom 30. Juli 2021, auf dessen Gründe der Senat Bezug nimmt, verhängte das Landgericht Berlin gegen den Beschwerdeführer wegen (gemeinschaftlich begangenen) Computerbetruges eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Außerdem bestimmte es, dass von der Strafe sechs Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten, und ordnete die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 12.291.092,37 Euro – davon 12.198.276,83 Euro als Gesamtschuldner – an. Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Jahre 2011 gemeinsam mit dem Mitangeklagten V. unter Rückgriff auf eine Vielzahl von Fälschungen und Täuschungen im maschinellen Mahnverfahren einen Mahn- sowie einen Vollstreckungsbescheid über eine in Wahrheit nicht bestehende Forderung von mehr als 23 Mio. Euro gegen einen libyschen Staatsfonds (L.) erwirkt und im Wege der Zwangsvollstreckung die Überweisung eines Geldbetrages in Höhe des genannten Einziehungsbetrages auf ein unter seinem Namen geführtes Konto, über welches er allein verfügungsbefugt war, erreicht hatte. Von dem Betrag entfiel auf den Beschwerdeführer als Taterlös letztlich (nur) ein Anteil von insgesamt 165.000,– Euro, während der Rest (nach Abzug von Bankgebühren) über eine einziehungsbeteiligte Gesellschaft, die R. GmbH, an den Mitangeklagten sowie an weitere Beteiligte floss.
2. Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 16. September 2022 ließ der Beschwerdeführer beantragen, von der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO abzusehen; mit Schriftsätzen vom 23. Januar 2023, 8. Mai 2023 und 22. Juni 2023 hat er sein Vorbringen ergänzt und vertieft. Er macht insbesondere geltend, § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO sei in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) heranzuziehen, die gegenüber der aktuellen Rechtslage das mildere Recht im Sinne des § 2 Abs. 3 und 5 StGB darstelle. Er sei im Sinne des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO a. F. entreichert, weil er das Erlangte (ganz überwiegend) an die R. GmbH weitergereicht habe. Jedenfalls aber sei eine Einziehung unverhältnismäßig. Die Weitergabe des Erlangten gebiete eine Korrektur der tatgerichtlichen Einziehungsentscheidung, bei der Verhältnismäßigkeitserwägungen keine Berücksichtigung hätten finden können. Außerdem sei er zur Begleichung des Einziehungsbetrages nicht in der Lage. Die Verpflichtung, neu erwirtschaftetes Vermögen oberhalb der Pfändungsgrenzen zeitlich unbegrenzt an den Staat abzuführen, sei allenfalls dann zumutbar, wenn das abgeschöpfte Vermögen an den Verletzten ausgekehrt (§ 459h Abs. 2 StPO) und der Einziehungsadressat damit letztlich nur einem abweichenden Vollstreckungsregime unterworfen werde. Anderes gelte jedoch, wenn der Verletzte – wie hier – keine dem Einziehungsbetrag entsprechenden Ansprüche gegen den Betroffenen habe, so dass der Betrag dem durch die Straftat nicht geschädigten Staat verbleibe; dies sei mit dem kondiktionsähnlich ausgestalteten, auf die Beseitigung deliktisch entstandener Vermögenslagen gerichteten Institut der Einziehung nicht vereinbar. Das Landgericht Berlin habe den Beschwerdeführer auf eine Klage des L. mit insoweit rechtskräftigem Urteil vom 2. Juni 2022 (…) zur Zahlung von (lediglich) 164.620,81 Euro nebst Zinsen als Schadenersatz nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 852 Satz 1 BGB) verurteilt; deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263a StGB habe das Gericht als verjährt angesehen. Zahlungen an den L. könne der Verurteilte derzeit nur im Wege der Hinterlegung leisten, weil das Vermögen des L. auf der Grundlage der Verordnung (EU) 2016/44 eingefroren sei. Eine Vollstreckung hätte außerdem erdrosselnde und desozialisierende Wirkung. Die Bestellung des Beschwerdeführers zum Notar sei aufgrund der Verurteilung erloschen. Als Mitgesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ständen ihm monatliche Vorabentnahmen im Umgang von 5.000,– Euro (brutto) zu; hiervon habe er Steuervorauszahlungen von monatlich 1.485,– Euro, Krankenversicherungsbeiträge von 701,50 Euro sowie Mietzahlungen von 1.237,58 Euro zu leisten und sei seiner nicht berufstätigen Ehefrau und seinen vier minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er drohe durch die Vollstreckung in Vermögensverfall zu geraten und deshalb seine Anwaltszulassung zu verlieren. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf den Inhalt der genannten Schriftsätze.
3. Mit dem hier angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Berlin unter (stillschweigender) Ablehnung des Antrags angeordnet, dass die Vollstreckung der Einziehung fortgesetzt wird. § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO sei in der seit dem 1. Juli 2021 geltenden Fassung anzuwenden. Die weitere Vollstreckung der angeordneten Wertersatzeinziehung sei nicht unverhältnismäßig. Nach neuer Rechtslage bedürfe es dazu (auch) in Fällen einer Entreicherung besonderer Umstände, an denen es hier fehle. Die tatplangemäße Weiterleitung (des Wertes) von Taterträgen an Tatgenossen führe im Erkenntnisverfahren – von Fällen eines lediglich transitorischen Besitzes abgesehen – zur Abschöpfung bei jedem dieser Beteiligten und könne daher – im Sinne eines Gleichlaufs der Regelungsbereiche – nicht ohne Weiteres die Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung begründen. Der in Anspruch genommene Tatgenosse könne auf den internen Gesamtschuldnerausgleich verwiesen werden; dass er damit die Risiken der Insolvenz und der Vollstreckbarkeit trage, entspreche der gesetzgeberischen Konzeption einer umfassenden und effektiven Vermögensabschöpfung. Das Vorgehen stehe auch im Einklang mit den in der Gesetzesbegründung ausdrücklich in Bezug genommenen Wertungen der §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB; die Wertersatzeinziehung behalte dadurch gerade ihren kondiktionsähnlichen Charakter. Dieser erlaube eine Einziehung auch dann, wenn der Geldbetrag letztlich dem Staat und nicht dem Verletzten zufalle, wie es hier angesichts des dem L. mit Urteil vom 2. Juni 2022 nur zugesprochenen Zahlungsanspruchs größtenteils der Fall sei. Ungeachtet seines im Verhältnis zum Gesamtbetrag geringen Anteils am Taterlös komme dem Beschwerdeführer auch keinesfalls die Rolle einer am Rande des Existenzminimums lebenden unbedeutenden Randfigur zu, die seine Inanspruchnahme als unverhältnismäßig erscheinen lassen könnte. Zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall reichten auch nach Einschätzung des Gesetzgebers die zivilprozessualen Pfändungsvorschriften sowie die in § 459a und § 459c Abs. 2 StPO vorgesehenen Möglichkeiten aus. Die Vollstreckung sei auch nicht wegen einer möglichen Privatinsolvenz (Arg. ex § 111i Abs. 2 StPO) oder mit Blick auf die – als nur mittelbare Folge – drohende Entziehung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft unverhältnismäßig, zumal der Beschwerdeführer seine berufliche Stellung bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf die Beschlussgründe Bezug.
4. Gegen diesen ihm am 30. Dezember 2023 zugestellten Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner durch seine Verteidigerin am 4. Januar 2024 erhobenen und mit Schriftsätzen vom 29. Februar 2024 sowie vom 25. März 2024 begründeten sofortigen Beschwerde. Er beanstandet insbesondere, die Entscheidung trage der Bedeutung des Eigentumsgrundrechts und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend Rechnung. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass der Gesetzgeber die Prüfung einer Entreicherung als Unterfall der (Un-)Verhältnismäßigkeit der Einziehung lediglich vom Erkenntnis- (§ 73c StGB a. F.) in das Vollstreckungsverfahren verlagert habe, damit nachträglich erlangtes Vermögen angemessen berücksichtigt werden könne. Als notwendiges Korrektiv für den Verzicht auf die Berücksichtigung einer Entreicherung im Erkenntnisverfahren sei diese jedoch im Rahmen des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO geboten. Angesichts der verabredungsgemäßen Weitergabe von nahezu 99 % des betrügerisch vereinnahmten Geldbetrages an den Mittäter materialisiere sich das abzuschöpfende Erlangte nicht (mehr) bei dem Verurteilten als Einziehungsadressaten (sog. „Verschiebungsfall“); dem Gesetzeszweck sei deshalb dadurch Rechnung zu tragen, dass die Abschöpfung bei dem Endempfänger und damit sachnäher erfolge. Eine Einziehung bei dem Entreicherten bedürfe unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der besonderen Rechtfertigung, an der es hier fehle. Die Wertungen des § 819 BGB seien auf das Einziehungsrecht nicht übertragbar, soweit es um die Abschöpfung nicht auf Kosten des Staates erlangter Beträge gehe. Eine verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung des Einziehungsschuldners sehe das Gesetz nicht vor. Die fehlende Erwähnung der Verschiebungsfälle in der Gesetzesbegründung spreche dafür, dass der Gesetzgeber sie nicht mit dem dort explizit erwähnten „Verprassen“ der Tatbeute gleichsetzen wollte. Die lediglich richterrechtlich anerkannte Möglichkeit eines internen Gesamtschuldnerausgleichs kompensiere die Wirkungen der Vollstreckung insoweit nicht. Eine gesamtschuldnerische Haftung habe der Gesetzgeber bewusst nicht angeordnet, so dass auch eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld ausscheide. Der Staat als Gläubiger des Einziehungsanspruchs bedürfe auch nicht des Schutzes des § 421 BGB.
II.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 462 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StPO und fristgerecht erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO). In der Sache bleibt dem Rechtsmittel jedoch der Erfolg versagt. Der Senat folgt den zutreffenden Erwägungen der – nach § 462a Abs. 2 Satz 1 StPO für die Entscheidung zuständigen – erkennenden Strafkammer, dass die Vollstreckung nicht nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO zu unterbleiben hat. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
1. a) § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO ist in der seit dem 1. Juli 2021 geltenden Fassung heranzuziehen. Eine Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips des § 2 Abs. 3 und 5 StGB mit der Folge, dass die frühere Rechtslage als milderes Recht zugrunde zu legen wäre (vgl. zu den §§ 73 ff. StGB außerdem die Übergangsvorschrift des Art. 316h EGStGB), scheidet demgegenüber aus. Der Senat folgt insoweit der – jeweils umfassend begründeten – Auffassung der Oberlandesgerichte Nürnberg, Hamburg, Stuttgart und Schleswig, auf welche verwiesen wird (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 31. Mai 2023 – Ws 307/23 –, juris Rn. 16; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 5. Januar 2023 – 5 Ws 52/22 –, juris Rn. 11 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. Dezember 2022 – 4 Ws 514/22 –, NStZ-RR 2023, 157 f.; OLG Schleswig, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 2 Ws 63/22 –, juris Rn. 14 ff.; ebenso OLG Hamm, Beschluss vom 18. August 2022 – III-5 Ws 211/22 –, juris Rn. 19; KG, Beschluss vom 14. März 2023 – 4 Ws 87/22 –; Coen in: BeckOK, StPO 51. Ed. Stand: 1. April 2024, § 459g Rn. 25; Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 459g Rn. 13c [anders noch in der Vorauflage]; offen gelassen in BGH, Urteil vom 6. Dezember 2023 – 2 StR 471/22 –, juris Rn. 64; a. A. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Mai 2022 ‒ 1 Ws 122/22 –, juris Rn. 10 ff.; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 22. September 2022 – 1 Ws 118/21 –, juris Rn. 24 f.; Appl in: Karlsruher Kommentar, StPO 9. Aufl., § 459g Rn. 17; Bittmann, NStZ 2022, 8, 17). Danach handelt es sich bei § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO um eine verfahrensrechtliche Vorschrift, auf welche § 2 Abs. 3 StGB keine Anwendung findet; dies folgt insbesondere aus dem Regelungsgehalt der Norm, die lediglich eine – den Anordnungen nach § 455 StPO vergleichbare und nach ihrem Charakter vorläufige (vgl. § 459 Abs. 5 Satz 2 StPO) – Unterbleibensanordnung ermöglicht, welche die Höhe des durch das Tatgericht materiellrechtlich bereits abschließend bestimmten Einziehungsbetrages unberührt lässt (vgl. insb. Hanseatisches OLG Hamburg, a. a. O., Rn. 12 f.).
b) Nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO unterbleibt die Vollstreckung der zu einer Geldzahlung verpflichtenden Nebenfolge (§ 459g Abs. 2 StPO), soweit sie unverhältnismäßig wäre. Den früher als Unterfall der Unverhältnismäßigkeit gesondert geregelten Fall, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist (vgl. dazu etwa Senat, Beschluss vom 7. September 2020 – 5 Ws 105/19 –, juris Rn. 8 ff.), hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Juli 2021 gestrichen (vgl. dazu BT-Drucks. 19/27654, S. 111 f.; OLG Nürnberg, a. a. O., Rn. 18).
Unverhältnismäßig im Sinne des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO ist die Vollstreckung, wenn mit ihr aufgrund besonderer Umstände eine außerhalb des Einziehungszwecks liegende besondere Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Einziehung nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 65; OLG Stuttgart, a. a. O., 158 f.). Zu solchen Besonderheiten zählen nicht diejenigen Umstände, die der Gesetzgeber im Erkenntnisverfahren bewusst als nicht abzugsfähig normiert hat, wie etwa dem Abzugsverbot nach § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB unterliegende Aufwendungen (vgl. BGH, a. a. O., Hanseatisches OLG Hamburg, a. a. O., Rn. 25; Senat, a. a. O., Rn. 30). Im Übrigen hat der Gesetzgeber den Gerichten jedoch keine Beschränkungen auferlegt, welche Gesichtspunkte sie bei der Prüfung des § 459g Abs. 5 StPO berücksichtigen dürfen. Auch eine Entreicherung kann im Sinne einer Gesamtschau grundsätzlich weiterhin Berücksichtigung finden, wenngleich diese – ausgehend vom Willen des Gesetzgebers – nur in besonderen Ausnahmefällen geeignet sein wird, eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO zu begründen (BGH, a. a. O., m. w. Nachw.; Hanseatisches OLG Hamburg, a. a. O., Rn. 17; OLG Schleswig, a. a. O., Rn. 23). Ein solcher Ausnahmefall ist beispielsweise gegeben, wenn der Einziehungsadressat des Erlangten auf schicksalhafte und von ihm nicht zu vertretende Weise – etwa infolge schwerer Krankheit – verlustig gegangen ist (vgl. BT-Drucks. 19/27654, S. 112; BGH, a. a. O.; OLG Nürnberg, a. a. O.; Appl, a. a. O., Rn. 18; Bittmann, a. a. O.). Im Übrigen hat der Gesetzgeber die Ausbildung von Fallgruppen, in denen die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unverhältnismäßig wäre, der Rechtsprechung überlassen (vgl. BT-Drucks. 19/27654, a. a. O.). Insbesondere kann danach eine wesentliche Erschwerung der Resozialisierung zur Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung führen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 66; OLG Schleswig, a. a. O., Rn. 24; Appl, a. a. O., Rn. 18; Graalmann-Scheerer in: Löwe-Rosenberg, StPO 27. Aufl., § 459g Rn. 38; zu weiteren Fallgruppen etwa Bittmann, a. a. O., 17 f.; Meißner, StraFo 2021, 266, 271 f.). Darüber hinaus wird die Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 459g Abs. 5 StPO immer bei einer Verletzung des Übermaßverbots anzunehmen sein (vgl. BGH, a. a. O., m. w. Nachw.; Appl, a. a. O.; Graalmann-Scheerer, a. a. O., Rn. 37). Ob dies der Fall ist, ist jeweils aufgrund einer Gesamtwürdigung im Einzelfall zu prüfen (BGH, a. a. O.). Dabei kann auch auf die Rechtsprechung zu § 73c Abs. 1 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 1. Dezember 2015 – 1 StR 321/15 –, juris Rn. 12) zurückgegriffen werden (vgl. Köhler, a. a. O., Rn. 13).
c) Für die Entscheidung nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO bedarf es einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Insoweit sind zwar die Urteilsfeststellungen und etwaige Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft aus vorangegangenen erfolglosen Vollstreckungsversuchen mit heranzuziehen. Im Übrigen trägt jedoch der Verurteilte grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für eine Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung; eine Amtsermittlungspflicht besteht hingegen nicht (vgl. OLG Schleswig, a. a. O., Rn. 26; Hanseatisches OLG Hamburg, a. a. O., Rn. 19; Senat, a. a. O., Rn. 18 f. [zur Entreicherung nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO a. F.]; Köhler, a. a. O.). Da die (weitere) Vollstreckung den gesetzlichen Regelfall und das Unterbleiben die Ausnahme darstellt, ist es Sache des Verurteilten, Umstände darzulegen, die ein Unterbleiben der weiteren Vollstreckung rechtfertigen sollen (OLG Schleswig, a. a. O.). Lediglich pauschale, nicht nachprüfbare Behauptungen des Einziehungsadressaten bilden dabei keine ausreichende Grundlage; anders liegt es auch dann nicht, wenn deliktsspezifische Beweisschwierigkeiten bestehen (Hanseatisches OLG Hamburg, a. a. O., und Senat, a. a. O., Rn. 28, jew. mit Blick auf das regelmäßige Fehlen einer Dokumentation der Zahlungsflüsse bei Betäubungsmittelgeschäften).
2. Nach diesen Maßstäben besteht für eine Anordnung nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO hier kein Raum. Eine Unverhältnismäßigkeit der Einziehung (in einem den ihm verbliebenen Betrag übersteigenden Umfang) ergibt sich nicht mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer den zunächst von ihm betrügerisch vereinnahmten Geldbetrag tatplangemäß größtenteils sogleich über ein Konto der R. GmbH an seinen Mittäter, den Verurteilten V. weitergereicht hat (vgl. nachfolgend a)). Die damit verbundene Entreicherung könnte eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne der Neuregelung des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nach den vorgenannten Maßstäben nur in besonderen Ausnahmefällen begründen, an denen es hier jedoch mangelt (unten b)).
a) Soweit der Beschwerdeführer in Fällen der „Verschiebung“ von Taterlösen – wie hier – eine Vermögensabschöpfung allein bei dem „Endempfänger“ und nicht bei dem entreicherten Mittäter für zulässig erachtet, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
aa) Der genannte Fall ist von dem nunmehr als Ausnahmevorschrift konzipierten und enger gefassten § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nicht erfasst.
(1) Zwar trifft es mit Blick auf die Gesetzeshistorie zu, dass nach der Härteregelung des § 73c Abs. 1 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung das Tatgericht im Falle einer Entreicherung im Ermessenswege von einer Einziehungsordnung absehen konnte und dass der Wegfall dieser Möglichkeit (mit Ausnahme gegenüber gutgläubigen Dritten) im Zuge der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (Gesetz vom 13. April 2017, BGBl. I S. 872) dadurch kompensiert wurde, dass der Umstand nunmehr (zwingend) im Rahmen der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung Berücksichtigung zu finden hatte (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 57, 94, zu § 459g Abs. 4 Satz 1 StPO-E; dazu BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021 ‒ 2 BvL 8/19 – [= BVerfGE 156, 354 ff.], juris Rn. 11, 121; Coen, a. a. O., Rn. 20). Ungeachtet der Frage, ob die „Verschiebung“ von Taterträgen danach (generell) eine zu berücksichtigende Entreicherung begründet hätte (vgl. dazu den angefochtenen Beschluss), besteht diese Rechtslage jedenfalls nicht mehr fort. Der Streichung des in § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO a. F. geregelten Falles, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Einziehungsadressaten vorhanden ist, lag zugrunde, dass der Gesetzgeber die bisherige „pauschale und zwingende“ Erfassung der Entreicherung – bei der wertende Erwägungen etwa zu den Gründen der Entreicherung außer Betracht zu bleiben hatten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 1 StR 651/17 –, juris Rn. 57) – als zu weitgehend erachtete; außerdem sah er darin einen Widerspruch zu den Wertungen des Bereicherungsrechts sowie zu der Zielsetzung, durch Straftaten erlangtes Vermögen effektiv abzuschöpfen (vgl. BT-Drucks. 19/27654, S. 111). Soweit der Beschwerdeführer es gleichwohl für geboten erachtet, die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung in Fällen der Weitergabe von Taterträgen bei dem betreffenden Einziehungsbeteiligten grundsätzlich auf die Höhe des diesem verbliebenen Betrages zu begrenzen, findet dies in der Neuregelung und den dieser zugrundeliegenden Erwägungen des Gesetzgebers keine Stütze. Dass die Gesetzesbegründung die „Verschiebungsfälle“ nicht erwähnt, belegt nach Auffassung des Senats nicht etwa, dass der Gesetzgeber diese anders behandeln wollte als die nunmehr von einer Privilegierung ausgenommenen Fälle, in denen der Täter die Tatbeute schnell verbraucht (BT-Drucks. 19/27654, a. a. O.). Vielmehr ergibt ein Vergleich mit der explizit genannten Fallgruppe des schicksalhaften und vom Täter nicht zu vertretenden Verlustes, in der die Vollstreckung nach der Vorstellung des Gesetzgebers ausnahmsweise unverhältnismäßig sein soll (BT-Drucks. 19/27654, S. 112), dass die – gänzlich anders gelagerte – tatplangemäße Weitergabe des Tatertrages an einen Mittäter hiervon offensichtlich nicht mit erfasst sein sollte.
Zutreffend geht der angefochtene Beschluss davon aus, dass es einen Wertungswiderspruch darstellte, in derartigen Fällen zwar im Erkenntnisverfahren auch gegenüber dem Entreicherten – wie höchstrichterlich anerkannt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2021 ‒ 3 StR 381/21 –, juris Rn. 16, m. w. Nachw., auch zur [hier nicht gegebenen] Ausnahmekonstellation des nur „transitorischen Besitzes“) – eine Einziehung des Gesamtbetrages anzuordnen, sodann jedoch die Vollstreckung der Einziehung über § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO von vornherein auf denjenigen Betrag zu beschränken, der dem jeweiligen Tatbeteiligten tatsächlich verblieben ist. Im Sinne eines Gleichlaufs zwischen materiellem Einziehungsrecht und Vollstreckungsrecht gilt auch insoweit der Grundsatz, dass Umstände, die im Erkenntnisverfahren bei der Bestimmung des Einziehungsumfangs nicht berücksichtigungsfähig sind – wie hier die tatplangemäße Weitergabe des Erlangten an einen Mittäter–, auch im Rahmen des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO außer Betracht zu bleiben haben (vgl. oben 1.b)), so dass eine Vollstreckung nur dann ausscheidet, wenn sie aufgrund (anderer) besonderer Gesichtspunkte gegen das Übermaßverbot verstieße.
Für diese Auslegung spricht weiter, dass der Gesetzgeber zur Begründung der Neuregelung ausdrücklich auf die Wertungen des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts Bezug nimmt und betont, dass sich derjenige, der sich durch die vorsätzliche Begehung eines Vermögensdeliktes bereichert hat und daher bösgläubig ist, gegenüber dem Verletzten nicht auf Entreicherung berufen kann (§ 819 Abs. 1 i. V. m. § 818 Abs. 4 BGB), so dass gegen ihn bis zu den Grenzen des zivilprozessualen Pfändungsschutzes vollstreckt werden kann, auch wenn er das Erlangte bereits verbraucht hat (BT-Drucks. 19/27654, S. 112). Nichts anderes kann für den hier in Rede stehenden Fall gelten, dass der Einziehungsadressat den erlangten Betrag tatplangemäß (größtenteils) an einen Mittäter weitergereicht hat. Wenngleich auch hier kein bei dem Einziehungsadressaten gegenwärtig noch vorhandener Vermögensvorteil aus der Tat mehr abgeschöpft wird, entspricht die Vollstreckung der Einziehung den Wertungen des Bereicherungsrechts, welches explizit eine unbeschränkte Haftung des bösgläubigen Bereicherungsschuldners vorsieht. Die Einziehung verliert damit nicht etwa ihren kondiktionsähnlichen Charakter (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., Rn. 106), sondern stellt gerade einen Gleichklang mit dem zivilrechtlichen Kondiktionsrecht her.
(2) Eine abweichende Bewertung ist hier auch nicht deshalb geboten, weil der Staat als Empfänger der eingezogenen Beträge nicht zugleich Verletzter der verfahrensgegenständlichen Straftat ist und der geschädigte Staatsfonds L. auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts Berlin vom 2. Juni 2022 (…) von dem Beschwerdeführer lediglich eine Zahlung von 164.620,81 Euro nebst Zinsen beanspruchen kann. Zwar trifft es zu, dass eine Auskehrung des bei dem Beschwerdeführer eingezogenen Vermögens an den L. unter diesen Voraussetzungen – auch ungeachtet der Finanzsanktionen auf der Grundlage der Verordnung (EU) 2016/44 – derzeit nicht in Betracht kommen dürfte. Dies führt jedoch nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Einziehung bei dem Beschwerdeführer. Es steht bereits nicht fest, dass der Einziehungsbetrag tatsächlich endgültig der Staatskasse zufallen wird. Vielmehr hat der geschädigte Staatsfonds nach den Erkenntnissen aus dem hiesigen Vollstreckungsverfahren einen zivilprozessualen Titel über nahezu den gesamten Einziehungsbetrag gegen den Mittäter, den Verurteilten V., erlangt, so dass er auf dieser Grundlage künftig gegebenenfalls die Herausgabe (auch) des bei dem Beschwerdeführer Eingezogenen erreichen kann, weil dieser aufgrund derselben Straftat als Gesamtschuldner (vgl. dazu unten bb)) zum Wertersatz verpflichtet ist (vgl. § 459k Abs. 5 i. V. m. § 459h Abs. 2 Satz 1 StPO). Ungeachtet dessen ist auch die der Regelung des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB sowie des § 459g Abs. 4 Satz 2 StPO zugrundeliegende Wertung zu berücksichtigen; danach kann sich der Einziehungsadressat sowohl nach materiellem Recht als auch im Vollstreckungsverfahren nicht erfolgreich auf eine Verjährung berufen, soweit es um die Frage geht, ob die Einziehung ausgeschlossen ist, weil der Rückgewähranspruch des Verletzten „erloschen“ – zutreffender wäre insoweit: nicht mehr durchsetzbar – ist. Diese Vorschriften würden unterlaufen, ordnete man im Rahmen des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO an, dass die Einziehung zu unterbleiben hat, weil die entsprechenden Rückgewähransprüche verjährt sind. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass eine einmal begangene strafbare Handlung ihren Unrechtscharakter nicht dadurch verliert, dass die aus ihr gezogenen pekuniären Vorteile auf der Grundlage des Zivilrechts nicht mehr zurückgefordert werden können; das auf diese Weise erworbene Vermögen bleibt vielmehr weiterhin mit dem Makel deliktischer Herkunft behaftet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2022 ‒ 2 BvR 2194/21 –, juris Rn. 90 [für eine Einziehung durch Steuerstraftaten erlangter Beträge trotz abgabenrechtlicher Verjährung]). Die Vollstreckung der Einziehung verfehlt auch nicht den ihr vom Gesetzgeber beigemessenen Zweck, inkriminiertes Vermögen umfassend und effektiv abzuschöpfen. Der genannten Zielsetzung ist nicht nur dann Genüge getan, wenn die Einziehung zu einer vollständigen Wiederherstellung der zivilrechtlich zutreffenden Rechtslage führt, sondern bereits dann, wenn ein Betrag in der dem Erlangten insgesamt entsprechenden Höhe den (gesamtschuldnerisch haftenden) Tatbeteiligten entzogen wird, auch wenn er letztlich nicht dem Verletzten, sondern lediglich der Staatskasse zugutekommt. Denn auch auf diese Weise verleiht die Vollstreckung dem allgemeinen Prinzip Ausdruck, dass ein Vertrauen in den Fortbestand unredlich erworbener Rechte grundsätzlich nicht schutzwürdig ist (BVerfG, a. a. O., Rn. 91).
bb) Eine abweichende Betrachtung ist auch nicht im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO geboten. Es ist insbesondere nicht angezeigt, die Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung immer bereits dann für unverhältnismäßig zu erklären, wenn der Einziehungsbetrag nicht mehr im Vermögen des Verurteilten vorhanden ist, so dass dieser darauf verwiesen wäre, anderes Vermögen anzugreifen oder auch erst zu erwirtschaften, um die Einziehungsforderung zu bedienen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht – wie von dem Beschwerdeführer ins Feld geführt – in Bezug auf § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO a. F. anerkannt, dass der weitgehende Verzicht auf eine Prüfung der Entreicherung des Einziehungsbetroffenen sowie auf eine etwaige Unbilligkeit der Einziehung im Erkenntnisverfahren durch die Nachholung der entsprechenden Prüfung im Vollstreckungsverfahren hinreichend kompensiert werde (BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021, a. a. O., Rn. 121). Diese Ausführungen dienten jedoch vorrangig der Begründung, dass die Einziehung auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung nicht als eine an dem spezifischen strafrechtlichen Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG zu messende (Neben-)Strafe einzuordnen ist (BVerfG, a. a. O., Rn. 104 ff.). Der Entscheidung ist hingegen nicht zu entnehmen, dass es zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zwingend erforderlich wäre, dass die Einziehung bei einer Entreicherung des Einziehungsadressaten unterbleibt.
Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof mit Blick auf § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO in der seit dem 1. Juli 2021 geltenden, den Fall einer Entreicherung nicht mehr explizit regelnden Fassung ausgeführt, die Vorschrift stelle weiterhin ein Regulativ dar, das geeignet sei, unbillige Härten auszuräumen und die Verhältnismäßigkeit der Einziehung zu wahren (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2023, a. a. O., Rn. 62); die dabei formulierten – engen – Verhältnismäßigkeitsmaßstäbe entsprechen den auch von dem Senat für einschlägig erachteten (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 65 f., sowie oben 1.b)). Zu den besonderen Ausnahmefällen, in denen eine Entreicherung danach (nur) geeignet ist, eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 459g Abs. 5 StPO zu begründen, hat von Verfassungs wegen nicht die hier in Rede stehende Konstellation zu zählen, dass der Einziehungsadressat das Erlangte tatplangemäß (größtenteils) an einen Mittäter weitergeben hat. Der Senat teilt ebenso wie die Strafvollstreckungskammer die Auffassung des Gesetzgebers, dass der Einziehungsadressat durch die Grenzen des zivilprozessualen Pfändungsschutzes sowie über § 459g Abs. 2 in Verbindung mit §§ 459a und 459c (Abs. 2) StPO regelmäßig ausreichend geschützt ist (vgl. BT-Drucks. 19/27654, S. 112) und die dabei gleichwohl eintretenden Härten grundsätzlich hinzunehmen hat. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass der Beteiligte einer gegen fremdes Vermögen gerichteten vorsätzlichen Straftat anderenfalls besser gestellt würde als ein lediglich auf zivilrechtlicher Grundlage – verfassungsrechtlich unbedenklich – nach § 819 Abs. 1 i. V. m. § 818 Abs. 4 BGB haftender Bereicherungsschuldner, der den Mangel des rechtlichen Grundes kennt. Eine derartige Privilegierung wäre jedoch nicht zu rechtfertigen; vielmehr steht auch insoweit der Makel des deliktischen Vermögenserwerbs einer Schutzwürdigkeit des Verurteilten prinzipiell entgegen (vgl. nochmals BVerfG, Beschluss vom 7. April 2022, a. a. O., Rn. 90 f.).
Wie von der Strafkammer zutreffend ausgeführt ist dem Einziehungsadressaten im Falle der „Verschiebung“ des Erlangten außerdem grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, seinen Mittäter nach § 426 BGB auf Ausgleichung in Anspruch zu nehmen und damit seinen eigenen Haftungsumfang im Ergebnis zu mindern. Die insoweit von dem Beschwerdeführer vorgebrachten rechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Eine gesamtschuldnerische Haftung für den Schaden aus einer unerlaubten Handlung – hier in Gestalt der verfahrensgegenständlichen Straftat – sieht das Gesetz in § 840 Abs. 1 BGB ausdrücklich vor. Eine solche Haftung hat die erkennende Strafkammer auch angeordnet. Dies steht im Einklang mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die eine Haftung als Gesamtschuldner vorsieht, soweit die Beteiligten an demselben Vermögenswert unmittelbar aus der Tat (Mit-)Verfügungsmacht gewonnen haben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623-624/17 –, juris Rn. 13). Danach besteht zwischen den Einziehungsadressaten ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne des § 421 Satz 1 BGB (vgl. im Übrigen die zahlreichen Nachweise zu richterrechtlich anerkannten Gesamtschuldverhältnissen bei Gehrlein in: BeckOK, BGB 69. Ed. Stand: 1. Februar 2024, § 421 Rn. 10). Dies erleichtert dem Staat die Einziehung, weil ihm mehrere Schuldner zur Verfügung stehen, die jeweils für den gesamten Einziehungsbetrag haften; zugleich werden die Einziehungsadressaten vor einer übermäßigen Inanspruchnahme geschützt, weil ihre Haftung (lediglich) als Gesamtschuldner verhindert, dass das durch die Tat Erlangte mehrfach entzogen wird (vgl. BGH, a. a. O.).
b) Von einer Unverhältnismäßigkeit der Einziehung ist nach den zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses auch im Einzelfall nicht auszugehen. Insbesondere rechtfertigt die persönliche oder berufliche Situation des Beschwerdeführers eine solche Annahme nicht. Zwar können mit erheblichen finanziellen Einbußen verbundene berufsrechtliche Folgen wie der Verlust des Notariats oder die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft eine Unverhältnismäßigkeit begründen (vgl. Graalmann-Scheerer, a. a. O.). Die Bestellung des Beschwerdeführers zum Notar ist jedoch bereits aufgrund seiner Verurteilung erloschen und damit nicht (drohende) Folge einer Vollstreckung der Einziehungsentscheidung. Ein Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft droht dem Beschwerdeführer aufgrund der Einziehung lediglich dann, wenn er deswegen in Vermögensverfall geraten sollte (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Dass es hierzu kommen wird, ist jedoch nicht in einer Weise konkret absehbar, dass es bereits zum jetzigen Zeitpunkt den Verzicht auf die weitere Vollstreckung der Einziehungsanordnung gebieten würde. Nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen ist der Beschwerdeführer unter anderem (Mit-)Eigentümer mehrerer (zumindest teilweise lastenfreier) Grundstücke; zudem steht im Raum, dass er mit der Veräußerung weiterer Grundstücke Verkaufserlöse erzielt hat. Welche Erträge die Abschöpfung dieser Vermögenswerte erbringen wird und in welchem Umfang der Einziehungsbetrag dadurch ausgeglichen werden kann, ist im gegenwärtigen Stadium des Vollstreckungsverfahrens noch weitgehend offen. Zugleich liegt es daher fern, dass der Beschwerdeführer, der aus der Beteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht nur geringfügige monatliche Einnahmen erzielt, allein aufgrund der Vollstreckung in die genannten Vermögensgegenstände in Vermögensverfall geraten könnte. Darüber hinaus ist auch nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer überhaupt im Umfang des gesamten Einziehungsbetrages in Anspruch genommen wird. Zum einen hat der Mitverurteilte V. nach den Feststellungen des Anlassurteils den Taterlös zumindest teilweise zum Erwerb von Vermögensgegenständen – darunter zwei Immobilien in Großbritannien und auf Malta – eingesetzt, deren Einziehung jedenfalls möglich erscheint. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft bereits in Aussicht gestellt hat, auf der Grundlage vollständiger Erkenntnisse über die Vermögenslage des Beschwerdeführers ein befristetes Absehen von der Vollstreckung nach § 459c Abs. 2 i. V. m. § 459g Abs. 2 StPO zu prüfen. Angesichts dessen besteht für eine Anordnung nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit derzeit kein Raum.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
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